Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2849]

Ambrosius Blarer
an [Bullinger]
[Konstanz,
18. März 1547]2

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 552 (Siegelspur) Teildruck: Blarer BW IT 610f, Nr. 1425

[1]Blarer wollte schon gestern den beiliegenden Brief [Nr. 2847] übersenden, verpasste aber den Boten [...]. [2] Gestern Abend erhielt er einen Brief des Stadtschreibers [Georg Maurer] von Memmingen, in dem berichtet wird, dass der Abt von Weingarten, Gerwig Blarer, auf dem Weg nach Kempten, Isny und Ravensburg sei. Am Montag [14. März] war dieser in Memmingen und ließ die ganze Gemeinde sich in der Kirche versammeln. Zusammen mit dem Stadtschreiber bestieg er die Kanzel. Nachdem er einige einleitende Worte gesagt hatte, musste

c Richtig ist 1547; s. dazu oben Anm. 1.
34 Böhmen.
35 Ferdinand I. — Siehe dazu Nr. 2841, Anm. 54.
36 Vgl. Nr. 2797,50f; Nr. 2856, Anm. 5; Nr. 2858,35-37.
37 Tatsächlich hatte Karl V. seinem Bruder Ferdinand zugesagt, ihm unverzüglich zu Hilfe zu kommen; s. Voigt, Moritz 336f; Moritz von Sachsen PK III 296, Nr. 415 (Anfang). Als er am 21. März Nördlingen verließ, zog er über Öttingen (21. März), Gunzenhausen (22. März) und Schwabach (24. März) nach Nürnberg, wo er sich vom 24. bis zum 28. März aufhielt; s. Stälin 579f.
38 Dazu scheint es nicht vor dem 21. März (mit Nr. 2855) gekommen zu sein.
1 Aus dem Inhalt des Briefes geht hervor, dass der Brief an Bullinger gerichtet ist.
2 Vergleicht man die unten in Z. 3-13 und 17-21 übermittelten Angaben mit denen in Nr. 2820,34-38, und Nr. 2841,91-101 (in Bezug auf Gerwig Blarer), sowie in Nr. 2822,19-21; Nr. 2832, Anm. 35; Nr. 2841,118-124; Nr. 2842,65-67; Nr. 2844,51-53; und Nr. 2845,15f (in Bezug auf Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach), wird deutlich, dass vorliegender Brief im März 1547, und zwar erst nach dem 15. dieses Monats verfasst wurde. Wegen der Angabe in unten z. 1f, laut der Blarer am Vortag einen Brief geschrieben hatte, und angesichts der Daten der von Blarer während der zeitspanne vom 15 hic U März verfassten Briefe,


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Maurer das kaiserliche Mandat verlesen. Daraufhin legten alle den Eid ab, wofür sie vom Abt gelobt wurden. Dieser forderte danach vom Rat im Namen des Kaisers Karl V. 80'000 Gulden, Geschütz und Pulver, was für große Bestürzung sorgte, da man nicht weiß, wie man diesen Betrag aufbringen soll, selbst wenn man alle [zum Besitz der Stadt gehörigen]Dörfer verkaufen würde. [3]Auf Befehl des Kaisers reitet der Augsburger Bischof Otto Truchsess von Waldburg in Begleitung von 50 Reitern nach Rom, mit dem Auftrag, neue italienische Truppen auszuheben. Da soll man noch glauben, dass Kaiser und Papst Paul ill. uneinig sind! [4] Die Nachricht über Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg ist nun verbürgt. Auch Landgraf [Christoph] von Leuchtenberg, [Graf Georg] von Helfenstein und andere wurden vom Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen gefangen und nach Dänemark verschleppt. Dorthin soll der Kurfürst auch seine Frau [Sibylle von Jülich-Kleve-Berg] und die Kinder in Sicherheit gebracht haben, damit diese gegebenenfalls unabhängig von seinem Schicksal zu einem guten Frieden gelangen mögen. [5]Aus England wird als sicher gemeldet, dass der junge Eduard VI. zum König gekrönt und ihm von seinem verstorbenen Vater Heinrich VIII. ein sechzehnköpfiges Beratergremium bestimmt wurde. Man musste Eduard den Eid leisten und dabei schwören, sich nie wieder dem Papsttum zu unterwerfen. Papst Paul Ill. soll Kardinal Reginald Pole mit einem großen Heer nach England geschickt haben, um dort etwas [gegen den jungen König] zu unternehmen. Daraus wird aber nichts, da England, Frankreich, Dänemark und die Hansestädte in Hamburg ein Bündnis mit Sachsen geschlossen haben. [6] Blarer muss abbrechen, da er erst kurz zuvor vom gegenwärtigen Boten [...] erfuhr.

L[ieber]h[err] und br[üder]. Uff gestert hab ich euch diß brieff 3 züschicken Wellen und mich aber des botten 4 versumpt.

Ist mir necht 5 am schriben von Meiningen kommen, vom stattschriber 6 , das der abbt von Wyngarten 7 yetz uff Kempten, Ysne und Ravenspurg verreyte. Seye uff yetz mentag 8 zü Meiningen gewesen. Hat man im die gantzen gmaindmanschafft in die kirchen versamlen müssen. Und ist im der stattschreyber auff der cantzel an der syten gestanden. Hat der abbt ain ingang 9 gemacht. Darnach der stattschriber das kaiserlich mandat verlesen und demnach 10 von a yederman der aid geben worden. Das hat der ellend abbt hoch gelopt, etc. Darnach by dem rath hat er von kai[serlicher]m[ajesta]t 11 wegen achtzigtusend guldin 12 , ouch ettlich gschütz und pulver gefordert,

a Fehlt in der Vorlage.
kann vorliegender Brief nur vom 18., 22., 27. oder 29. März datieren. Da Bullinger aber in seinem am 19. März verfassten und an Johannes Gast gerichteten Brief Nr. 2850 Nachrichten übermittelt (s. dort die Z. 6-11), die sich zum Teil mit denen in unten Z. 17-21. 25f überschneiden und er dabei sagt, dass diese Angaben ihm von Konstanz übersandt worden seien (s. dort Z. 10f), ist wohl noch um die Abfassungszeit des vorliegenden Briefes ein zusätzlicher, nicht mehr erhaltener Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat vorauszusetzen und das vorliegende Schreiben auf den 18. März anzusetzen. Dass es einen Brief Blarers an Bullinger von diesem Tag gab, ist zudem durch Nr. 2853,1, bestätigt.
3 Nr. 2847 vom 17. März.
4 Unbekannt.
5 gestern Abend.
6 Georg Maurer. — Ein solches Schreiben findet sich nicht in Blarer BW. Zum Folgenden s. Gerwig Blarer BA II 27f, Nr. 898; Peer Frieß, Die Außenpolitik der Reichsstadt Memmingen in der Reformationszeit (1517-1555), Memmingen 1993, S. 205.
7 Gerwig Blarer.
8 14. März.
9 Einleitung.
10 danach.


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das 13 die güten leut in grosser angst und not sind. Wissend eben das gelt nitt uffzepringen, wann sy glich 14 all ir dorffer verkoffend.

Der bischoff von Augspurg 15 reyt mitt 50 pferdten gen Rom vom kaiser abgefertiget, frisch volck und Italiäner ze machen. Dabey man sicht, wie unainig kaiser und papst 16 sein. 17

Ouch ist gewisse kuntschafft yetz, das nun allso 18 ist mitt margrauff Albrechten 19 , auch landtgraffen von Luchtenberg 20 , Helffenstain 21 und andern, das sy der churfürst-22 uberfallen, sy geschlagen, die herren gefangen und all inn Dennmarck geschickt, 23 ouch seine aigne wyb 24 und kind 25 (es gang im, wie es well, das seine kind zü güten friden kommen mögind) b

So ist gwisse zeytung ausß Engeland, das der jung konig 26 krönt und im ain regiment von 16 herren durch den abgestorbnen vatter 27 zügeordnet ist. Hat man im geschworen, und menglich 28 under anderm schweren müssen, dem papst nymmermehr anhengig ze sein. 29 Es hat aber der papst den cardinal Bolum 30 mitt vyl volck uff Engeland abgefertiget. Understeht sich 31 etwas uszerichten. Wirt aber fälen 32 , dann Engeland, Franckrich 33 , die See-

b Klammern ergänzt.
11 Karl V.
12 Dieselbe Zahl findet sich auch in Johann Georg Saladins Straßburger Chronik (MGEGDE2 XXIII 352).
13 sodass.
14 wann sy glich: auch wenn sie.
15 Otto Truchsess von Waldburg. — Ein falsches Gerücht; vgl. auch Nr. 2850,13-15.
16 Paul III.
17 Ironisch, angesichts des in Nr. 2797,49f; Nr. 2812,14-20; Nr. 2819,26-59; Nr. 2833,23f; und Nr. 2841,125-132, kolportierten Gerüchts, demzufolge Kaiser und Papst damals uneinig gewesen wären, was allerdings längst nicht alle glaubten; s. z.B. Nr. 2835.31-36.
18
19 Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach. Angesprochen wird hier dessen Niederlage bei Rochlitz; s. Nr. 2832, Anm. 35.
20 Christoph von Leuchtenberg, geb. nach 1502, gest. 14. März 1554; laut dem in Nr. 2850, Anm. 7, erwähnten Bericht ein Schwager des Markgrafen. Er diente im kaiserlichen Heer und kämpfte im Schmalkaldischen Krieg im Regiment des Markgrafen; s. Mameranus, Exerc. 11f; Georg Brunner, Geschichte von Leuchtenberg und der ehemaligen Landgrafen von Leuchtenberg, Weiden 1862,
S. 13. 361. 451. Zu seiner Gefangennahme s. PA III 306, Nr. 2659; Voigt, Albrecht I 149f.
21 Graf Georg II. von Helfenstein-Wiesensteig, Freiherr von und zu Gundelfingen, geb. 7. November 1518. gest. 17. November 1573, Kriegs- und Staatsmann in habsburgischem Dienst. Im Schmalkaldischen Krieg war er Oberstleutnant unter Bernhard von Schaumburg (Schauenburg) und wurde nach dem Krieg Kammerrichter und einer der beiden Präsidenten des neu besetzten Reichskammergerichts; s. ADB XI 686f.
22 Johann Friedrich I. von Sachsen.
23 Ein falsches Gerücht; s. Nr. 2850, Anm. 11.
24 Sibylle von Jülich-Kleve-Berg.
25 Johann Friedrich II. der Mittlere, geb. 8. Januar 1529, Johann Wilhelm I., geb. 11. März 1530, und Johann Friedrich III. d.J., geb. 16. Januar 1538.
26 Eduard VI.
27 Heinrich VIII. —Vgl. Nr. 2826,13-21.
28 jedermann.
29 Vgl. dazu John Strype, Ecclesiastical Memorials; Relating Chiefly to Religion, and its Reformation, under the Reigns of King Henry VIII, King Edward VI and Queen Mary the First, Bd. 2, Oxford 1816, S. 23.


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stett 34 , item Sachsen und Dennmarck 35 habend yetz zü Hamburg ain treffelichen tag gehalten und sich mitt ainander verainbart. 36

Ich kan nitt mehr, dann ich von disem botten 37 nichts gewusst und diß in höchster yl geschriben.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite verklebt.]