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Autograph: Zürich StA, E II 366, 105-105a (Siegelspur) Ungedruckt
[1] Was soll man denn noch schreiben? Der Mensch ist nichtig, unnütz und unzuverlässig!
Kaum wurden [die Protestanten] von Gott erprobt, haben sie sich schon den gottlosen papistischen
Satzungen unterstellt! Was wäre passiert, wenn sie es mit einem noch schwereren
Kreuz zu tun gehabt hätten? Bestimmt hätten sie Christus verleugnet! Gast übertreibt nicht die
List der Pseudoevangelischen! —[2]Das Geld, das er für [den Kauf der für Bullingers Frau
Anna, geb. Adlischwyler, bestimmten] Wolle [ausgegeben hat], hat er zurückerhalten. Seine
Gattin [Apollonia, geb. Glaser]bedankt sich für die beigelegten Geschenke. Sie hat vor, sich
dafür zu revanchieren. — [3] Der fromme Herzog Christoph von Württemberg hat sich mit
seiner Frau [Anna Maria, geb. Brandenburg-Ansbach] in Basel niedergelassen. Man erwartet
nun Graf Georg [von Württemberg-Mömpelgard] mit seinem ganzen Haus und mit allen
Predigern [seiner Herrschaft]. Wahrscheinlich ist Kaiser Karl V. ihm gegenüber gnadenlos.
Dieser hat dem Grafen eine enorme Geldbuße auferlegt. Entweder wird der Graf diese bezahlen
oder sein Gebiet König Franz I. von Frankreich verkaufen oder verpfänden müssen, bis
der Zorn des Kaisers sich legt. Bullinger weiß bestimmt, dass Herzog Christoph König
Franz I. Mömpelgard geschenkt hat, und dass überall in Mömpelgard wie auch in der umliegenden
Landschaft das Zeichen der [bourbonischen] Lilie angebracht wurde. — [4] Bullinger
wird auch über den Inhalt des schmeichelhaften Briefes, den der fuchsartige Kaiser den
Eidgenossen schrieb, gut informiert sein. Ulm, Augsburg und die anderen [süddeutschen]Briefe_Vol_19-125 arpa
Städte haben sich alle den ungerechten Bedingungen des Kaisers unterworfen. Die Stadt
Straßburg hält noch stand, ihre Obrigkeit schwankt aber bereits. Philipp von Hessen soll seine
Truppen auflösen und die Gunst des Kaisers suchen. Gast denkt oft an den Psalmvers "Vertraut
dem Menschen nicht!"[Ps 146, 2f]. Der erkrankte Myconius wird Weiteres berichten. Er
ist bettlägerig, und seine Frau [Margret] ist noch kränker als er. —[5] Vor einigen Tagen traf
der aus Augsburg kommende Francesco Stancaro in Basel ein. Der gelehrte Hebraist und
Gräzist fürchtet sich vor dem Kaiser und König Ferdinand I. Wolfgang Musculus hat auch vor,
das unruhige Augsburg zu verlassen. — [6] Der tapfere Krieger Claus von Hattstatt wollte
Herzog Christoph in Basel besuchen. Als er in Ensisheim im Wirtshaus speiste, wurde er
verhaftet und ins Schloss geführt, wo er einen Eid ablegen musste, während seine Begleiter
schon in der Wirtschaft dazu gezwungen wurden. Man wirft ihm vor, auf der Seite Frankreichs
und der [Reichs]städte zu sein. Was wird das noch geben? —[7]Der Kaiser soll vorhaben, sich
nach Schlettstadt zu begeben, um von dort aus gegen Straßburg zu ziehen und das Elsass,
besonders [die Herrschaft Reichenweier und die Grafschaft Horburg], zu verwüsten. Alle
haben Angst. So werden die Bösen und die heuchlerischen Anhänger des Evangeliums entlarvt.
—[8]Bullinger wird wohl erfahren haben, wie Johannes Brenz behandelt wurde. Die Papisten
rühmen sich des kaiserlichen Erfolgs und lästern sogar dabei! —[9]Dass Gast selten schreibt,
möge Bullinger verzeihen. —[10]Myconius wird erzählen, wie Kurfürst Johann Friedrich von
Sachsen gegen den perfiden Herzog Moritz vorgeht. Vor Beginn des Krieges sind [Agnes, geb.
von Hessen], die Gattin des Letzteren und die Kinder von [Sibylle, geb. von Jülich-Kleve-Berg],
die Gattin des alten Kurfürsten Johann Friedrich, weinend vor Moritz auf die Knie
gefallen und haben ihn angefleht, nicht gegen seinen Verwandten einen Krieg anzufangen.
Moritz erwiderte zornig: "Ich werde sowieso tun, was ich dem Kaiser versprochen habe. Ich
werde der zukünftige Kurfürst sein. Lasst mich in Ruhe!" Nun aber ist er völlig machtlos, ja
vielleicht schon gefangen, während sein Gebiet verwüstet ist. — [11] Grüße an Theodor Bibliander,
Konrad Pellikan, Rudolf Gwalther und besonders an Johannes Fries. —[12]In Eile.
S. in domino. Quid scribam, nescio. Homines esse vanos, 2 inutiles, nullius fidei nosti. Dominus nos parum probat, et mox deficimus ad impias papistarum constitutiones! Quid, si major et acerbior crux nos a molestaret, putas tales facerint 3 . Christum ipsum absque dubio pernegarent. Verum nolo exaggerare nostrorum, hoc est pseudoevangelicorum, perfidiam. Ich hab das gelt entpfangen von der wollen. 4 Myn hußfrow 5 sagt uch danck umb die schencky 6 . Sy ist nachgendiger zyt 7 in willens, sölichs zü beschulden 8 .
Dux Wirtembergensis Christophorus 9 cum uxore 10 apud nos haeret, pius princeps, verbum domini amans. Expectamus Georgium principem 11 cum tota familia et omnibus suis ministris verbi. Nam caesar 12 illum in gratiam accipere recusat fortassis. Quaerit summam pecuniae ab eo, quam aut dabit
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aut regi Galliae 13 suam ditionem oppignerabit vel vendet ad tempus, donec furor caesareanus parum extinctus fuerit. Nec te ignorare puto ducem Wirttembergensem 14 Mümpelgart Gallo dedisse et lilia passim in civitate et agris affixa esse.
Caesarem Helvetiis blandis verbis scripsisse 15 nosti melius quam ego. Hoc est vulpino mori agere. Ulma, Augusta et ||105v. reliquae civitates in gratiam caesaris adsumpte iniquis conditionibus. 16 Argentina persistit adhuc, sed vacillant primates. Cattum 17 aiunt dimittere suos milites. Ambit caesaris favorem. Psalmi dictum saepius recordor: "Nolite confidere in homine", 18 etc. Reliqua a Myconio aegrotante accipies. Ipse lecto adflictus cum uxore 19 , quae crudeliori morbo laborat quam ipse.
Hisce diebus ad nos venit ab Augusta Stengarus 20 , Hebraice et Grece doctus homo, qui caesaris et Ferdinandi tyrannidem timuit. Musculus 21 meditatur locum mutare. Cives turbulenti sunt, nec minim.
Es hat Claus von Hattstat 22 , nobihis, miles strenuus, wöllen gon Basel rütten zum Wirtemberger 23 . Da ist er zu Ensesheim gefangen, als er do zü ymbiß geesset hatt. Hat ins schloß müssen schweren; die knecht ins wurtshuß. Man zücht in 24 , er sey frantzösiß und stettisch. Also brockt sich das müß 25 yn.
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Man sagt, der keiser wölle gon Schletstatt sich lägeren, die von Straßburg zü kriegen, das Elseß zü verderben, besonder das wirtembergisch ländli 26 . Es ist iederman erschrocken. Domit wirt die warheit gelü-||105a tret in den bößen 27 , die glissner 28 an tag gebracht, die sich under dem schin des evangeliß haben ir boßheit bedeckt. 29
Quid cum Brentio actum sit, clam te esse non puto. 30 Papiste gloriantur de successu felici caesaris. Ponunt os in caelum, 31 etc.
Vale et ignosce, quod raro scribo.
Myconius narrabit, quid elector in Saxonia 32 agat cum perfido Mauritio; 33 vor welchem syn hußfrow 34 , kinder 35 deß alten fursten frow 36 , uff die knü nider gfallen vor anfang deß kriegs, in gebetten mit weinenden ougen, er b sölle kein krieg anheben wider sinn vetteren 37 , der im so vil güts thon habe. Do ist er ergrimpt worden. Gsagt: "Ich wirt das thün, das ich dem keyser zügsagt habe, es treffe an, was es welle. Ich bin züküntftiger churfürst! Darumb lassent mich mit lieb 38 ."Ita discessit, sed totus c exactus vastata sua regione et, ut quidam dicunt, etiam captus.
Haec paucis volui ad te scribere. Salutato nomine meo d. Theodorum 39 , Pellicanum, praecipue Frisium 40 cum Gvalthero et r[eli]quis d ministris.
Nosti manum.
Raptim.
[Adresse auf der Rückseite:] Dem eerwürdigen und wolgelerten herren m. Heinrych Bullingeren, mynem lieben günstigen herren. Zürich. 41