Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2740]

Bullinger
an Oswald Myconius
[Zürich],
5. Januar 1547

Autograph: Zürich StA, E II 342, 161 (Siegelspur) Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 928, Nr. 1044

[1] Die Zürcher Obrigkeit hat heute an die Neun Orte und vorgestern an die Drei Orte geschrieben, dass Kaiser Karl V. gegen die Freiheit Deutschlands handelt; dass die süddeutschen Städte schwören müssen, sich künftig mit niemandem mehr zu verbünden; dass, falls Konstanz sich ebenfalls einem solchen Eid unterwirft, den Eidgenossen Gefahr droht; dass

b Auf der Versoseite eines nicht nummerierten und sonst unbeschriebenen Blattes, welches im Einband nach dem Blatt mit dem Brieftext folgt.
C Darunter von Bullingers Hand in einer heute nur noch schwer leserlichen, verblassten Schrift: Has mitto, ut populum horteris ad preces et poenitentiam. Der Brief wurde vermutlich an Oswald Myconius (vgl. z.B. HBBW XVIIi 337, Anm. a) weitergesandt; s. Nr. 2740, Anm. 37.
55 Habt für güt: Begnügt euch damit.
56 Aus dem oben in Anm. 1 festgelegten Zeitraum vom 2. bis 5. Januar ist nur ein Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat erhalten, nämlich der vom 4. Januar (Zürich StA, A 177, Nr. 157).
57 Nicht erhalten.
58 Konrad Zwick.
59 Hans Baumgartner, der an den Friedensverhandlungen mit dem Kaiser beteiligt war; s. HBBW XVIII 375,9-15; 400, Anm. 1. — Bullinger verfasste sogar anstelle des Konstanzer Rats eine Antwort, die er den Konstanzern als Antwortvorschlag
zukommen lassen wollte. Doch befindet sich dieses Autograph heute in Zürich StA, A 205.2, Nr. 1. Wahrscheinlich widersetzten sich die Zürcher Behörden diesem Plan. Mit dem Schreiben sollte Baumgartner anhand konkreter Beispiele dargelegt werden, warum die Konstanzer weiterhin der Meinung blieben, nicht mit einem wohlgesinnten, sondern mit einem ,.ungnedigen Keyser" zu tun zu haben, und warum sie demzufolge dem Friedensangebot misstrauisch gegenüberstanden.
60 sich understaht: versucht.


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diese Lage erkläre, warum die Zürcher in Rüstung stehen; dass man sich deshalb rasch über das künftige Verhältnis zu Konstanz beraten müsse. Die Tagsatzung wurde nach Baden für den kommenden Sonntag, 9. Januar, einberufen. Hält man zu Konstanz, dann kommt der Krieg in die Eidgenossenschaft. Lässt man Konstanz fallen, verliert man die günstige Passmöglichkeit und hat trotzdem später den Krieg im Land, denn Karl V. wird nicht nachgeben. [2]Francisco de Enzinas sei für seinen Brief [Nr. 2736]gedankt. Dessen Schreiben an [Hieronymus] Sailer hat Bullinger heute nach St. Gallen weitergeleitet. Sobald er das Buch [... von Christoph Froschauer] erhalten hat, wird er es ebenfalls an Sailer schicken. Weder soll Enzinas wegen der Kosten besorgt sein, noch sollte er sich der unehrlichen Fuhrleute bedienen! [3] Der Inhalt des vorliegenden Briefes ist auch für Enzinas und Johannes Gast bestimmt. Hoffentlich hat dieser das Geld für die Wolle durch den gestern von den Zürchern abgesandten Boten [Meinrat Oggenfuß] erhalten. [4] Gibt es Neues aus Frankreich, Sachsen und Dänemark? Die Schwaben haben sich ergeben! Was aber; wenn die weiter nördlich gelegenen Orte das Gleiche tun? Dann kommt es zum Krieg [gegen die Eidgenossen]! Angeblich ist Augsburg von den Friedensverhandlungen [mit Ulm]ausgenommen. Von dort kam schon seit 14 Tagen keine Nachricht mehr. Bullinger fürchtet, dass Augsburg auch zu Fall gebracht wird. Was hört man denn über Straßburg? [5]Gruß, auch an die Familie, an Enzinas und an Gast. [6]Mehr wird Johannes Herwagen berichten, dem Bullinger einiges zum Erzählen anvertraut hat.

S. D. Min herren habend allen orten und insonders den 9 1 hütt (dann 2 vorgester ist den 3 3 )2 geschriben, wie man nun mee 4 spur by dem b keyser 5 , sunderlich in der befridung mitt den stetten, das er uff die fryheit tütsches landts tringe 6 , die ze entkrefftigen, diewyl er sy in eyd fasse 7 , sich fürohin zü niemandts ze verbinden, 8 das 9 die Eydgnossen sölichs bedencken; und, so 10 Constantz daryn 11 gefasset, was grossen nachteyls die Eydgenossen darvon erlangen; so auch, min herren amm anstoos 12 ; das man 13 sy betrachten 14 wölle, und beradtschlagen, wie man sich mitt Constantz hallte; und ein entlichen 15 radtschlag jetzund sontags 16 gen Baden 17 bringe — dann uff ernenten sontag wirt ein tag. Da lyt es, 18 lieber herr und brüder: Nämend wir uns der von Constantz an, so sind wir imm krieg; wo nitt, so kummend wir

a Klammern ergänzt.
b In der Vorlage folgt der.
1 Die Neun Orte (Appenzell, Freiburg, Glarus, Luzern, Schwyz, Solothurn, Unterwalden, Uri und Zug). Der Entwurf des Briefes vom 5. Januar 1547 liegt in Zürich StA, B IV 16, f. 130r.-v.
2 denn.
3 Den drei protestantischen Städten (Basel, Bern und Schaffhausen). —Das Schreiben an Basel ist erhalten in Basel StA, Politisches M 8.3, 418-420; s. Henrich, Myconius BW 936, Nr. 1044.
4 nun mee: immer mehr.
5 Karl V.
6 uff die fryheit tringe: gegen die Freiheit vorgeht.
7 sy in eyd fasse: sie (die Städte) zum Eid verpflichtet.
8 Siehe zuletzt Nr. 2738,5-7.
9 damit.
10
11 Gemeint ist in dem vom Kaiser verlangten Eid.
12 amm anstoos: nahe der Grenze (sich befinden); s. SI XI 1592. —Deshalb standen die Zürcher damals schon in Rüstung; s. HBBW XVIII 35f; und Nr. 2768.
13 Gedacht ist an die Eidgenossen.
14 sy betrachten: sie (die Zürcher) berücksichtigen.
15 endgültigen; verbindlichen; s. SI I 317. 16 9. Januar.
17 Wo seit dem 10. Januar die Tagsatzung versammelt war; s. Nr. 2737, Anm. 3. — Zum Vortrag der Zürcher betreffend Konstanz und ihre eigenen Verteidigungsmaßnahmen s. EA IV/1d 755 g. h.
18 Da lyt es: Darin liegt das Problem.


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umb den herrlichen paß 19 und habend hernach den krieg nut des minder amm hallß, dann der Hispanier 20 last nach nitt.

D. Francisco Dryandro 21 ages gratias pro literis 22 amicissimis. Saylero inscriptas 23 hodie curavi Sangallum ferendas. Liber 24 ubi redditus fuerit, bona fide curabo et ipsum perferri ad Saylerum. De sumptibus ne sit solicitus. Heige 25 nun 26 mitt kareren 27 nut ze schaffen; est enim iniquissimum genus hominum.

Quae tibi de infelici bello et hisce rebus aliis scribo, ipsi et d. Gastio communica. Spero Gastium pecunias accepisse pro lana 28 per nuncium 29 , qui pridie a dominis nostris amandatus est ad vestros.

Quid habetis ex Gallia et Saxonia? Dania item? Hie oben 30 ist es mitt den Schwaben gethan. 31 Handlend die da niden 32 ouch also, so schlach bly zü! 33 Aiunt Augustanos gratia et pace excludi. 34 Intra 14 dies ab Augusta nullas 35 recepi. Metuo, ne et illi supplantentur. Oremus dominum, ut ipse adsit causae suae. Quid Argentoratenses?

Vale iterum cum familia, d. Dryandro, Gastio et aliis viris bonis. 5. januarii 1547.

Plura d. Hervagius 36 , cui plurima recensenda commisi.

Bullingerus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Praestantissimo viro d. Osvaldo Myconio, inclytae Basiliensis ecclesiae ministro fideli, domino et fratri semper colendo. Basel. 37

19 Durchgangsmöglichkeit (u.a. bei der Einfuhr von Lebensmitteln aus Süddeutschland).
20 Karl V.
21 Francisco de Enzinas.
22 Brief Nr. 2736.
23 Der in Nr. 2736 erwähnte Brief Enzinas' an Hieronymus Sailer.
24 Das von Enzinas nach Zürich gesandte Buch für Sailer; s. dazu Nr. 2736.
25 (Er) habe; vgl. SI II 890.
26 nur.
27 Fuhrleuten; s. SI III 426f. — Diese Mahnung steht wohl in Zusammenhang mit der für Christoph Froschauer bestimmten Buchsendung.
28 Siehe dazu Nr. 2738,16f.
29 Vermutlich Meinrat Oggenfuß, der als laufender Bote nach Basel zwischen einem Eintrag vom 30. Dezember 1546 und vom 8. Januar 1547 nachgewiesen ist; s. Zürich StA, F III 32, Seckelamtsrechnungen 1546/47, S. 64 der Ausgabenabteilung für laufende Boten.
30 Gemeint ist Süddeutschland.
31 Anspielung auf die Ergebung Ulms und anderer oberdeutscher Städte; s. Nr. 2738,2-14.
32 die da niden: die weiter unten (d.h. nördlicher) liegenden (gedacht ist u.a. an Augsburg).
33 Vermutlich ist mit "so schlach bly zü." gemeint: so kommt es zum Krieg (nämlich gegen die Eidgenossen); s. SI IX 486 s.v. zuschlahen; Fischer I 1189 s.v. Blei (ein Wort, das auch für Geschoss stehen kann).
34 So auch in Keim, Ulm 384f.
35 nullas literas.
36 Johannes Herwagen, der am 1. Januar 1547 nach Zürich aufgebrochen war; s. Nr. 2735,1f. 20f.
37 Diesem Brief wurde vermutlich Blarers Brief an Bullinger vom 4. Januar beigelegt; s. Nr. 2739, Anm. c.