Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3070]

Georg Frölich
an Bullinger
[Konstanz],
5. November 1547

Autograph: Zürich StA, E II 346, 230 (ohne Siegelspur) a Ungedruckt

[1]Frölich freut sich über das ausgezeichnete Verhältnis, das zwischen ihm und Bullinger (der unter allen Zeitgenossen die größte Wertschätzung verdient) besteht. Dieser hat ihm mit seinem letzten nach Konstanz gesandten Brief [nicht erhalten]viel Mut gemacht, da ihm dadurch die himmlische Seligkeit vergegenwärtigt wurde. Mögen sich einst beide dort wieder treffen, auch wenn sie sich hier auf Erden nicht mehr begegnen sollten. [2]Frölich hat in Konstanz im Auftrag des Augsburger Rates in der Angelegenheit von Sebastian Schertlin verhandelt und sich dabei redlich bemüht. Aber es lässt sich kaum beschreiben, welche Probleme ihm daraus erwachsen sind. Er hörte z.B., dass einige Reiter ihn auf seiner Reise nach Konstanz verfolgten und sich in den Herbergen nach ihm erkundigten. Zudem wirft ihm nun sogar der Augsburger Rat seine lange Abwesenheit vom; obwohl er ja in seinem Auftrag handelt! Das würde ihm keine Sorgen bereiten, wenn er nicht wüsste, dass die Dummheit der Menschen zu fürchten ist. Mit Gottes Hilfe aber hofft er, in Kürze sicher nach Hause zu gelangen. Wie wird man ihn aber empfangen? Denn Augsburg ist nicht nur von gottlosen Söldnern besetzt, so dass alle anständigen Leute um ihr Hab und Gut, ihr Leben und ihre Familienangehörigen fürchten ,nüssen, sondern wird auch von der Pest schrecklich heimgesucht. Zudem ist vom Rat nichts mehr zu erwarten. Doch Frölich wird trotzdem zurückkehren. Bullinger möge beten, damit er standhaft bleibe! [3]In Augsburg wird Frölich die Buchhändler dazu anhalten, beizeiten einige Exemplare der "Eidgenössischen Chronik"[des Johannes Stumpf] von Christoph Froschauer zu kaufen. Sobald es möglich ist, soll Bullinger ihm ein schön gebundenes und ein ungebundenes Exemplar dieses Werks zukommen lassen. Die damit verbundenen Kosten werden ihm zurückerstattet. [4] Die Konstanzer sind bereit, sich zu unterwerfen, doch nur unter solchen Bedingungen, die kaum hoffen lassen, dass es je dazu kommen wird. Sie haben sich also dabei nichts vor Gott vorzuwerfen! Es wird die Aufgabe der Eidgenossen sein, sie irgendwann zu unterstützen! [5]Grüße, auch an Johannes Haller und an alle anderen gemeinsamen Freunde. [6] Wenn Frölich gewusst hätte, dass der Bote [...], den er eilends nach Augsburg geschickt hatte, so lange brauchen würde, um mit der brieflichen Antwort zurückzukehren, wäre er auf Besuch nach Zürich gekommen. [7]Doch endlich ist dieser zurück und berichtet (genauso wie die von ihm mitgebrachten Briefe) von der rasant zunehmenden Pestepidemie in

a Mit Schnittspuren.
29 schlimmer; s. Fischer Viii 875.
30 als.
31 schelmigen hut: verächtliche (irdische) Haut; s. schon HBBW XVII 434,15 (auch bei Blarer). — Gemeint ist das irdische Leben (im Gegensatz zum himmlischen).
32 Diesem Brief wurde noch Blarers Brief Nr. 3067 vom 3. November beigelegt; s. oben Z. 25.
1 Der Abfassungsort des Briefes geht aus unten Z. 7-15 hervor.


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Augsburg. -[8]Die Reichsstände, doch nicht die Reichsstädte, haben Kaiser Karl V. einmütig ihre Zustimmung [zur Fortsetzung]des Trienter Konzils erteilt. -[9]Letzte Woche sind König Ferdinand, Markgraf [richtig: Kurfürst Joachim II.] von Brandenburg und seine Frau [Jadwiga Jagiellonica von Polen]sowie Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel in Augsburg eingetroffen. Man rechnet täglich mit der Ankunft von Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg, seiner Gemahlin [Maria von Österreich] und Königin Maria. -[10]Alles geht nach dem Willen der Papisten. Sogar die [protestantischen]Fürsten, darunter auch die Verräter, werden je nach Stand behandelt. Sie werden besteuert und fein um ihr Geld gebracht! -[11]Kaiser und König fordern von den Ständen dringend Hilfsgelder gegen den türkischen Sultan Suleiman und wollen sogar einen fur einige Jahre dazu erforderlichen Vorschuss. So gerät man langsam, aber sicher in die Knechtschaft! - [12] Frölich tat sein Möglichstes zugunsten von Konstanz' Freiheit. Jetzt hängt das nicht mehr von ihm ab! Was ihn betrifft, wird er nun lernen müssen, unter der Knechtschaft zu leben, bis Gott eine bessere Zeit anbrechen lässt. -[13]Gruß, auch an Haller und an alle Gelehrten.

S. Quod tam belle inter nos convenit, Bullingere, omnium, quos mea vidit aetas, colendissime, nunquam me ex animo non exhilarat! Tuae enim nuperrime Constanciae mihi redditae literae 2 me multum animarunt 3 , nimirum aethereas et sempiternas nobis beatitudinis b sedes refricantes. Quod si ergo nunquam nobis ultro citroque videre contigerit, 4 videamus nos invicem in caelesti patria! 5 Amen.

Ego hic causam optimi vin Sebastiani Schertleri ex mandato senatus A[ugustani]egi, 6 et id quidem fidelissime, sed quae inde mihi mala oboriuntur, difficile est enarratu. Nunciatur mihi aliquot equites, dum ante aliquot dies huc iter facerem, vestigia mea insecutos fuisse atque in hospiciis diligenter de me percontatos esse. Interim fio certior magistratum nostrum egerrime meam hactenus absentiam ferre, 7 cum tamen ipsorum 8 legatus sim! Naucifacerem profecto manes istiusmodi morositates, si non imprudentia hominum esset mihi maximopere timenda. Brevi spero me c deo duce c domum rediturum. Verum quomodo excipiar ibi, sollicitus sum. Nam Praeter id, quod impius miles nostram nunc occupet rempublicam et nemo bonus vel corpus vel bona vel liberos vel uxorem tutos habeat, maxima illic grassatur pestis. 9 Adde, quod de nostro magistratu nihil boni mihi polliceri possim. Nihilominus ego domino comitante et deducente repedabo. Tu, ut facere solitus es, pro constancia Laeti ad dominum clama.

b Die Silbe ti wurde über der Zeile nachgetragen. -
c-c Am Rande nachgetragen.
2 Nicht erhalten.
3 = animaverunt.
4 Aus unten Z. 31 geht hervor, dass Frölich damals gern von Konstanz aus nach Zürich gereist wäre, es aber nicht möglich war. Ebenso vergeblich hatte er auch schon im März 1547 einen Besuch in Zürich vorgehabt; s. HBBW XIX 442,1-3.
5 Vgl. auch Frölichs Bemerkungen in HBBW XVII 66f.
6 Siehe dazu Nr. 3055, Anm. 2.
7 Dies geht aus dem Brief des Augsburger
Rates an Frölich vom 31. Oktober 1547 hervor, in dem u.a. zu lesen ist, dass man mit Frölichs langem Aufenthalt in Konstanz unzufrieden sei; s. Max Radlkofer, Leben und Schriften des Georg Frölich, Stadtschreibers zu Augsburg von 1537- 48, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 27, 1900, 113, Nr. 17.
8 Die Augsburger Ratsherren.
9 Zur Pest in Augsburg s. zuletzt Nr. 3033,20, sowie unten Z. 34f.


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Postquam domum redux fuero, bibliopolas nostros instigabo, ut aliquot exemplaria vestrae historia 10 in tempore sibi apud Froschoverum"11 comparent. Ego te summopere flagito, ut quam citissime duo exempla (alterum, si fieri potent, eleganter compactum sive colligatum; alterum rude) d ad me mittas. Pecunias postliminio 12 recipies.

Constancienses offerunt deditionem, 13 sed eiusmodi formula 14 , ut mihi nulla spes eam obtinendi subsit. Est in summa tantum conscientiae coram deo purificatio. Vestrum erit bonos viros auxilio aliquando solari!

Vale et Hallerum meum cum omnibus tuis atque meis diligenter salutabis.

Plures hic trivi dies quam cogitarem, alioqui iter ad vos faecissem. Oportuit autem me in singulas horas respon[sum]e ex Augusta 16 , quo celerem ablegaram nuncium 17 , expectare -quod mihi ad vos veniendi iter intercepit.

Hodie tandem tabellarius ad me rediit maximam ingravescentis pestis rabiem Augustae mihi nuncians, 18 tum etiam literae id declarant. Imperii ordines 19 cum caesare 20 unanimi consensu sous civitatibus demptis in Tridentinum consi[lium]21 consenserunt.

Rex Ferdinandus, 22 marchio Brandenburgensis 23 cum con[iuge]24 et dux Henrichus Brunsvicensis 25 priori hebdomade Augustam venerunt. Expectantur istic indies du[x] Cleve 26 cum uxore 27 et regina Maria 28 .

d Klammern ergänzt. -
e Hier und unten Text teils im engen Einband verdeckt.
10 Gemeint ist Johannes Stumpfs Eidgenössische Chronik, die bald vollendet werden sollte; s. Nr. 2932, Anm. 3. -Zu deren Preis s. Nr. 3092, Anm. 6.
11 Christoph Froschauer d.A.
12 durch Rückerstattung.
13 Siehe dazu Nr. 3059, Anm. 37.
14 Bedingung.
15 Der vorhergehende Briefteil muss einige Tage vor dem angegebenen Datum vom "5. November" verfasst worden sein; vgl. nämlich unten Z. 31-34 und die Wiederholung unten Z. 50f.
16 Gemeint ist der oben in Anm. 7 erwähnte Brief vom 31. Oktober.
17 Unbekannt.
18 Zur Pest s. schon oben Z. 17f.
19 Siehe dazu zuletzt Nr. 3069,16-21.
20 Karl V.
21 Zur Schreibweise s. Nr. 2960, Anm. 22.
22 Ferdinand I. war am 20. Oktober in Augsburg eingetroffen; s. Nr. 2970, Anm. 18; Nr. 3055,15f.
23 Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach.
- Frölich wird hier aber Kurfürst Joachim II. von Brandenburg gemeint haben, der am 29. Oktober in Augsburg angekommen war (s. Nr. 3005, Anm. 48), zumal Markgraf Alcibiades sich bereits seit dem 23. Juli 1547 in Augsburg aufhielt; s. Nr. 2970,40.
24 Jadwiga Jagiellonica von Polen (1513- 1573). - Sie kam zusammen mit Joachim II. am 29. Oktober in Augsburg an; s. Creutznachers Diarium 308.
25 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel. -Er traf am 30. Oktober in Augsburg ein; s. Nr. 3069, Anm. 8.
26 Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg. - Hier liegt ein falsches Gerücht vor; s. Nr. 3069, Anm. 7.
27 Maria von Österreich (1531-1581). Tochter von Ferdinand I. -Auch sie kam nicht nach Augsburg.
25 Maria von Ungarn, Statthalterin der Niederlande und Schwester Karis V. - Sie traf erst am 23. November in Augsburg ein; s. Nr. 3031, Anm. 53.


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Omnia pro papistarum nutu aguntur. Principes etiam nostri, inter quos etiam proditores, pro dignitate tract[antur]: Exactionantur 29 et belle pecuniis emunguntur.

caesar et rex subsidium pecuniarum contra Turcam 30 instan[ter] ab ordinibus postulant, et id quidem per aliquot annos. Hoc quidem pacto sensim itur in servit[utem].

Ego Constantiae omne, quod potui, pro retinenda libertate egi. Res aliorum, non mea, nunc est! Ego discam in sordida vivere servitute, donec, si domino placuerit, melior lux illuxerit.

Vale. Hallerum meum atque universam coronam doctorum salvam esse ex animo cupio. 5. novembris 1547.

Tuus Georgius Laetus, etc.

[Ohne Adresse.]