Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2785]

[Georg Frölich]
an Bullinger
[Augsburg],
1. Februar 1547

Autograph: Zürich StA, E II 346, 223 (Siegelspur) Ungedruckt

[1] Frölich ist dankbar für Bullingers tröstlichen Brief vom 22. Januar [nicht erhalten] und dessen Ratschläge, zumal er weiß, dass Bullinger diese auch selbst befolgen würde. [2] Er hat vergeblich gehofft, dass Augsburg Glauben und Freiheit bewahren würde. Doch die bequemen Kaufleute haben sowohl innerhalb als auch außerhalb des Rates für eine Versöhnung

b In der Vorlage seine.
3 Gemeint ist Blarers Brief Nr. 2778 vom 29. Januar 1547.
4 Konrad Zwick.
5 Reisetasche; Ledersack.
6 Es handelt sich um das Schreiben des Konstanzer Rats an die vier protestantischen Städte der Eidgenossenschaft vom 1. Februar 1547; s. dazu Nr. 2767, Anm. 21.
7 Hans Escher vom Luchs.
8 Subjekt ist Zwick.
9 Zwick verließ Konstanz vor Tagesanbruch des 2. Februars in Richtung eines
unbekannten Ortes in Süddeutschland; s. Nr. 2783,3-8. Er wollte schon am Abend des 3. Februars wieder in Konstanz sein; s. Nr. 2790,13.
10 Johann von Weeze.
11 gegenüber.
12 Karl V.
13 Dieses Zettelchen war vermutlich zusammen mit Blarers Briefen Nr. 2778 und Nr. 2782 vom 29. bzw. 31. Januar Teil einer einzigen Briefsendung; s. oben Nr. 2782, Anm. a.


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mit Kaiser Karl V. geworben. Die Obrigkeit hat das Volk mit falschen Versprechungen betört und es so weit gebracht, dass fast alle 300 Ratsherren des Großen Rates der Aussöhnung zustimmten. Frölich aber ist seiner Aufgabe nachgekommen. [3] Das Abkommen ist beschämend! Die freie Ausübung der Religion wurde den Augsburgern von kaiserlichen Räten nur mündlich versprochen und nur solange, bis es im deutschen Reich zu einer christlichen Reformation kommen würde. Das Zugeständnis wird also nicht lange dauern! [4]Außerdem wird die Stadt gezwungen, ausländische Truppen einzulassen, um so dem Kaiser größeres Ansehen zu verschaffen. Dahinter steckt eine List! Die [Augsburger Unterhändler] versuchen zwar, diese Maßnahme zu verhindern. Ob es ihnen gelingen wird, bleibt offen. Darüber wird man heute oder morgen mehr erfahren. Die sonst fügsame Bevölkerung ist sehr unzufrieden und könnte bei der Ankunft der kaiserlichen Truppen die Stadttore besetzen. Das würde zu einem Aufruhr führen. Dann hätte man den Krieg nicht nur außerhalb, sondern auch inmitten der Stadt! [5] Frölich kann jetzt nicht auch über die übrigen Bedingungen berichten. Vielleicht bald mehr dazu, und zwar mündlich. [6] Obwohl er mehr als alle anderen in Gefahr schwebt, wird er sich gut um Johannes Haller kümmern. Dieser hatte vor, nach Zürich zurückzukehren. Doch auf Frölichs und Bullingers Rat hin hat er diesen Plan aufgegeben, zumal ein [Umzug]gefährlich wäre und eine Abreise unangebracht. Denn in Augsburg wird man die Predigt des Evangeliums nicht so leicht abschaffen können, auch wenn sie eingeschränkt wird. Möge Gott zeigen, wie Augsburg trotz der Einigung [mit dem Kaiser] die evangelische Wahrheit beibehalten kann. Die vom Kaiser angestrebte Reform wird im Sinne der römischen Kirche ausfallen, und diejenigen, die sich ihr nicht anschließen, müssen mit einem Bann rechnen. Es gilt, wachsam zu sein! [7]Der Kaiser ist nicht tot. Als am Samstag [29. Januar] die Augsburger [Gesandten] ihm den Fußfall leisteten und ihre Schuld am Krieg bekannten, sprach er mit ihnen und begnadigte sie. [8] Frölich dankt für die Nachrichten über Italien und Frankreich! In Augsburg hörte man Ähnliches. [9]Herzog Ulrich von Württemberg hat sich zu schändlichen Friedensbedingungen nötigen lassen, die nicht schlimmer ausgefallen wären, wenn der Kaiser ihn besiegt hätte! Auch in Augsburg ist man darüber erschrocken. [10]Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, der noch bis zum 24. Januar vor Leipzig lag, konnte die Stadt trotz heftigem Beschuss nicht einnehmen. Gott möge ihm den Sieg verleihen, auch wenn Frölich wegen des in Wittenberg [im Abendmahl] betriebenen Götzendienstes um ihn fürchten muss! Der Kurfürst verfügt über genügend Kriegsvolk, hat aber kein Geld. Bis auf Dresden hat er fast das gesamte Land des Herzogs Moritz von Sachsen eingenommen. [11]Landgraf Philipp von Hessen tut nichts. Vielleicht hat er eine [heimliche]Abmachung [mit dem Kaiser]. [12] Frölich muss aufhören. [13][Hans Welser], dem Bullinger seinen [Lukaskommentar]gewidmet hat, ist ein Dummkopf! [14]Gruß. [15]Hans Vogler d.J. hat in Lindau ohne Erlaubnis seiner Eltern [Hans d.Ä. und Appolonia, geb. Baumgartner], eine Frau [Maria Grafner] genommen. Nun soll Frölich helfen, diese Ehe zu verteidigen! Doch möchte er weder solch ein ungehorsames Verhalten unterstützen noch den Vater vor den Kopf stoßen. Was würde denn Bullinger raten? [16] Frölich konnte seinen Brief nicht durchlesen.

S. Tuas 1 et consolatione et consilio in his calamitatibus plenas, observandissime frater, 22. ianuarii a ad me datas, gratissima mente accepi credoque te idem facturum, si eo loco esses, quod mihi consulis. Lubens igitur consilium tuum amplector.

Magna mihi superioribus diebus spes erat retinende religionis et libertatis, sed interea temporis multum ex ea spe decidit. Nam proceres nostre urbis,

a Über der Zeile nachgetragen.
1 Nicht erhalten. — Frölich erhielt diesen Brief sehr wahrscheinlich durch Johannes
Hallers Verwandten Konrad Kambli; s. Nr. 2786,1.


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mercatores nempe delicatul 2 , tam in senatu quam extra concordis b votis nihil aliud quam gratiam cesaris 3 expetiverunt et clamaverunt. llli etiam, qui rebus presunt, populi aures longis sed falsis persuasionibus demulserunt 4 atque in sentenciam suam tandem c pertraxerunt, ut fere omnes amplioris etiam senatus senatores, quorum fere 300 sunt, decreverint cum cesare paciscendum esse. 5 Ego ineo diligenter functus sum offitio.

Quomodo autem pactum sit, dicere sane pudet. De religione enim nihil cavetur, nisi quod cesaris consiliarii nudis verbis polliciti sint religionem unicuique civitati libere permissam esse suam, donec christiana atque communis in regno Germania fiat reformatio. 6 Age, queso, frater, quamdiu nobis nunc libera predicandi evangelii Christi potestas mansura sit?

Tum (quod difficile quoque est) d extraneus miles 7 debet in urbem nostram recipi propter ampliandam tantum cesaris (ut ipsi aiunt) authoritatem. Ego vero insidias non timere non possum. Nostri prece et premio conantur hoc institutum impedire, sed quid impetraturi sint, adhuc incertum est. Populus noster, sane numerosus et alioqui ductilis, plurimum murmurat, valdeque timendum est, ne ipse cesareano milite adventante portas occupet et alienos non intromittat, quo pacto non solum inter nos (proceribus iam universis ad cesarem defectis) tumultus oriatur et tam foris quam domi bellum habeamus. Hodie vel cras certiores erimus, quid de extraneo milite apud cesarem actum sit.

De reliquis condicionibus non vacat modo scribere. Spero me non ita longo post tempore oretenus tibi nonnihil harum rerum communicaturum. 8

Hallen causa 9 plane mea est. Ipse statuerat abire, sed consilio meo 10 atque tuis literis 11 sententiam mutavit: Neque enim satis tutum 12 neque satis honestum erat. Nam etsi evangelii predicatio periclitetur, tamen e brevi vel facile hic non potent abrogari. Interea potent dominus, emendatione vite nostre et sui ex animo observatione motus, nobis viam retinende apud nos

b In der Vorlage concorbis. —
C Über der Zeile nachgetragen.
d Klammern ergänzt.
e In der Vorlage folgt darauf erneut tamen.
2 weiche; bequeme.
3 Karl V.
4 Vgl. Adagio 3, 1, 37 (ASD II/5 60, Nr. 2037).
5 Siehe dazu schon Nr. 2759,6-18; Nr. 2767,6-15.
6 Vgl. Nr. 2759,11-19, und Nr. 2783.
7 Kollektiver Singular, gebräuchlich bei Personengruppen, insbesondere im Militärwesen. — Zur geforderten Aufnahme kaiserlicher Besatzungstruppen in Augsburg s. schon Nr. 2769,9f, sowie Roth, Augsburg III 468; IV 6-11; Kirch, Fugger 127.
8 Frölich hatte nämlich vor, Augsburg zu verlassen und sich nach Zürich oder Kon
stanz zu begeben; s. Nr. 2741,24-27; Nr. 2744,53-55; Nr. 2746,15f; Nr. 2759,63— 72. Siehe ferner Nr. 2858,1-3; Nr. 2865,1f; Nr. 2867,1.
9 Gemeint ist das Schicksal des in Augsburg wirkenden Hallers. — Vgl. Nr. 2741,23.
10 Vgl. Nr. 2786,41f.
11 Bullingers Briefe an Haller vom 14. (Nr. 2752) und 22. Januar (nicht erhalten); s. Nr. 2786,1f.
12 In Anbetracht der wegen des Krieges unsicher gewordenen Straßen. Deshalb wäre ein Umzug der ganzen Familie gefährlich gewesen.


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veritatis monstrare, que nostratium pactione 13 prorsus est preclusa, quia futura reformacio 14 certo fiet secundum Romanam ecclesiam, quam qui non sequetur, anathemate percutietur tandemque excindetur. Propterea prudentioribus et piis vigilandum erit, ut sibi rebus eo declinantibus in tempore prospiciant. Hallen curam tam in hoc quam in aiis diligenter habiturus sum, quamquam ego pre omnibus in periculis verser. 15

||223v. Cesar est in vivis. 6 Nostri die saturni proxima 7 prociderunt ad genua eius culpam hoc bello admissam deprecantes, 18 quibus dementia reddidit et dedit verba. O mi frater, quo redacti sumus?

Ich bedannckh mich eur zittung aus Italia 19 und Franckrich 20 . Ist alhie auch fasst derglichen erschollen 21 .

Wirtembergensis 22 foedissimis, sed ut tyranno convenit, conditionibus f pepigit. 23 In vinculis porro non potuisset plus ex eo emungi; id quod et nostros terruit!

Der churfürst von Saxen 24 ist uff 24. ianuarii noch vor Lipzig gelegen. 25 Hats hart beschossen, aber noch nit erobert gehapt. Ist guter hoffnung, es soll ime nit vorstohn 26 . O das doch demselben frumen fursten gott rechten Sieg gebe, quanquam ego illi propter idololatriam Wittembergensem 27 valde timeam. Er ist von volckh 28 starckh genug; die nervi belli 29 sind aber nit vorhanden. Hat Dreßden noch nit eingenummen, aber sunst fasst alles hertzog Moritzen lannd.

Der lanndgraf 31 sitzt still. Ist zu besorgen, er hab ain verstannd 32 , dieweil er nit angreifft noch angriffen wurdt.

Ich kan ditsmals nit mehr.

f Zu erwarten wäre foedissimas conditiones.
13 Gemeint ist der zwischen Augsburg und dem Kaiser geschlossene Frieden.
18 Die in Z. 15f in Aussicht gestellte Reformation.
15 Vgl. schon oben Anm. 8.
16 Siehe dazu Nr. 2782, Anm. 20; Nr. 2788,18-20.
17 29. Januar.
18 Siehe dazu schon Nr. 2769, Anm. 7. —Zu diesem Fußfall liegt ein Bericht von Paul Hektor Mair in dessen Chronik vor (Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 7, Leipzig 1917, S. 323— 325).
19 Wohl über die Ereignisse in Genua.
20 Wohl über das Vorhaben Franz' Ï., den Krieg in Norditalien wieder aufzunehmen; s. Nr. 2751,55-57; Nr. 2761,58-60.
21 fasst derglichen erschollen: fast das Gleiche erzählt worden.
22 Ulrich von Württemberg.
23 Anspielung auf den Hohentwieler Vertrag; s. Nr. 2746, Anm. 21.
24 Johann Friedrich I.
25 Siehe dazu Nr. 2757, Anm. 76.
26 ime nit vorstohn: sich ihm nicht widersetzen. — Zum Zeitpunkt seines Schreibens wusste Frölich noch nicht, dass der Kurfürst am 27. Januar von Leipzig abgezogen war.
27 Gemeint ist die von Wittenberg vertretene Auffassung über das Abendmahl und die damit verbundene Feier; vgl. HBBW XVII 31 und Anm. 167f.
28 von volckh: was die Truppen anbetrifft.
29 nervi belli: Geld; vgl. Cicero, Orationes Philippicae, 5, 5.
30 Siehe dazu Nr. 2761, Anm. 19.
31 Philipp von Hessen.
32 Vereinbarung (mit dem Kaiser).


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Tile 33 , cui dedicasti tua sacrosancta, fungus est.

Salutem ex me dices omnibus, quos nosti, bonis.

D. Ioannis Vogleri filius 34 uxorem 35 Lindovie duxit invitis, ut audio, parentibus . Orat me, ut in confirmando coniugio ipsum iuvem. Ego vero citra parentis, viri optimi, voluntatem nihil facturus sum, ne videar inobedientie esse patronus. Vellem tamen tuum lubens audire iuditium, quid mihi faciundum siet.

Datum 1. februarii 1547, non reiectis, etc.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf f. 223a,r.:] Herren Henrichen Bullinger, Zurch, minem furgeliebten herren zu hannden. Zurch. 37