Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2791]

Johannes Haller
an Bullinger
Augsburg,
3. Februar 1547

Autograph: Zürich StA, E II 370, 50; E II 370a, 523f (Siegel) Ungedruckt

[1]Haller empfing Bullingers Brief [vom 22. Januar, nicht erhalten]durch seinen Verwandten [Konrad Kambli], dem er auch die Antwort darauf [Nr. 2786] anvertraute. Ein weiteres Schreiben Bullingers [Nr. 2770] wurde vom Boten [...]. der in Kyburg gewesen war, am 3. Februar (einen Tag nach der Abreise von Hallers Verwandten) übermittelt. Diese Briefe schmerzten Haller sehr! [2]Bullinger wirft ihm Ängstlichkeit vor. Erfordert ihn auf mutig das Kreuz auf sich zu nehmen, als ob er aus Furcht weglaufen wollte! Mit dem zweiten Brief erfuhr er sogar, dass die Zürcher Pfarrer in Augsburg [Haller, Lorenz Meyer, Thoman Roman und Rudolf Schwyzer d.Ä.] sich mit ihren Briefen an den Zürcher Rat nur verhasst machen werden. Sie schrieben aber schon, und zwar zweimal. Sie schilderten die Lage und begründeten ihren Wunsch, rückberufen zu werden; sie betonten aber auch, dass sie bereit wären, in Augsburg zu bleiben, wenn der Rat es wünschte. Sie hatten väterliche Ratschläge erhofft. Stattdessen wurden sie verleumdet! Wenn die Zürcher Ratsherren aus ihren Briefen Ängstlichkeit schlussfolgern, könnten sie umgekehrt aus diesem Vorwurf schließen, dass die [vom Augsburger Rat dem Schmalkaldischen Bund erwiesene] Untreue dem Zürcher Rat gefällt! [3]Bullinger rät, sich an den besten Männern zu orientieren, falls die Augsburger [Kaiser Karl V]schändliche Zugeständnisse machen sollten. Doch der Reste unter diesen Männern ist Georg Frölich! Ausgerechnet er fragte bei Blarer und Bullinger um Rat an, da auch er Augsburg verlassen wollte, die Erlaubnis dazu aber nicht erhielt und deshalb blieb. Wieso also werden Haller und seine Kollegen getadelt, weil sie meinten, Augsburg verlassen zu müssen? Schließlich entschloss sich auch Haller, in Augsburg zu bleiben, da es ihm nicht gestattet wurde, seine Familie nach Zürich zurückzuschicken. Übrigens war es Frölich, der den Zürcher Pfarrern riet, ihre Rückberufung beim Zürcher Rat zu bewirken. Und wo sind nun Sebastian Schertlin (eine Schlüsselfigur des Krieges), Bernardino Ochino und Francesco Stancaro? Ihr

49 wirs gon: schlimmer ergehen.
50 doch ainmal: endlich.
51 besonders.
52 Der oben erwähnte aus Ulm an Zwick gerichtete Brief.


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Weggang aus Augsburg erregte keinen Anstoß! [4] Umso verwunderlicher ist Bullingers Vorwurf zumal die Frommen in Augsburg zu Recht diejenigen als ängstlich bezeichnen, die sich dem Kaiser unterwerfen, um in Augsburg bleiben zu können, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein. Dagegen hält man diejenigen für standhaft, die nicht in den verräterischen Frieden einwilligen. So gelten Haller und seine Kollegen in Augsburg als standhaft, in Zürich aber, wo man die Umstände nicht kennt, als ängstlich! [5]Der tapfere Michael Keller, der in Augsburg vieles durchstehen musste und als Einziger die reine Abendmahlslehre aufrechterhält, bereitet ebenfalls seinen Weggang vor und hält alle Frommen dazu an. Wolfgang Musculus und Sebastian Lepusculus sind ähnlicher Auffassung. [6] Was tun ? Die Zürcher Pfarrer in Augsburg dachten, dass den Zürchern das Versagen der Augsburger missfallen würde und sie deshalb ihre Pfarrer aus Augsburg zurückberufen würden. Jetzt aber stecken diese Pfarrer in der Klemme: In Zürich wirft man ihnen Ängstlichkeit vor, weil sie Augsburg verlassen wollen; in Augsburg aber hätte man sie als feige bezeichnet, wenn sie nicht hätten gehen wollen! [7]Solange der Augsburger Rat dem Kaiser widerstand, war Haller guten Mutes. Jetzt aber, da der Rat behauptet, es gebe infolge des Friedensschlusses keine Gefahr mehr, weiß er nicht mehr so recht, was zu tun ist. Ist das etwa Ängstlichkeit? Wie weh tut es nun, dieser bezichtigt zu werden! Es ist wohl die Unkenntnis des Sachverhaltes, die einem solch vermessenen Urteil zugrundeliegt. [8]Bullinger möchte doch seine Meinung über Haller ändern und diesen verteidigen. Haller konnte gar nicht anders handeln, zumal sich auch die anderen frommen Menschen ähnlich verhielten und Letztere die Bürger von Augsburg und die dortigen Verhältnisse besser kennen als die Zürcher. Übrigens hätte ihm der Zürcher Rat Vorwürfe gemacht, wenn er nicht auf die Ratschläge der guten Menschen in Augsburg gehört hätte. Er handelte nach Frölichs Rat und wird dies auch künftig tun. Zudem war das ebenfalls auf Frölichs Rat angeregte Gespräch der Zürcher Pfarrer mit den Augsburger Bürgermeistern Jakob Herbrot und Hans Welser von Nutzen. Es zwang die Bürgermeister, sich maßvoller zu verhalten, um einen Volksaufstand wegen eines etwaigen Weggangs der Zürcher zu verhindern. Das Gespräch gab auch den Bürgermeistern zu verstehen, wie wenig die Übergabe der Stadt den Zürchern gefiel; wobei Haller in diesem Zusammenhang die Frechheit Schwyzers erneut verurteilen muss, der nämlich während des Gesprächs Herbrot dermaßen verletzte, dass dieser [später]in Gegenwart von Hallers Verwandtem meinte, der Rat würde Schwyzer nicht zurückhalten, wenn dieser gehen wollte; Haller aber solle bleiben. [9]Auch Haller ist der Ansicht, dass man das Kreuz auf sich nehmen soll. Er ist bereit zu sterben und sich zu Christus zu begeben. Man weiß ja, dass der Weg zum Himmel durch Trübsal führt und die Standhaftigkeit den Sieg bewirkt. Doch in der jetzigen Lage geht es nicht darum, sein Blut für Christus zu vergießen. Es sind eher Bürgeraufstände und üble Verträge zu befürchten, wobei es auch klar ist, dass durch die Ankunft des Kaisers in Augsburg das Evangelium etwas unterdrückt sein wird, und das unter dem Vorwand der Erbauung. [10]Heute entlassen die Augsburger die [restlichen] Soldaten. in zwei Tagen soll die kaiserliche Garnison einziehen. Wo früher die Stadt Geld für das Evangelium ausgab, wird sie nun Geld gegen das Evangelium aufwenden müssen. Haller weiß genau, dass auch Bullinger Augsburg verlassen würde! Doch dem Wunsch Bullingers und des Zürcher Rats zufolge wird er in Augsburg bleiben, und sogar mit gutem Willen! Ohne sich zu beschweren, wird er seinen Pflichten nachgehen, dem frommen Rest der Kirche beistehen und alles dem Herrn anvertrauen, da von den Menschen nichts zu erwarten ist. Der Herr verleihe ihm seinen Geist! [11]Zum Schluss scheint es ihm doch noch wichtig zu erklären, warum es zu widersprüchlichen Aussagen innerhalb seiner eigenen Briefe und zwischen seinen Briefen und denen der anderen gekommen ist. Es passierte nämlich oft, dass sogar am gleichen Tag ganz unterschiedliche Nachrichten eintrafen. Dass ferner der Vogt von Kyburg [Bernhard von Cham]widersprüchliche Nachrichten aus den Briefen Hallers und Hans Wilpert Zollers empfing, erklärt sich so: Sebastian Schertlin lag mit seinen Soldaten vor den Stadttoren, rief diese zur Buße, zu einem anständigem Leben und zur Ausdauer auf und versicherte ihnen dabei, dass die Stadtbewohner standhaft seien. Doch bald tagte der Große Rat. Daraufhin wurde Haller vom Stadtschreiber Frölich heimlich über die vom Rat im Schilde geführten Pläne informiert, sodass er sogleich die Zürcher davor warnen konnte, während Zoller weiterhin über die Standhaftigkeit der Augsburger berichtete. Aus ähnlichen Gründen


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kam es auch zu Diskrepanzen zwischen den Briefen Hallers an Bullinger und denen an seinen Schwiegervater [Ulrich Kambli]. in seinen letzten Briefen aber dürfte es kaum noch widersprüchliche Nachrichten gegeben haben. [12] Es ist sehr bedauerlich, dass der alte Kambli Hallers Brief an den Zürcher Rat weitergab, zumal dies Haller zum Verhängnis wurde. Schreibt er Kambli nicht, wird es ihm vorgehalten; schreibt er ihm dennoch, entstehen derart schlimme Folgen! [13] Vor dem Chirurgen Jakob Ruf hatte Bullinger schon bei Kriegsausbruch gewarnt. Haller konnte jedoch den Kontakt mit diesem wegen der verwandtschaftlichen Beziehung und der früher erwiesenen Wohltaten nicht völlig einstellen. Er schrieb aber nur ganz selten und berichtete nur Harmloses, da ihm Rufs Schwatzhaftigkeit bekannt ist! [14]Bullinger möge vorliegende in Eile verfasste Rechtfertigung gut aufnehmen. Sie wurde von ganzem Herzen und in großem Vertrauen geschrieben. Wenn Bullinger ihn nur verstehen würde! Dann dachte er anders über ihn. Und wenn er ihn für unschuldig hält, dann werden auch die anderen das tun. Stellenweise ist Haller in seinem Brief ziemlich heftig geworden; was seinem Schmerz zuzuschreiben ist. Bullinger möge dies verzeihen und ihm weiterhin gewogen bleiben! [15] Nikolaus Müller, gen. Maier (den Haller heute sah), der ebenfalls überlegt, Augsburg zu verlassen, lässt grüßen; so auch Georg Frölich, Meyer, Rumnan und Schwyzer JA. Den drei Letzten trug Haller auf auch an Bullinger zu schreiben. Da Meyer und Schwyzer ihre Frauen [...]in Zürich ließen, planen sie nun, trotz Hallers Widerstand noch vor einer etwaigen Rückberufung zurückzukehren. Ob sie das wirklich tun werden, ist allerdings fraglich. ihm werfen sie große Ängstlichkeit vor [weil er Augsburg nicht ohne Rückberufung verlassen will]. Laut ihnen hätte er sogar noch öfters (auch in ihrem Namen) nach Zürich schreiben sollen. Doch die Folgen muss er ausbaden! Gruß an Konrad Pellikan, Theodor Bibliander und Rudolf Gwalther. Sollten sie schlecht von Haller denken, möge Bullinger sie umstimmen. Gruß auch an Anna [geb. Adlischwyler] und an die Kinder, sowie an seinen Bruder Wolfgang.

||E II 370a, 523r. S. D. Binas a te accepi, venerande pater: alteras 1 attulit affinis meus 2 , ad quam per ipsum etiam respondi; 3 alterae 4 3. februarii mihi sunt redditae, a cum pridie discessissent affines mei a , quas attulit ille nuncius 5 , qui Kyburgi fuerat. Quae, quanto me dolore affecerint, dici nequit!

Obiicis pusillanimitatem. 6 lubes resumere spiritum, tollere crucem, 7 quasi vero unquam fuerim pusillanimis, amiserim spiritum aut fugere voluerim cum inhonestate crucem. Addis in posterioribus (scripturae more loquendo)8 nos 9 facturos nomen nostrum foetere apud pios pariter et impios, 10 si scribamus Tigurino senatui. Atqui scripsimus bis,"11 quas literas nunquam sperassemus

a-a Am Rande nachgetragen.
1 Der nicht mehr erhaltene Brief Bullingers vom 22. Januar; vgl. Nr. 2786,1.
2 Konrad Kambli; s. Nr. 2752, Anm. 5; Nr. 2780, Anm. 5; Nr. 2786, Anm. 1.
3 Mit Brief Nr. 2786 vom 1. Februar.
4 Bullingers Brief Nr. 2770 vom 26. Januar, wie es aus der hier unten geäußerten Reaktion Hallers auf diesen Brief geschlossen werden kann.
5 Unbekannt. — Dieser Bote übermittelte vermutlich auch den von Bullinger in Nr. 2770,4-6, angekündigten Brief des Bernhard von Cham.
6 Wohl im nicht mehr erhaltenen Brief
Bullingers. — Diese Kritik wurde ebenfalls vom Zürcher Rat geäußert; s. Nr. 2770,9-13.
7 Vgl. Nr. 2770,14-27.
8 Vgl. 2Kor 2, 16.
9 Haller meint hier sich und die drei anderen Zürcher Pfarrer in Augsburg: Lorenz Meyer (Agricola), (Hans) Thoman Ruman (Römer) und Rudolf Schwyzer d.Ä.
10 Bezug auf Nr. 2770,7-9.
11 Nämlich am 18. und 25. Januar (Zürich StA, A 177, Nr. 160 und 163). Siehe dazu schon Nr. 2786, Anm. 8.


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tam Theoninis rodendas dentibus 12 ! Exposuimus praesentem rerum statum. Enumeravimus causas, propter quas revocari petamus. Sed quid impetraverimus, apparet ex tuis. Appellavimus eos 13 ut patres revocari, si ipsis placuerit -petentes, manere, si voluerint, non negantes. Erat consulendum potius quam convitiandum, hortandum quam detrahendum! Si ipsi ex nostris possunt colligere nos esse pusillanimes, possumus et nos ex eorum iudiciis colligere ipsis foedifragos et inconstantiam hanc placere.

Suades inter caetera, ut, si quid indigni admiserint 14 , ut faciam ego, quod optimos facere viderim. At inter optimos quem ponam magis quam d. Laetum nostrum? Quid fecit is? Scripsit Blaurero, 16 scripsit tibi, 17 petiit consilium, quesivit sibi locum. Cur ergo, quod nos idem fecimus, nobis vitio datur? Petiit etiam is constanter a dominis 18 veniam; 19 quam, cum non impetravit, manere statuit, 20 donec aliam habeat occasionem. Fecimus etiam nos hoc, et, cum non impetrarem, ut familia dimitteretur, 21 mansi etiam ego rei visurus exitum. Quaerit Laetus omnino modum et rationem abeundi. Putavimus ergo ipsius exemplum nobis sufficere, ne in nobis vituperaretur, quod in ipso laudaretur. Addo, quod et illius in scribendo 22 et veniam petendo 23 usi simus consiliis. Dabo bonos alios: Schertlium, totius belli cor, annon ille discessit? 24 Ubi Bernhardinus 25 piissimus et Stanggarus 26 doctissimus? Discesserunt nullam pusillanimitatem declarantes neque etiam ecclesiae offendiculum dantes.

Proinde cum dolore miror, quomodo colligas ||523v. me esse pusillanimem, cum apud nos pii omnes hac tempestate eos pusillanimes dicant, et vere, qui, ne habeant periculum, ita volentes caesari 27 se subiiciunt. Rursus magnae constantiae loco ducant, si quis ad iniquas has conditiones et foedifragam pacem 28 non conniveat. Habemur hic tanto constantiores, quanto vos existimatis deiectiores! Ideo, cum circumstantias vel nesciatis vel non consideraveritis, tam temere de nostra timiditate iudicatis.

Cellarius 29 , vir in rebus adversis constantissimus et magnanimus, quique per varios aestus et casus in hac urbe agitatus solusque evangelii puritatem

12 Das Sprichwort bezieht sich auf Theon, einen schmähsüchtigen Dichter; s. Adagia, 2, 2, 55 (ASD II/3 171f, Nr. 1155).
13 Die Zürcher Ratsherren.
14 Subjekt sind die Augsburger Ratsherren. —Bezug auf Nr. 2770,15-17.
15 Georg Frölich.
16 Dieser nicht erhaltene Brief Frölichs an Blarer ist auch in Nr. 2778,8f, belegt.
17 Mit einem heute nicht mehr erhaltenen Brief, der auch in Nr. 2778,8f, und Nr. 2786,3f, nachgewiesen ist.
18 Beim Augsburger Rat.
19 Vgl. Nr. 2759,63f.
20 Vgl. Nr. 2786,39-41.
21 Vgl. Nr. 2786,17-19. 41f. 22 An den Zürcher Rat.
23 Vor dem Augsburger Rat.
24 Siehe Nr. 2769, Anm. 18.
25 Bernardino Ochino; s. Nr. 2769, Anm. 17.
26 Francesco Stancaro; s. Nr. 2786, Anm. 14.
27 Karl V.
28 Zum Frieden, den Augsburg mit dem Kaiser einging, s. Nr. 2769,6-15.
29 Michael Keller.


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hic conservavit, 30 paravit abitum suasitque idem b bonis omnibus. Pro assentatoribus et gnathonibus 31 habuit omnes eos, qui manere vellent. Musculus 32 idem; Lepusculus 33 similiter.

Quid nos faceremus? Existimavimus fore, ut vobis tam displiceret haec defectio, ut nullo modo passuri fuissetis nos hic manere, si maxime voluissemus. Sed ita iam inter sacrum et saxum 34 constituti sumus: Hinc vos clamatis et praedicatis nos formidulosos; hic, si aliter egissemus, formidulosi habiti fuissemus. Quid tandem agendum?

Testor deum me animosiorem non fuisse unquam, quam cum dicerent se constanter velle perseverare omnemque potius experiri fortunam quam se dedere caesari, et turbatiorem nunquam, quam cum audivi pace inita omnia sublata esse pericula. Estne haec timiditas? Magnam facit mihi iniuriam, quicumque de me haec loquitur. Sed ignorantia audax malum est; audet temere de rebus incognitis perperam pronunciare, quod in hoc negotio magno experior dolore.

Proinde, observande pater, rogo, ne talia de me suspiceris meamque etiam apud alios defendas innocentiam. In veritate non potuissem aliud agere caetens bonis omnibus similiter agentibus -qui quidem, cum nobiscum sint, videant, quid sit futurum; qui cives nostros norunt omniumque circumstantiarum aliarum gnari sint, melius vobis (sit venia dicto) iudicare et consulere possunt. Eorum autem dum consiliis obsequor, a vobis ||524r talia audire cogor! Eis si obsequi nollem, ne apud vos male audirem, ipsos offenderem meque ipsum inter sacrum et saxum constituerem. Scio enim, quid mihi essetis imputaturi, si ipsorum non sequerer consilia. Feci ergo, quod consuluit Laetus, et adhuc faciam. Nec parum profuit, quod accessimus consules: 35 Tanto enim coacti sunt arctius agere, ne nobis discedentibus tumultus fieret, et ut viderent, quam nobis placeret haec deditio - quamvis in Rodolpho Svitzero non possum non impudentem temeritatem iterum 36 accusare, qui Herbrotum suis ineptis supra modum ita offendit, ut is consul in praesentia affinis mei dixerit dominos eum, si abire velit, non retenturos, nolle autem me dimittere. Rogo ergo per eum, cui servimus, Christum, persuadeas tibi de me alia.

Scribis de cruce ferenda docte, sancte, christiane; neque aliter ego affectus sum. Cupio dissolvi et esse cum Christo. 37 Scio, quod per multas afflictiones ingrediendum sit regnum coelorum. 38 Scio, quod, si commoriamur,

b Am Rande nachgetragen.
30 Vgl. schon eine ähnliche Äußerung Frölichs vom 11. Juli 1545 (HBBW XV 400).
31 Gnatho ist der Name eines Nichtsnutzes in der Komödie ,.Eunuchus" von Terenz.
32 Wolfgang Musculus.
33 Der aus Basel herangezogene und in der Barfüßerkirche wirkende Sebastian Lepusculus (Häslin).
34 in der Zwickmühle; vgl. Adagia, 1, 1, 15 (ASD Till 128f, Nr. 15).
35 Jakob Herbrot und Hans Welser; s. Nr. 2786,18-22.
36 Siehe nämlich schon Nr. 2786,57-61.
37 Vgl. Phil 1, 23.
38 Apg 14, 22.


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etiam convicturos. 39 Sed negotium se non ita habet, ut liceat pro Christo libere sanguinem fundere. Tumultus tantum metuo, seditiones intestinas civium, pacta iniqua et probrosa, et quod non dubito, quin caesare in urbem veniente ligandum aliquantum sit evangelium cum praetextu aedificationis, venus tamen destructionis. 40 Hic haereo; hoc nie movet.

Hodie dimittuntur milites nostri. 41 Intra biduum venient caesareani in praesidium urbis. 42 Iam cogimur contra evangelium dare pecunias, quas prius pro tuendo evangelio dedimus c. Scio, scio te pulverem sit excussurum de pedibus! 43 Sed quia ita tibi amplissimoque senatui Tigurino placet, age, manebo, et libenter quidem! Faciam ego meum officium, nihil amplius conquerar, ne denuo in hoc a me alienissimum nomen incidam. Domino exponam et committam omnia, quia nullam video nec spem nec salutem in hominibus collocandam. 44 Utar consiliis, quae mihi tempus resque locusque dabunt. 45 Fugiam malignos, quantum potero. Piis omnibus fideliter adero, si vel aliqua saltem possit syncerae servari ecclesiae pars. Dominus largiatur suum mihi, sicut hactenus clementer fecit, spiritum.

||524v. Postremo videtur et ad hoc necessarium esse, ut rescribam, quod scilicet te valde movet dissonantia mearum, vel mearum et aliorum literarum. Quae discrepantia facile conciliabitur, si observaveris rerum statum. Contigit, ut uno die diversa habeamus: ut aliquando scripserim laeta omnibus civibus aliud nihil scientibus; mox advenit posta 46 , quae aliud afferat. Hinc fit, ut et literae varientur, maxime si duobus, tribus diebus aut etiam integra septimana d aliae post alias scribantur. Miratur etiam praefectus Kyburgensis dissonantiam mearum et Zollueri 48 sui. Sed haec est causa: Eduxit Schertlius omnem militem ante portas in campum eisque indicavit civium constantiam ipsosque vicissim ad poenitentiam et honestatem atque constantiam hortatus est; unde illi gavisi nihil aliud sibi pollicebantur de civibus. Crastina mox 49 magnus habebatur senatus. Proponebantur, quae hactenus latitarant. Haec cum ego secreto statim ab archigrammataeo 50 intellexissem, de periculis et pace ineunda eodem die scripsi, 51 quo ipse 52 de

c Über der Zeile nachgetragen.
d In der Vorlage septima.
39 Vgl. Röm 14, 8.
40 Anspielung auf Mt 10, 28 par.; Apk 2, 11; 20, 6. 14; 21, 8.
41 Es handelte sich um die Fähnlein, die sich noch in der Stadt befunden hatten; s. Roth, Augsburg IV 10.
42 Zur geplanten Einquartierung kaiserlicher Truppen in Augsburg s. schon Nr. 2785,18-27, und Nr. 2786,8f. Die kaiserlichen Truppen (sechs Fähnlein mit etwa 900 Mann unter der Führung von Bernhard von Schaumburg) kamen am 21. Februar 1547 mittags um il Uhr in Augsburg an; s. Roth, Augsburg, aaO.
43 In Anlehnung an Mt 10, 14 par.
44 Ps 146 (Vulg. 145), 2f.
45 Vgl. Ovid, Amores, 1, 4, 54.
46 Briefliche Nachricht; s. Kirsch 2210.
47 Bernhard von Cham, Landvogt Kyburgs.
48 Hans Wilpert Zoller. —Er war der Bruder von Agnes, der Frau des Bernhard von Cham; s. HBBW XVII 377.
49 bald darauf. — Gemeint ist hier der 24. Januar; s. Nr. 2769, Anm. 7.
50 Stadtschreiber Georg Frölich.
51 Gemeint sind Hallers Briefe Nr. 2769 an Bullinger und an den Zürcher Rat (s. oben Anm. 11), beide vom 25. Januar.
52 Zoller.


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Augustanorum constantia. Ita contigit etiam mihi frequenter, qui, cum omnia scribendo te delectare volo, diversis accidentibus rebus mihi ipsi diversus esse tibi videar. Rogo ergo, ut et hac in parte me habeas excusatum. Haec erat etiam causa discrepantiae inter eas, quas ad te et quas ad socerum scripsi. Puto autem tuas posteriores 54 nihil dissonantiae habituras cum soceri.

Quod ille bonus senex 55 literas ad senatum detulit, doleo valde et tanto magis, quanto magis in malam ipsi 56 sunt interpretati partem. Male habet eum, si nihil ei scribam, et cum scribo, talem movet Camerinam! 57 Si quid hac in parte erratum est, corrigere volo.

Chyrurgo 58 , ex quo ab initio belli me monuisti, 59 parcius scripsi. Non possum tamen eum prorsus reiicere quum propter affinitatis propinquitatem tum propter plurima eius erga me officia et beneficia. Scribo talia, quae nihil possunt nocere. Scio enim, quam plenus sit rimarum. 61

Tu hanc meam excusationem aequi bonique consulito, quaeso. Scripsi festinanter, sed ex animo. Utinam animum meum cognosceres! Non dubito, quin aliud de me sentires. Scripsi aliquanto ||E II 370, 50r. confidentius ad te, quia te amo et ut patrem veneror atque quod scio, si apud te sim purgatus, quod facile apud alios excusari possim. Quod aliquantulum vehementius scripsi, dolor coegit. Ignosce ergo et me sicut hactenus amare perge.

Vale. Salutat te d. Nicolaus Maior 62 , qui et ipse animi supra modum dubii est (fui hodie cum eo) e , item d. Laetus et fratres nostri tres 63 . Iussi, ut et ipsi tibi scribant, nam Laurentius et Rodolphus, quandoquidem uxores 64 non habent secum, omnino me etiam renitente ante vocationem discedere statuerant meque quasi magis timidum, qui difficulter relinquam ecclesiam, accusant; sed nescio, an sint facturi necne. Incitarunt me, ut frequentius scriberem etiam eorum nomine. Nunc ergo in me omnis faba cuditur. 65 Salvos cupio dominos fratres et patres Pellicanum, Bibliandrum et Gvaltherum, apud quos me purges, quaeso, et talem, quam forte de me quoque

e Klammern ergänzt.
53 Ulrich Kambli. — Dieser Brief Hallers an seinen Schwiegervater ist in Nr. 2770,9— 13, bezeugt.
54 Gemeint sind die letzten von Haller an Bullinger gerichteten Briefe. -
55 Er war etwas senil; s. Nr. 2786,86f.
56 Die Zürcher Ratsherren.
57 D.h. durch das Vorgehen gegen einen Missstand größeres Unheil zu provozieren; s. Adagia, 1, 1, 64 (ASD II/1 174, Nr. 64).
58 Jakob Ruf.
59 Siehe HBBW XVII 128f.
60 Jakob Rufs Gattin, Kleophe Schenkli, stammte wie Hallers Vater, Johannes
d.Ä., aus Wil (s. HBBW XIV 345. Anm. 29), woraus sich vermutlich die hier erwähnte und nicht näher bestimmbare Verwandtschaft erklären lässt.
61 d.h. wie sehr er alles herausplappert.
62 Nikolaus Müller. gen. Maier, Syndikus (Stadtadvokat) in Augsburg.
63 Meyer, Ruman und Schwyzer.
64 Die Namen der beiden Gattinnen sind nicht bekannt. — Sie waren in Zürich geblieben: s. HBBW XVIII 308.
65 Nun muss ich alles ausbaden; vgl. Otto 128, Nr. 3; Adagia, 1, 1, 84 (ASD II/1 192, Nr. 84); TPMA II 61f, Nr. 3.


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conceperunt, suspicionem eximas eis. Sit etiam salva uxor 66 et liberi tui 67 . Commendo tibi meum fratrem 68 . Augustae Vindelicorum, 3. februarii anno salutis 1547.

Ioannes Hallerus, tui studiosissimus.

[Adresse auf der Rückseite:] Fidelissimo Tigurinae urbis doctori d. Heinrycho Bullingero, domino et patri suo venerando. Zürich,

an m. Heinrych Bullinger.