[2810]
Autograph: Zürich StA, E II 366, 197-197a (Siegelspur) Ungedruckt
[1]Bullinger möchte über Norddeutschland informiert werden. Doch wie soll Gast Verbürgtes über Menschen erfahren, die so weit weg leben? Er kann aber die folgende lächerliche, doch aufschlussreiche Geschichte erzählen: Ein Pfaffe [Nicolaus Piper?]dankte neulich in einer in Bergheim gehaltenen Predigt Gott für den Sieg Kaiser Karls V. und meinte, dass für die katholische Geistlichkeit und für die Juden nichts Schlimmeres hätte passieren können als ein Sieg der Lutheraner! Daraufhin rief er Juden und Katholiken dazu auf weiterhin um Gottes Beistand zu flehen. —[2]Ein Bürger aus Frankfurt [Mathias Limberger]berichtete, dass die fünf in der Stadt liegenden [kaiserlichen] Fähnlein für die Kosten ihres Verzehrs selbst aufkommen und bisher niemanden beraubt haben. Als ein Mönch [...] die Kriegsknechte um die Erlaubnis bat, ihnen die Messe lesen zu dürfen, wurde dies vom Frankfurter Rat abgeschlagen. — [3] Der Kaiser soll etwa 200 Wagen nach Worms geschickt haben, weil angeblich der nächste Reichstag dort stattfinden soll. Nachrichten über Sachsen wird Myconius mitteilen. —[4]Neulich schrieb Gast über Junker Claus von Hattstatt, der im Schloss Ensisheim gefangen liegt. Er soll zum Tode verurteilt sein. Die Anklagepunkte lauten: 1. Er wollte nicht dem Kaiser im Feldzug dienen. 2. Er habe sein Kriegsvolk den Straßburgern zuziehen lassen und Knechte für Landgraf Philipp von Hessen angeworben. 3. Er wolle für den französischen König Franz I. Soldaten rekrutieren. Sechs Reiter, die zu Hattstatts Schloss geschickt wurden, um dessen Akten zu beschlagnahmen, wurden von dem im Schloss zurückgelassenen Kriegsmann [...] mit Schüssen vertrieben. Dieser verbrannte daraufhin die Dokumente. Hallstatt ist also noch im Besitz seines Schlosses. —[5]Etwas Erfreuliches: Die Colmarer haben einen Teil von dem Haus des aus Maulbronn verbannten Abtes [Johannes von Lienzingen](für dessen Unterhalt sie lange sorgten) abgebaut, um damit die Stadtmauern zu befestigen. Daraufhin verklagte der Abt die Stadt beim König Ferdinand I. Der Prior Johannes Hoffmneister übernahm jedoch ihre Verteidigung und ritt deswegen mit einem der Räte [...] zu Ferdinand. So vernichten sich die Papisten gegenseitig! —[6]Landgraf Philipp von Hessen rüstet in Kassel. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen hat Leipzig eingenommen, alle Kriegsleute in der Stadt getötet und diese plündern lassen. Er begibt sich nun mit einer starken Truppe nach Schlesien. Ein Teil seines Heeres ist in das Land des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach eingefallen. Der hinterlistige Markgraf lässt zwar das Evangelium in seinem Land verkündigen, war aber im vergangenen Sommer beim Kaiser. Der Kurfürst hat zudem das Gebiet des Grafen [Friedrich Magnus von Solms-Laubach bzw. Reinhard] von Sohns erobert. —[7]Anna, Königin von Ungarn und Böhmen, die Frau Ferdinands, ist gestorben. Dies hat Gast vom Boten [...]erfahren, der [vonseiten des Königs]einen Brief bringt, mit dem die [vier protestantischen] Städte [der Eidgenossenschaft]gebeten werden, Trauergottesdienste für die Verstorbene abzuhalten. —[8]Die Straßburger rüsten sich mit Waffen und Gebet zum Widerstand gegen den Kaiser. —[9]Die Juden in Frankfurt haben den Reichsadler an ihren Haustüren angebracht, damit inan ihnen ja nicht schade. Ihnen werden mehr Freiheiten als den Christen zugestanden! —[10]Dies in Kürze, damit Gast nicht bezichtigt werden kann, seine Vereinbarung mit Bullinger vergessen zu haben. Er hat Myconius beauftragt, die Briefe zu verfassen, da dieser ja gerne schreibt und besser informiert ist als er, der die Neuigkeiten vom Volk erfährt. — [11] Theodor Bibliander und die anderen Kollegen sollen auch über den Inhalt vorliegenden Briefes informiert werden. Gruß.
S. in domino. Vis, ut scribam, que aguntur in Inferiori Germania. Partim ignota sunt, que apud tam longe dissitos accidunt, partim nugarum sunt
Briefe_Vol_19-300 | arpa |
---|
plena. Hoc scio, sed ridiculum est, attamen male conscientia indicium: Es ist ein pfaff 1 , der hat nüwlich zü Bercken 2 geprediget in hec verba: "Laudemus dominum, qui victoriam caesari 3 dedit, dann so die Luterischen uberhandt hetten genomen, so were es uns armen pfaffen und den armen Juden ubel gangen, als kein volck uff erden nie! Aber gott verlast die synen nit. Ir Jüden betten üweren got an, so wöllen wir unseren anbetten. So werden wir witers gluck haben."
Que Francofordie aguntur, paucis accipe, nam hec a Francofordiano cive 4 hausi: Es ligent noch 5 fenlin knecht do. Die bezalen, was si essen und trincken. 5 Sy haben allen gwalt in der statt a . Es ist ein münch 6 kommen. Der het gelangt 7 an die kriegsknecht, das man im erlaube, meß zü haben. Das ist bracht an ein rath zü Francofort. Diß ist im abgeschlagen. Und hat der frünfelich 8 münch wider hinweg müssen faren mit siner meß. 9 Man hat niemans etwas genomen, nimpt ouch niemans nuit 10 .
Man sagt ouch, der keyser habe uff Worms geschickt by 11 200 wegen. Welle do ein reichstag haben. 12 Wie es in Saxen gadt, scribet Myconius. 13
Briefe_Vol_19-301 | arpa |
---|
Juncker Claus von Hattstat, ein redlicher krieger, de quo proxime scripsi, 14 lyt noch gefangen zü Ensesheim 15 im schloß. Hat ysen an fussen und armen. Man meynt, er werde den kopff verlieren. 1. articulus: 16 Er hat nit wellen dem || 197v. keyser dienen in dem zug 17 . 2. Er hat sin volck lassen gon Strassburg louffen, ouch dem lantgrâven 18 knecht angenomen. 3. Sy haben inn im zug 19 , er sölle dem Frantzosen 20 wellen knecht annemen. Sy haben 6 pferdt ußgeschickt in willens, alle syne brieff in seim schloß zü erlößen 21 ; aber sy haben das nit zü wegen kynnen bringen 22 . Der juncker hat ein reisigen 23 krieger by im 24 lang gehan; den im schloß gelossen. Diser hat den 6 rütteren und etlichen büren das schloß vorgehalten 25 , sy darvon gejagt mit geschützs, die brieff als 26 verbrent, und hat also das schloß noch ynn.
Praeterea das fröwt mich: Die von Colmar haben den abt von Malbrunn 27 lang uffgehalten in sym ellendt 28 , der ein huß zü Colmar hat. Disem haben sy etwas genomen, daruß ein bolwerck gemacht. Der apt hat sy verklagt vor Ferdinando 29 . Wider den 30 stelt sich der prior Hoffmeyster, 31 Ferdinandi pre
Briefe_Vol_19-302 | arpa |
---|
dicent. Der rüttet zum künig mit eim der rädten 32 , das zü erlangen wider den apt. Ita papiste debent perdere papistas! Ein teufel sol dem anderen widerston, domit das alles ze grundt gange!
Item, der landtgraff lyt 33 zü Cassel. Ist in grosser rüstung. 34 Hertzog Hans, elector, 35 hat Lipsig mit eim sturm gwonnen, alles kriegsvolck erstochen darinnen, ouch die statt geplünderet. 36 Er b soll uff die Silesiam 37 mit eim hüffen ziehen, do grossen schaden thün. Mit dem anderen huffen ligt er dem hertzog Albrecht von Brandenburg 38 ||197a.r. im landt, nympt im alles yn. Diser ist bym keyser den sommer gsin: 39 Perfidus homo, etsi permittat evangelii praedicationem in suis terris. Dem graven von Sulms 40 hat er 41 ouch sin landt ingenomen.
Uxor Ferdinandi mortua est, regina Ungariae. 42 Hoc ab ipso tabellario 43 audivi, qui literas perfert civitatibus, quo exequias honestas instituant. 44
Argentoratenses se parant ad resistendum caesari armis et precibus assiduis. 45
Briefe_Vol_19-303 | arpa |
---|
Die Juden zü Francofurt haben ein adler 46 an iren doren, domit yn niemans schadens züfiegi. Plus libertatis habent quam christiani reliqui!
Hec ad te paucis volui, ne me incuses deinceps negligentie oblitusve es pacti, 47 quod mecum iniisti. Myconio imposui hoc onus scribendi, qui libenter scribit et certiora habet quam ego, qui ex plebe communia mea soleo expiscari. 12. februarii 1547.
Ea d. Bibliandro c communicare velis et reliquis fratribus, quos cupio salvere in domino ad longos annos.
Nosti manum. |
[Adresse auf der Rückseite:] An den wolgelerten herren, meyster Heinrych Bullinger, lüttpriester zü Zürich, minem geliepten herren. Zürich.