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Autograph: Zürich StA, E II 357a, 675f (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 558-560, Nr. 1390
[1]Bullinger wird nun sicherlich über die Ergebnisse der Verhandlungen [zwischen Georg
Müller und Konrad Zwick] in Stein [am Rhein]informiert worden sein. Wie beschwerlich doch
alles ist! — [2] Peter Scher d.Ä. von Schwarzenburg schrieb am Vorabend einen Brief aus
Balingen, voll von schrecklichen Nachrichten. Darin berichtet er, dass die Kaiserlichen in
Württemberg so schlimm wüten, dass sie selbst die Türken in den Schatten stellen. Die Menschen
flüchten, irren umher und wissen weder ein noch aus! In Markdorf [richtig: Marbach
am Neckar] haben die Kaiserlichen entgegen ihrer Zusage besonders schrecklich gehandelt:
Die Männer wurden an ihren Genitalien aufgehängt; ihre Frauen und Töchter vor ihren
Augen geschändet; und um an das Geld der Leute zu kommen, folterte man sie auf jede
erdenkliche Art und Weise; auch die Amtsträger wurden lange gemartert, ehe man sie tötete;
Haus und Hof etlicher Adliger wurden niedergebrannt. Viele Pfarrer sind geflüchtet, weil man
einigen die Genitalien herausschnitt. Auch nagelte man einigen Pfarrern Teller auf die Köpfe
als Strafe dafür, dass sie die Tonsur der Geistlichen verweigert hatten. — [3] Am vorigen
Mittwoch [29. Dezember]hat der Herzog von Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Stuttgart und
Cannstatt zur Kapitulation aufgefordert. Obwohl die Städte um Bedenkzeit gebeten hatten,
mussten sie sich sofort ergeben. Auch dort hat der Feind grausam gewütet. Scher vermutet,
dass unterdessen auch Tübingen gefallen ist, auch wenn die Garnison des Schlosses vorhat,
Widerstand zu leisten. — [4] Lehrer und Studenten sind bereits aus Tübingen geflüchtet; so
auch Erhard Schnepf der vorgestern in Konstanz eintraf wo man ihm auf seine Bitte hin
Unterschlupf gewährt. Er wartet noch auf Frau [Margarete, geb. Wurzelmann] und Kinder.
Auch er berichtet von großem Jammer. —[5]Herrenberg wurde ebenfalls eingenommen. Das
ganze Land [Württemberg] wird bald erobert sein, ausgenommen die besetzten Festungen wie
Schloss Tübingen, Urach, Hohenasperg, Schorndorf Kirchheim unter Teck und wenige andere.
Hoffentlich halten sie stand. —[6]Blarer hat gestern einen Brief von [Johannes Knoder]
vom Hohentwiel empfangen. Darin wird berichtet, dass Herzog [Ulrich von Württemberg] in
Verhandlung [mit Kaiser Karl V] steht, dass er sehr unzufrieden ist und nur einen ehrlichen
Frieden anstrebt. Seine Gesandten [Balthasar von Gültlingen, Johann Fessler und Ludwig von
Frauenberg]sind noch nicht [vom Kaiser]zurückgekehrt. —[7] Wie konnte sich nur solch eine
Tyrannei widerstandslos durchsetzen? Wer hätte geglaubt, dass eines der beiden Lager zugrunde
gehen würde, ohne jegliche Kriegshandlung? Gott möge helfen! — [8] Doch noch ist
Blarer unverzagt und hofft, dass auch dieser Feind mit Gottes Hilft nachgeben wird. Gott gebeBriefe_Vol_19-080 arpa
einen echten Frieden! Blarer wünscht Bullinger und den Seinen ein gnadenreiches und friedliches
Jahr auf Erden, und jenseits das ewige Leben! —[9]Aufgrund seiner vielen Verpflichtungen
muss er nun den Brief schließen. Bullinger wird erfahren, dass der Konstanzer Rat an
den Zürcher Rat geschrieben hat. —[10]Anbei die Abschrift eines Schreibens [Hans] Baumgartners
vom 23. Dezember. Der Rat erhielt es gestern in Abwesenheit von [Konrad Zwick].
Bullinger kann daraus ersehen, wie die [Friedensverhandlungen] mit schönen Worten
[schmackhaft gemacht werden]. —[11]Möge der Herr uns behüten! Grüße.
Hertzallergelieptester brüder, was zü Stain 2 gehandelt, werdt ir wol bericht sein. Ach gott, ewiger gott und barmhertziger vatter, wie tragend sich doch die sachen so gantz beschwerlich zü
Mein lieber schwager Peter Schär 3 schribt auff necht 4 von Balingen 5 auß Wirtemperg so ain kleglichen brieff. Ain froms hertz söllt billich 6 blüt darob wainen, das der zorn gottes so grausam über unß ergangen ist. Er zögt an, das die find 7 uber all ding grausam in Wirtemperg handlind, das kain Turck erschrockelicher handeln köndt: Die leüt fluchind 8 , gangind irrs, louffind hin und wider, wissind nitt wa uß; ziechind mütter und kind, jungfrauwen und allte weiber so jemerlich um 9 , das es ain stain erbarmen mocht! Im stättle Marckdorff 10 habend sy uber 11 ir züsagen so erschrocklich gehandelt, das unglouplich: Die menner by den gemechten 12 uffgehenckt, ire wyber und tochteren angsicht irer 13 augen geschondt, alle menschen mitt wunderseltzamen folterungen gepeiniget, gellt von inen ze pringen; alle ampt und bevelchsleut, die sy betretten 14 , müssend herhalten, vorhin lang gemarteret und darnach erst gar erwirgt werden! Ettlichen edelleuten haben sy auch huß und hof verbrent. Vyl pfarrer sind entrunnen uss den flecken und dörffern, dann 15 sy ettlichen die gmecht gar ausgeschnitten. Item sy habend negel in teller gehefft und ettlichen pfarrern uff die köpff genaglet und geschlagen,
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zü inn gesagt: diewyl sy nitt platten 16 habind tragen wellen, müssind diß ire platten sin. In summa: Es ist ain unglouplich tyranny!
Uff nechstvergangen mittwoch 17 hat der duca de Alba 18 Stütgart 19 und Canstett 20 uffgefordert 21 . Habend sy ain verdacht 22 begert, aber nitt erlangen mögen, sonder habind sich gleich uffgeben müssen. Habind 23 da gehauset und noch, das es nieman ersagen 24 könne. Und achtet min schwager, sy habind yetz Tubingen auch inn, wiewol sich die im schloss weren wellen. 25
Die doctores und studenten sind vor ettlichen tagen all zerstoben 26 und hinwegg. Doctor Erhart Schnepff 27 ist uff vorgestert 28 herkommen von Tubingen. Wartet all stund seiner weyb 29 und kind 30 . Begert hie underschloff, der ime ouch bewilliget worden. Sagt von grossem jomer.
Herrenberg ist ouch berendt, und wirt das gantz land in kurtzen tagen gar eroberet, aussgenommen wa vestinen 31 sind mitt züsetzen 32 , alls schlosß Tubingen, 33 Urach, 34 Asperg 35 Schorndorff 36 , Kirchen under Teck 37 und wenig ander; mögend sich, wills gott, enthalten 38 .
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||676 Ich hab brieff ab Hochenwiel 39 empfangen uff necht, by denen ich abnym, das der hertzog 40 übel züfriden 41 und das er wol in ainer handlung 42 , aber gar nitt willens ist anzenemmen, das im verwisslich 43 und unehrlich seye. Seine gesandten 44 sind noch nitt widerum kommen. Mittler zeyt handelt der find alls tyrannisch und grausam. Hoff zü gott, es werde nichts drausß, das er sich allso an kaiser ergebe. Ist weger 45 , ain land vorloren 46 mitt ehren, dann mitt schand und unehr behalten. Es mag allweg 47 bald widerum gewunnen werden, sonder wann 48 ettlich vestinen halten und ja der herr gott ain benügen well haben.
Ach, min gott, ists nitt zü erbarmen, das solich tyranney on allen widerstand ain fürgang haben solle? Wer hetts ymmer 49 geglopt a , das man dermassen stillsytzen und ye ainer den andern, byß er verderbe, züsechen sollt! Hilff, ewiger gott! Wie ist das so ain grosser zorn?
Nun wolan! Noch byn ich unverzagt und hoff ongezwyfellt, diser find müsß ouch, und nun bald, frid geben und verzablen 50 durch weg und mittel, die dem lieben vatter im himel wol bekandt sind! Den helffend unß mitt ernst und trungelichem pitt 51 anrüffen. Er well unnß mitt gnaden ansechen, sein schwert instecken und ain bestendigen friden geben um des fridfursten 52 Jesu Christi willen! In dem wunsch und beger ich hertzlich usß allen krefften euch und den ewern vyl, vyl güter, gnadreycher, frydrycher, globricher 53 , liebricher und dultricher jar hie, und dört 54 das ewig leben! Amen. Amen.
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Ich kan nitt mehr. So vyl ist der geschefft und schreibens, das mir uff dem hals lygt! Habt für güt 55 Es schreiben mine herren den ewern, wie ir bericht werdt. 56
So schick ich euch mitt ain copey aines schribens 57 . Ist erst gestert in abwesen meines vetters 58 meinen herren von dem reychen, gwaltigen mann, dem dem Pomgarter 59 , zükomen, wiewol 23. decembris geben, ausß dem ir leycht zü vernemmen hapt, was man sich mitt güten worten zü erlangen understaht 60 .
Der ewig, barmhartzig vatter behüt unß vor allem, das seinem nammen unehrlich und deßhalb unß an unserm hail und ewigen leben nachtailig seye! Grüzt all güt herren und freund. Euch grüzt yederman.
[Ohne Unterschrift.]
[Adresse: b ] An Maister Hainrich Bullinger c .