Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2812]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz,
13. Februar 1547]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 598-600 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 589-592, Nr. 1411

[1]Am Vortag kehrte Peter Scher d.Ä. von Schwarzenburg aus Ulm mit so vielen Nachrichten zurück, dass Blacer nicht alle niederschreiben kann. [2] Im Ulmer Münster ließ man die Stühle und Bänke entfernen und die Knechte darin mustern, die dort mit ihren Hakenbüchsen umherschossen! Um dieser Situation abzuhelfen, gaben die [Ulmer Behörden] vor, die Kirche müsse geräumt werden, weil man darin die Totenmesse für die verstorbene Königin [Anna von Böhmen und Ungarn]abhalten werde. Im Predigerkloster, wo erneut Messen gefeiert werden, wurden Kirche und Altäre geschmückt und eine goldene Maria an ihrem ursprünglichen Platz aufgehängt. Vermutlich wird man die Mönche und Pfaffen wieder in die Stadt einlassen und ihnen die Ausübung ihres Glaubens und ihrer Riten erlauben, genauso wie dies jetzt noch den Protestanten gestattet wird, bis man es ihnen bei der ersten guten Gelegenheit wieder verbietet. [3] Scher erzählte, wie ihm ein Protestant [...], der anonym bleiben will, berichtete, in Ulm gehört zu haben, wie Maximilian von Egmont, Graf von Büren, und Kaiser Karl V. über Papst Paul III. schimpften. Der Kaiser habe unter anderem gesagt, er wolle dem Pfaffen schon beibringen, dass er sein Kaiser sei; er habe auch vor, den Papststuhl mit einer geeigneten Person zu besetzen. Dabei wird er von den hemmungslosen Spaniern aufgehetzt. [4]Er hat auch alle Italiener beurlaubt. Fast alle sind schon abgezogen. [Bernhard] von Schaumburg soll mit neun Fähnlein deutscher Infanteristen nach Augsburg ziehen, [Eriprando]Madruzzo mit vier oder fünf Fähnlein nach Ravensburg. [5]Angeblich ersucht auch Landgraf Philipp von Hessen um die Gnade des Kaisers. Von Büren soll sich deshalb als Vermittler nach Ulm zum Kaiser begeben haben. In der Anwesenheit eines jungen Mannes [...]fragte er den Kaiser, ob dieser denn nicht den Landgrafen mit dem [vom Letzteren gefangen gehaltenen]Herzog Heinrich von Braunschweig zu sich laden und ihn begnadigen wolle? Der Kaiser schmunzelte und meinte, man könne wohl darüber nachdenken. [6]Der Landgraf sei guter Dinge, gehe nach gewohntem Brauch auf die Jagd und nehme manchmal den jungen Herzog [Karl Viktor] von Braunschweig mit. Auch die strengen Haftbedingungen Herzog Heinrichs seien gelockert worden. Wenn das stimmt, bedeutet es, dass die Freiheit des Landgrafen von derjenigen des Herzogs abhängen wird. Was für ein Jammer! [7]Die kaiserlichen Soldaten rauben, plündern und misshandeln Frauen allen Alters, besonders im Ulmer Gebiet. Der Ulmer Hauptmann Michel Berchtold von Nellingen erzählte Scher, dass die Bewohner eines Dorfes sich in Ulm heftig über Soldaten beklagt haben, die ganz junge Mädchen stehend vergewaltigt haben, sodass deren Schuhe voll Blut waren. Bei diesen Leuten gibt es wahrlich weder Zucht noch Ehre! Wie sehr muss Gott erzürnt sein! [8]Den Michelsberg bei Ulm hat man vermessen, weil der Kaiser dort ein Schloss und eine Festung bauen will, um die Stadt, die ihre Freiheit wohl für immer los sein wird, besser unter Kontrolle zu halten. [9]Etwa 15 Maulesel des [Nicolas Perrenot, Herrn von] Granvelle, wurden in Begleitung von 150 Reitern in Schaffhausen und Stockach gesichtet. Der Stockacher Wirt [...]erzählte Scher, dass die Reiter über ihren Dolmetscher [...] sagen ließen, dass sie nach [Italien und Spanien] zögen, um dort 15'000 neue Soldaten anzuwerben und sich daraufhin auch die Schweiz zu unterwerfen.

1 Das Datum ergibt sich aus einem Vergleich zwischen Nr. 2807,14-16, und unten Z. 1f.


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[10] In Lindau wird viel Salz für die Innerschweiz gekauft. So hat [der Urner Martin Tresch], Vogt zu Münsterlingen, kürzlich über 40 Fässer für diese Orte erworben. Diese führen wohl etwas im Schilde. Die Zürcher sollen sich vorsehen! [11]Herzog [Ulrich] von Württemberg wird seit einiger Zeit in Ulm [zum Fußfall vor dem Kaiser] erwartet, ist aber noch nicht erschienen. Vielleicht ist er krank. [12]Es war gut, dass der Zürcher Gesandte [Georg Müller] in Konstanz war. Wie schon in der Stadt, so wird man auch bald in der Umgebung erzählen, dass die Eidgenossen Konstanz nicht verlassen werden. [13] Es ist natürlich nicht die Absicht der Konstanzer, sich König Franz I. zu unterwerfen, wie dies Bullinger wohl begriffen haben wird. Demzufolge sind die Verhandlungen mit Frankreich so zuführen, wie [Konrad Zwick] es [in Nr. 2762]dargelegt hat. Nur derartige Verhandlungen können verantwortet werden. Gott gebe Erfolg! [14]Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen soll die sich im Besitz König Ferdinands I. befindliche [Ober]lausitz angegriffen haben. Anscheinend zieht nun der König mit vielen Böhmen gegen ihn. Möge Gott diesem von allen verlassenen Kurfürsten beistehen! [15] Was in Bezug auf die Konstanzer geschehen wird, ist ungewiss. Scher hat vom kaiserlichen Kommandanten in Kirchheim unter Teck, [Lorenz] von Altensteig, gehört, dass die Grafen [Friedrich von Fürstenberg]-Heiligenberg und [Hugo] von Montfort vom Kaiser beauftragt wurden, Konstanz zu bedrängen. Vielleicht wird man die Stadt nicht belagern, sie aber in die Acht nehmen und ihr den Handel und den Zugang zu den Märkten verbieten. Doch auch dann würde Gott sie nicht verlassen, wenn sie ihm bereitwillig vertraute. Bullinger möge für die Konstanzer beten, denn solche Maßnahmen werden in der Bevölkerung bald für Unmut sorgen. [16][Am 9. Februar] hat Blarer durch Hans Stadelmann, Pfarrer in Altnau, an Bullinger geschrieben, und diesen gebeten, Stadelmann behilflich zu sein. Dieser wird wohl schon bei Bullinger gewesen sein oder in Kürze bei ihm erscheinen. [17] Seit der Ergebung Augsburgs hat Blarer weder von Georg Frölich noch von den Bürgermeistern [Hans Welser und Jakob Herbrot] einen Brief erhalten, wohl aber von anderen frommen und vornehmen Leuten (darunter Sixt Birck), die sich über das Einlenken der Stadt sehr beschweren. [18] Scher erzählte außerdem, dass während des Schmalkaldischen Krieges Briefe etlicher Prädikanten dem Beichtvater des Kaisers, [Pedro de Malvenda], übergeben wurden. Daraus entstand großes Unheil, da in den Briefen allerlei über den Kaiser geschrieben wurde. Blarer denkt daher, dass die während des Krieges geschriebenen Briefe verbrannt oder anderweitig beseitigt werden sollten. Anbei ein [an Johannes Brenz gerichteter Droh]brief der in Schwäbisch Hall vermutlich von Malvenda an die Kirchentür angeschlagen wurde.

Mein l[ieber]schwager Peter Schär 2 ist auff gestert von Ulm kommen. 3 Zögt mir vyl und mancherlay an, das ich nitt alles erschreiben 4 kan a .

In der grossen pfarrkirchen zü Ulm hat man all stül und benck aussrümmen und die knecht darinn müssen müsteren lassen. 5 Die habend ire hacken 6 darinn uss und abgeschossen, unnd hat man allso die filios tonitrui 7 hören müssen, etc. Man hat in auffrummung der kirchen ain fürwort gesücht, man müsse die abgestorbnen königin 9 darin begon 10 . Im Predigerkloster 11 zü Ulm

a kan Fehlt in der Vorlage.
2 Peter Seher d.Ä. von Schwarzenburg.
3 Vgl. Nr. 2807,14-16.
4 ganz ausschreiben; s. Fischer II 841.
5 Zu diesem Ereignis im Ulmer Münster s. Rommel, Ulm 91.
6 Hakenbüchsen.
7 In Anspielung auf Mk 3. 17, allerdings mit der negativen Deutung von "filii iniquitatis" im Gegensatz zu den "filii pacis".
8 Vorwand.
9 König Ferdinands Gemahlin Anna Jagiello, Königin von Böhmen und Ungarn, die am 27. Januar in Prag gestorben war und auch dort beigesetzt wurde; s. Alfred Kohler, Ferdinand I., 1503-1564. Fürst, König und Kaiser, München 2003. S. 96.
10 die königin begon: eine Totenfeier für die Königin abhalten; s. Fischer I 759. —Tatsächlich ließ Kaiser Karl V., wenn auch


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ziert man die kirchen und altar widerum und hat die schönen guldinen mergen 12 mitten uffgehenckt, wie sy vor vyl jaren da gehangen ist. 13 Ouch hat man darinn mesß. Und ist die mainung, das man mynck 14 und pfaffen widerum insetz, sy iren glouben und cerimonien üben und halten lasse, und wir ouch gloubind und haltind, was wir wellind, byß auff wytern bschaid, den man unß zü erster irer glegenhait geben wirt. 15

Daneben hat er mir anzögt von aim guthertzigen man 16 (der unsers gloubens, und aber 17 nitt ze nennen ist) b , das er gehört hab zü Ulm von dem von Peuren 18 und dem kaiser das sy dem papst 20 treffelich ubel gereddt haben, und der kaiser gesagt, er well den pfaffen 22 lehren, das er sechen solle, das er sein kaiser seye! Er welle ouch des papsts still recht setzen 23 und den dreynsetzen, der darin gehör! Vyl anders hat er ouch von dem papst gereddt. Und die Spanyer redind im alle grausam ubel zü on scheuchen 24 .

Item der kaiser hat all Italiäner schon geurlopt. 25 Sind der mehrtail schon hinweg. Und soll der von Schauwenberg 26 mitt 9 fennlin teutschen knechten gen Augspurg, 27 und der von Madrutz 28 mitt 4 oder 5 fendlin gen Ravenspurg.

Item, man acht, der landtgrauff 29 solle ouch zü gnaden komen. 30 Darinn soll der von Beuren yetz zü Ulm bym kaiser handlen. 31 Derselbig hat verruckter 32 tag zum kaiser in anhören ains güten jungen herren 33 gesagt: "Allergnedigster

b Klammern ergänzt.
nicht im Münster, so doch in der ihm vom Rat überlassenen Dominikanerkirche (Predigerkloster), am 24. Februar 1547 eine Totenfeier für Anna durch Bischof Johann von Weeze abhalten; s. Rommel, Ulm 90.
11 Das der Maria geweihte Dominikanerkloster (heute Dreifaltigkeitskirche).
12 Marien(bild oder -statue); s. Fischer IV 1470.
13 Der Ulmer Rat hatte 1531 die Bilderentfernung aus den Kirchen angeordnet; s. Litz 114-122.
14 Mönche.
15 Siehe dazu Nr. 2734, Anm. 6; Nr. 2738,3f; Nr. 2746,55-58.
16 Unbekannt.
17 und aber: jedoch.
18 Maximilian von Egmont, Graf von Büren.
19 Karl V.
20 - Paul III.
21 Vgl. Nr. 2819,26-28. 35-59.
22 den Geistlichen.
23 recht setzen: richtig (mit der richtigen Person) besetzen; s. Fischer V 1373.
24
25 Vgl. Nr. 2771,49-51; Nr. 2819,56f.
26 Bernhard von Schaumburg (Schauenburg).
27 Es kamen damals sechs Fähnlein in Augsburg an; s. Nr. 2791, Anm. 42.
28 Gemeint ist vermutlich Eriprando (Aliprando; Hildebrand) Madruzzo, kaiserlicher Oberst, der am 17. Februar in Ulm an der Pest starb; s. den Brief von Christoph von Carlowitz an Herzog Moritz von Sachsen aus Ulm vom 15. Februar mit späteren Zusätzen (Moritz von Sachsen PK III 247). Madruzzo wurde am 20. Februar bestattet; s. Venetianische Depeschen II 180, Anm. 8. Vgl. ferner Nr. 2824,7-9.
29 Philipp von Hessen.
30 Vgl. dazu Nr. 2746,31-35. 62-67. 106— 109; Nr. 2753,20f; Nr. 2785,56f; Nr. 2786,33f.
31 Diese Nachricht findet sich auch in PC IV/1 594. — Von Bürens Aufenthalt beim Kaiser geht auch aus Nr. 2822,14f, hervor.
32 vergangener.
33 Unbekannt.


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kaiser, wie wer im 34 , wann der landtgrauff Für 35 e[wer]kai[serlich] m[ajestä]t keme und den hertzog von Braunschwig 36 mittbrechte? 37 Wol 38 ewer kai. mt. nitt gnad bewysen?"Daruff der kaiser geschmollet 39 und gesagt hab: ,Wir dorfften danecht 40 etwas thain 41 , doch weilten wir unß danecht bedencken 42 ."

Man sagt, der landtgrauff seye sicher und guter ding, jage seinem alten praüch nach, 43 füre etwan den jungen hertzog von Brunschwig 44 mitt ime uff das gejäg 45 . Und seye der alt ouch nitt mehr in harter gefencknuß. Ists war, so bin ich gwysß, quod erit anima sua 46 pro anima illius 47 . Es ist jomer!

|| 559 Item, man robt, plundert, misshandlet wyber unnd junckfrauwen, sonderlich uff dem land und in dero von Ulm herrschafft, so jomerlich, das es zü erbarmen ist. 48 Hat meinem schwager ain frommer hoptman gesagt, haist Michel von Nollingen, 49 das aben ain brieff und supplication usß aim dorff denen von Ulm kommen seye, da die underthon jemerlich klagend, wie das dis ellend kriegsvolcks ettliche junge, unzytige 50 tochterle dermassen stendlingen 51 stupriert 52 habend, das inen das blüt in schüchen 53 geschwumen

34 es.
35 vor.
36 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
37 Zu von Bürens Vorschlag und der Einbeziehung der Braunschweiger Angelegenheit in die Friedensverhandlungen des Landgrafen s. Simon Ißleib, Philipp von Hessen, Heinrich von Braunschweig und Moritz von Sachsen 1541-1547, in: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, 2, 1903, 71 mit Anm. 1; ders., Die Gefangennahme des Landgrafen Philipp von Hessen, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 11, 1890, 184f.
38 Möchte (Wolle).
39 gelächelt.
40 wohl; später.
41 tun.
42 weilten wir unß danecht bedencken: wollen wir dennoch darüber nachdenken.
43 Siehe auch Nr. 2805,36.
44 Karl Viktor, der wie sein Vater Heinrich d.J. vom Landgrafen gefangen war.
35 Jagd.
46 Die Seele des Landgrafen.
47 Die des Herzog Heinrichs.
48 Siehe Nr. 2782,19f; Nr. 2787,34f.
49 Michel Berchtold von Nellingen, der 1529 als Hauptmann der Stadt Ulm (s. PC I 405, Nr. 669) und 1534 auch im
Dienst des Herzogs Ulrich von Württemberg (s. Pfeilsticker I, Nr. 1555) nachgewiesen ist, nämlich als "Diener von Haus aus". So wurden Beamte bezeichnet, die weiterhin auf ihrem Anwesen lebten, aber verpflichtet waren, eine "festgelegte Zahl von Berittenen zu halten", um ihrem Dienstherrn bei Bedarf zu Hilfe zu eilen (s. Volker Press, Calvinismus und Territorialstaat, Stuttgart 1970, S. 144). In Gerber, Kriegsrechnungen I 76 ist er während des Schmalkaldischen Krieges als Hauptmann nachgewiesen, "welcher in musterung der wagenpferd, so alhie angenomen worden, vil much gehapt", und als solcher vom Landgrafen entschädigt wurde. Sollte er mit den gleichnamigen Personen. die in Albrecht Weyermann, Neue historisch-biographischartistische Nachrichten von Gelehrten und Künstlern, auch alten und neuen adelichen und bürgerlichen Familien aus Ulm, Ulm 1829, S. 24, bzw. in der Urkunde B 509 U 974 des Staatsarchivs Ludwigsburg angeführt werden, identisch sein, würde er 1482 geboren sein und im März 1549 noch gelebt haben.
50 noch nicht geschlechtsreife.
51 im Stehen; s. SI XI 1039f.
52 vergewaltigt.
53 Schuhen.


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seye. Es ist in summa weder zucht noch ehr, weder billichs noch rechts by denen leuten und ain grosser zorn gottes wider uns.

Ouch hat man den Michelsberg, by Ulm gelegen, aller ding gar vlyssig abgemessen, und achtet man, der kaiser well ain schlosß und veste dahin buwen, damitt die statt allweg dermassen beschwert 54 und beherschet blybe, das sy zü irer lybertet nymmermehr komme. 55 Es sind ongefarlich 15 mulesel des Granvela 56 mitt 150 pferdten belait 57 worden, zü Schafthusen ouch gewesen und zü Stockach 58 . Hat der wirt 59 zü Stockach meinem schwager Peter Scheren anzögt, wie die reuter gesagt habind under anderm durch iren dolmettsch 60 , sy wellind hinein 61 und 15'000 frischer knecht bringen und die Schwytzer ouch gehorsam machen.

So koufft man zü Lyndauw überuß vyl saltz in die Lender 62 . Und hat der vogt zü Mynsterlingen 63 kurtzlich ettlich und viertzig 64 fasß saltz zü Lyndauw in die Lender koufft, das man schier argwonen will, man habe etwas im synn. Darum secht, habt güt sorg!

Der hertzog von Wirtemperg 65 ist noch nitt persönlich zü Ulm gewesen. Nitt waist man, was es deut 66 , dann 67 er hat vor ettlichen tagen dahin komen sollen. Ist villicht kranck. 68

Das ewer gesandter 69 hie gewesen, ist ain güt werck. Und gaht schon das gschray 70 usß in gantzer statt, die Aidgnossen wellind diß statt nitt verlassen. Wirt glich usserhalb der statt ouch erschellen.

Franckreich halber, das wir unß an die kron Franckreych 71 ergeben sollten, ist unß gar nitt ze thain, wie ir selbs die ursachen 72 wol wisst, aber uff ain solichen weg ze handlen, wie ir von mynem l[ieben]c73 . Das were wol thainlich 74 und vor gott und der wellt verantwurtlich 75 . Gott geb gnad, das es bescheche!

c Zu ergänzen wisst.
54 bedrängt.
55 Zu diesem falschen Gerücht s. schon Nr. 2762,87-90.
56 Nicolas Perrenot, Herr von Granvelle. — Falls diese Nachricht nicht völlig erfunden ist, befand sich damals Granvelle nicht auf dem Weg nach Italien, sondern nach Burgund; s. Nr. 2822, Anm. 10.
57 begleitet; s. SI III 1493.
58 Kr. Konstanz, etwa 30 km nordwestlich von Konstanz.
59 Unbekannt.
60 Unbekannt.
61 Gemeint ist Italien und vielleicht auch Spanien; vgl. Nr. 2814,11, wo "dinnen" ebenfalls Italien bezeichnet.
62 in die Lender: für die katholischen Orte der Innerschweiz.
63 Martin Tresch aus Uri, der für diese Zeit als Vogt zu Münsterlingen nachgewiesen ist; s. z.B. Zürich StA, B IV 16. f. 139r.; EA IV/1d 897. 1069.
64 ettlich und viertzig: mehr als vierzig.
65 Ulrich von Württemberg.
66 bedeutet. 67 denn.
68 Zu Herzog Ulrichs Ergebung in Ulm s. Nr. 2782, Anm. 22.
69 Georg Müller; s. Nr. 2800, Anm. 43.
70 Gerücht.
71 also an König Franz I.
72 Gründe.
73 Konrad Zwick. — Siehe dazu Nr. 2762,53-80.
74 machbar.
75 zu verantworten.


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||600 Der churfürst 76 soll uff die Lausnitz 77 angriffen haben. Ist des königs 78 . Sold im der könig mitt vyl Behamen 79 engegenziechen. Der frum furst ist von yederman verlassen. Gott well inn zü vyl gütem erhalten, etc.!

Was man mit unß im synn hab, können wir noch nitt wissen. Aber mein sch[wager] Peter ist yetz zü Kirchen in Wirtemperg 80 by dem obersten des e kaisers gewesen. Ist ainer f von Altenstaig. 81 Von dem hat er gehört, das er 82 gesagt hat: "Man wirt die von Costentz nun den graufen vom Hailgen Berg 83 und von Muntfort 84 bevelchen. Die werden sy mitt bystand der kaiserischen wol wissen ze fretten 85 ."Wie wir dann wol achten, man werde kain blegerung 86 gegen uns furnemmen, aber die acht, und unß den wandel 87 und die merckt abstricken 88 , etc. Der gott aber, der in allem helffen kan, wurde unß nitt verlassen, so wir handtlich 89 und wol getrost uff inn weren 90 . Da helfft uns hertzlich um bitten, dann der arm gmain mann, der sein narung dussen 91 süchen müsß, wirt durch sölichen weg, Wa 92 es gott nitt wendt 93 , gantz ubel beschwert und bald, wie zü besorgen, undultig 94 werden.

Ich hab euch diß tag by dem Hans Stadelman, pfarrer zü Altnow, geschriben, 95 das ir in seiner sach im beholfen weren. Gedenck, er seye by euch gewesen oder kome doch hutt oder morn zü euch. 96

Syd sich Augspurg ergeben, 97 hat mir weder Letus 98 noch kain burgermaister 99 ychtzit 100 geschriben, wol 101 etlich ander fromm, ouch fürnem leut,

d in der Vorlage so. —
e Über der Zeile nachgetragen.
f in der Vorlage ainr.
76 Johann Friedrich I. von Sachsen.
77 Oberlausitz. — Siehe Nr. 2786, Anm. 38; Nr. 2810, Anm. 37.
78 Ferdinand I.
79 Böhmen. — Siehe dazu Nr. 2836, Anm. 14.
80 Kirchheim unter Teck.
81 Gemeint ist hier der kaiserliche Kommissar Lorenz von Altensteig, Kommandant von Kirchheim; s. Mameranus, Fam. 42; Viglius van Zwichem Reg.; Heyd, Ulrich von Württ. III 490.
82 der Kaiser.
83 Friedrich II. von Fürstenberg bzw. von Fürstenberg-Heiligenberg, kaiserlicher Leutnant und Rittmeister; s. Viglius van Zwichem 259f.
84 Graf Hugo XVI. von Montfort-Tettnang-Rothenfels, Rat im Dienste Herzog Wilhelms von Bayern und bisweilen auch der Habsburger; s. Mameranus, Fam. 89; Nadja Lupke-Niederich, Habsburgische Klientel im 16. Jahrhundert: Hugo von
Montfort im Dienste des Hauses Habsburg, in: Karl V. Politik und politisches System. Berichte und Studien aus der Arbeit an der politischen Korrespondenz des Kaisers, hg. von Horst Rabe, Konstanz 1996, S. 137-161.
85 wundreiben; plagen; s. Fischer II 1746.
86 Belagerung.
87 Handel.
88 verbieten; s. Fischer I 75.
89 durch aktives Handeln.
90 getrost uff inn weren: auf ihn vertrauen.
91 draußen.
92 wenn.
93 abwendet.
94 unwillig, unruhig.
95 Mit Brief Nr. 2804 vom 9. Februar.
96 Dazu kam es nicht; s. Nr. 2816,73-75.
97 Siehe dazu Nr. 2769, Anm. 7.
98 Georg Frölich.
99 Hans Welser und Jakob Herbrot.
100 etwas.
101 wohl aber.


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die sich gantz hoch beschwerend diser handlung. Ouch schribt mir Xystus Betuleius 102 , der schulmaister, und ander.

Min schwager Peter zögt mir an, das vyl brieff ettlicher predicanten, so sy disen krieg 103 zusamen geschriben haben, funden seyen worden und des kaisers bichtvater 104 zugeantwurt 105 ; daruß inen grosser unrath enstanden, dann sy allerlay vom kaiser ainander geschriben, das ich offt gedenck, wir sollten unsere brieff, so in disem krieg von unß geschriben, all verbrenen oder sunst abweg thain 106 . Hiemitt ain brieff. Hatt ainer zü Hall 107 an die kirchthür geschlagen. 108 Wer er ist, waist man nitt; man achtet, der Malevenda habs thon.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Incomparabilis pietatis et eruditionis viro d. Heinricho Bullingero, amico ac fratri suo modis omnibus summo. Tiguri.

102 Sixt Birck. — Briefe von ihm oder anderen Augsburgern aus diesem Zeitraum finden sich nicht in Blarer BW II.
103 im Schmalkaldischen Krieg.
104 Angesichts der Angaben in unten Z. 97— 99 und des Inhalts des unten in Anm. 108 angeführten Briefs von Brenz an Bucer ist hier nicht Pedro de Soto gemeint, sondern Pedro de Malvenda, kaiserlicher Hofprediger und Hofkaplan, der auch als Beichtvater des Kaisers bezeichnet wurde; s. HRBW XVI 105,62.
105 übergeben (worden). — Blarer denkt, wie aus unten Z. 97-99 hervorgeht, an Schwäbisch Hall, wo all die Briefe an Johannes Brenz beschlagnahmt wurden; s. Julius Hartmann und Karl Jäger, Johann Brenz. Nach gedruckten und ungedruckten Quellen, Hamburg 1842, Bd. 2, S. 158. —Vgl. MBW-T XVI 139, Nr. 4612.
106 abweg thain: verschwinden lassen.
107 Schwäbisch Hall.
108 Gemeint ist der an Brenz gerichtete anonyme Drohbrief, der im Dezember 1546 an die Kirchentür von Schwäbisch Hall angeschlagen wurde. Brenz fertigte davon eine Abschrift an, die er seinem am 5. Januar 1547 an Martin Bucer gerichteten Brief als Anhang beifügte. — Am 19. Februar sandte Blarer merkwürdigerweise nochmals eine Abschrift des gleichen
Dokuments an Bullinger; s. Nr. 2816,71f. Vielleicht hatte er vergessen, die hier angekündigte Abschrift dem vorliegenden Brief beizulegen. — In Zürich sind von derselben Hand zwei Abschriften des ganzen Briefes von Brenz an Bucer (samt dem hier erwähnten Drohbrief) erhalten geblieben: Zürich StA, E II 337a, 382-384; und Zürich ZB, Ms A 127, [2801-284. Eine genauere Untersuchung der zwei Abschriften zeigt, dass diese in Zürich (und nicht etwa in Konstanz) angefertigt wurden. Die im StA erhaltene Abschrift trägt den Titel: "Quid cum domino lohanne Brentio actum, dum in deditionem Carolus imperator Halam Suevorum acciperet. Ad Martinum Bucerum". Die Abschrift der ZB trägt keinen Titel, sodass lediglich aus dem incipit der Briefabschrift klar wird, dass der Brief an einen "Martin" gerichtet war. Dagegen hat Bullinger auf das sonst leer gebliebene, der Abschrift vorangestellte Blatt A 127, [280], die Angabe "Wie es dem Brentio zü Hall ergangen"geschrieben. — Wir danken Rainer Henrich bzw. Reinhold Friedrich für die Hinweise auf die Abschrift der ZB bzw. des StA.
109 Siehe oben Anm. 104. — Hier liegt ein Wortspiel mit "male" vor.