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Autograph: Zürich StA, E II 357a, 598-600 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 589-592, Nr. 1411
[1]Am Vortag kehrte Peter Scher d.Ä. von Schwarzenburg aus Ulm mit so vielen Nachrichten
zurück, dass Blacer nicht alle niederschreiben kann. — [2] Im Ulmer Münster ließ man die
Stühle und Bänke entfernen und die Knechte darin mustern, die dort mit ihren Hakenbüchsen
umherschossen! Um dieser Situation abzuhelfen, gaben die [Ulmer Behörden] vor, die Kirche
müsse geräumt werden, weil man darin die Totenmesse für die verstorbene Königin [Anna von
Böhmen und Ungarn]abhalten werde. Im Predigerkloster, wo erneut Messen gefeiert werden,
wurden Kirche und Altäre geschmückt und eine goldene Maria an ihrem ursprünglichen Platz
aufgehängt. Vermutlich wird man die Mönche und Pfaffen wieder in die Stadt einlassen und
ihnen die Ausübung ihres Glaubens und ihrer Riten erlauben, genauso wie dies jetzt noch den
Protestanten gestattet wird, bis man es ihnen bei der ersten guten Gelegenheit wieder verbietet.
—[3] Scher erzählte, wie ihm ein Protestant [...], der anonym bleiben will, berichtete, in
Ulm gehört zu haben, wie Maximilian von Egmont, Graf von Büren, und Kaiser Karl V. über
Papst Paul III. schimpften. Der Kaiser habe unter anderem gesagt, er wolle dem Pfaffen schon
beibringen, dass er sein Kaiser sei; er habe auch vor, den Papststuhl mit einer geeigneten
Person zu besetzen. Dabei wird er von den hemmungslosen Spaniern aufgehetzt. —[4]Er hat
auch alle Italiener beurlaubt. Fast alle sind schon abgezogen. [Bernhard] von Schaumburg
soll mit neun Fähnlein deutscher Infanteristen nach Augsburg ziehen, [Eriprando]Madruzzo
mit vier oder fünf Fähnlein nach Ravensburg. —[5]Angeblich ersucht auch Landgraf Philipp
von Hessen um die Gnade des Kaisers. Von Büren soll sich deshalb als Vermittler nach Ulm
zum Kaiser begeben haben. In der Anwesenheit eines jungen Mannes [...]fragte er den Kaiser,
ob dieser denn nicht den Landgrafen mit dem [vom Letzteren gefangen gehaltenen]Herzog
Heinrich von Braunschweig zu sich laden und ihn begnadigen wolle? Der Kaiser schmunzelte
und meinte, man könne wohl darüber nachdenken. —[6]Der Landgraf sei guter Dinge, gehe
nach gewohntem Brauch auf die Jagd und nehme manchmal den jungen Herzog [Karl Viktor]
von Braunschweig mit. Auch die strengen Haftbedingungen Herzog Heinrichs seien gelockert
worden. Wenn das stimmt, bedeutet es, dass die Freiheit des Landgrafen von derjenigen des
Herzogs abhängen wird. Was für ein Jammer! —[7]Die kaiserlichen Soldaten rauben, plündern
und misshandeln Frauen allen Alters, besonders im Ulmer Gebiet. Der Ulmer Hauptmann
Michel Berchtold von Nellingen erzählte Scher, dass die Bewohner eines Dorfes sich in
Ulm heftig über Soldaten beklagt haben, die ganz junge Mädchen stehend vergewaltigt haben,
sodass deren Schuhe voll Blut waren. Bei diesen Leuten gibt es wahrlich weder Zucht noch
Ehre! Wie sehr muss Gott erzürnt sein! —[8]Den Michelsberg bei Ulm hat man vermessen,
weil der Kaiser dort ein Schloss und eine Festung bauen will, um die Stadt, die ihre Freiheit
wohl für immer los sein wird, besser unter Kontrolle zu halten. —[9]Etwa 15 Maulesel des
[Nicolas Perrenot, Herrn von] Granvelle, wurden in Begleitung von 150 Reitern in Schaffhausen
und Stockach gesichtet. Der Stockacher Wirt [...]erzählte Scher, dass die Reiter über
ihren Dolmetscher [...] sagen ließen, dass sie nach [Italien und Spanien] zögen, um dort
15'000 neue Soldaten anzuwerben und sich daraufhin auch die Schweiz zu unterwerfen.Briefe_Vol_19-306 arpa
— [10] In Lindau wird viel Salz für die Innerschweiz gekauft. So hat [der Urner Martin
Tresch], Vogt zu Münsterlingen, kürzlich über 40 Fässer für diese Orte erworben. Diese führen
wohl etwas im Schilde. Die Zürcher sollen sich vorsehen! —[11]Herzog [Ulrich] von Württemberg
wird seit einiger Zeit in Ulm [zum Fußfall vor dem Kaiser] erwartet, ist aber noch
nicht erschienen. Vielleicht ist er krank. —[12]Es war gut, dass der Zürcher Gesandte [Georg
Müller] in Konstanz war. Wie schon in der Stadt, so wird man auch bald in der Umgebung
erzählen, dass die Eidgenossen Konstanz nicht verlassen werden. —[13] Es ist natürlich nicht
die Absicht der Konstanzer, sich König Franz I. zu unterwerfen, wie dies Bullinger wohl
begriffen haben wird. Demzufolge sind die Verhandlungen mit Frankreich so zuführen, wie
[Konrad Zwick] es [in Nr. 2762]dargelegt hat. Nur derartige Verhandlungen können verantwortet
werden. Gott gebe Erfolg! —[14]Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen soll die sich
im Besitz König Ferdinands I. befindliche [Ober]lausitz angegriffen haben. Anscheinend zieht
nun der König mit vielen Böhmen gegen ihn. Möge Gott diesem von allen verlassenen Kurfürsten
beistehen! —[15] Was in Bezug auf die Konstanzer geschehen wird, ist ungewiss. Scher
hat vom kaiserlichen Kommandanten in Kirchheim unter Teck, [Lorenz] von Altensteig, gehört,
dass die Grafen [Friedrich von Fürstenberg]-Heiligenberg und [Hugo] von Montfort vom
Kaiser beauftragt wurden, Konstanz zu bedrängen. Vielleicht wird man die Stadt nicht belagern,
sie aber in die Acht nehmen und ihr den Handel und den Zugang zu den Märkten
verbieten. Doch auch dann würde Gott sie nicht verlassen, wenn sie ihm bereitwillig vertraute.
Bullinger möge für die Konstanzer beten, denn solche Maßnahmen werden in der Bevölkerung
bald für Unmut sorgen. —[16][Am 9. Februar] hat Blarer durch Hans Stadelmann, Pfarrer in
Altnau, an Bullinger geschrieben, und diesen gebeten, Stadelmann behilflich zu sein. Dieser
wird wohl schon bei Bullinger gewesen sein oder in Kürze bei ihm erscheinen. —[17] Seit der
Ergebung Augsburgs hat Blarer weder von Georg Frölich noch von den Bürgermeistern [Hans
Welser und Jakob Herbrot] einen Brief erhalten, wohl aber von anderen frommen und vornehmen
Leuten (darunter Sixt Birck), die sich über das Einlenken der Stadt sehr beschweren.
—[18] Scher erzählte außerdem, dass während des Schmalkaldischen Krieges Briefe etlicher
Prädikanten dem Beichtvater des Kaisers, [Pedro de Malvenda], übergeben wurden. Daraus
entstand großes Unheil, da in den Briefen allerlei über den Kaiser geschrieben wurde. Blarer
denkt daher, dass die während des Krieges geschriebenen Briefe verbrannt oder anderweitig
beseitigt werden sollten. Anbei ein [an Johannes Brenz gerichteter Droh]brief der in Schwäbisch
Hall vermutlich von Malvenda an die Kirchentür angeschlagen wurde.
Mein l[ieber]schwager Peter Schär 2 ist auff gestert von Ulm kommen. 3 Zögt mir vyl und mancherlay an, das ich nitt alles erschreiben 4 kan a .
In der grossen pfarrkirchen zü Ulm hat man all stül und benck aussrümmen und die knecht darinn müssen müsteren lassen. 5 Die habend ire hacken 6 darinn uss und abgeschossen, unnd hat man allso die filios tonitrui 7 hören müssen, etc. Man hat in auffrummung der kirchen ain fürwort gesücht, man müsse die abgestorbnen königin 9 darin begon 10 . Im Predigerkloster 11 zü Ulm
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ziert man die kirchen und altar widerum und hat die schönen guldinen mergen 12 mitten uffgehenckt, wie sy vor vyl jaren da gehangen ist. 13 Ouch hat man darinn mesß. Und ist die mainung, das man mynck 14 und pfaffen widerum insetz, sy iren glouben und cerimonien üben und halten lasse, und wir ouch gloubind und haltind, was wir wellind, byß auff wytern bschaid, den man unß zü erster irer glegenhait geben wirt. 15
Daneben hat er mir anzögt von aim guthertzigen man 16 (der unsers gloubens, und aber 17 nitt ze nennen ist) b , das er gehört hab zü Ulm von dem von Peuren 18 und dem kaiser das sy dem papst 20 treffelich ubel gereddt haben, und der kaiser gesagt, er well den pfaffen 22 lehren, das er sechen solle, das er sein kaiser seye! Er welle ouch des papsts still recht setzen 23 und den dreynsetzen, der darin gehör! Vyl anders hat er ouch von dem papst gereddt. Und die Spanyer redind im alle grausam ubel zü on scheuchen 24 .
Item der kaiser hat all Italiäner schon geurlopt. 25 Sind der mehrtail schon hinweg. Und soll der von Schauwenberg 26 mitt 9 fennlin teutschen knechten gen Augspurg, 27 und der von Madrutz 28 mitt 4 oder 5 fendlin gen Ravenspurg.
Item, man acht, der landtgrauff 29 solle ouch zü gnaden komen. 30 Darinn soll der von Beuren yetz zü Ulm bym kaiser handlen. 31 Derselbig hat verruckter 32 tag zum kaiser in anhören ains güten jungen herren 33 gesagt: "Allergnedigster
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kaiser, wie wer im 34 , wann der landtgrauff Für 35 e[wer]kai[serlich] m[ajestä]t keme und den hertzog von Braunschwig 36 mittbrechte? 37 Wol 38 ewer kai. mt. nitt gnad bewysen?"Daruff der kaiser geschmollet 39 und gesagt hab: ,Wir dorfften danecht 40 etwas thain 41 , doch weilten wir unß danecht bedencken 42 ."
Man sagt, der landtgrauff seye sicher und guter ding, jage seinem alten praüch nach, 43 füre etwan den jungen hertzog von Brunschwig 44 mitt ime uff das gejäg 45 . Und seye der alt ouch nitt mehr in harter gefencknuß. Ists war, so bin ich gwysß, quod erit anima sua 46 pro anima illius 47 . Es ist jomer!
|| 559 Item, man robt, plundert, misshandlet wyber unnd junckfrauwen, sonderlich uff dem land und in dero von Ulm herrschafft, so jomerlich, das es zü erbarmen ist. 48 Hat meinem schwager ain frommer hoptman gesagt, haist Michel von Nollingen, 49 das aben ain brieff und supplication usß aim dorff denen von Ulm kommen seye, da die underthon jemerlich klagend, wie das dis ellend kriegsvolcks ettliche junge, unzytige 50 tochterle dermassen stendlingen 51 stupriert 52 habend, das inen das blüt in schüchen 53 geschwumen
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seye. Es ist in summa weder zucht noch ehr, weder billichs noch rechts by denen leuten und ain grosser zorn gottes wider uns.
Ouch hat man den Michelsberg, by Ulm gelegen, aller ding gar vlyssig abgemessen, und achtet man, der kaiser well ain schlosß und veste dahin buwen, damitt die statt allweg dermassen beschwert 54 und beherschet blybe, das sy zü irer lybertet nymmermehr komme. 55 Es sind ongefarlich 15 mulesel des Granvela 56 mitt 150 pferdten belait 57 worden, zü Schafthusen ouch gewesen und zü Stockach 58 . Hat der wirt 59 zü Stockach meinem schwager Peter Scheren anzögt, wie die reuter gesagt habind under anderm durch iren dolmettsch 60 , sy wellind hinein 61 und 15'000 frischer knecht bringen und die Schwytzer ouch gehorsam machen.
So koufft man zü Lyndauw überuß vyl saltz in die Lender 62 . Und hat der vogt zü Mynsterlingen 63 kurtzlich ettlich und viertzig 64 fasß saltz zü Lyndauw in die Lender koufft, das man schier argwonen will, man habe etwas im synn. Darum secht, habt güt sorg!
Der hertzog von Wirtemperg 65 ist noch nitt persönlich zü Ulm gewesen. Nitt waist man, was es deut 66 , dann 67 er hat vor ettlichen tagen dahin komen sollen. Ist villicht kranck. 68
Das ewer gesandter 69 hie gewesen, ist ain güt werck. Und gaht schon das gschray 70 usß in gantzer statt, die Aidgnossen wellind diß statt nitt verlassen. Wirt glich usserhalb der statt ouch erschellen.
Franckreich halber, das wir unß an die kron Franckreych 71 ergeben sollten, ist unß gar nitt ze thain, wie ir selbs die ursachen 72 wol wisst, aber uff ain solichen weg ze handlen, wie ir von mynem l[ieben]c73 . Das were wol thainlich 74 und vor gott und der wellt verantwurtlich 75 . Gott geb gnad, das es bescheche!
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||600 Der churfürst 76 soll uff die Lausnitz 77 angriffen haben. Ist des königs 78 . Sold im der könig mitt vyl Behamen 79 engegenziechen. Der frum furst ist von yederman verlassen. Gott well inn zü vyl gütem erhalten, etc.!
Was man mit unß im synn hab, können wir noch nitt wissen. Aber mein sch[wager] Peter ist yetz zü Kirchen in Wirtemperg 80 by dem obersten des e kaisers gewesen. Ist ainer f von Altenstaig. 81 Von dem hat er gehört, das er 82 gesagt hat: "Man wirt die von Costentz nun den graufen vom Hailgen Berg 83 und von Muntfort 84 bevelchen. Die werden sy mitt bystand der kaiserischen wol wissen ze fretten 85 ."Wie wir dann wol achten, man werde kain blegerung 86 gegen uns furnemmen, aber die acht, und unß den wandel 87 und die merckt abstricken 88 , etc. Der gott aber, der in allem helffen kan, wurde unß nitt verlassen, so wir handtlich 89 und wol getrost uff inn weren 90 . Da helfft uns hertzlich um bitten, dann der arm gmain mann, der sein narung dussen 91 süchen müsß, wirt durch sölichen weg, Wa 92 es gott nitt wendt 93 , gantz ubel beschwert und bald, wie zü besorgen, undultig 94 werden.
Ich hab euch diß tag by dem Hans Stadelman, pfarrer zü Altnow, geschriben, 95 das ir in seiner sach im beholfen weren. Gedenck, er seye by euch gewesen oder kome doch hutt oder morn zü euch. 96
Syd sich Augspurg ergeben, 97 hat mir weder Letus 98 noch kain burgermaister 99 ychtzit 100 geschriben, wol 101 etlich ander fromm, ouch fürnem leut,
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die sich gantz hoch beschwerend diser handlung. Ouch schribt mir Xystus Betuleius 102 , der schulmaister, und ander.
Min schwager Peter zögt mir an, das vyl brieff ettlicher predicanten, so sy disen krieg 103 zusamen geschriben haben, funden seyen worden und des kaisers bichtvater 104 zugeantwurt 105 ; daruß inen grosser unrath enstanden, dann sy allerlay vom kaiser ainander geschriben, das ich offt gedenck, wir sollten unsere brieff, so in disem krieg von unß geschriben, all verbrenen oder sunst abweg thain 106 . Hiemitt ain brieff. Hatt ainer zü Hall 107 an die kirchthür geschlagen. 108 Wer er ist, waist man nitt; man achtet, der Malevenda habs thon.
[Ohne Unterschrift.]
[Adresse auf der Rückseite:] Incomparabilis pietatis et eruditionis viro d. Heinricho Bullingero, amico ac fratri suo modis omnibus summo. Tiguri.