Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3173]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
Freitag, 30. [März 1548]1

Autograph: Zürich StA, E II 357, 823f (ohne Siegelspur) a ; [Beilage von Johannes Hallers Hand 2 :] A 205.2, Nr. 25. Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 692f Nr. 1517 Druck der Beilage: Marmor, Übergabe 289

[1]Herzog Ulrich von Württembergs [Regentschaft in seinem Herzogtum] ist [durch die Klage König Ferdinands 1.1 gefährdet. Das Gerücht, Kaiser Karl V. habe die Angelegenheit selbst in die Hand genommen, ist nicht wahr. Er soll aber laut jüngsten Augsburger Berichten zwei Verhandlungstage unter dem Vorsitz des Kölner Erzbischofs Adolf III. von Schaumburg [im Rechtsstreit Ulrichs] mit dem König anberaumt haben. Ferner soll Ulrich wohl nach der bald zu erwartenden Urteilsverkündung sein Land verlassen müssen oder aber nur unter unzumutbaren Belastungen bleiben dürfen. Dabei wird wohl Letzteres geschehen, weil [König und Kaiser] sonst befürchten müssten, dass sein Sohn Christoph von Württemberg [Ansprüche auf das Herzogtum]erheben könnte. -[2]Die Hochzeit vom Königssohn Maximilian und der Kaisertochter Maria soll bald stattfinden. -[3]Gemäß glaubwürdigen Schreiben [aus Augsburg]entlässt der Kaiser die Gesandten und Stände unter der Bedingung vom Reichstag, dass sie sich zu dessen Abschluss sogleich an jenem Ort wiedereinfinden werden, den er bestimmen wird. Sicherlich wird es Straßburg sein, denn so hätte Karl V. einen Vorwand, sich auch in die Angelegenheiten dieser Stadt einzumischen. -[4]Die [Lindauer]werden weiterhin Johannes Haller als Pfarrer berufen wollen, da der [von Bullinger für dieses Amt vorgeschlagene]Augsburger Pfarrer Michael Keller kürzlich verstorben ist. Überall herrscht großer Predigermangel. Die guten Pfarrer werden nach und nach mit ihren Gemeinden aussterben. Danach werden Pfarrer, Gemeinde und Kirche allesamt schlecht sein: Alles verkommt! -[5]Karl V. hat der Stadt Ravensburg die Wiedereinsetzung Gerwig Blarers, des Abts von Weingarten, und der ehemaligen, [altgläubigen] Geistlichen der Stadt sowie deren Entschädigung, die Rückgabe der Pfarrstellen und der Kirchengüter innerhalb der nächsten sechs Tage angeordnet. Zudem soll den altgläubigen

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 Die von Blarer unten in Z. 62 angegebene Datierung auf den 30. April [1548] muss korrigiert werden: Blarer erwähnt, dass der unten in Z. 45 genannte und in Z. 66-85 edierte kaiserliche Geleitbrief kurz vor der Abfassungszeit des vorliegenden Schreibens in Konstanz eingetroffen ist. Da der Eingang in Konstanz nachweislich am 28. März 1548 erfolgte und der Überbringer des vorliegenden Briefes ebenfalls das Schreiben des Konstanzer Rats vom 29. März an den Zürcher Rat überbrachte, wird Blarer den Brief am 30. März
verfasst haben, zumal der Bote kurz nach dem 30. März in Zürich entschädigt wurde; s. dazu unten Z. 45 mit Anm. 63 sowie Anm. 76.
2 Mit einer Notiz Bullingers in Z. 86f. - Die kaiserliche Ausfertigung des Geleitschreibens hat sich in Konstanz StadtA nicht erhalten. Unter der Signatur G I Fasz. 29, S 15f ist jedoch eine weitere Abschrift von unbekannter Hand vorhanden. Wir danken Herrn Matthias Märkle vom Stadtarchiv Konstanz für die Auskunft und die Bereitstellung der entsprechenden Fotoaufnahmen.


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Ravensburgern der Messebesuch wieder erlaubt sein. Bei Nichteinhaltung droht der Stadt die kaiserliche Acht. Gott steh [den Evangelischen] in diesen schwerwiegenden Anfeindungen bei! -[6]Die Stadt Ravensburg wird scharf vom Kaiser angegangen, da sie entgegen dem Wormser [Reichstagsabschied vom 4. August 1545]die [Reformation am 12. Oktober 1545] eingeführt hat, ohne dass ein allgemeines Konzil getagt hätte. Das geschah jedoch nur, weil sie [nach der Unterzeichnung des Abschiedes]eines Besseren belehrt und durch die göttliche Wahrheit erleuchtet worden ist! -[7]Ein vornehmer Mann [NN], der frei am Hof und Tisch des Kaisers verkehrt, berichtete jemandem [N.N.]dieser Tage aus Augsburg, dass der Kaiser sich nicht mit den Konstanzern aussöhnen werde, außer sie bäten ihn unterwürfig darum. Andernfalls werde sich ihre bedrückende Lage nicht ändern. Außerdem werden sie womöglich noch diesen Frühling eine drastische Strafe erleiden. [Soweit aus Augsburg]. Große Angst, Jammer und Not stehen der Welt überall bevor! -[8]Die Konstanzer haben gerade [am 28. März 1548]den kaiserlichen Geleitbrief erhalten. Dieser ist [hinsichtlich der sicheren Rückreise] so vage, dass einige ernsthaft besorgt sind. Es ist also Vorsicht geboten! -[9]Bullinger soll für die Konstanzer und alle Rechtgläubigen beten, damit Gott sie an seiner Weisheit und seinem Rat teilhaben lässt, so dass sie nicht von seiner Richtschnur abweichen und sich nicht vom Betrug der Kinder der Welt [Lk 16, 8]täuschen lassen, sondern aufgrund ihrer eigenen Aufrichtigkeit und derjenigen seines Geistes für ewig bewahrt werden. -[10]Die Eidgenossen sind zur fürstlichen Freigebigkeit "ihres" Königs Heinrichs II. von Frankreich zu beglückwünschen. Mögen sie dieses Gut zum Ruhm Gottes nutzen! -[11]Blarer bittet um Bullingers Urteil über die beiliegende Abschrift des kaiserlichen Geleitbriefes. Dieses vertrauliche Dokument darf nicht abgeschrieben werden, da Blarer sonst in Schwierigkeiten kommen könnte. Er bittet daher um Rücksendung. Er hat zufällig erfahren, dass ein Bote Briefe des Konstanzer Rats nach Zürich übermitteln wird. Er weiß nichts über deren Inhalt, kann dem Boten aber sein Schreiben mitgeben. -[12]Bullinger möge nach Möglichkeit das im Umschlag [des vorliegenden Briefes]eingelegte Schreiben an Marcell Dietrich von Schankwitz übermitteln. -[13]Er soll außerdem bitte über Octavien Blondel berichten, der, wie Blarer kürzlich erfahren hat, verbrannt wurde, weil er die päpstlichen Gesetze übertreten hatte. -[14]Grüße an Bullingers Familie, Kollegen und Freunde. -[15][Beilage:]Karl V. fordert den Bürgermeister und den Rat der Stadt Konstanz zur Entsendung von Gesandten nach Augsburg auf Diese sollen demütig um Gnade bitten, da sich die Konstanzer an den Kriegshandlungen des Schmalkaldischen Bundes beteiligt und noch nicht unterworfen haben. Die Gesandten sollen [in Augsburg]auf die kaiserliche Entscheidung [über die Aussöhnung] warten. Der Kaiser gewährt ihnen mit diesem Brief freies Geleit nach Augsburg und zurück in ihre Heimat. -[16]Allen Ständen und Mitgliedern des Reichs, den Landesherren samt ihren Untertanen und Würdenträgern sowie allen Offizieren (auch den Reitern und Fußsoldaten!) sei geboten, den Konstanzer Gesandten und ihren Begleitern freies Geleit zum Kaiser zu gewähren und ihnen nichts anzutun, auch nicht durch irgendjemand anderen. [Bei Missachtung]droht die Reichsacht.


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Mitt dem hertzog von Wirtemperg 3 staht es gantz fahrlich 4 . Es kam ain geschray 5 , der kaisers 6 hette die sach zu seinen handen gezogen, usw. Aber es ist nichts. Man schreibt jetz von Augspurg, das er zwen rechtstag 7 gegen 8 dem konig 9 vor dem neuwen ertzbischoff zu Cöln 10 verstanden 11 hab und werde in kurtzen tagen die endurtaip 12 gebn. Man achte 13 aber, der hertzog musse von dem land spryngen 14 oder mitt solichen bschwärden 15 darinn belyben 16 , das er des nymmermehr gefröwt werde. Dann 17 dieweyl 18 man sich des jungen halb ouch etwas besorgt, möcht man den alten intolerabilibus conditionibus belyben wellen lassen.

Die hochzeyt 19 mitt des kaisers tochter und Ferdinandi sun Maximiliano soll für sich gehn und in kurtzem gehalten werden.

Ouch schreibt man, wie dann 20 glouplich 21 , kaiser lasse die gesandten, ouch die stend 22 , von dem reychstag yetzund anhaim verreyten, doch mitt geding 23 , das sy

3 Ulrich von Württemberg.
4 schlecht.
5 Gerücht. -Hiervon hatte Blarer zuvor in seinem Brief berichtet, den er zwischen dem 12. und dem 26. März 1548 verfasst hatte; s. Nr. 3161,34-37.
6 Karl V.
7 Gerichtstermine.
8 (im Rechtstreit) mit; vgl. SI 11141.
9 Ferdinand I
10 Adolf III. von Schaumburg .
- Er wurde formell am 24. Januar 1547 zum Erzbischof von Köln ernannt; s. HBBW XIII, Nr. 1773, Anm. 7; XIX, Nr. 2793, Anm. 3. -Über dessen Vorsitz hatte Blarer in seinem genannten, letzten Brief ebenfalls berichtet; s. Nr. 3161, 16-19.
11 vereinbart; s. Grimm XXV 1690.
12 richterliche Entscheide; s. SI XII 1556. - Das Urteil wurde am 13. April 1548 während des achten Verhandlungstags verlesen. Der Prozess sollte sich jedoch noch bis zum 10. August 1552 hinziehen; s. Nr. 3145, Anm. 83; Hermann von Seeger, Der Felonie-Prozess gegen Herzog Ulrich von Württemberg, in: Festgabe zum fünfundzwanzigsten Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Königs Karl von Württemberg in Ehrfurcht dargebracht von der Universität Tübingen, Tübingen 1889, S. 33.
13 vermute.
14 fliehen; vgl. SI X 885.
15 (finanziellen) Belastungen; s. SI IX 2149.
16 bleiben.
17 Denn.
18 Christoph von Württemberg, Sohn von Herzog Ulrich. - Er hätte im Falle der Vertreibung seines Vaters Ulrich seine Ansprüche auf das Herzogtum beim Kaiser geltend machen sowie die Aufhebung des Urteils fordern können, zumal er sich im Schmalkaldischen Krieg nicht gegen den Kaiser erhoben hatte. Um die Anklage Ferdinands I für nichtig zu erklären, rieten Ulrichs Rechtsberater diesem daher auch zur Übergabe der Regierung an seinen Sohn, was er jedoch strikt ablehnte; s. Heyd, Ulrich von Württ. III 502.
19 Der Vertrag über die Eheschließung von von Maximilian, Sohn Ferdinands I., und Maria, Tochter Karls V., sollte am 24. April 1548 von beiden Vätern unterzeichnet werden. Da bei der Hochzeit von Cousins die Genehmigung des Papstes nötig war, und Paul III. diese aus Missgunst gegenüber Karl V. verzögerte, konnte der Vertrag erst am 4. Juni ratifiziert werden und die Hochzeit selbst am 13. September 1548 in Valladolid (Spanien) stattfinden; s. Robert Holtzrnann, Kaiser Maximilian II. bis zu seiner Thronbesteigung (1527-1564), Berlin 1903, S Wf. 79; ADB XX 737.
20 wie dann: ebenfalls.
21 glaubwürdig; s. SI ll 589.
22 Reichsstände.
23 mit geding: unter der Bedingung; s. SI XIII 527.


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unverzogelich uff weyter erforderung 24 irer majestat widerum erscheinind an das von im bestympt ort. 25 Und hat man gentzlich darfür 26 , er werde die stend gar bald widerum gen Strassburg forderen und allda 27 den reychstag beschliessen, damitt er allso ain glympf 28 hab, zu Strassburg sich ouch einzetringen 29 .

Magister Michel Cellarius 30 , prediger zu Augspurg, ist kurtzverruckter 31 tag im herren selklich abgestorben. Steht wohl daruff 32 , das sy nach ewerm Hallero widerum stellen 33 werdind. Der predigermangel erschaint sich allenthaib gar treffelich 34 . Die guten hirten 35 werden sampt den guten schäflin vornenzu 36 absterben. By den nachkomlingen 37 werdend hirt, vech und stall ouch gleych 38 sein: Es feilt alles dahin, was gut und rechtschaffen ist, und kompt ymmer das ergest 39 hernach.

Kaiser hat denen zu Ravenspurg ain ernstlich, gantz beschwärlich mandat 40 zugeschickt, das sy den abbt zu Wyngarten widerum in ir statt restituieren, im 41 die pfarr 42 einräumen, die caplon, so hinwegkh, widerum insetzen, men abtrag thain 43 ,

24 Aufforderung.
25 Zu den Gerüchten über die Aussetzung der Reichstagsgeschäfte und die Vermutungen zur künftigen Wiedereinberufung der Stände und Gesandten nach Straßburg s. Nr. 3170,9f mit Anm. 7.
26 hat ... Darfur: ist ... der Ansicht; s. Fischer II 73.
27 dort.
28 ain glympf: einen Vorwand; vgl. SI ll 625.
29 sich einzetringen: sich ... einzumischen; s. SI XIV 1117.
30 Michael Keller war bereits im Februar 1548 verstorben; s. HBBW XV, Nr. 2195, Anm. 13. -Nachdem Blarer in seinem genannten letzten Brief vom Tod des Lindauer Pfarrers Thomas Gaßners und dem Wunsch des Lindauer Rats berichtet hatte, Johannes Haller zu berufen, muss Bullinger in einem nicht erhaltenen Brief offensichtlich Keller als Gegenvorschlag genannt haben; s. Nr. 3161,61-67.
31 vor wenigen; vgl. SI VI 856 s.v. verruckt.
32 Steht wohl daruff: Es sieht ganz danach aus; vgl. SI XI 503 s.v. stan.
33 nach ... stellen: ihn zu gewinnen suchen; vgl. SI XI 183.
34 groß; s. Fischer II 351.
35 In Anlehnung an Joh 10, 1-18 ist hier und nachfolgend der Hirte als Pfarrer, die Schafe sowie das Vieh als Gemeinde und der Stall als Kirche zu verstehen.
36 nach und nach; s. SI XVII 88.
37 By den nachkomlingen: bei den Nachfolgern.
38 Ergänze: schlecht.
39 Ärgste.
40 Das am 28. Februar 1548 unterzeichnete Mandat wurde dem Ravensburger Rat am 12. März 1548 übergeben und enthielt neben den Klagen von Abt Gerwig Blarer von Weingarten und Abt Ulrich III. Sattler von Weißenau (Minderau) die Anordnung zur Restitution. Der Ravensburger Rat lehnte diese Forderung mit dem Verweis auf die Augsburger Interimsverhandlungen ab und wies zudem alle Vorwürfe der Aneignung von Kirchengütern und der schlechten Behandlung von Altgläubigen vehement zurück. Gerwig Blarer verfasste hierauf für den Kaiser einen ausführlichen Bericht über die Vergehen der Stadt, darunter auch die Hinderung ihrer altgläubigen Bürger am Besuch der Messe. Auch hierzu nahm Ravensburg Stellung; s. Gerwig Blarer BA II 90f Nr. 991, mit Anm. 1; 92-96, Nr. 992 mit Anm. 1. -Eine Kopie des Mandats findet sich in StadtA Ravensburg, A 01 Reichsstädtisches Archiv, Bü 139d/2. Für die Auskunft und Fotoaufnahmen sei Frau Silke Schöttle vom Stadtarchiv Ravensburg herzlich gedankt.
41 ihm.
42 Pfarrkirche.
43 abtrag thain: Entschädigungen zahlen; vgl. SI XIV 413 s.v. Abtrag.


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kirchengut, kelch, monstrantzen, und was dahin seye 44 , widerum daher thain 45 , auch ire burger und inwoner, die noch des rechten, allten christelichen gloubens seyen, an irer religion und gotzdienst ungeirrt 46 und ungesumpt 47 lassen sollen, etc. Und das alles innerhalb sechs tagen, by 41 irer majestat höchster ungnad 49 ! Hilff gott! Was grosser, schwärer creutz und anfechtungen sind das!

Der kaiser zücht 50 aber die von Ravenspurg von deswegen so hart an: Dann 51 sy habind in und nach dem gewesnen krieg vyl neuwerungen fürgenommen. Dessgleychen habind sy uff dem rychstag zu Wurmbs (vor gewesnem krieg) mitt sammpt ettlichen andern stetten und stenden dem kaiser bewilligt 52 , kaine neuwerungen in der religion byß uff örterung aines concilii furzenemmen. 53 Das habind sy nitt gehalten. Das ist nun war, aber sy habens nit söllen halten, diewyl sy darnach bessers bericht 54 seynd worden und sy gott mitt erkantnuß der warhait erlucht.

|| 824 Unserhalber hat ain fürnemer 55 dise tag von Augspurg ainem 56 geschriben: "Die von Costentz werdend nitt usgesünt, sy haltind dann 57 selbs by kaiserlicher majestat uff das underthenigst an. Und Wa 58 sy das nitt thain, werdend sy allso in diser bschwerd 59 ymmer stecken müssen. Und zudem wirt men vyllicht noch disen früling ain unwiderbringliches rad 60 übern bauch gehn", etc. Diser ist 61 by dem kaiser täglich brot, hat ain freyen zugang zu im. Allso steht nichts allenthalb in der wellt bevor dann 62 grosß angst, jomer und not.

44 dahin seye: weggenommen worden sei.
45 daher thain: zurückgeben.
46 ungehindert; vgl. SI I 408 s.v. irren.
47 unbehelligt; s. SI VII 961.
48 Hier: unter Androhung von; s. SI IV 906.
43 irer majestat höchster ungnad: kaiserlicher Acht.
50 zücht ... an: zieht ... zur Rechenschaft; s. Fischer I 288.
51 Denn.
52 zugesagt; s. SI XV 1321.
54 Die Vertreter der Stadt Ravensburg hatten am Ende des Wormser Reichstages den Reichsabschied vom 4. August 1545 unterzeichnet, in dem die Lösung des Religionsstreits vertagt wurde. Man hatte sich jedoch einstweilen zu einem friedlichen Miteinander verpflichtet; s. RTA-JR XVI/2, 1660. 1668, Nr. 341. - Der Ravensburger Rat entschied sich am 12. Oktober 1545, die Reformation in der Stadt einzuführen, und setzte als ersten evangelischen
Prediger Konrad Konstanzer ein; s. Karl Otto Müller, Aktenstücke zur Geschichte der Reformation in Ravensburg von 1523 bis 1577, Münster 1914, S. 27.
54 belehrt; s. SI VI 435.
55 Unbekannt. - Es handelt sich sicherlich um jene Person aus dem Umfeld des Kaisers, die Blarer bereits in seinem letzten Brief als Quelle von Nachrichten über Konstanz genannt hatte, ohne ihren Namen preiszugeben; s. Nr. 3161,52-54.
56 Unbekannt.
57 sy haltind dann ... an: außer sie bitten darum; s. SI XIII 31 s.v. dann; Fischer I 215 s.v. anhalten.
58 wenn.
59 Bedrängnis; s. SI IX 2152.
60 Hier ist an die Hinrichtungsweise des Räderns zu denken; vgl. SI VT 481f.
61 isst.
62 außer.


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Yetzund kompt unß das kaiserlich glait 63 , welchs dermassen gestellt 64 , das ettlichen gar übel darab 65 grauset. Dann es hat etwas zwyfeligs 66 uff im 67 , das es wol uffsechinds 68 bedarf.

Orabis pro nostris cum omnibus pus, ut impertiat 69 illis benigne spiritum sapientie et consilii sui, ut ne usquam a voluntatis sue regula deflectant, utque nos non patiatur a fraude filiorum seculi huius 70 circumveniri, sed in nostra adeoque spiritus sui simplicitate nos eternum conservet.

Regiam munificentiam Galli 71 vestri 72 erga vestros multum vobis gratulor precorque dominum, ut omnibus istis bonis ad gloriam suam utamini. Amen.

Ich schick euch in vertrauwen ain abschrift des glaits 73 mitt fruntlichem pitt, ir wellts diligentissime expendieren 74 und mir ewer urtail und bedencken darinn mittailen. Ich waiß warlich, warlich nitt, warum mine herren 75 disen botten 76

63 Geleitbrief; s. Fischer III 286. - Der unten in Z. 66-85 als Beilage edierte Geleitbrief traf am 28. März 1548 in Konstanz ein. Den nach Augsburg einbestellten Konstanzer Abgesandten wurde die freie Hin- und Rückreise nur im Einleitungstext der Urkunde (Promulgatio und Narratio, Z. 66-72) geboten. Im rechtsgültigen Abschnitt (Dispositio, Z. 73-82) wird jedoch nur noch die freie Anreise zum Kaiser ausdrücklich genannt. Das Konstanzer Misstrauen gegen die kaiserliche Formulierung zeigt sich auch in ihrer Bitte an den Straßburger Rat, ihnen deren kaiserlichen Geleitbrief zum Vergleich zukommen zu lassen; s. auch Maurer, Übergang 37. 41.
64 abgefasst; s. SI XI 135.
65 deswegen; vgl. SI XII 13.
66 zweifelhaftes.
67 uff ihm: an sich.
68 Vorsicht; s. SI VII 549f
69 Subjekt ist Gott.
70 Vgl. Lk 16, 8.
71 Heinrich II. - Er hatte die eidgenössischen Gesandten, die unter der Führung des zürchers Andreas Schmid zur Taufe von Claude de France nach Fontainebleau gereist waren, sehr wohlwollend empfangen und reich beschenkt; s. Nr. 3164,5-10. -zu der von ihm angestrebten Erhaltung des Soldbündnisses mit den Eidgenossen s. Nr. 3130, Anm. 10.
72 Ironisch zu verstehen.
73 Der oben in z. 45 genannte und unten in z. 66-85 als Beilage edierte Brief s. hierzu auch
Anm. 63.
74 auslegen.
75 Gemeint sind die Konstanzer Ratsherren.
76 Unbekannt. -Sicherlich handelt es sich um jenen Boten, der laut des Zürcher Rechnungsbuches kurz nach dem 30. März 1548 (Zürich StA, F III 32, Seckelamtsrechnungen 1547/48, S 81) mit einem Pfund für seine Dienste entlohnt wurde. -Das Schreiben vom 29. März 1548, das jener Bote dem Zürcher Rat übermittelte, ist in Zürich StA, A 205.2, Nr. 26, erhalten. Die Konstanzer berichteten hierin vom Erhalt des kaiserlichen Geleits (unten Z. 66-85). Zudem versicherten sie den Zürchern, sich während der Verhandlungen mit dem Kaiser nicht gegen die Eidgenossenschaft zu wenden, und baten darum, auch die übrigen evangelischen Städte hierüber in Kenntnis zu setzen; s. für eine ausführliche Zusammenfassung auch EA IV/1d 939, Nr. 5; zum Geleitbrief s. oben Z. 45 mit Anm. 63. -Die gemeinsamen Interessen der evangelischen Städte der Eidgenossenschaft und der Stadt Konstanz waren bereits am 11. Februar 1547 zwischen dem Zürcher Gesandten Georg Müller, dem Konstanzer Bürgermeister und dem Geheimen Konstanzer Rat ausgehandelt worden; s. EA IV/1d 767-769, Nr. 348 auch HBBW XVIII, Nr. 2731, Beilage 1 und 2. - Die Konstanzer hatten das Schreiben vom 29. März 1548 wohl insbesondere deswegen an die Zürcher geschickt, um die auf der Badener Tagsatzung vom 12. März 1548 kursierenden


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abfertigen. Bins ongefar innen worden 77 . Schickt mir die abschrift wider et per nostram amicitiam cave, ne quis describat, 78 ne mihi sit fraudi.

Marcello 79 , ubi licebit, istas hic insinuatas 80 mitte. De Octaviano 81 illo scribe, quid resciveris, qui exustus ob praevaricatas 82 pontificias leges nuper ferebatur. Saluta tuam domum cum omnibus fratribus et amicis. 30. aprilis 83 . Tuus A. Bl.

[Ohne Adresse]84

||A. 205.2, Nr. 25 [Beilage:]

Wir, Carol, usw., bekennend 85 , altt burgermeister und rath der statt Costentz ire gesannten zu verordnen und abzüfertigen haben, unß umm gnad und huld underthenikelich anzüsüchen 86 von wegen jüngstgeiThter kriegsubung 87 darin si sich nebend anderen unseren ungehorsammen 88 ingeiaßen und darin verharrt habend, und unserß bescheids daruff zu gewarten, und wir den selbigen iren gesannten 89 zu

Gerüchte zu entkräften, sie würden von den genannten, im Jahr 1547 beschlossenen Abmachungen abweichen; s. EA IV/1d 937-939, Anm. zu kk.
77 Bins ... innen worden: Ich habe zufällig (davon) erfahren; s. SI I 294 s.v. innen und 880 s.v. ane(ge)far.
78 Siehe hierzu oben Anm. 2
79 Marcell Dietrich von Schankwitz. -Möglicherweise hatte er sich zu dieser Zeit bereits zum Gut (Weiherhaus) Rohr bei Kloten begeben, das seine Frau am 30. März 1548 erwarb; s. Nr. 3161, Anm. 98.
80 hic insinuatas: im vorliegenden Brief eingeschlagen. - Da der vorliegende Brief keine Adresse aufweist, ist davon auszugehen, dass er zusammen mit dem Brief an Schankwitz in ein separates Blatt mit Bullingers Adresse eingeschlagen worden war.
81 Octavien Blondel. -Bullinger hatte über dessen am 4. Februar 1548 vollstreckte Hinrichtung sowohl von Joachim Vadian als auch direkt aus Paris von Ludwig Lavater erfahren; s. Nr. 3144,9-13 und Nr. 3136,52-58.
82 übertretener; vgl. Kirsch 2255.
83 Tatsächlich aber der 30. März 1548; s. oben
Anm. 1.
84 Zum Überbringer des vorliegenden Briefes s. oben Z. 56f mit Anm. 76; zur fehlenden Adresse s. oben Anm. 80.
85 erklären; s. DRW I 1495.
86 umm gnad und ... anzusuchen: Gemeint ist, dass die Gesandten den Fußfall leisten sollten.
87 Gemeint ist die Beteiligung der Stadt Konstanz im Schmalkaldischen Krieg auf Seiten des Schmalkaldischen Bundes. - Konstanz hatte sich dem Kaiser als einzige der süddeutschen Reichsstädte noch nicht unterworfen. - Zum Konstanzer Versöhnungsantrag an den Kaiser s. zuletzt Nr. 3160,9-11.
88 Gemeint sind die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes.
89 Der Konstanzer Rat sollte in seiner Sitzung vom 14. April 1548 beschließen, Bürgermeister Thomas Blarer und Peter Labhart, beide Mitglieder des Geheimen Rats, sowie Großrat Hieronymus Hürus nach Augsburg zu entsenden. Sie brachen am 19. April auf und kamen am 22. April in Augsburg an; s. HBBW XIX, Nr. 2800, Anm. 14; Nr. 3185,7f; Maurer, Übergang 42.


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und von unß (biß wider an ir gewarsamme 90 ) b zu kommen unser fry sicherheit und gleit zugelaßen und gegeben. Und thund das hiemitt inn krafft diß brieffs.

Demnach gebietend wir allen und jeden unseren und deß rychß stenden, gliederen 91 , oberkeiten 92 , underthonen und verwannten 93 , inn was wirden 94 , stats oder wäsenß 95 die syend, auch allen unseren obersten, lütenampten 96 , fendrichen 97 , befelch-98 und kriegslüten zu roß und fuß ernstlich und verstenklich 99 mitt disem brieff, und wellend, das si die gedachten gesandten und die iren 100 , so 101 si ungefärlich 102 mitt sich bringen werdend, allendthalben fry, sicher zu unß ankommen laßend, und si jr 103 lyb, hab und guter hiewider nitt bekümmere 104 , ufhalten, beleidigen noch beschweren 105 , auch jemands anderen zu thun nitt befelhen noch gestatten in kein wyß 106 , alß 107 lieb einem jeden sye 108 unser und deß rychß schwere ungnad zu vermyden. Dis meinend wir ernstlich. Geben under unserem ufgetruckten insigel 109 in unser und deß rychß statt Augspurg amm sibenzehenden tag deß monats martii. Anno, usw., imm achtundviertzigisten, unserß keiserthumms imm achtundzwentzigisten 110 , und unserer rych imm drüunddryßigisten 111 jar, usw.

[Notiz von Bullingers Hand auf der Rückseite:] Deren von Constantz gleidt, von dem keyser gaben, 17. martii 1548.

b Dieses und das folgende Klammerpaar ergänzt.
90 an jr gewarsamme: an ihren Herkunftsort; s. DRW IV 669.
91 Reichsmitgliedern; s. DRW IV 940.
92 Landesherren; s. DRW X 217.
93 von der Obrigkeit Abhängigen; s. SI XVI 723.
94 was wirden: welchem Stand; vgl. SI XVI 1353 s.v. Wird(i).
95 stats oder wäsens: sei es von einer Stadt oder einer Ortschaft; vgl. Fischer VT/1 725 s.v. Wesen.
96 Leutnants; s. Fischer IV 1211.
97 Fähnrichen.
90 Offizieren; s. SI III 1520 s.v. Befelch(s)lüt.
99 ausdrücklich; vgl. SI XI 998.
100 die iren: ihre Begleiter.
101 die; s. Fischer V 1429.
102 vielleicht; s. Grimm XXIV 662.
103 deren.
104 antasten; vgl. Fischer I 827f.
105 beeinträchtigen; s. DRW II 125.
106 in kein wyß: auf keine Weise.
107 sofern; s. FNHDW I 847 s.v. als 14.
108 sei.
109 Siegel.
110 Karl V. wurde im Juni 1519 zum Kaiser gewählt, im Oktober 1520 zum König und schließlich im Februar 1530 zum Kaiser gekrönt.
113 Im Jahr 1515 war Karl V. mündig geworden und hatte die Regentschaft in den burgundischen Niederlanden erhalten.