Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2577]

[Ambrosius Blarer
an Bullinger]
[Konstanz],
10. September 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 197f (ohne Siegel) a

[Beilage:]1 Zürich StA, E II 357, 54 b

[Beilage A, eventuell zu einem früheren Schreiben:]2 E II 357a, 617 c (Siegelfragment)

[Beilage B zu einem späteren Schreiben:]3 687 (ohne Siegel) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung des Briefes und der Beilagen A und B: Blarer BW II 504f, Nr. 1343

Druck der Beilage: aaO, S. 463, Nr. 1304 4

Blarer bedankt sich für Bullingers Brief [nicht erhalten] und hofft, dass sein durch [...]Armbruster übermittelter Brief [Nr. 2572]auch gut angekommen ist. Armbruster ist allerdings erst gestern [nach Zürich]aufgebrochen. Am 6. September übermittelte der Konstanzer Rat den Zürchern Nachrichten. Blarer hat [seitdem]nichts Neues zu melden. Es fehlt ihm oft an Boten. Er tut jedoch sein Bestes. Anders als Bullinger hat Blarer weder vernommen noch kann er es glauben, dass einige [Schmalkaldener]sich bedingungslos auf einen Frieden [mit Kaiser Karl V]einlassen würden. Allenfalls würde Blarer das Seine tun, um dergleichen zu verhindern. Es gibt schon Schwache, die um ihre Haut bangen. Die Mutigen aber würden alles um der Freiheit und des Heils willen opfern. Was Blarer über [Leonhard Holzhalb], den [neuen] Landvogt von Frauenfeld, schrieb [mit Beilage A], soll ihm ja nicht zum Nachteil gereichen! Fest steht, dass [Holzhalb] die Juden schützt und sich mit einem Brief für ihre [vorläufige] Aufnahme in Güttingen eingesetzt hat. Der Konstanzer Rat erhielt am Vorabend Nachrichten, die Blarer noch nicht erfahren konnte, weil heute der Markt und das Kirchweihfest in Konstanz stattfinden und alle sehr beschäftigt sind. Die Neuigkeiten wird man bestimmt an den

a Mit Nadelstich.
b Es handelt sich um einen ausgeschnittenen Zettel, der auf Blarers Brief vom 2. Oktober 1543 (HBBW XIII, Nr. 1794) aufgeklebt wurde.
C Mit Unterstreichungen von Blarers Feder.
1 Dass die Beilage diesem Brief angehört, geht aus unten Anm. 68 hervor.
2 Aus Z. 19 geht hervor, dass Beilage A eher als der vorliegende Brief verfasst wurde. Da dieser kleiner zusammengefaltet wurde als die Beilage und Letztere keine Adresse, aber ein Siegelfragment aufweist, könnte die Beilage den vorliegenden Brief enthalten haben und versiegelt, auch wenn mit keiner Adresse versehen (zum Grund dafür s. Nr. 2589, Anm. a), einem Boten anvertraut worden sein. Sie könnte aber auch einem früheren, allerdings schon einige Zeit nach dem 9. August (s. nämlich unten Z. 73) verfassten Brief Blarers beigelegt worden sein. Da für die Zeitspanne von Mitte August bis zum 10. September kein Brief
Blarers an Bullinger erhalten ist, dessen Faltung mit der dieser Beilage übereinstimmt, wird sie hier publiziert.
3 Ein Vergleich der Z. 82-84 mit Z. 118f erlaubt die Schlussfolgerung, dass Beilage B einem späteren Brief angehört. Da diese aber auf einem schmalen, sehr klein zusammengefalteten Zettelchen verfasst wurde, könnte sie jedem bekannten späteren Schreiben Blarers beigelegt worden sein. Doch wegen der thematischen Nähe wird dieses Dokument hier veröffentlicht.
4 In Anlehnung an die Simlersammlung veröffentlichte Traugott Schieß diese Beilage zusammen mit Blarers Brief vom 3. Juli (Nr. 2485).


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Zürcher Rat weiterleiten. Es steht gar nicht gut um die [Schmalkaldener]! Vielleicht muss dies so sein, damit ein etwaiger Sieg allein Gott zugeschrieben wird. Manche der Kammerräte zu Ulm scheinen mehr dem Feind als den [Schmalkaldenern]zugetan zu sein; so etwa der Augsburger [Kammerrat Konrad]Hel, dem sie sonst nicht trauen und nun doch mit wichtigen Aufgaben beauftragt haben. Die Warnung vor [einer möglichen Rückeroberung]der Klause [Ehrenberg durch die Kaiserlichen] hat man in den Wind geschlagen. In Ulm haben sogar einige Kammerräte [des Schmalkaldischen Bundes] 100 Gulden darauf gewettet, wenn [Francesco di] Castellalto irgendwo zu finden wäre. Und selbst wenn er gefunden würde, erachtete man die Angelegenheit als nicht dringend, zumal [den Schmalkaldenern die Eroberung der Klause] nur mit wenigen Soldaten gelungen war. Gewiss wird viel Aufwand getrieben! Es folgen aber nur wenige Taten! Wenn Blarer nicht auf Gott zählen könnte, hätte er Grund zum Verzweifeln, denn es ist kaum zu glauben, wie fahrlässig man vorgeht! Man ist dennoch der Meinung, dass Gott trotzdem alles zum Guten wenden wird, auch wenn man wohl für die Versäumnisse büßen muss. Blarer freut sich, dass die Zürcher ebenfalls Prediger nach Augsburg senden. Die Konstanzer würden mehr zur Verfügung stellen, wenn es ihnen nicht selbst an Pfarrern mangeln würde. Immerhin haben sie drei entsandt: [Johannes Schnell] nach Sonthofen, [Johannes Jung] nach Leutkirch und einen [Martin Wetzler] mit den Konstanzer Soldaten. Möge Gott noch mehr Tagelöhner für seine Ernte schicken! Bullinger soll für alle beten. Grüße. [P.S.:] Blarer sendet die Lage F [richtig: f] von Bullingers Johanneskommentar [richtig: Lukaskommentar] zurück, die er doppelt erhalten hat. [Beilage:] Blarer kam nicht dazu, [Bullingers]Briefe nach Augsburg weiterzubefördern, wird es aber am Folgetag tun. Es ist wichtig, dass alle von Bullingers Bericht über das Quecksilber erfahren. Die [Konstanzer] haben [nämlich]zuverlässige Nachricht erhalten, dass der Papst die Vergiftung von Brunnen angeordnet hat. Möge Gott dem bösen Treiben bald ein Ende machen! [Beilage A:] Kurz vor dem Tag zu Baden ist der [Konstanzer]Bischof [Johann von Weeze] von Meersburg mit seinen dort ansässigen Juden nach Güttingen im Thurgau ausgewichen. Die Juden blieben dort, während sich der Bischof auf sein Schloss in Arbon zurückzog. Doch will die Bevölkerung den Juden keine Unterkunft gewähren. Letztere bewirkten allerdings, dass an der Tagsatzung zu Baden der neue Landvogt [Holzhalb] um eine Bewilligung ihres Aufenthaltes im Thurgau anhielt. Als ihm dies gestattet wurde, schrieb er den Güttingern, dass er ihnen die Juden zwar nicht aufzwingen wolle, jedoch einen großen Gefallen daran hätte, wenn man sie aufnähme. Einer der Juden [...] erzählte später, wie der Landvogt dafür einen Silberbecher als Geschenk bekam. Damit schadet er seinem Rufe sehr! Die Juden sind zwar mit Hab und Gut wieder nach Meersburg gezogen, sagten aber, bald wieder nach Güttingen zurückkommen zu wollen. Es wäre angebracht, wenn der Zürcher Rat dafür sorgen würde, dass die Eidgenossen nicht anfingen, den Verächtern Christi Unterschlupf zu gewähren! Nicht nur hat man schon genügend getaufte Juden! Was, wenn obendrein die ungetauften die getauften verdürben! Blarer fühlte sich verpflichtet, diese Angelegenheit Bullinger anzuzeigen. Aus gewichtigen Gründen soll jedoch die Quelle dieser Information nicht verraten werden. Man berichtet zudem, dass der neue Landvogt [des Thurgaus] sich mit Trommlern und Pfeifern nach Münsterlingen führen ließ. Dort gesellten sich Geiger dazu, die musizierten, da der Landvogt bei dieser Gelegenheit die Mädchen tanzen lassen wollte. Der alte, aus Konstanz verbannte Zunftmeister [Thomas] Hütlin führte den Tanz an. Auch wenn einige behaupten, dass alles ehrbar zugegangen wäre, sorgt dies für einen Skandal, zumal der Landvogt aus Zürich kommt, in Münsterlingen schon lange nicht mehr getanzt wurde und die Zeitläufte bestimmt nicht für einen Tanz geeignet sind! Der Vogt zu Münsterlingen, [Martin Trösch] aus Uri, ließ jedenfalls seine Töchter nicht tanzen. [Beilage B:] Ein Konstanzer Bürger [...] bezeugt, den Brief des Landvogts [an Güttingen]gelesen zu haben. Aus diesem geht hervor, dass den Juden von Meersburg erlaubt wurde, während der zweijährigen Amtszeit des Landvogtes sich im Thurgau aufzuhalten. Zudem hat ein Meersburger Schiffer [...] einem Konstanzer [...] erzählt, dass die Juden dem Landvogt 100 Kronen geschenkt hätten. Daraus entsteht viel Argwohn, auch wenn Blarer das Gerücht bezweifelt. Die Geschichte mit dem Silber[becher] wird jedoch stimmen, da ein rechtschaffener Mann [...]diese von einem Juden [...] selbst erfuhr.


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Gnad und frid. Sonders vertrauwter, lieber herr und brüder, ewer schreiben 5 hab ich empfangen. Hoff, das min seye euch ouch uberantwurt, des datum 6. oder 7. septembris 6 , by dem Armbroster 7 (den ich gewendt 8 , er seye zinstags 9 nachmittag verrückt 10 , so vernym ich, das er erst uff gestert dunstag 11 hin ist) d . Doch waiß ich nitt anderst; dann 12 meine herren haben all handlung den ewern ylends uff mentag 13 verschriben. Es fält mir offt an botten, wie ich vor gemeldt; 14 sonst sollte es an mir nitt erwinden 15 .

Das ir meldt, 16 wie ettlich der unsern 17 gern frid hetten, wie der joch 18 were, hab ich warlich nie kain wort von 19 gehört. Kans ouch nitt globen. Man ist danecht 20 immer handtuch 21 allenthalb 22 , wann gleich die sach nitt wol sicht 23 ; dann man hofft, das besst sölle sich hernach finden. Gratum tamen fecisti illorum admonens. Nam ipse quoque, quantum omnino licebit, adnitar, ne ullam pacem adeo iniquis conditionibus meditentur aut recipiant. Es staht um vyl leut schwach. 24 Wa es zu inen stünde, 25 wäre zu besorgen, sy wurden sich weyt umsechen, eh sy die schelmigen haut darstracktind 26 . Verum generosi animi rem, vitam et omnia periclitabuntur adeoque perdent, etiam citius quam libertatem et solidam salutem, de quibus plane actum esset, si adversarii rerum potirentur.

De proconsule Gynopediensi 27 quae scripsi, 28 vide, ne fraudi mihi sint! Iudeis certe egregie patrocinatur. Quicquid defendat, certum est Guttingenum

d Klammern ergänzt.
C In der Vorlage ein zweites sonst an Stelle von sollt.
5 Nicht erhalten, da die im nächsten Abschnitt und in Z. 51f angeführten Themen nicht im letzten uns bekannten Schreiben Bullingers an Blarer (Nr. 2562 vom 3. September) angesprochen wurden, und da Blarer in seinem Brief Nr. 2572 vom 7. September bereits häufig auf Bullingers Brief Nr. 2562 angespielt hatte. Die Angabe unten Z. 2f erlaubt ferner die Schlussfolgerung, dass Bullingers nicht erhaltener Brief ungefähr um die gleiche Zeit wie Blarers Brief Nr. 2572 verfasst wurde.
6 Nr. 2572.
7 Unbekannt. — Eine Familie Armbruster lässt sich in Konstanz nachweisen.
8 den ich gewendt: von dem ich dachte.
9 7. September.
10 weggezogen.
11 9. September.
12 denn.
13 6. September. —Erhalten sind zwei Briefe des Konstanzer Rates an den Zürcher Rat vom 7. September (Zürich StA, A 205/1, Nr. 225f).
14 Siehe zuletzt Nr. 2572,25-28.
15 sollt es an mir nitt erwinden: sollte es nicht an mir liegen.
16 In dem nicht erhaltenen Brief Bullingers.
17 Gemeint sind die Schmalkaldener.
18 auch.
19 davon.
20 überdies. 21 eifrig, mutig.
22 überall.
23 wol sicht: gut aussieht.
24 Vgl. unten Z. 31-34. 25 Wa es zu inen stunde: Wenn es auf sie ankäme.
26 die schelmigen Haut darstracktind: ihre verächtliche Haut hingäben, aufopferten; s. Fischer II 81.
27 Frauenfeld, aus griech. greck (Frau) und greck (Feld). — Gemeint ist damit der Thurgauer Landvogt Leonhard Holzhalb. Er stammte (wie in Z. 102 angegeben) aus Zürich.
28 Siehe Beilage A, Z. 72-107.


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29 scripsisse, wer sy underschlöffe 30 , der thue im ain dienst und gfallen daran. 31

Ich acht, meinen herren seye necht 32 ouch naiswas zytung 33 kommen. Waiß warlich nitt, was. Achten aber, sy schribends den eweren. 34 Es ist hütt merckt 35 hie und Costentzer kirchwyche 36 , das yederman vyl ze thain 37 und ich noch nichts erfaren konnen.

Es schickt sich nach menschlichem ansechen liederlich 38 uff unser syten. Aber ich gloub, gott wells allso haben, dann er wirt den syg uff ain sölichen weg richten, das man im und siner hand darum ze dancken wirt haben. Sonst sind wir warlich verkoufft und verrathen!

Es sytzend leut im kamerrat zu Ulm f , da 39 am tag lygt, das sy den finden bessers dann unß gunnen 40 , und sonderlich habend die von Augspurg doctor Helen 41 da 42 sizen, dem sy selbs nichts truwen in anderen sachen. Der muß dise grosse, wichtige ding alle helfen handlen, und blendt ander leut.

|| 198 Man hat zeytige warnung gehapt der Cluß 43 halber; aber es hat alles nichts 44 müssen sein. Und habends ettlich der camerräth zu Ulm, die es alles

f Hier und unten sind die Wörter, die Blarer anhand seines Geheimalphabets schrieb (s. dazu Nr. 2503, 42-48 Abbildung des Geheimalphabets oben auf S. 12), kursiv gesetzt.
29 Güttingen, Kt. Thurgau.
30 sy underschloffe: ihnen Unterkunft gewähre.
31 Vgl. unten Z. 80-82.
32 gestern Abend.
33 naiswas zytung: irgendwelche Nachrichten.
34 Aus diesem Zeitraum findet sich in Zürich StA kein Brief aus Konstanz.
35 Markt.
36 Kirchweih. — Die Kirchweih der Konstanzer Domkirche bzw. des Münsters fand traditionell am 9. September statt; s. Gerald Dörner, Kirche, Klerus und kirchliches Leben in Zürich von der Brunschen Revolution (1336) bis zur Reformation (1523), Würzburg 1996 —Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte 10, S. 164.
37 tun. 38 fahrlässig.
39 wobei.
40 gönnen.
41 Konrad Hel (Heel) aus Kaufbeuren (gest. 1552), Syndikus (Stadtadvokat) der Stadt Augsburg und Kammerrat des Schmalkaldischen Bundes. Wie sein Vater war er Jurist. Seine Mutter entstammte wahrscheinlich der Familie Rehlinger, der er zeitlebens nahestand. 1532 heiratete er
Felicitas Lauginger in Augsburg. 1538 wurde er ins Patriziat aufgenommen. Belegt sind zahlreiche Gesandtschaften zu Reichs- und schmalkaldischen Bundestagen. — Lit.: MBW-Reg XII 257 mit weiterer Lit.
42 Die Schmalkaldener trafen sich mehrmals zur Bundesversammlung in Ulm, wo Hel zunächst die Stadt Augsburg beim Bund, dann auch den Bund bei Philipp von Hessen vertrat; vgl. etwa Nr. 2574, Anm. 18; Gerber, Kriegsrechnungen 73. — Das zunehmende Misstrauen gegenüber Hel resultierte in dessen zeitweiligem Rückruf aus Ulm im Juli 1546; s. Roth, Augsburg III 442f. 489, Anm. 10; Hermann Joseph Kirch, Die Fugger und der Schmalkaldische Krieg, München/Leipzig 1915 —Studien zur Fugger-Geschichte 5, S. 35, S. 36 mit Anm. 3. Generell zum wachsenden Misstrauen der Schmalkaldener gegenüber Hel s. Herberger, Schertlin 179, Nr. 61; Paulus, Schertlin 68.
43 Klause Ehrenberg. — Zu deren Übergabe durch die Schmalkaldener am 5. September s. Nr. 2507, Anm. 7; Nr. 2542, Anm. 9; und die in Nr. 2582, Anm. 1, angeführten Stellen.
44 umsonst.


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beratschlagend, gar in wynd geschlagen und gesagt, sy wellind 100 fl an ain setzen, wa 45 Castelalter 46 nienen 47 vorhanden seye. Sonst 48 hett es nitt not gehapt 49 . Man hett dem find sin geschütz darzu 50 genommen, wa 51 man nun 52 wenig leut gehapt.

O, deß dings geht vyl für 53 ! Man warnet, schreyet, schreybt gnüg hin und wider, aber warlich, warlich, wann ich nitt das spyl uff die wunderbarlichen hand gottes satzte und das vertrauwen allain uff inn richte, müste ich und noch mancher biderman allen menschlichen handlung nach, so geübt werden, 54 gantz und gar verzwyflen. Ir kondt nitt glouben, wie liederlich 55 es zugeht. Unnd ist doch gmaincklich yederman wol getröst uff gott. Der wurt sich doch gewisslich unser erbarmen unnd unß vor disem find nitt lassen ze schanden werden. Die liederlichait aber wirt sich selbs fin strauffen 56 , dann wir an dem verlust des grossen guts selbs schuldig seind. Und 57 soll man narren mitt kolben lausen! 58

Quod Augustam missuri estis aliquot Evangelii ministros 59 , volupe fuit in literis tuis legere. Nos quoque plures mitteremus, nisi ecclesia nostra iam diu unum adhuc atque alterum ministrum desyderaret. Et misimus tamen tres 60 ! Unum 61 cum militibus nostris. Alterum 62 in pagum Sunthofen. Tertium 63 Luikirchum. Valde nobis comprecandus dominis messis, ut ipse extrudat operarios in 64 messern suam.

Ora pro nobis, mi plus quam charissime et optime Bullingere, ut, quo magis interitum suum mundus minatur, hoc nos confirmatioribus animis domino mundi 65 plena fiducia nitarnur.

Saluta tuam domum curn omnibus amicis et fratribus. Salutant te nostri seque tibi officiose commendant. Iterum vale. 10. septembris 1546. [Ohne Adresse.]

Mitto F 66 commentariorum tuorum in Ioannem 67 , nam nescio cuius imprudentia bis accessit libro, quem misisti. Fieri autem potest, ut alius aliquis desideret, quod mihi redundat.

45 weil; s. SI XV 22.
46 Francesco di Castellalto, unter dessen Führung die Klause zurückerobert wurde.
47 nirgendwo.
48 Im Übrigen.
49 nitt not gehapt: nicht eilig gewesen.
50 zudem.
51 als (nämlich als die Klause Ehrenberg am 10. Juli 1546 von den Schmalkaldenern eingenommen wurde: s. Nr. 2499).
52 nur.
53 deß dings geht vyl für: wegen der Angelegenheit passiert vieles.
54 so geübt werden: in der Art und Weise, wie diese [Handlungen] ausgeübt werden.
55 fahrlässig.
56 strafen.
57 Ferner.
58 mitt kolben lausen: streng behandeln; s. Fischer IV 571.
59 Zu den drei von Zürich nach Augsburg entsandten Pfarrern s. Nr. 2573, Anm. 21.
60 Zur Entsendung dieser drei Prediger s. Nr. 2572,38-43.
61 Martin Wetzler; s. Nr. 2572, Anm. 33.
62 Johannes Schnell, nach Sonthofen, Kr. Oberallgäu.
63 Johannes Jung, nach Leutkirch.
64 Mt 9, 38; Lk 10, 2.
65 Vgl. Apk 11, 15. 66 Die Lage F.
67 Bullingers Johanneskommentar (HBBibI


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|| E II 357, 54 [Beilage:]68

Literas 69 cras mittam Augustam, quoniam hodie non potui. Quae de Mercurio 70 indicas 71 , digna sunt, ut omnes noscant. Es sind gewisß kontschafften den unsern zukommen, 72 das der papst 73 bevolchen, die brunnen zu vergifften. 74 Gott well der mordenschen büberey 75 bald ain end machen!

I 153), der im Juli und August 1543 gedruckt wurde, enthält eine Lage F, während dessen eben erst erschienener Lukaskommentar (s. Nr. 2545, Anm. 2) eine Lage f enthält. Da Blarer im Juli 1543 den ersten Teil von Bullingers Johanneskommentar bereits erhalten hatte, ehe der ganze Kommentar fertig gedruckt war, und Blarer damals berichtete, den ihm zugesandten Teil ausführlich zur Kenntnis genommen zu haben (s. HBBW XIII 168, 22-27), wird er kaum erst drei Jahre später gemerkt haben, dass er die Lage F zweifach erhalten hatte. Demzufolge wird sich Blarer hier verschrieben haben, Bullingers Lukaskommentar gemeint und mit "F" an "f"gedacht haben.
68 Da in Konstanz das Gerücht über eine geplante Brunnenvergiftung in Deutschland erst am 1. September oder kurz zuvor bekannt wurde (s. Nr. 2570, Anm. 2), sind die in vorliegender Beilage erwähnten Briefe Bullingers, die für Augsburg bestimmt waren und erst am Tag darauf abgeschickt werden sollten (s. unten Z. 67), auf Anfang September zu datieren. Man kann davon ausgehen, dass sich unter den Briefen ein Schreiben für Haller befand. Wäre Bullingers Brief an Haller vom 4. September (Nr. 2564), den Haller bereits am frühen Nachmittag des 9. September erhielt (s. Nr. 2576,1-3), Teil dieser Sendung gewesen, müsste vorliegende Beilage Blarers Brief vom 7. September (Nr. 2572) zuzuordnen und die Beförderung aus Konstanz nach Augsburg frühestens am 8. September anzusetzen sein, was unmöglich ist, da eine Briefbeförderung zwischen Konstanz und Augsburg mehr als anderthalb Tage beanspruchte. Demzufolge sind hier Bullingers Briefe an Haller vom 7. und 8. September gemeint, die am 18. September in
Augsburg eintrafen (s. Nr. 2596,1-3), sowie ein nicht erhaltener Brief Bullingers an Georg Frölich vom 7. September; s. Nr. 2594,1f. Die Datierung vorliegender Beilage wird durch Nr. 2570, Anm. 12, bestätigt.
69 Bullingers Briefe an Haller und Frölich vom 7. und 8. September; s. oben Anm. 68.
70 Quecksilber. 71 Mit Nr. 2570.
72 Siehe dazu Nr. 2570, Anm. 2.
73 Paul III.
74 Eine Angst, die durch Apk 8, 10f; 16, 4, gestützt sein könnte. — Auch das auf den 30. August 1546 datierte gemeinsame Schreiben von Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen (s. Nr. 2576, Anm. 72) behauptet, dass man aus zuverlässigen Quellen erfahren hätte, wie Papst Paul III. "etlich viel und geschwind gifft in Deudsche Land verordnet" habe, "welch gifft auch an ein benanten ort ankomen sein sol", um "fürnemlich die brunnen, Teiche und andere stehende Wasser ... damit zu vorgifften [sic]"; s. Des Churfürsten ... und ... Landgraven Verwarnung an die Protestirende Stende der Augspurgischen Confession unnd derselbigen underthanen von wegen des Babsts..., [Zwickau 1546] (VD16 S1031), f. Aij,v.-Aiij,r. Ein Brief des Landgrafen an Moritz von Sachsen vom 25. August identifiziert Innsbruck als den oben erwähnten Ort; s. Moritz von Sachsen PK II/2 782. Zur Angelegenheit s. ferner Nr. 2570; PA I 559, Nr. 896; 566, Nr. 904; und der in EA IV/ld 740 veröffentlichte undatierte Brief von Heinrich Thomann (1520-1592), dem Zürcher Beobachter in Deutschland während des Schmalkaldischen Krieges.
75 bösen Treiben.


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||617 [Beilage A: 76

g Wüssend, lieber herr und frund, das: g

Kurtz 77 vor gehaltnem tag zu Baden ist unser bischoff 78 von Merspurg 79 sampt seinen Juden, die er daselbst underhelt, in das Turgow gen Güttingen 80 geflochen sampt all irer hab unnd gut. 81 Darnach ist der bischoff gen Arba 82 in sein schloss gezogen, die Juden aber zu Güttingen belyben. 83 Ist der gemain mann ubel zufriden gewesen. Hat gemaint, man sölls dem wirt nitt gestatten, die Juden allso uffzehalten 84 . Aber sy haben so vyl durch den newen landtvogt 85 practiciert 86 , das er zu Baden 87 usbracht hat, wär sy haben welle, mögs wol thain. Und hat der landtvogt gen Güttingen 88 geschriben, er welle sy nieman wider sinen willen uffbinden, doch war sy uffenthalt, thüe imen ain dienst daran. Der ain Jud 89 hat aber selbs darnach sich vernemmen lassen, sy habind dem landtvogt ain silberis verdeckts bächerlin 90 geschenckt.

g-g Von Bullingers Hand; was darauf deutet, dass Letzterer diese nicht unterschriebene Nachricht (deren Verfasser anonym bleiben wollte; s. unten Z. 92-94. 103f) sehr wahrscheinlich seinem Freund, dem Ratsherrn Hans Rudolf Lavater, zukommen ließ.
76 Möglicherweise Teil eines früheren Briefes; s. oben Anm. 2.
77 Wohl die Tagsatzung zu Baden, die am 9. August begonnen hatte; Nr. 2529, Anm. 27.
78 Johann von Weeze.
79 Wegen der Einführung der Reformation in Konstanz hatten der Bischof und die höhere Geistlichkeit Ende 1526 die Stadt verlassen; Meersburg wurde neuer Bischofssitz; vgl. Rublack, Konstanz 45f.
80 Güttingen (Thurgau) gehörte zum Bistum Konstanz und wurde von einem Vogt (s. dazu unten Anm. 88) verwaltet; s. Helene Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor der Revolution von 1798, Frauenfeld 1908, S. 73. 143-146.
81 Grund dafür war wohl der ausbrechende Krieg.
82 Arbon (Thurgau). — Der Bischof hatte die höhere und niedere Jurisdiktion inne; sein Schloss war zugleich Amtssitz seines Vertreters, des Obervogts; s. Hasenfratz, aaO, S. 69.
83 Die Flucht der Meersburger Juden zusammen mit dem Konstanzer Bischof nach Güttingen, wo sie sich bis 1548 aufhielten, wird in Helmut Fidler, Jüdisches Leben am Bodensee, Frauenfeld/Stuttgart/Wien 2011, S. 312, ohne Quellenangabe erwähnt; und in Karl Heinz Burmeister, Geschichte der Juden im Kanton
St. Gallen bis zum Jahre 1918, St. Gallen 2001 — Neujahrsblatt vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen 141, S. 33f, mit Bezug auf diese Stelle. Weitere Quellen zu dieser Begebenheit konnten nicht gefunden werden.
84 Unterkunft zu geben.
85 Leonhard Holzhalb, der im Sommer 1545 zum Landvogt des Thurgaus gewählt wurde, sein Amt aber erst zwischen Juni 1546 und Juni 1548 ausübte. Demzufolge ist HBBW XV 485, Anm. 26, zu korrigieren. In Zürich StA, A 323/2, Nr. 132, ist nämlich für den 5. März 1546 ein Brief von Melchior Gallati erhalten, den dieser als Rat zu Glarus und Landvogt im Ober- und Niederthurgau unterschrieb, während aaO, Nr. 133, klar belegt, dass am 25. Juli 1546 Holzhalb dieses Amt innehatte.
86 intrigiert.
87 Es ließ sich kein Antrag Holzhalbs an einer Tagsatzung zu Baden finden.
88 Wohl an Michel von Landenberg, der als Vogt zu Güttingen sowohl im Juni 1544 (s. EA IV/1d 391) als auch im April 1548 (s. Frauenfeld, StA des Kantons Thurgau, CO' 1, 0/18, 15, Nr. 4) nachgewiesen ist.
89 Unbekannt.
90 verdeckts bächerlin: einen mit einem Deckel versehenen Becher; s. SI XII 1218.


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Macht im gleych ain böß geschray 91 . Dann es laut ye 92 ubel, das er sölich offenliche lesterer unsers herren Jesu Christi begert ze underschlöffen. Wiewol sy sind yetz mitt ir hab und gut widerum gen Merspurg, habend doch gesagt, in kurtzem werden sy widerum kommen, etc. Were gut das man die Juden nitt anfieng, in ainer Aidgnoschafft underschloffen, und es dem landtvogt undersagt wurde, wa es anderst by ewern herren mag erhalten 93 werden. Es sind der töfften 94 Juden nun zu vyl. Wir dörffen nitt erst 95 die ungetöfften ouch lassen die unseren verderben. Hab ich euch danecht 96 guter mainung nitt verhalten wellen mitt bitt, mich kains wegs gegen 97 nieman zu vermären 98 das ich euch solichs anzögt habe. Dann es hat vyl ursachen, darum es mir beschwerlich.

Item so ist der new landtvogt mitt trummen 99 und pfyffen gen Mynsterlingen kommen. 100 Sind gyger 101 ouch dahin komen. Habend gehöfiert 102 . Hat der landtvogt ain tantz wellen haben mitt den meyten 103 , dann es sind nitt 104 mer tantzfrowen da. Ist der vogt zu Münsterlingen, so dann von Uri, nit wol zufriden gewesen. Hat sine tochteren 105 nitt wellen tantzen lassen, etc. 106 Ist unser alter zunfftmaister Hutlin 107 , der nitt mehr in die statt darff, ouch dussen 108 gewesen und den tantz gefurdert 109 . Hat alles grosß ergernüsß bracht, sonderlich 110 diewyl der landtvogt von Zürich ist. 111 Sagen, die anderen seyen erbarer und ernsthaffter gewesen. Aber ir söllt mich kainswegs mähren 112 . Man hat lange zyt nitt da getantzet. So 113 ist es yetz ouch nitt tantzwetter. Duret mich hertzlich ubel 114 und ander ehrenleut ouch, wann

91 Ruf.
92 durchaus; s. FNHDW VIII 339.
93 erreicht.
94 getauften.
95 noch obendrein; s. SI I 471.
96 doch; s. SI IV 642.
97 gegenüber.
98 zu erkennen geben.
99 Trommeln.
100 Es handelte sich um den Huldigungsritt, bei dem der Landvogt traditionell von Tambouren und Pfeifern begleitet wurde; s. Hasenfratz, aaO, S. 34. 39.
100 Geiger.
102 [ihr] Ständchen gebracht, musiziert; s. SI II 1040.
103 Mädchen.
104 Der Urner Ratsherr Martin Tresch (Trösch), seit September 1543 Schaffner und Vogt in Münsterlingen; s. Raimund Tschudi, Die Schicksale des Klosters Münsterlingen zur Zeit der Reformation und der katholischen Reform ca. 1520— 1570, in: ZSKG 39, 1945, 248.
105 Unbekannt.
106 Das Reformationsmandat für den Thurgau von 1530 hatte das Tanzen mit der Ausnahme von Hochzeiten verboten; Knittel, Thurgau-I 294-303.
107 Thomas Hütlin, der Konstanz 1543 verlassen musste; s. HBBW XIV 91f, Anm. 21.
108 draussen (in Münsterlingen).
109 befördert, geleitet.
110 besonders.
111 Zürich war für seine strenge Sittenzucht bekannt. Angesichts des Krieges hatte die Stadt im Juli 1546 das Tanzen, auch an Hochzeiten und anderen offiziellen Anlässen, verboten; s. Kirchenordnung-ZH I 209, Nr. 93.
112 sagen, woher er es hat.
113 Zudem.
114 Duret mich hertzlich ubel: Ich bedaure sehr.


Briefe_Vol_17-440arpa

under dem nammen Zürich, der unß lieb und werd ist, söliche ding beschechend.

||687 [Beilage B:]115

Die Juden zu Merspurg habend von dem landvogt ain freyhait erlangt uff zway jar, die weyl 116 sein ampt weret, das sy im Turgöw die zeyt mögind sicher wonen und wandlen, etc. Ist ain güter burger 117 hie 118 . Hat den brieff 119 gelesen. Der brieff weyst ouch, das er inen sölichs zulasß mitt bewilligung der Aidgnossen; welchs anzögt. das er frylich 120 darum angehalten, diewyls uff sin zyt gestellt 121 worden.

So hat ain schiffman 122 von Merspurg zu ainem burger 123 von hinnen 124 gesagt, den er übergefürt 125 , die Juden haben dem landvogt 100 cronen geschenckt. Bringt vyl nachred und argwon, wiewol ichs nitt glob mitt den 100 cronen. Aber mitt dem silbergschirr, davon ich euch vormals geschriben 126 , waiß ichs wol das ain Jud 127 ainem biderman 128 selbs anzögt hat, von dem ichs hab.

[Ohne Unterschrift.]

[Ohne Adresse.]