Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2507]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
22. Juli 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 187 (Siegel) Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 476f, Nr. 1316

Bullinger hat gewiss Blarers Schreiben [Nr. 2505] vom 20. Juli durch [...], den Sohn von [Heinrich]Herrliberger, erhalten. Konrad Zwick, der [vor der Morgendämmerung] nach Zürich gesandt wurde, hat inzwischen sicher schon mit den Zürchern über verschiedene Angelegenheiten gesprochen, besonders wegen des [kaiserlichen] Heeres bei Salem. Gestern Nacht traf ein Brief des [Konstanzer]Gesandten [...] aus Ulm ein: König [Ferdinand]soll die Klause [Ehrenberg]belagert haben, um sie zurückzuerobern. Wären die Augsburger nicht so furchtsam gewesen, hätten die [Schmalkaldener] schon bis nach Innsbruck vorstoßen können. Hans Rych aus Rapperswil ist noch nicht bei Blarer gewesen. Dieser wird den Empfang des Briefes [Nr. 2493] vermelden. Er dankt auch für die Abschrift der Verordnung von öffentlichen Gebeten in Zürich. Ohne Gott wäre die Lage schlimm! Landgraf [Philipp von Hessen], in den Blarer große Hoffnungen setzt, ist angeblich nach Nürnberg gezogen, um dort Geld zu erhalten. Auch habe er das Territorium des Bischofs von Bamberg [Weigand von Redwitz]besetzt. Die Zürcher sollen für die Tapferkeit der Schmalkaldener beten.

Gnad und frid. Ich hab euch uff vorgestert alles, was ich gewisst, by ainem knaben, des Herrbergs seligen sun, 1 geschriben. 2 Achten, euch nunmehr wol zukommen sein.

So ist mein l[ieber] v[etter] Conrad Zwick uff necht 3 ouch abgefertiget und nunmehr, ee euch diß schriben wurt, by euch gewesen, und sprach mitt euch allerlay sachen halber gehalten; 4 welchs mich wol gefröwt, das er selbs gen Zurich abgefertiget, ongezweyfelt es solle zü gutem dienstlich sein, sonderlich der knecht halber, so um Salmenschweyl 5 umher lygend.

Sonst nichts newes, dann das auff necht gleych nach meines vetters verreyten schreiben von unserm gesanten zu Ulm 6 kommen, das die CluB 7

1 Der namentlich nicht bekannte Sohn von Heinrich Herrliberger; s. Nr. 2489, Anm. 52.
2 Brief Nr. 2505 vom 20. Juli.
3 D.h. noch vor der Morgendämmerung des 22. Juli; vgl. unten Anm. 4.
4 Zwick wurde im Auftrag des Konstanzer Rats nach Zürich geschickt, wie aus dem ihm mitgegebenen und auf den 22. Juli datierten Begleitschreiben vom Konstanzer Rat an den Zürcher Rat (Zürich StA, A 205/1, Nr. 217) hervorgeht.
5 Salem. — Zu den dort liegenden Truppen s. Nr. 2505, Anm. 84 und Anm. 86. Die Zürcher waren selbst daran interessiert, dass diese Truppen zerschlagen würden,
da sie u.a. befürchteten, dass der Kaiser die Eidgenossenschaft angreifen würde; s. Zürich StA, A 177, Nr. 13.
6 Unbekannt.
7 Klause Ehrenberg. — Ein Gerücht. Die Klause wurde erst am 5. September 1546 zurückerobert; s. Viglius van Zwichem 27. 53. 92 (mit Anm.); Herberger, Schertlin 182-191 (mit Berichten von schmalkaldischen Beteiligten); Zürich StA, A 205/1, Nr. 2251 (Rat von Konstanz an den Rat von Zürich, 7. September 1546). Siehe dazu ferner Nr. 2542, Anm. 9. — Vielleicht handelt es sich hier um eine Verwechslung mit der Nachricht von dem am 21./22. Juli erfolgten Vorrücken


Briefe_Vol_17-217arpa

widerum von dem könig 8 mitt ettlich tausend knappen 9 belegert seye, wol zu besorgen, sy werde, eh und die unsern widerum komen mögind, erobert; allso liederlich 10 wurdt gehandelt! Und weren die unsern yetz wol zu Ynspruck, so die von Augspurg nitt alls 11 forchtsam. 12 Wolan! Gott muß es besser machen und ussfüren, dann sich unser anschleg richtend, sonst wurde es ausß und verloren sein. 13

Hanns Reych 14 von Rapperschwyl ist noch nitt by mir gewesen, vyllicht noch nitt fertig worden und underwegen. Bald 15 ich das schreiben 16 empfach, fug ichs euch ze wissen.

Ich bedanck mich zum fleyssigsten des abgeschribnen ansechens 17 des gemainen gepetts by den ewern. Gott lass ims wol gefallen und krefftig 18 sein. Wir dorffen 19 wol, das er oberster hoptmann seye, sunst wirt es ruch 20 zagohn.

Es geht gassenmehr 21 um, doch nichts gewisses, der landtgrauff 22 seye uff Nürenberg zogen und sy um gellt ankommen. 23 . Hab ouch dem bischoff von Bamberg 24 die statt und sein herrschafft ingenommen. 25 Wellen wir bald erfaren. Hoff ymmer, wie es gang, gott werde etwas grosses durch disen fursten usrichten. Bittend gott, das man uff unser syten nitt liederlich seye und sich der guten mittel dapfer gebrauche.

In yl, den 22. iulii 1546.

A. Bl.

[Adresse auf der Rückseite:] Venerando et charissimo H. Bullingero suo, Tiguricensis ecclesiae antistiti vigilantissimo. 26

von Francesco di Castellalto zur Fernsteiner Klause (Bez. Imst, Tirol); s. Viglius van Zwichem 44f.
8 Ferdinand I.
9 Kriegsknechten.
10 fahrlässig.
11 dermaßen.
12 Vgl. Nr. 2505,33-35.
13 Vgl. Ps 127 (Vulg. 126), 1.
14 Siehe zuletzt Nr. 2506,1f.
15 Sobald.
16 Bullingers Brief Nr. 2493 vom 10. Juli. — Kurz nach Abfassung des vorliegenden Schreibens erhielt Blarer den hier erwähnten Brief; s. Nr. 2514,60-62.
17 Verordnung. —Zu Bullingers Sendung einer Abschrift der Verordnung durch den
Zürcher Rat von öffentlichen Gebeten zugunsten der Schmalkaldener s. Nr. 2506,16f.
18 wirksam.
19 bedürften.
20 schlimm; s. SI VI 181.
21 Gassenmärchen, Gerücht; s. SI IV 361.
22 Philipp von Hessen.
23 seye ... sy um gellt ankommen: habe sie mit einer Bitte um Geld angegangen; s. SI III 273.
24 Weigand von Redwitz. 25 Ein Gerücht.
26 Dieser Brief wurde dem Zürcher Boten Melchior Vögeli anvertraut; s. Nr. 2514,60-62.