Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[904]

Hans Konrad Thumb von Neuburg an
Bullinger [...],
20. Oktober 1536

Autograph: Zürich StA, E II 441, 526f (Siegelspur) Ungedruckt

Sendet das Büchlein eines bekannten Theologen [Kaspar Schwenckfelds?] an Bullinger, weil dieser im Rufe großer Glaubensfestigkeit steht, während unter den Theologen sonst fast alles voreingenommen abgeurteilt wird; bittet um ein Urteil sowie um die Zusendung eigener Schriften. Grüße an Leo Jud.

Cristennlicher, hohgelerter, ersamer, lieber her, dieweill gar ain gocz gelerter, beriembter mann, dem ich nit anderst dann usser annderer ansagenn begert 3 , ain clein biechlin geschickht — 4 nit das ich von im noch vil weniger bey mir selbs etwas oder gar nit darinn zu messigen 5 wiß — unnd aber jetzund gar

1 Hans Konrad Thumb von Neuburg, Erbmarschall und Hofrat, gest. 1555, war der einflußreichste Mann am Hofe Herzog Ulrichs von Württemberg. Von 1519 bis 1521 hielt er sich beim Herzog in Mömpelgard auf, wechselte dann aber die Seite und stand bis 1531/32 im Dienste der österreichischen Statthalterregierung in Stuttgart. 1527 wurde er Erbmarschall, 1530 Hofgerichtsassessor in Tübingen. Er ließ in seiner Herrschaft Stetten im Remstal (Kernen, Krems-Murr-Kreis, Baden-Württemberg) 1532 die Reformation durchfuhren. In Stetten beherbergte er auch häufig semen Schwager Kaspar Schwenckfeld, und im Jahr 1539 berief er mit Pfarrer Burkhard Schilling einen Schwenckfeldanhänger dorthin. Nach der Rückeroberung Württembergs durch Ulrich wieder in herzogliche Dienste aufgenommen, war Thumb vor allem im Zuge der reformatorischen Neuordnung von Kirchengütern und Klöstern mit zahlreichen wichtigen Missionen betraut (vgl. Deetjen, Reg.). Einem neuerlichen Zerwürfnis mit Herzog Ulrich folgte ein Prozeß und der Verlust der Ämter sowie des Erbmarschalltitels. Daraufhin zog sich Thumb 1545 zu seiner Schwester Ursula in die Herrschaft Neuburg am Untersee (Kt. Thurgau) zurück (vgl. Rudolf Bütterlin, Ursula Thumb von Neuburg. Versuch einer Rollendeutung für die Witwe Hans
von Huttens, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 40, 1981, S. 333). 1537 wandte sich Thumb ein zweites Mal an Bullinger, da er keine Antwort erhalten hatte. — Lit.: CSch IV. V. VI, Reg.; Ernst Boger, Geschichte der freiherrlichen Familie Thumb von Neuburg, Stuttgart 1885, S. 101-1 17; Walter Bernhardt, Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. II, Stuttgart 1972. — Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, B 71, S. 675f; Württembergische Visitationsakten, Bd. I: (1534) 1536-1540, bearb. v. Julius Rauscher, Stuttgart 1932. — Württembergische Geschichtsquellen 22, S. 70, Anm. 1, und S. 472, Anm. 1.
2 Hans Konrad Thumbs Amtssitz Stuttgart ist mit großer Wahrscheinlichkeit auch der Absendeort.
3 Sinn unklar; vielleicht: dem ich einzig deshalb nachgefragt habe, weil andere ihn beschuldigen.
4 Grynäus, der diesen Brief mitsamt der Beilage an Bullinger übermittelt hatte, vermutete, daß die Sache Kaspar Schwenckfeld gelte (vgl. unten Nr. 913, 6-9). Über das Büchlein -wohl ein Werk Schwenckfelds - ist nichts Näheres bekannt.
5 nichts darin zu beurteilen vermag.


Briefe_Vol_06_444arpa

nahe 6 alle sach dahin gericht, das der merertaill und schier under den gelertenn alle sachen wellenn partheisch oder neidisch gericht werdenn -got well es, das es bey den ewangelschenn benenten nit funden wird -, und aber euch als ain bestendigen inn glaubens sachen bißher vil dapfferer und allen heren reinen 7 ; dernhalb ich bewegt wordenn, euch das zuzeschicken mit fruntlichem bit, ir welt euch hierinn ersehenn, doch ewer anderer notwendigen gotes sachen unverhindert, darüber ewer gutbedunckhen 8 bewegen und wasß guts daruß schliessen, mein unbekannte anmutung nit fur ubel uffnemmen, sonder mit meinen unverstendigen a beger mitleiden ||527 tragenn unnd mich des, ouch anders, was im allweg 9 besserung bringt, mit ewern geschrifften berichten.

Und wellen Leo Juden mein gutwillig dienst sagen b , den ich euch meins besten vermegens mitzuthaillen von herzen genaigt bin.

Datum den 20. tags c octobers d anno etc. 36.

Hanns Connrat Thummb, erbmarschalken.

[Adresse auf der Rückseite des folgenden Blattes:] Dem cristenlichen, hohgelerten und ersamen Maister Hainrich Bulinger, der loblichen statt Zurch ewangelischer predicannten e und lütpriester f , meinem insondern lieben hernn unnd guten frünnde.

a in der Vorlage unverstendign.
b in der Vorlage sagn.
c in der Vorlage tas.
d in der Vorlage octobrs.
e in der Vorlage predicanntn.
f in der Vorlage lüpriester.
6 beinahe.
7 hören rühmen.
8 Meinung, Ansicht (Grimm IV/I 6 1378).
9 immer.