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Autograph: Zürich StA, E II 357a, 618-620 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 568-570, Nr. 1395
[1]Blarer bedankt sich für Bullingers christlichen Trost [in einem nicht erhaltenen Brief] und
wünschte, class Gott jedem Konstanzer eine solche Gesinnung verleihen würde! —[2]Der vom
Zürcher Rat erteilte menschliche Zuspruch hingegen fällt schwach und enttäuschend aus. DieBriefe_Vol_19-161 arpa
Feinde haben es früher und besser verstanden als die [Protestanten], die Eidgenossen bei
ihren Beratungen zu beeinflussen. Blarer bedauert, dass die [vier protestantischen Orte]sich
in solch einer auch für sie wichtigen Angelegenheit nicht mutiger gezeigt haben! Er befürchtet,
dass Gott beschlossen haben könnte, die Konstanzer und die eidgenössischen [protestantischen]
Orte in die Enge zu treiben. Letztere dürfen nicht vergessen, dass sie nicht viel weiter
als die Konstanzer vom etwaigen Kampfort entfernt liegen. Blarer glaubt gerne, dass die
Eidgenossen eine Belagerung auf ihrem Boden nicht dulden würden; in einem solchen Fall
stünden ja ihre Interessen auf dem Spiel. Sind sie sich aber bewusst. dass sie mit einer
derartigen Aussage den Konstanzern noch keine christliche, nachbarschaftliche Liebe erwiesen
haben? Übrigens wäre eine Belagerung auf Konstanzer Boden genauso gefährlich für sie.
Diesen Fall aber sprechen sie in ihrem Brief nicht an. Was nützt zudem die Versicherung, dass
im Bedarfsfall eidgenössische Soldaten von sich aus Konstanz zu Hilfe eilen würden? Man
konnte doch vor kurzem feststellen, wie ineffizient derartige Söldner sind! Es kommt noch
hinzu, dass die Eidgenossen sich gerade über die Bestrafung der Söldner beraten, die den
Schmalkaldenern zugezogen sind. Zürich soll sogar für derartige Maßnahmen sein! Wie kann
man dann erwarten, dass den Konstanzern viele eidgenössische Söldner zuziehen würden?
—[3]Blarer hat dies schon geahnt und in seinem letzten Brief [Nr. 2754]auch die Vermutung
geäußert, dass Konstanz wohl von allen verlassen werden muss. Allerdings fürchtet er sich
nicht davor, weil er genau weiß, dass Gott dadurch einen jeden erproben will. Nur wenige
werden diese Prüfung überstehen. —[4]Der Zürcher Rat versichert [im Namen der Vier Orte]
den Konstanzern seinen guten Willen und fügt hinzu, dass er alles tun wird, was er verantworten
kann. Was heißt dies aber? Es wird wohl dem Willen Gottes entsprechen, dass ein jeder
nur zuschauen will, wie der andere ins Verderben gestürzt wird, bis der Feind alle vernichtet
hat. Doch im Grunde genommen spielt dies keine Rolle, da der Herr bereits innert kurzer Zeit
die Seelen der Seinen in die Ewigkeit aufnehmen wird. —[5] Soeben hat Blarer von Konrad
Zwick erfahren, wie Hans Baumgartner und noch andere, die sich um einen gütlichen Vergleich
mit Kaiser Karl V. bemühen, Konstanz zu einer Antwort drängen. Der Kaiser, der sich
bereits in Ulm befindet, soll nämlich die noch nicht ausgesöhnten Städte dorthin bestellt
haben. Zwick fürchtet nun, dass die guten Worte der Unterhändler und die ausbleibende
Unterstützung vonseiten der Eidgenossen die Konstanzer zu einem Frieden verleiten werden.
Und auch wenn diese ihren Glauben behalten dürften, würde dies die Beziehungen zu den
benachbarten Eidgenossen sehr gefährden. Zwick fragt daher, ob Bullinger nicht durch Antoine
Morelet du Museau oder [Wilhelm] Frölich einen Zuschuss von 30'000 Florin von
Franz' I. für die Städte Konstanz und Lindau erwirken könnte. So wäre es diesen Städten
möglich, ihre [Wehrmauern] zu verstärken. im Gegenzug würden sie sich verpflichten, solange
sie Franz I. das Geld nicht zurückgezahlt haben, keine Soldaten gegen diesen [in Italien]oder
gegen [seine Verbündeten], die Eidgenossen, durchzulassen und auch sonst niemandem irgendeine
Hilfe gegen Frankreich und die Eidgenossen zu gewähren. Im Bedarfsfall sollte
Franz I. in jeder Stadt auch für die Finanzierung einer Garnison von jeweils 500 Mann für je 6
Florin pro Söldner während dreier Monate aufkommen. Das Geld dazu sollte er je vor Monatsende
in Zürich hinterlegen. —[6] Zwick ist der Meinung, dass Franz I. sein Geld kaum
besser anlegen könnte, zumal ein solches Abkommen seinen interessen und denen der Eidgenossen
dienen würde; wovon die [Zürcher] ihn wohl leicht werden überzeugen können.
Sowohl Blarer als auch Zwick betrachten dies als eine gute Lösung. Auf diese Weise müssen
sich nämlich weder die Zürcher noch andere Eidgenossen Konstanz gegenüber irgendwie
verpflichten (was sie ja wegen des Kaisers zu vermeiden versuchen); zudem käme die für
Konstanz geleistete Hilfe von Franz I. auch ihnen zugute! —[7]Den Botenlohn für die Sendung
an Morelet und die sonstigen Ausgaben sollen [die Zürcher] vorstrecken. Zwick wird diese
dann aus eigener Tasche begleichen. Man sollte rasch handeln, denn auf kaiserlicher Seite
schlaft man nicht. Es bedarf solcher menschlichen Unterstützungen, wenn man nicht will, dass
das Volk und die Ratsherren sich dem Kaiser ergeben. Bullinger soll sein Bestes tun. Wer weiß,
vielleicht wird Gott doch noch eingreifen, damit eine solche Hilfe nicht notwendig ist.
—[8]Am Vortag ist der auch Bullinger gut bekannte fromme Ratsherr Matthäus Molckenpur
gestorben. Dadurch hat die Stadt eine starke Stütze verloren. —[9]Hauptmann Marcell DietrichBriefe_Vol_19-162 arpa
von Schankwitz, der die Klause Ehrenberg erobert hat, ist in Konstanz eingetroffen. Er
will nicht mehr in Ulm bleiben, obwohl er von der Stadt ein jährliches Gehalt von 550 Florin
erhielt. Er berichtet, dass die Ulmer den Kaiser bei sich überwintern lassen und 4'000 Spaniern
Einlass in die Stadt gewähren wollen. Er ist der Meinung, dass der Kaiser sich eine
Festungsanlage in (Ihn bauen lassen und die Stadt nie mehr aufgeben, sondern von dort aus
versuchen wird, ganz Schwaben einzunehmen, um daraus ein Herzogtum zu bilden. Auf diese
Weise wird er über ganz Süddeutschland herrschen. Er kontrolliert ja bereits die vier wichtigen
württembergischen Festungen [Urach, Hohenasperg, Schorndorf und Kirchheim unter
Teck]. Wenn man nicht achtgibt, wird er sich die Deutschen und die Eidgenossen unterwerfen.
—[10]Gruß. Dem Boten [...] ist nichts zu entrichten. Bullinger möge sich der Angelegenheit
eiligst annehmen.
Furgeliepter herr und brüder, ewer christlicher trost ist gerecht. 2 Bedanck
mich deß solligen zum höchsten. Wunsch und beger von hertzen, das yederman
bey unns dermassen gesynnet were. Gott welle sölich hertz geben!
Ewer menschlicher trost 3 aber ist schwach und vyl anderst, dann man sich
versechen hett 4 . Was von Aidtgnossen gehandellt, habend die widerwertigen
5 eh und baß 6 gewisst dann wir, wie und waruff 7 getrungen worden. Ist
mir hertzlich laid, das doch diejhenigen, so mitt gottes wort daran seind, 8 in
solicher wichtiger sach, daran ouch inen billich 9 vyl gelegen sin sollt, nitt
handtlicher 10 und dapferer sind. Ich sorgen ubel 11 , ubel, uss allerlay
anzögungen 12 , es seye by dem herren beschlossen, wir müssind all in den
13
sack , ir gleich sowol alls wir, obglich wir ains stain wurffs necher zür
walstat 14 habend. Das ir schrybend, die ewern werden kain belegerung auff
ewerm boden gestatten, glob ich gern, dann sölichs erfordert 15 ewer aigne
gelegenhait und not. Und wirt darinn noch kain christlich oder nachpurlich
liebe bewysen oder danck verdient, diewyl die belegerung auff der ander
syten 16 nitt minder sorglich, deren aber nitt von euch meldung geschicht 17 .
Das ir dann wyter meldend, so wir leut bedörffend, werden sy auch kommen,
ob man unß die wol gleych nitt schickte 18 , frowte unß wenig. Dann wie
der prophet, 19 allso auch der kriegsman, soll nitt selbs louffen, so 20 er nittBriefe_Vol_19-163 arpa
geschickt wirt. Kondt mich auch wenig glucks versechen by sölichen selbslouffenden
knechten, dann dise ding den ordenlichen und rechten weg sollend
gehandelt werden, sonst gehts alles letz 21 , wie wir dann die exempel
vor augen gehapt und noch habend! 22 Es wirt auch die strauff, so yetz von
den Aidtgnossen fürgenommen wider diejhenigen, die dem reych 23 gezogen
24 , in welche ouch ir 25 sollen gehellen 26 , die knecht wol unlustig 27 machen
und von dem louffen abhalten, wie dann billich und recht ist irenhalb.
Es ist mir alles vorgesein 28 , und hat mirs min aigen hertz gesagt. Hab euchs in meinem letsten brieff angezögt 29 , es seye mir vor, wir müssen von yederman verlassen werden, da 30 mir aber für mein person gar nichts anleg 31 . Dann also 32 findt sich die recht war prob 33 des lebendigen hertzlichen vertrauwens uff gott (so wir aller anderer ding aussgezogen 34 seind und in dermassen ergeben) a , das wir ouch gern sterben und verderben wellen hie uff erd, so es im gefellig. Aber ich sich 35 daneben 36 , wie man gmainklich gestimmet 37 , und deren wenig ist, die on mittel 38 uff gott sechen wellind.
||619 Es schreibend ewer herren 39 den unsern, sy wollen sich yeder zeyt erzaigen 40 und alles das thain 41 , das sy verantworten mögind. Hapt ir wol zü 42 ermessen, wie diß ungewonhcher anhang verstanden müsß werden und
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was er uff im tragt 43 . Aber es gefeilt dem herren allso und ist sin gerecht und unser wolbeschult 44 urtail, das ye ain nachpaur dem andern dermassen züseche in seinem verderben, byß wir all zu grund gond und unß der find 45 uffrisst. 46 Wolan! Es ligt nichts an disem allem. Es ist um ain bös stundlein zethain 47 . Der herr wirt unser seelen ewig erhalten und unß die seinen sein lassen! Amen.
Yetzund, so ich diß geschriben, wurd ich bericht von meinem l[ieben] v[etter] Conrat Z[wick], wie das meine herren von dem Bomgartner 48 und ettlich andern, so sich sydhär gütlicher handlung underfangen 49 , um antwurt urgiert 50 werden; das ouch der kaiser 51 yetzund, diewyl er schon zü Ulm 52 persönlich ist, und 53 die andern unversönten stett dahin beschaiden 54 welle, etc. Nun sorge er 55 aber ubel, es werdind die güten wort der underhendler, unnd dann, das man by euch schlechten trost findt, 56 vyl vermögen. Sorge daneben nichts destweniger, komme man dermassen 57 in ain vertrag. Ob man unß glich 58 by der religion belyben lasst, werde es um 59 anderer conditionen 60 und ursachen willen böse nachpurschafft 61 geberen, etc. Derhalb hab er 62 gedacht, ob nitt durch euch by dem Murlet 63 oder Frölich 64 practic 65 anzerichten were, das der Frantzoß 66 disen zway stetten Costentz und Lyndauw ain summa gelts byß in 30'000 fl züstalte und lyche 67 (mitt dem geding 68 , daß sy die 69 an iren stetten, namlich gegen des kaisers land, verbauwen sollten, 70 und, alls lang sy das gelt nitt erlegten, diewyl 71 sollten sy schuldig sein, weder den kaiser noch ander durch ire stett bassieren 72 ze lassen wider den Frantzosen oder Aidgnossen, ouch kain andern furschub ze thain 73 ) und, im fal, das sys bedorfften, ain züsatz 74 (namlich yede statt 500
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knecht annemen mochte 3 monat lang, uff ain yeden knecht 6 fl in seinem 75 kosten, allso 76 , das wan der züsatz angenomen were, das dann das gelt 77 gen Zurich erlegt wurde 78 , und vor verschinem ersten monat 79 ain monat sold alida erhept wurde, und allso nach und nach, etc. 80
Maint b min vetter, der Frantzoß kondte 81 doch sölich gellt nitt baß anlegen, dann es sein und der Aidgnossen grosser nutz were, wie man im dasselbig wol mitt warhait inbilden 82 kondt und irs gar aigentlich 83 kondten darthain 84 . ||620 Achtet min l[ieber]v[etter] und ich, diß alles möchte wol mitt gott sein und were gar ain güter weg. Dann allso dorfftend 85 weder ir noch ander Aidgnossen nichts mitt unß handlen 86 (diewyl irs von des kaisers wegen nitt gern thaind), sonder were diß alles des Frantzosen handlung und keme danecht 87 euch ouch zü gutem.
Wa 88 es nun euch ouch für güt ansecht, und ir bottenlon zü den Murlet oder sunst herinn 89 haben müsten, sollend ir den darlichen 90 . Myn vetter will disen costen auff sich selbs nemmen. Were aber güt, das es ylends beschech und darinn nitt gefyret 91 wurd, dann man fyret dört 92 ouch nitt. So sich ich laider, wie der gmain mann und senator 93 gesinnet ist, wa man kain menschlich handthebe 94 hat. Darum thaind das best, ob 95 doch naisman 96 gott ain güt mittel zaigte, daß wir unß nitt allso inliessind.
Uff gestert ist ain gar frommer christlicher senator gestorben, Mattheus Molckenpur, den ir wol kendt. Ist warlich ain starcke saul unser statt gefallen. Gott wells in ander weg gnedigklich erstatten 97 .
Der hauptman Dietrich Marcell 98 ist herkommen, der die Cluß 99 erobert hat. Will nitt mehr zü Ulm sin, wiewol er jerlich 550 fl dienstgellt von inn 100
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gehapt. Sagt, die Ulmer wellend den kaiseren ußwynteren 101 ; lassend 4'000 Spanyer in ir statt. Achtet, der kaiser werde ain feste 102 zü Ulm bauwen und die statt nymmer mehr von hand lassen, sonder durch diß statt sich underston 103 das gantz Schwabenland inzethain 104 und das hertzogthüm Schwaben uffrichten. 105 Er wirt dis gantzen oberlands herr und maister, sonderlich diewyl er die vier rechten vestinen 106 in Wirtenperg auch innhat. Ja, warlich, er macht weg, durch die er unß und euch 107 desgleychen wol wirt gemaisteren, sicht man nitt by zeyt zur sach; aber man gedencks nitt 108 .
Gott mitt euch. In grosser yl. Ir dörfft dem botten 109 gar nichts geben. Ylend mitt der sach, so best ir mögt! Datum den 21. jenners. c
[Ohne Unterschrift.]
[Adresse auf der Rückseite:] An meister Heinrich Bullinger zü Zürich.