Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2932]

Johannes Blasius
an Bullinger
Chur,
27. Juni 1547

Autograph: Zürich StA, E II 365, 416 (Siegelspur) Druck: Graubünden, Korr. 1105f, Nr. 80

[1]Die Churer haben sich über Bullingers Brief [nicht erhalten] sehr gefreut. 1 Gemäß Bullingers Anweisung zeigte Blasius ihn zunächst Bürgermeister Luzi Heim. Daraufhin wurde Blasius von einem Boten [...] zur Ratssitzung geladen und gebeten, ihn dort vorzulesen. Alle freuten sich darüber. Heim bedankt sich, dass Bullinger sich trotz seiner großen Arbeitslast Zeit dafür genommen hat. -[2]Blasius benutzte die Gelegenheit, um den Rat an Hans Tscharners 2 Versprechen zu erinnern, eine Stadtansicht von Chur für den [Zürcher]Drucker [Christoph Froschauer]anfertigen zu lassen, 3 zumal die anderen eidgenössischen Städte dies auch

12 Da. - Zur Angelegenheit s. auch Nr. 2937,9-21; Nr. 2939,15-19.
13 zu Ohren gekommen ist.
14 Laut HBBW XIX 172 waren es vier Jünglinge, nämlich Johann (Hans) Knechtenhofer, Johannes Fädminger, Abel Mühlhofer und Jonas Danmatter, die am 23. Januar 1547 von der Berner Obrigkeit zur Fortsetzung ihres Studiums nach Zürich geschickt worden waren. Die im Brief erwähnte Dreizahl der Studierenden erlaubt den Schluss, dass einer von ihnen noch vor Juli 1547 Zürich verlassen hatte. Vermutlich wird es Johannes Fädminger gewesen sein, der wohl um diese Zeit (s. HBBW XVIII 392, Anm. 52), aber nicht schon 1546, wie es fälschlich ebd. vermutet wurde, Helfer zu Brugg wurde. Auch soll er 1547 nicht Pfarrer in Rüderswil, sondern ab dem 13. Oktober
1547 Pfarrer in Lauperswil geworden sein; s. Adolf Fluri, aaO, S. 194, Anm. 4 (wo allerdings "Thun" mit "Brugg" zu ersetzen ist).
15 unbeständig.
16 umb üch beschuldenn: Euch vergelten.
1 Dieser Brief muss kurz nach dem 20. Juni verfasst worden sein. Höchstwahrscheinlich war darin von der Niederlage des kaiserlich-niederländischen Heers bei Drakenburg die Rede, die um diese Zeit bekannt wurde (vgl. Nr. 2927,1-6). Bullinger berichtete erneut darüber in einem Brief an Myconius vom 29. Juni; s. Nr. 2934,12-29.
2 Hans Tscharner, geb. um 1510, gest. am 26. Mai 1569 in Chur. 1532 Seckelmeister, 1542 Churer Zunftmeister und Stadtrichter, 1552 Ratsherr, 1554 Stadtvogt


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tun. Tscharner machte den Maler 4 für den Verzug verantwortlich. Dieser befindet sich derzeit in Feldkirch 5 und teilte in einem am Vortag eingetroffenen Schreiben mit, sich wegen des einen Bildes nicht nach Chur begeben zu wollen, da er sehr beschäftigt sei. Der Churer Rat fertigte heute einen Briefboten [...]ab und bestellte den Maier unverzüglich ein. Dieser wird bestimmt schon morgen in Chur sein. Sobald das Bild fertig ist, werden Kaufleute es nach Zürich mitbringen. Bullinger möge Froschauer darüber informieren. Blasius hätte es gern schon zu einem früheren Markttermin 6 geschickt, doch war der Maler abwesend. -[3]Blasius wird die von Bullinger mitgeteilten, sehr glaubwürdigen Neuigkeiten auch an Johannes Travers, [Raphael?] Paravicini 7 und an die übrigen [Freunde]jenseits der Alpen übermitteln. In Chur erfuhr man nichts Neueres über Italien 8 als das, was Bullinger bereits in seinem Brief erwähnt hat. Allerdings verfügen die Churer Kaufleute über mehr Detailinformationen bezüglich des Aufstandes. Wäre Bullinger daran interessiert, wird man ihm diese zukommen lassen. Gruß.
und Hauptmann. Im Jahr 1555/56 erstmals Bürgermeister (s. LL V 307) und bis 1563 insgesamt fünfmal in diesem Amt. 1559 und 1566 Präsident von Schiedsgerichten des Gotteshausbundes. Im Jahr 1558 erhielt er von Kaiser Ferdinand I. einen "rittermäßigen Adelsbrief". Zwischen 1547 und 1563 war er mehrmals Mitabsender von Briefen an Bullinger, während nur ein Brief von Bullinger an Tscharner (aus dem Jahr 1566) erhalten geblieben ist. - Lit.: LL XVIII 320; HLS XII 514 (mit weiterer Lit.).
3 Das Bild war als Vorlage eines Holzschnittes für Johannes Stumpfs "Eidgenössische Chronik" gedacht, die seit 1546 sukzessive von Christoph Froschauer d.Ä. gedruckt wurde und Anfang Dezember 1547 vollständig vorlag (BZD C 376); s. HBBW XVIII 43f; XIX 52; Nr. 3092 und Anm. 4. -Die Stadtansicht von Chur ist auf f. 312v. der "Chronik" zu finden.
4 Es handelt sich um einen unbekannten lokalen Künstler. Die Frage, ob die hier erwähnte Vedute Churs und die Darstellungen Churs in Sebastian Münsters "Cosmographia" vom selben Bildentwerfer stammen oder nicht, wird in der Forschung
kontrovers diskutiert; s. Max Hilfiker, Chur, in: Schweizer Städtebilder. Urbane Ikonographien (15.-20. Jahrhundert), hg. y. Bernd Roeck, Martina Stercken u. a., Zürich 2013, S. 277f und 282, Anm.
5 Vorarlberg (Österreich).
6 Es gab zwei Märkte in Zürich: Der eine begann 14 Tage nach Pfingsten (1547 also etwa am 12. Juni), der andere am Felix- und Regula-Tag (11. September); s. Jakob Ruf Laaßbüchlin sampt der schrybtafel, mässen und jarmarckten uffs jar M.D.LIX., [Zürich, Christoph Froschauer d.J., 1558] (VD16 ZV2685), wo die Markttermine am Schluss verzeichnet sind.
7 Hier kann nicht vom jungen Bartolomeo Paravicini die Rede sein, der einst in Zürich studiert hatte (s. zu diesem Nr. 2902, Anm. 1), da dieser von Blasius kaum auf die gleiche Ebene wie der Edelmann Johannes Travers gestellt worden wäre. - Vielleicht ist hier die Rede vom Adligen Dr. Raphael Paravicini, der einige Wochen später zum Pfarrer von Caspano ernannt wurde; s. Nr. 3016.
8 Über den Aufstand in Neapel s. Nr. 2888, Anm. 14.