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Autograph: Zürich StA, E II 357, 218f (Siegelspur) Zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 579f, Nr. 1402
[1] Der Briefüberbringer, Blarers Vetter Konrad Zwick, ist vom Konstanzer Rat an den Rat von Zürich entsandt. Den Grund dafür wird Bullinger von Zwick selbst erfahren. Er möge sich dessen im öffentlichen Interesse gut annehmen. —[2]Augsburg hat sich Kaiser Karl V. unterworfen. Allerdings kennt Blarer die Friedensbedingungen noch nicht. Gestern trafen von Georg Frölich einige auch an Bullinger gerichtete Schreiben ein, die Blarer Zwick ebenfalls anvertraut. Gottes Zorn offenbart sich im kläglichen Versagen aller [Protestanten]. Mit Ausnahme von Straßburg und Konstanz haben sich nun alle Städte ergeben, und vermutlich wird Konstanz diesem Beispiel leider auch bald folgen. Blarer kennt nämlich die Gesinnung der Konstanzer nur zu gut! Die Mehrheit ist nicht imstande, auf Gott zu vertrauen, wenn keine menschliche Hilfe in Aussicht steht. —[3] Daher sollen sich die Zürcher in Wort und Tat für den Erhalt der friedlichen, gutnachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Konstanz und Zürich einsetzen, mit Zwick alles vertraulich besprechen und Gottes Beistand erbitten. Blarer wird seinerseits sein Bestes dazu tun. Viel besser ist es, mit Gott Frieden zu haben und in der Welt im Unfrieden zu leben, als einen weltlichen vorübergehenden Frieden zu genießen, dabei aber in Gottes Ungnade zu stehen. Blarer weiß jedoch, wie schwach die Menschen, ja sogar Gottes Kinder sind. — [4] Bestimmt hat Bullinger den Eid, den die Gesandten der Städte [Biberach, Isny, Kempten, Memmingen und Ravensburg]dem Kaiser geschworen haben, beim Zürcher Rat zu sehen bekommen. Was meint er denn dazu? Kann man irgendwie solch einen Eid für akzeptabel und entschuldbar halten, zumal er einen Treuebruch gegenüber Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen bedeutet? So etwas kann man wohl nicht verantworten! —[5]Ebenso wenig begreift Blarer, wieso die [vier protestantischen Städte] sich den anderen Eidgenossen gegenüber verpflichtet fühlen und sich dadurch zu gottlosen Handlungen hinreißen lassen und weder den Konstanzern noch den anderen [deutschen Protestanten] zu Hilfe kommen! Nun denn! Bullinger versteht ja Blarer. —[6]Möge der Herr seinen Kindern die Kraft verleihen, seinen Willen auszuführen, damit sie sich nicht gegenseitig ins Verderben stürzen! Bullinger soll für Gottes Kirche beten. — [7] Segenswunsch und Gruß, besonders an die Ratsherren. Gruß von Thomas Blarer.
Furgeliepter herr und brüder, hiemitt hapt ir den frommen, christelichen,
theuren gottesmann, meinen allerliebsten vetter 2 , der von meinen herren 3 an
die eweren 4 abgefertiget ist uß ursachen, wie ir vernemmen werdt. Den
bevilch ich euch zum besten, das ir ime fruntlich und christelich züsprecht,Briefe_Vol_19-215 arpa
nitt von seiner person, aber gmainer sachen wegen, die er als gantz getrulich
und hertzlich güt maint.
Augspurg hat sich auch dem kaiser 5 undergeben; 6 mitt was conditionen, mag ich noch nitt wissen. Letus 7 hat mir auff gestert dise schriben zügeschickt, welch ouch an euch stond 8 . Wie ain grosse strauff ists doch und wie grosser zorn 9 ist es, das yederman alls 10 verzagtlich jemerlich handelt. Diewyl nun alle stett hindurch 11 und nieman mehr dann 12 Strasburg und Costentz überig sind, sorg ich billich, das wir, nach unser statt gelegenhait und nachdem ich die leut laider zum mehrtail, wie sy gesynnet, erkenn, werdenda ouch hinunder und dem hufen nachfaren 13 , nammlich, diewyl wir aller menschlicher mittel, durch die unß verhoffelich 14 möcht geholffen werden, gantz und gar entsetzt 15 , und aber die leut (ich red von dem grössern hauffen) nitt dermassen gesynnet und auff gott gelassen sind 16 , das sy alles on mittel uff inn wagen wellen und seiner wunderwerck erwarten. 17
Derhalb wellt den sachen zum besten nachgedencken und thain 18 , wie ir mögt, damitt ir und wir lenger möchten im fryden bliben und güt nachpaurn sein, wie ich euch dann on allen zwyfel genaigt waiß. Conferieren mitt meinem vetter vertrauwlich von allen sachen und bitten den herren von gantzem hertzen, das er die hertzen (so er doch in seinen henden hat) bewegen und erregen welle zü sölichen ratschlegen und fürnemender mittel, durch die unß möge liberung 19 widerfaren. Ich wellte (dem herren seye ewig lob) mynen tails gern alles daran setzen und vyl lieber mitt gottes hylff und bystand tausend tod lyden, so es möglich, dann etwas wider gott und die liebe 20 nachgeben und bewilligen; dann ye 21 besser mitt gottes friden, in der wellt unfrid und aller anderer ding gefarlichait stehn, dann in gottes ungnad der wellt falschen, nichtigen und augenplicklichen 22 friden haben. Aber, ach gott, ich ||219 waiß das unglöbig hertz der hosen und grosse schwachait deren, so ich danecht 23 gloub, das sy gottes kinder seyen. Derhalben ich gern
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weht furderlich sein zü allem demjhenigen, damitt wir nitt schand und spott wider gott und den nechsten inlegen 24 müssen, etc.
Ir habt den aid, so die gesandten der steddt 25 dem kaiser schweren müssen, wol gesechen by ewern herren. 26 Bitt ich euch um gottes willen, schreibt mir mitt drey worten ewer iudicium, ob er doch in aliqua interpretatione mög vertedingt 27 und entschuldiget werden, sonderlich, das man verschweren 28 müß alle erzögung 29 brüderlicher lieb und trüw gegen Sachsen 30 und Hessen 31 . Ich kans in meinem hertzen und urtail kainswegs finden, das es verantwurtlich seye. Will ettlicher anderer puncten geschwigen, die in der red der stett und dann im aid ouch begriffen sind.
Allso 32 kan ich ouch kainswegs finden 33 , wie ir euch gegen ewern andern Aidgnossen 34 mitt gott begeben können, das ir euch weder unser noch anderer wellind in unseren nöten annemmen, damitt wir zü ungöttlichen dingen nitt getrungen werden. Nun wolan! Ir merckt 36 und verstand mich wol.
Der herr gott well yederman zü thain geben 37 seinen wolgefelligen willen, damitt sich nitt dermassen ainer an dem andern verschuld, das wir all den gottes zorn und sein grausam straff lyden, und mittainander (das er gnedigklich verhüten welle) verderben müssind! Bittend und hettend, so best ir mögend für die kirchen gottes, das sy seliklich erbauwen und nitt dermass zerstört werden.
Gott mitt euch und ewerm haus. Grutzt all güt herren und freund, sonderlich administros tuos 38 in domino. Myn lieber brüder 39 empeut 40 euch sein dienst und alles güts. Datum in grosser yl, den 29. ianuarii 1547.
A. B.
[Ohne Adresse.]41