Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3095]

Georg Frölich
an Bullinger
[Augsburg],
19. Dezember 1547

Autograph: Zürich StA, E II 356, 1006 (Siegelspur) Ungedruckt

[1] Frölich hat Bullingers Mahnbrief vom 13. Dezember [nicht erhalten]empfangen. Wegen seiner misslichen Lage, von der sich auch der unbescholtene Christoph Froschauer überzeugen konnte, war es ihm nicht möglich, diesem behilflich zu sein. -[2] Er kaufte Froschauer zwei Exemplare der "Eidgenössischen Chronik" [des Johannes Stumpf] zum vermutlich ermäßigten Preis von 4 Florin ab. Allerdings konnte er sich noch nicht entschließen, dieses großartige Werk jenem von Bullinger empfohlenen Menschen [Johann Jakob Fugger?] zu schenken, zumal dies Argwohn erregen könnte. Deshalb schenkte er Nikolaus Müller gen. Maier eines der Exemplare. Bullinger möge ihm fünf oder sechs weitere davon gut verpackt zukommen lassen. Frölich wird dem Überbringer oder demjenigen, der einen entsprechenden Zahlungsauftrag Bullingers vorweisen kann, den Rechnungsbetrag ausbezahlen. -[3] Froschauer ist am 17. Dezember von Augsburg nach Ulm abgereist und nahm dabei Frölichs Brief [Nr. 3094] und die schändliche Veröffentlichung "De bello Germanico" eines gewissen Johannes Pedioneus mit. Sobald Bullinger Letztere erhält, soll er dafür sorgen, dass Rudolf Gwalther oder jemand anders sich der [von Thomas Naogeorg verfassten]Widerlegung annimmt. -[4] Es ist sehr fraglich, ob die Verkündigung des Evangeliums in Augsburg überhaupt aufrechterhalten werden kann, denn schon haben sich Wölfe auf die Schafe des Herrn gestürzt! Und obwohl nur wenige die Aufrichtigkeit Kaiser Karis V. anzweifeln, ist die von dessen Hof ausgehende Tyrannei maßlos. -[5]Der Augsburger Reichstag ist nur dem Namen nach ein solcher. Die Reichsstände beratschlagen zwar, doch ist es der Kaiser, der bestimmt. Und auch wenn alles sich zum Missfallen der Reichsstände zugetragen haben soll, gaben immerhin diese ihre Zustimmung dazu. Doch lassen wir das. -[6]Bullinger sei mit seinem Gelehrtenkreis gegrüßt. Das Übrige wird er von Froschauer und aus dem Brief [Nr. 3094] erfahren.

Th.N.S., in-8, 24 BI. (VD/6 K967), gemeint sein. Sie umfasst 1'274 Verse, die Initialen Th.N.S. stehen für ,Thomas Naogeorgus Saxonicus", und sie beginnt mit einer auf den 1. Januar 1548 datierten und an Johann Jakob Fugger gerichteten Widmung. Aus Frölichs Brief an Bullinger vom 10. April 1548 (Zürich StA, E II 346, 241) erfährt man zudem, dass Froschauer sich aus Furcht vor Repressalien weigerte, die Schrift zu drucken. Johannes Gasts Brief an Bullinger vom 13. März 1548 (Zürich StA, E II 366, 189) lässt aber vermuten, dass Naogeorg oder Frölich sich spätestens im März 1548 um eine Drucklegung des Buches in Basel bemühten.
31 Vorliegender Brief wurde von Christoph Froschauer übermittelt; s. oben Z. 48f; Nr. 3095,10-13.


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S. Quas 13. decembris quasi monitoriales ad me dedisti literas, probe recepi.' 1 Froschouerus, vir integerrimus, apud me fuit, cui nihil officii ostendere potui. Vidit ipse a partim, in quas angustias ego coactus sim.

Duo exemplaria Cronicorum ab eo emi iustissimo, si non nimis levi aere, 4 fl nempe b . 2 Nondum mecum constitui opus istud insigne illi 3 , quem mihi nominasti, offerre. Non enim fieret sine suspitione. Propterea d. Nicolaum Maierum 4 altero exemplari donavi. Oro te valde, ut quinque vel 6 alia eiusmodi exempla ad me in vase firmato mittas. Praecium dabitur vectori vel cuique mandatum habenti. 5

Froschouerus 17. hinc abut Ulmam measque ad te destinatas literas 6 cum libello cuiusdam bannis Pedionei De bello Germanico turpiter scripto secum tulit. 7 Obsecro, si iste liber ad te venerit, ut operam responsioni 8 per Gvaltherum per vel alium eruditum naves.

De evangelii publica posthac apud nos praedicatione retinenda valde dubito, 9 nam lupi iamiam irruerunt in ovile nostrum, 10 et quanquam de cesaris 11 fide pauci disputent, tamen aulicorum tyrannis modum tenet nullum.

Comicia nostra plus in nomine quam in re consistunt. Ordinum imperii est consultare, caesaris autem imperare, quemadmodum omnia hactenus invitis ordinibus acta esse dicuntur, nihilominus tamen illis consensum accessisse. 12 Sed bene est, etc.

a In der Vorlage ipsi. -
b In der Vorlage folgt die überflüssige Angabe fl.
1 Ein nicht erhaltener Brief Bullingers, der nach dem ebenfalls nicht mehr vorhandenen und Christoph Froschauer mitgegebenen Brief (s. dazu Nr. 3094,2f) verfasst wurde, da Froschauer in Augsburg schon vor dem 17. Dezember nachgewiesen ist (s. unten Z. 10-13) und die Strecke zwischen Zürich und Augsburg mindestens fünf oder sechs Tage beanspruchte. - Bullingers nicht erhaltener Brief vom 13. Dezember wurde wahrscheinlich vom Zürcher Boten Andreas Müller übermittelt, wie es das in Nr. 2962, Anm. 2, erwähnte und vom Zürcher Rat verfasste Schreiben an Kaiser Karl V. vom 7. Dezember 1547 zugunsten des Krämers Heinrich Gessner vermuten lässt. - Müller wird auch den vorliegenden Brief Frölichs mitgenommen haben, wie es die Adresse nahelegt.
2 Johannes Stumpfs "Eidgenössische Chronik" kostete damals ungebunden zwischen 31/2 und 4 fl., gebunden zwischen 51/2 und 6 fl s. Nr. 3092, Anm. 6.
3 Unbekannt. - Vielleicht Johann Jakob Fugger, der in Augsburg eine große Bibliothek besaß, sich selbst als Historiker
einen Namen machte und (s. dazu HBBW XV 373; 417 und Anm. 9; XVI 291) Konrad Gessner kannte; vgl. HBBW XVII 70; 266, Anm. 4.
4 Nikolaus Müller gen. Maier.
5 Am 10. April 1548 hatte Frölich die sechs Exemplare, die er unterdessen erhalten hatte, noch nicht bezahlt; s. Zürich StA, E II 346, 241.
6 Frölichs Brief Nr. 3094 vom 17. Dezember.
7 Zu der Schrift s. Nr. 3094, Anm. 29.
8 Mit der "Responsio" ist Thomas Naogeorgs Widerlegung von Johannes Pedioneus' Schrift gemeint, die den ironischen Titel "De bello germanico in laudem Joannis Pedionaei, eiusdem belli scriptoris" trägt; s. Nr. 3094, Anm. 30.
9 Vgl. schon Nr. 3055,9-11 (und Nr. 3062,22-25). - Frölichs skeptische Beurteilung der Lage wurde durch das Interim-Vorhaben des Kaisers (s. Nr. 3094, Anm. 14) nur noch verstärkt.
10 Vgl. Mt 7, 15; Apg 20, 29. 11 Karl V.
12 Vgl. schon Nr. 3078,14f.


Briefe_Vol_20-712arpa

Tu vale cum tota doctorum corona. 13 Cetera ex Froschouero et ex literis 14 , quas gent, intelliges. 19. decembris 1547.

Tuus G. L.

[Adresse auf der Rückseite:] Herrn Henrichen Bullingern zu Zurch, etc., ze hannden 15 .