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Autograph: Zürich StA, E II 338, 1417f (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 574-576, Nr. 1398
[1] Blarer dankt für Bullingers Brief [vom 22. Januar; nicht erhalten]. Das [Schreiben des
Zürcher Rats] ist von den Konstanzern mit Dank aufgenommen worden. —[2]Bullinger wird
unterdessen Blarers Brief [Nr. 2763]empfangen haben. In diesem berichtete Blarer über den
[Hohentwieler]Vertrag [zwischen Herzog Ulrich] von Württemberg [und Kaiser Karl V] und
über den Reiter [...], der den Thurgau inspizierte. —[3]Die von Bullinger erwähnten VerhandBriefe_Vol_19-192 arpa
lungen des Komturs [Johann Werner] von Reischach mit sieben Konstanzer Räten hat es nicht
gegeben. Blacer hätte das nicht verheimlicht. —[4]Anders als es Bullinger und der Zürcher
Rat aufgefasst haben, hatten [Konrad Zwick und Blarer] nicht an eine offizielle Kontaktaufnahme
[mit König Franz I. zugunsten der Städte Konstanz und Lindau]gedacht. Damit wären
weder der Rat noch der Heimliche Rat einverstanden gewesen, zumal ein solches Vorgehen
nicht ratsam wäre. [Zwicks und Blarers] Idee war diese: Da Franz I. und den Eidgenossen
daran gelegen ist, dass [Lindau und Konstanz] nicht an den Kaiser fallen, müsste man (bzw.
am besten ein Eidgenosse) Franz I. geschickt auf die Lage der beiden Städte aufmerksam
machen, um diesen zu einer Kontaktaufnahme zu bewegen. Wären dann die Städte an Frankreichs
Angebot interessiert, würden sie es annehmen. Wenn nicht, entstünde Franz I. kein
Nachteil. Würden aber die Städte zuerst mit Franz I. in Kontakt treten und bei diesem nichts
erreichen, könnte ihnen das zum Verhängnis werden. [Zwick und Blarer]scheint dies ein guter
Plan zu sein, und Bullinger wird schon wissen, was zu tun ist. —[5]Er möge berichten, ob die
Eidgenossen Franz I. so viele Söldner bewilligt haben wie gewünscht. —[6]Den "Trostzettel",
in dem Georg Frölich über die verzagten Augsburger berichtet, legt Blarer bei. Gott möge die
Seinen stärken, damit sie nicht ganz zu Spott und Schanden werden! —[7]Die Gerüchte über
den Tod des Kaisers halten an. Die Gesandten der oberländischen Städte [Biberach, Isny,
Kempten, Memmingen und Ravensburg], die huldigen sollten, hat man bisher mit Verweis auf
die schlechte Gesundheit des Kaisers noch nicht vorgelassen. In einem Schreiben an Konstanz
wurde berichtet, dass Maximilian, der Sohn König Ferdinands I., nach Ulm gekommen sei und
von den Ulmern gefordert habe, ihm anstelle des Kaisers den Eid zu leisten, was ihm aber
verweigert wurde. Der Konstanzer Rat entsendet einen Boten [...], um den Wahrheitsgehalt
dieser Nachricht zu prüfen. —[8]Aus Mailand erfährt man, dass Genua nicht erobert wurde.
Die 6'000 vom Kaiser beurlaubten italienischen Söldner sollen nach Mailand ziehen, was dort
Besorgnis hervorruft. — [9] Auch aus Augsburg und Nürnberg wird über einen Sieg des
Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen [über Herzog Moritz]berichtet. Vielleicht wird Gott
sein Licht wieder leuchten und dem Saul [d.h. dem Kaiser] die Philister anderswo ins Land
fallen lassen, um von der gegenwärtigen Drangsal erlöst zu werden. Gottes Wille geschehe!
Da jedoch Gottes Kinder diese Lage selbst verschulden, sollen sie dem Feind tapfer die Stirn
bieten, um eines ehrlichen christlichen Todes zu sterben statt schändlich zu verderben. Bullinger
und die Zürcher Kirche sollen Gott bitten, dass er Herz und Mut verleihe, um in seinem
Namen alles ertragen zu können. —[10]Ungefähr 4'000 spanische [Soldaten](die allerdings
nur einen Teil des Heeres ausmachen) wurden in Ulm einquartiert. Sie sind hochmütig. Einige
Ulmer haben ihnen ihr ganzes Haus überlassen, anstatt sie bei sich zu beherbergen und damit
ihre Frauen und Kinder der Schmach und Schande auszusetzen. Die Spanier können nämlich
nicht aus ihrer Haut und führen weiterhin ein schamloses, unreines Leben. —[11]Man harrt
der Dinge, die da kommen. Die Konstanzer Pfaffen und ihr Anhang stellen großen Hochmut
zur Schau. Hoffentlich wird man dieses Unwesen nicht wieder in die Stadt einlassen müssen,
denn das wäre ein sicheres Zeichen von Gottes Zorn. Zwar gibt es noch eine Handvoll tapferer,
frommer Leute in Konstanz; die Mehrheit aber ist schwach, und der Wankelmut der
einfachen Leute bereitet Blarer große Sorgen. Er hofft, dass Gott das Volk stark machen wird,
sollte es zur Schlacht kommen. Was für eine Ehre wäre es, seinen Glauben mit seinem Blut
besiegeln zu dürfen! Blarer denkt oft an die Stadt [Alexandria] (in Eusebius' [Historia ecclesiastica]),
deren Einwohner sich alle bereit zeigten, in den Flammen zu sterben. Wenn man
nur auch einen solchen Mut und Eifer aufbringen würde! —[12]Blarer muss abbrechen, da er
auch noch nach Augsburg und Straßburg schreiben will. Es werden nämlich Konstanzer Boten
dorthin entsandt. —[13]Grüße, auch von [Thomas]Blarer und [Konrad Zwick]. Bullinger soll
mitteilen, ob er Blarers Brief [Nr. 2763]empfangen hat. —[14][P.S.:] Der tapfere Hauptmann
Marcell Dietrich von Schankwitz, der die Klause Ehrenberg erobert hat, ist mit Frau
[Anna, geb. Zehntmeier] und Kindern in Konstanz. Er hat Ulm verlassen, da er der dortigen
Lage nicht traut. Die Innsbrucker Regierung hat in [Radolf]zell [Albrecht] Völker von Knöringen
frstnehmen lassen. Sie wollte auch Hauptmann [Hans]Egli verhaften. Da dieser abwesend
war, wurde sein Vermögen inventarisiert und beschlagnahmt. Auch das Haus des
Hauptmanns Mundi [Eadimundus Precht](der sich unterdessen in Konstanz befindet) wurde
geplündert. Man will ihnen alles entreißen!Briefe_Vol_19-193 arpa
Früntlicher, sonders vertrauwter, lieber brüder. Um ewer gantz getrüw, fleyssig schreiben 1 sag ich euch allen möglichen dank. Der herr lasß euchs zytlich und ewig 2 geniessen. Der ewern 3 nachpurlich empieten nympt man by unns, wie billich, mit freuntlichem danck an.
So hab ich euch letstlich geschriben vom wirtempergischen vertrag 4 ; item von dem reuter 5 , der das gelend allenthalb 6 im Turgow besichtiget hat, etc. Achten, euch ouch zukomen sin.
So wisst und gloupt mir, das gar nichts an der underhandlung des comethurs, des von Rischach 7 , und das 7 der rath by im gewesen seyen, wie ir davon schribt; 8 ich wollts euch sonst gar nitt bergen, etc.
Des Frantzosen 9 halber ist die mainung 10 gar nitt gewesen, das es ain sölich stattlich anbringen sein sollt, 11 wie irs und die ewern verstanden. Vyl weniger wurde es sich schicken, das meine herren, es seyen die haimlichen 12 oder andere, darum bitten und anhalten sollten, dann diß were inen kains wegs ze rathen. Diß ist aber unser zufall 13 gewesen: Diewyl dem Frantzosen und Aidgnossen an dem, das diß haid stett 14 nitt zü vyl kaiserisch werden, nitt wenig gelegen, das er dann des etwa durch ain person erinnert, und dann von ime etwarn 15 bevolchen wurde zü erfaren, ob ain söliche mainung by disen stetten erlangt werden möchte; befunde man güten bschaid, so keme die sach zum fürgang. Wa nitt, so were doch danecht 16 diß erkundigung und erfarung dem Frantzosen onnachtailig. Sollten aber dise stett darum by dem Frantzosen ansüchen a und nichts ussrichten und erlangen, das möchte inen usß ettlichen ursachen, wie ir selbs ermessen köndt, mercklichen schaden bringen. Wolt ich euch guter mainung erinneren. Ir mogt ye selbs ermessen, das diß sach vyl ain geschickter besser ansechen hette (auch bey dem konig 17 ) b er gar nitt durch dise stett selbs, sonder durch ander, sonderlich
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etwarn ausß der Aidgnoschafft des wol erinnert wurde. Es bedunckt uns ye, es were im 18 gar wol zü thain 19 und diß costens wol werdt. Aber ir wisst ime wol recht ze thain.
Schribt mir, ob dem Frantzosen von den eweren so vyl knecht erloubt und bewilligt seyen, wie er begert. 20 ||1417v. Was mir Letus 21 für ain trostzedel 22 der seinen halber c zügeschriben, schick ich euch hiemitt. Es ist in summa yederman das hertz einpfallen! Gott well unß wider uffrichten und stercken, das wir doch nitt dermassen gantz und gar zü Spott und schanden werdind!
Man wyll noch bestendig sagen, der kaiser 23 seye tod. 24 Die gesandten von den oberlendschen stetten 25 , so den füßfal thain sollend, habend noch bysanher nitt konnen fürkommen. 26 Zucht man sy uff. 27 Gibt für, kaiser seye etwas schwach; könne sy nitt fürlassen. Necht 28 ist ain schriben von aim 29 herkommen, wie Maximilianus 30 , des königs 31 sun, gen Ulm kommen seye und begert, das im die von Ulm an statt kai[serlicher]m[ajesta]t schweren wellen, des sy sich aber gewidert 32 und gesagt habind: Wann kai. nit. aigner person komme, wellen sy es thain. 33 Obs war seye, wellend mine herren durch aignen botten 34 , den sy desshalb abfertigen, erfaren.
So sind schriben von Mailand herkommen, das Genoa nitt erobert worden. Seye wol understan[den] d35 , aber nitt mogen in das werck kommen. 36 Daneben sagt man, das die 6'000 Italianer, so von dem kaiser geurlobt
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worden, ylends uff Maylan[d] ziechen, dann 37 die von Mailand sich ubel besorgind. 38
Vom churfursten 39 und seinem syg wirt bestendig ouch dermassen, wie Ir schribt, von Augspurg und Nuremberg her geschriben. Truwen dem li[eben] gott, er werde unß etwa das hecht widerum uffgon und die Philisteer anderschwa 40 dem Saul 41 in das land fallen lassen, das wir diß trangsals erledigt werdind. 42 Verum sic fuerit voluntas in celo, ita fiat! 43 Wir habends alles wol beschuldt 44 . Drum wellt ich hertzlich gern, das wir die stirnen dapfer darbutten, das wir doch ains ehrlic[hen], christlichen tods sturbind, die wir wol bschuldt habend, das wir aines schentlichen tods verdurb[ind]. Ach bittend gott hertzlich mitt ewer gantzen kirchen für uns, das er unß hertz und fraidigkait gebe, alles mit früitigem 45 hertzen dran zü setzen und umb seines namens willen alles ze tragen.
||1418r. Man hat ungefar uff 4'000 Spanyer zü Ulm gefuriert 46 . Sind noch wenig da. Die tribend grossen pracht. 47 Man hat in alle heuser gelosiert 48 . Ettlich habend inen ire heuser gar ingerumpt 49 . Wellends inen lieber gar lassen, dann das sys by inen habind, und Ir wyb und kind in schand und schmach gebind. Dann sy lassen ir art nitt und tribend ir unrains leben one ainche scham. 50
Wir wartend noch allso, wie weyter mitt unß gehandel[t]e oder was fürgenommen werde. Unsere pfaffen und ir anhang tribend grossen poch 51 und stoltz. Hoff, der lieb, truw gott lasß unnß doch nitt in diß schand gerathen, das wir disen gruwel widerum einlassen müssind; 52 dann diß ain gewiss anzögen 53 were seins grymmen zorns und gewissen, ylenden verderbends. Es were noch ain handvol dapferer, frommer heut by unß, daneben vyl schwacher, und die inconstantia vulgarium ingeniorum macht mich forchtsam. Hoff aber und trauw dem barmhertzigen vatter im himel, komme es zü fellen 54 , er werde sin gaist starck und krefftig in allen machen, das wirs alles dranbyndind 55 . Ach, wie konds unß baß 56 gon und wie selig heut werind wir,
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das unser blüt unser bekantnusß besiglete! Wie offt denk ich an die statt 57 apud Eusebium lib. 8. cap. 10 58 , da sich yederman verbrennen ließ. O, das wir auch ain solichen mut und yfer hetten! Wolan, ich versich mich 59 alles güts zu gott. Wirt die not grosß, so wirt sin hilff und bystand noch grosser. Ich musß abbrechen. Hab gen Augspurg und Strasburg auch ze schriben, dann mine herren an baide ort botten abfertigend. 60
Grützt all güt herren und frund. Gott seye mitt allem gutem by euch und ewerm gesind zytlich und ewigklich. Min lieber brüder 61 und vetter 62 empieten sich alles liebs und güts gegen euch mitt wunschung des segen gottes. Lasst mich wissen, ob euch der nechst brieff 53 von mir zükomen seye, wie obgemeldt. Datum 26. ianuarii 1547.
[Ohne Unterschrift.]
Hoptman Dietrich Marcell 64 , so die Cluß 65 ingenomen hat, ist hie mitt wyb 66 und kind; ain waidlich 67 mann. Mag nitt mehr zü Ulm sein. Will nitt truwen. 68 Die regierung zü Ynspruck hat zü Zell 69 den Felcher von Knöringen 70 fachen 71 lassen. Hat den hoptman Eckle 72 ouch fachen wellen. Ist nitt da. Haben im alles inventiert 73 und verhefft 74 . Uff den hoptman Mundi 75 hat man ouch gestraifft 76 . Ist yetz hie. Sy wellends alls fressen.
[Adresse auf der Rückseite:] Seinem fürgeliepten herren und brüder, maister Hainrich Bulling zü Zürich ze handenn, etc.