Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2499]

Hans Vogler
an Bullinger
[Lindau, ca.
13. Juli 1546]

Autograph: Zürich StA, E II 351, 183 (ohne Siege) a Ungedruckt

Auch wenn Bullinger über dieses Geschehen wohl informiert sein wird, will Hans Vogler [d.Ä.] ihm trotzdem den am 10. Juli verfassten Brief von Bürgermeister [Caspar Zeller] und Rat der Stadt Kempten [an Konstanz]abschreiben. Das Schreiben wurde ihm und seinem [Gastgeber Hieronymus]Sailer in aller Frühe vom Konstanzer [Ratsherrn] Ulrich Hochrütiner mitgeteilt: Aus dem [schmalkaldischen Feld]lager wurde berichtet, dass das [Schmalkaldische]Heer, das am Morgen [des 9. Juli] in Füssen einrücken wollte, in der Nacht zuvor einen Brief in die Stadt geschickt hatte, um die Lage zu erkunden. Man erfuhr, dass das kaiserliche Heer am Abend [des 8. Juli]Füssen heimlich verlassen hatte und nach Bayern abgezogen war. Danach nahmen die Schmalkaldener die Stadt ein und wurden dabei meist freundlich und untertänig empfangen. Aus Füssen wurden den Kemptenern befohlen, keinen Proviant mehr zu schicken und dies auch den Konstanzern mitzuteilen, die diesbezüglich wiederum an Lindau schreiben

a Mit Schnittspuren.
1 Der Ammann; nicht dessen gleichnamiger Sohn. Dies ergibt sich aus der Handschrift.
2 Laut Z. 3f wohnte Vogler damals bei einem Mann namens Sailer. Aus Vadian BW VI 552, Nr. 1483; 554-556, Nr. 1486 (vom 31. Juli und 3. August 1546) und unten Z. 23 geht hervor, dass es sich dabei nur um Hieronymus Sailer handeln kann, zu dessen Gunsten Vogler damals in einem Streit schlichtete; s. Nr. 2525; Conradin Bonorand, Hieronymus Sailer aus St. Gallen, Schwiegersohn des Augsburger Großkaufherrn Bartholomäus Welser, und seine Tätigkeit im Lichte seines Briefwechsels mit Vadian, in: Zwa 20, 1993, 112. Vogler kann jedoch seinen Brief nicht in Augsburg verfasst haben; denn aus Nr. 2524,33f, und Nr. 2525,40f, geht hervor, dass er erst kurz vor dem 23. Juli dorthin gelangte, also zu einer Zeit, als er über Füssens Belagerung wohl kaum mehr so aufgebracht und kaum der Meinung hätte sein können, dass die Abschrift des hier beigelegten Briefes für Bullinger noch von Interesse wäre. Mitte Februar 1546 lebte Sailer noch in Augsburg (s. Vadian BW VI 507f). Ende Juni aber war er von Augsburg an einen unbestimmten Ort gezogen (aaO, S. 606).
Ende Juli, Anfang August und Anfang September 1546 ist er in Lindau nachgewiesen (aaO, S. 552. 554. 567f; Nr. 2525,7-9; Nr. 2559). Demzufolge wird vorliegender Brief in Lindau verfasst worden sein, was die unten Z. 17f geäußerte Bitte ebenfalls vermuten lässt. — Vadian BW VI 572. 579. 595 erlaubt ferner die Annahme, dass Sailer während der zweiten September-Hälfte von Lindau nach St. Gallen zog. Erst ab Mitte März 1547 ist er erneut in Augsburg nachgewiesen; vgl. HBBW XVI 96f Anm. 1.
3 Vorliegender Brief enthält die Abschrift eines Briefes, der am 10. Juli in Kempten verfasst und vom Konstanzer Ratsherrn Ulrich Hochrütiner (s. unten Z. 2f) an einem unbestimmten Tag in aller Frühe (s. Z. 4) in Lindau überbracht wurde. Da aber Hochrütiner sich am Vormittag des 10. Juli noch in dem von Konstanz etwa 90 km entfernten Baden befand (s. Nr. 2486,36-38 und Anm. 29f; Nr. 2494,66— 68) und die Strecke zwischen Kempten und Konstanz bzw. zwischen Konstanz und Lindau gute 100 bzw. 45 km beträgt, kann vorliegender Brief nicht vor dem 13. Juli verfasst worden sein.


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sollen. Der Bote [Hochrütiner]hat gestern um 10 [Uhr abends]Konstanz verlassen. Man ist der Meinung, dass [Herzog Wilhelm] von Bayern nicht lange Frieden halten wird. Hieronymus Sailer lässt grüßen und bedankt sich für [Bullingers] Buch [...]. Vogler bittet um Nachrichten aus Zürich.

Gotteß gnad mitt unß. Wiewol ich achten, das ir der zithung wissen tragend 4 , thun ich doch nicht dester weniger uch diß, so mir durch minen geliepthen Ulrich Hochruthiner, botten von Costentz, sampt minem hern schwager, dem Sayler 5 , der mich ab dem pet gweckt, mittailt hat und mich lesen lassen, von wort zu wort also im von Costentz zu gschickt:

"Item v[il]grus. Es ist unß in diser stundt uß dem leger 6 ware und gruntliche kuntschaft zukomen, das uff jetz donstag 7 zu nacht unser kriegsfolck, so morgens fur Füssen zu rucken furnemens gwest 8 , haben sy zuvor gegen der nacht ain schrift hinin geschickt, wie inen dieselbig gfallen oder was sy darin 9 vernemen. Sy das kayserlich kriegsfolck frü in der nacht in aller stille den weg hinab in das land Payern gnomen, und also abzogen und die statt Füssen verlassen. Nachmals haben die unsern die statt ingnomen und die burger allgmainklich sy gantz willigklich mitt gebognen und ufghepten henden ghuldigt ergeben. 10 Es sin unß och darneben schriben, das wir jetzumal mitt witer schickung aller proviant still zü sten, gschriben worden, welche wir u[wer]w[ysheiten]glichsfals, damit si sich deren proviant halber untz 11 uf witern bevelch darnach haben zü richten. Wellen ouch unsern lieben und guten frunden, deren zü Lindow, mit aller yl zü wissen ton machen. Das haben wir u.w., etc. Datum yn yl, den 10. iulii anno 1546. Burgermaister 12 und b rat der stat Kempten."13

b und fehlt in der Vorlage.
4 das ir der zithung wissen tragend: dass ihr von der Nachricht wisst.
5 Wohl Hieronymus Sailer (s. oben Anm. 2 und unten Z. 23), der einige Monate zuvor dem Sohn des Briefschreibers, Hans Vogler d.J., eine Lehrstelle in Augsburg vermittelt hatte; s. HBBW XVI 305, Anm. 35. Eine Schwester Hans Voglers d.Ä Margret, war mit einem Peter Sailer verheiratet; s. Das Familienbuch Hans Voglers des Älteren und des Jüngeren aus dem Sankt Galler Rheintal, hg. v. Alexa Renggli, Basel 2010, S. 66, Z. 11f. 25f. Die Verwandtschaft von Peter mit Hieronymus Sailer ließ sich aber nicht weiter bestimmen.
6 Dem schmalkaldischen Kriegslager in Süddeutschland.
7 8. Juli 1546.
8 furnemens gwest: vorhatte.
9 Es sei. — Hier: Es habe.
10 Mit dem am 9. Juli frühmorgens von Sebastian
Schertlin von Burtenbach angeführten Überraschungsangriff auf den kaiserlichen Musterungsplatz Füssen hoffte der Schmalkaldische Bund, die kaiserlichen Truppen zu zerschlagen oder zu übernehmen und den Zuzug italienischer Truppen zum Kaiser zu verhindern. Doch hatten sich die kaiserlichen Truppen zuvor über den Lech in das "neutrale"Bayern abgesetzt; s. Zürich StA. A 177, Nr. 11; A 227/1, Nr. 78; A 202/1, Nr. 14; Herberger, Schertlin 78-91, Nr. 10-14; Schüz, Donaufeldzug 11f.
11 bis.
12 Zu diesem Zeitpunkt amtete Caspar Zeller als Bürgermeister. — Wir danken Herrn Franz-Rasso BOck, Stadtarchivar in Kempten, für diese Angabe.
13 Da vorliegender Brief vom Konstanzer Ratsherrn Hochrütiner nach Lindau gebracht wurde (s. oben Z. 2f), wird er wahrscheinlich an den Konstanzer Rat.


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Der bott 14 ist gestern 10 15 noch zü Costentz ußgangen. Achtet man, der Payer 16 werd frid nit lang halten oder warten 17 .

Jheronimus Sayler last uch grussen, deß buchs 18 fruntlich dancken. Pit wir, ir wellend unß uwer zitung mitailen han.

Uwer w[illiger] J. Voglar.

[Adresse auf der Rückseite:] An meyster Heinrichen Bullinger zu selpst handen.