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Autograph: Zürich StA, E II 346, 241f (Siegelspur) a Ungedruckt
[1]Frölich kann sich genauso berechtigt wie Bullinger Lin seinem nicht erhaltenen Schreiben]
über das Ausbleiben von Briefen beklagen. Die schwierigen Zeiten entschuldigen beide.
Frölich hätte jede Menge (völlig unverfängliche!) Neuigkeiten zu berichten, jedoch fehlt
ihm dazu der Mut, weil anständige Menschen für derartige Nachrichtenübermittlungen
schon fürchterlich bestraft wurden. -[2] Um die deutsche Freiheit ist es geschehen. Sie
kann (so Gott will) nur mit der Zeit wiedererlangt werden. Die Reichsfürsten müssen gegen
ihren Willen in Augsburg bleiben und werden durch die hohen Ausgaben regelrecht aufgerieben.
Auf Seiten des Kaisers und [der Reichsstände]wird viel über den sogenannten
Landfrieden, das Reichskammergericht, die Steuerabgaben und den Reichsbund verhandelt.
ber diesen gibt es jedoch noch keinen Beschluss und keine Bekanntmachung. Den
zu Grunde gerichteten Reichsstädten wird viel auferlegt. Davon werden sie sich kaum
erholen. -[3] Während dieser langen und harten Verhandlungen geschehen allerorts viele
Verbrechen. Den Sittenverfall sowie die harte Verfolgung vermeintlicher Häresie haben die
Augsburger sogar selbst in ihre Stadt eingeführt! Viele gute Leute hoffen und beten, dass
ein himmlisches Strafgericht dem ein Ende setzt. -[4]Unterdessen hat man sich ausgiebig
über die Frage beraten, wie man sich in den Kirchen bis zur Einberufung des Konzils [einheitlich]
verhalten solle: Karl V. wird [den Evangelischen]anscheinend die Priesterehe, das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt und die Regensburger Rechtfertigungslehre [von 1541]
zugestehen. Die evangelischen Kirchen müssen nicht wieder mit Götzen beladen werden
und dürfen weiterhin auf gewisse Riten wie z.B. die Konsekration von Wasser und Salzes
verzichten. Auch die freie Predigt bleibt erlaubt, sofern sich die jeweiligen Konfessionen
nicht gegenseitig verunglimpfen. Wie immer aber sind die Papisten nicht bereit, irgendeine
Änderung in ihren Gemeinden einzuführen, wollen aber dulden, dass die Lutheraner sich
an die [Interims]verordnung halten. Der Kaiser soll wegen des fehlenden Gehorsams seiner
[altgläubigen]Untertanen enttäuscht sein, sucht aber weiterhin nach feiner Einigung]. Ach,
möge man doch von diesem sogenannten Interim absehen und dem Rate des Gamaliel folgen
[nämlich das Urteil über die Konfessionen Gott überlassen]. Dann wäre zu hoffen, dass
die [altgläubige]Teufelslehre bald in sich zusammenfällt. -[5]Frölich dankt Bullinger
für das Buchgeschenk [ et digestio temporum"]. Schon der Titel lässt auf die große
Nützlichkeit der Schrift schließen! Er hat bisher nur den Widmungsbrief mit dem Verweis
auf [Rudolf Gwalthers grec sive servus ecclesiasticus"]gelesen und freut sich über
die offenkundige Freundschaft zwischen den [beiden]Theologen! [Von den weiteren ihm
zugesandten Exemplaren]übergab er eines Wolfgang Musculus, der die Schrift jedoch
bereits von Johannes Haller erhalten hatte. Er hätte das dritte Exemplar nicht gefahrlos
an den [inhaftierten]Herzog Johann Friedrich I. von Sachsen übermitteln können (der
ohnehin an lateinischer Lektüre keine große Freude hat). Daher bändigte er es stattdessenbriefe_vol_21-355 arpa
in Bullingers Namen [dem Augsburger Stadtadvokaten]Nikolaus [Müller, genannt]Maier
aus. -[6]Über die Freilassung des Herzogs hat er bisjetzt nichts gehört. Sicherlich wird
dieser aber nicht aus der Haft entlassen, weil viele seine große Beständigkeit [im Glauben]
fürchten. Zum Gerücht, dass Landgraf Philipp von Hessen demnächst freigelassen werde,
weiß Frölich nichts Verlässliches. -[7]Er wurde von [dem Augsburger]Geheimrat Hans
Welser verleumdet (dem Bullinger seinen Matthäuskommentar [richtig: Lukaskommentar]
gewidmet hatte) und ist daher nun in einer sehr gefährlichen Lage: Ihm wird nämlich
unterstellt, dem Kaiser Wortbruch und Untreue vorgeworfen zu haben. Bullinger sieht also
seine Not: Die Augsburger, denen er zwölf jahre lang treu gedient hat, bringen ihn in solch
große Bedrängnis, statt ihn und seine Familie zu beschützen! Dabei ist er für solch ungehörige
Äußerungen viel zu vorsichtig. Er hat nie über den Kaiser gelästert, sondern ihn immer
gebührend geehrt! Warum steht Frölich dann ein Leben in Traurigkeit bevor? Wird er gar
eines Tages durch Neid und Verleumdung zu Fall gebracht? Was für ein Elend! Gott wird
aber auch dem ein Ende setzen. [Bis dahin]wird Frölich Trost in Bullingers Buchgeschenk
finden. -[8]Er verübelt es Christoph Froschauer d.Ä. nicht, dass er die gegen Johannes
Pedionaeus' Werk ["De bello Germanico Liber"]gerichtete Schrift ["De bello germanico in
laudem bannis Pedionaei"] von [Thomas Naogeorg]vorsichtshalber nicht drucken will.
Die [allgemeinen] Umstände sind schon gefährlich und widerwärtig genug! -[9]Frölich
konnte die sechs Exemplare der "Eidgenössischen Chronik" von Johannes Stumpf die er
von Froschauer erhalten hat, bisher noch nicht den angedachten Empfängern übergeben.
Er wird diesem die Schulden [für die Bücher]aber [bald]begleichen, wie er ihm auch schon
mitgeteilt hat. Bullinger soll ihn um etwas Geduld bitten. -[10]Frölich beglückwünscht die
Zürcher zu ihrer [sicheren]Lage. Er selbst möchte auch endlich aus seiner unerträglichen
Situation befreit werden, sei es durch Exil oder eine andere Anstellung! -[11]Sebastian
Schertlin hat sich, wie man in Augsburg hört, König Heinrich II. von Frankreich verpflichtet
und den Kaiser damit [abermals] verraten. Wenn das wahr ist, stehen auch Frölich, seinem
engen Vertrauten, neue Schwierigkeiten bevor. Man wird ihm vorwerfen, dass er zuvor
zweimal unter Lebensgefahr zu Schertlin [nach Konstanz]gereist ist. Dabei hatte er ihm
von der Annäherung an Frankreich abgeraten. Ein großes Unglück! -[12]Soweit Frölich
es abschätzen kann, bemüht sich der Kaiser um Frieden und Vergebung. Es ist daher kaum
zu befürchten, dass er in diesem Jahr zum Befreiungsschlag gegen seine Feinde ausholt.
Vielmehr wird er für Ruhe und einen allgemeinen Frieden sorgen. -[13]Die Zürcher sollen
den geschwächten Augsburgern mit Gebeten beistehen. -[14]Wolfgang Musculus und
Sebastian Lepusculus werden sich hoffentlich in Augsburg halten können. Von den anderen
[Pfarrer] ist wenig zu erwarten: Sie sind ungebildet und pflegen keinen anständigen
Lebenswandel. -[15]Möge es Gwalther, Haller und den Zürcher Pfarrern gut ergehen.
Frölich schließt Zürich in seine Gebete ein. Grüße. -[16]Er hat Bullingers Brief [nicht
erhalten] am 10. April 1548 bekommen.
S.P.D. Quod accusas silentium, 1 idem merito accuso, mi desyderabilissime Bullingere.
Excusabit tamen utrumque temporum difficultas. Que scriberem, haberem ferebriefe_vol_21-356 arpa
infinita. Audatiam autem scribendi non habeo, licet eiusmodi sint, que neminem
bonum jure offendere possint. 2 Cedamus igitur horribilibus exemplis, que docent,
quam facile vel optimi plectantur.
De Germanic libertate iamiam actum est, 3 quam nemo facile recuperabit, nisi tempus, cuius offitium est mutare (non tarnen nisi ita deo concedente et ordinante) b . Principes imperii hic 4 retinentur invitissirni. Consumunt enirn multa et profundunt. 5 Imo consumuntur et ipsi! De pace publica, quam pacem provincialem 6 vocant, de iudicio camere imperialis et de contributionibus 7 multa hinc inde 8 tractata sunt. Tractatum etiam est de foedere 9 , sed nihildum conclusurn neque publicatum. Video miseris civitatibus multa misere imponi, que, ut sunt omnino pessundate 10 , vix unquam reflorescent.
Interim, dum hic omnia diu et severiter quidem aguntur, multa fiunt ubique fere latrocinia, multe cedes et nos ipsissimam Sodomam 11 et Sorbonam 12 scelerum in nostra urbe plantavimus. Multi boni et sperant et precantur, ut ignis de celo labatur et finem tantorum tandem faciat malorum. 13
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Preterea diu multumque nunc tractatum est super religione, quomodo videlicet et qualiter interim, donec concilium 14 cogatur, in ecclesiis vivendum sit. 15 cesar 16 , ut constanter audio, matrimonium sacerdotale, utramque speciem sacramenti, articulum iustificationis, ut Ratisbone 17 iamdudum in formam redactus est, concederet. Templa ab imaginibus vacua non oneraret idolis et liberam evangelii predicationem, ita tarnen, ne pars una alterarn calumnietur c nec carpat c , admitteret, item consecrationem salis, aque et eiusmodi liberam relinqueret. Sed papiste (semper sui similes!) ne pilum quidem cedere volunt, verum aiunt se laturos, ut Lutherani eo ordine vivant, se autem ritus suos integre servaturos. Id quod imperatorem pessime, ut dicitur, habet, ut, qui sibi multum pietatis et obedientie de suis pollicitus sit, jam nihil minus re ipsa experiatur. Utinam sic tractatus isti, quos Interim vocant, in spongiam recidant 18 et consilio Gamalielis 19 saluberrimo omnia agantur. Hinc brevi futurum sperarim, ut doctrina diaboli in se ipsa evanesceret.
Pro exemplari 20 dono dato tibi gratias immortales ago, quod, ut titulus pre se fert, non nisi magnam utilitatem allaturum est. Vidi saltem dedicatoriam 21 , cuius mutua vicissitudo et reciproca dedicatio mihi valde arridet. Ex animo enim letor inter verbi doctores tam bene convenire et amicitie suavitatem ita exerceri. Musculo 22 exemplar unum dedi, qui respondit se ab Hallero 23 nostro antea unum accepisse.
Am Rande mittels Einweisungszeichen ergänzt.
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Tertium tuo nomine doctori Nicolao Maier 24 exhibui (Dux 25 Saxonic non tuto aditur neque Latina lectione valde delectatur).
De ipsius || 241v. liberatione nihil adhuc intelligo, propter constantiam egregiam, turn fortassis earn ob causam, quod virtus sua quibusdam formidabilis sit. Rumor est landgravium 26 brevi liberandum esse. Sed certi nihil scio.
Consul Welserus 27 , cui Matheum 28 tuum inscripsisti, me in extrema coniicit pericula impie et falso de me effutiendo, ac si ego dicerem atque pronunciarem cesarem nullis stare promissis neque ulli fidem servare. Ecce, mi frater Bullingere, in quibus verser erumnis! Hi siquidem, quibus animam meam subieci, quibus per 12 29 annos tot sudoribus tam fideliter famulatus sum, quorum patrocinio ego meique tuti et salvi esse deberemus, ab iisdem foede premimur. Ego per deum immortalem verba mea ita moderatus sum et os meum ita rexi, ut tale quippiam ex ore meo nunquam egressum sit. Scio equidem regi non esse maiedicendum, quemadmodum profecto in hoc non solum innocens, sed cesarem debite semper veneratus sim. Quid ergo Laetus in hoc seculo nisi vitam tristitia summa transiget reliquam aut per calumniatorum invidiam et calumnias una dierum misere occidetur? O, mi vir, quam acerba patior. Dominus autem rerum omnium dabit his quoque finem. 30 Ego consolationem ex libro tuo transmisso accepturus sum.
Quod Froschouerus scriptum 31 in Pedioneum imprimere veretur et recusat, nihil ilii imputo. Sunt res satis indigne et periculose odioseque.
Ego accepi 6 (ni fallor) exempla Cronicorum 32 ab Froschouero, que adhuc
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in aedibus meis habeo nec potui hactenus ea communicare illis, quibus volebam. Oro igitur te, ut Froschouerum, virum optimum, preceris, ne moram numerandi pecunie egre ferat, sed paulum adhuc pacienter expectet. 33 Ego me debitorem feci illi solvamque debitum bona fide. Scripsi quoque ipsi, fere in eum, qui prelibatur 34 , modum.
Vestre gratulor fortune, quam possum maxime. Utinam dominus me tandem a mea functione 35 amplius intolerabili liberet et me vel in exilium vel alteram servitutem 36 transferat. Ego profecto importabilia porto. Deus nimium pondus sustineat! Amen.
Rumor hic est Sebastianum Schertlerum in Gallias concessisse. 37 Quod si ita est, ego novis retibus illaqueor. Nam cum Schertlerus fratris loco me habuerit, nunc autem aliquid qualecumque contra cesarem designaverit, primus ero inter suspiciosos, non consyderato me magno cum periculo corporis bis apud ipsum 38 fuisse et nihil aliud egisse, quam quomodo virum dehortarer, ne se Gallico mari 39 committeret. Ter igitur infelix sum.
Quantum coniicere possum, imperator paci et clementie studet. Nec multum timerem suam maiestatem hoc anno de hostibus vindictam querere, quin potius communi paci et tranquillitati consulat. luvate nostram imbecillitatem orationibus vestris.
Musculum spero mansurum erectum, item et Lepusculum 40 . De reliquis nihil mihi polliceor, quia neque docti neque bone vite sunt.
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Dominum Gvalterum, Hallerum et totam Musarum coronam salvam esse ex animo cupio. Reipublice vestre omnia felicia a domino rerum comprecor. Vale. 10. aprilis 1548.
Tue 41 mihi hodie exhibite sunt. Tuus G. L.
[Adresse auf 241a,v.:] Ornatissimo viro domino Henricho Bullingero, antistiti Tigurino, amico incomparabili. Zurich.