Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Bullinger an
Oswald Myconius
Zürich,
Mittwoch, 14. März 1548

Autograph: Zürich StA, E II 342, 191 (Siegelabdruck) a Teilübersetzung: Schweitzersches Museum, Jg. 2, Heft 4, 1784, S. 1045f Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 1020, Nr. 1135

[1]Myconius möge sich um die Weiterleitung des beiliegenden Bündels nach Straßburg kümmern. Es soll dem Engländer John Burcher, Richard Hilles oder auch deren Ehefrauen [Adelheit, geb. Knüpli, bzw. Anna, geb. Lacey,]durch einen zuverlässigen Boten überbracht werden. Um mehr bittet Bullinger nicht! -[2][Ansonsten] wartet er sehnlich auf einen Brief von Myconius. -[3] Er ist zwar dem Zürcher Gesandten Andreas Schmid nach dessen Rückkehr [aus Frankreich] noch nicht begegnet, doch hat er erfahren, dass die eidgenössischen Gesandten von König Heinrich II. von Frankreich fürstlich empfangen worden sind. Die Taufe von Claude de France, der Tochter des Königs, fand nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr [am 7. Februar in Fontainebleau] statt. Die Gesandten wurden von Heinrich II. und Königin Katharina von Medici zuvorkommend und freundlich empfangen und beschenkt: Jeder erhielt vom König eine Kette im Wert von 800 Kronen und von der Königin eine weitere im Wert von 200 Kronen! Zudem wurden die Gesandten für ihre Reise großzügig mit Zehrgeld und Kleidung ausgestattet. Bei ihrer Abreise mahnte der König die Eidgenossen nachdrücklich zur Eintracht. Die vielen Argumente, die er dabei aufführte, kann Bullinger hier nicht weiter ausführen. Er bot den Eidgenossen zwar keine verbindliche Unterstützung an, erklärte aber feierlich seine Bereitschaft, die Eidgenossenschaft mit seinem eigenen Blut schützen, ja als guter Eidgenosse sterben zu wollen. -[4]Das sei noch angefügt: Beim Anblick des prächtigen und pompösen Auftritts der Eidgenossen vor Heinrich II. fragten sich die kaiserlichen Gesandten, die bei den Zuschauern standen, was für Fürsten das denn seien! Ihnen antwortete Hauptmann Wilhelm Frölich, der auch in der Menge stand, dass es sich um diejenigen handle, die sich nicht um Kaiser und Fürsten scheren, die aber denen, die sie anlangen, eine Tracht Prügel verpassen. Einer der kaiserliche Gesandten gab zu, schon erfahren zu haben, dass es sich um Eidgenossen handle, er aber nicht mit einem so fürstlichen Auftritt gerechnet hatte. -[5]Übrigens sollen laut Berichten von Freunden aus Paris, [darunter wohl Ludwig Lavater], die altgläubigen Opferpriester der Sorbonne gegen die Wahrheit wüten! Auch wenn man große Hoffnung in den König setzt, ist der Hof voll papistischen Abschaums. O, möge doch [ein neuer]Elija gemeinsam mit einem Jehu an den Höfen von Heinrich II. und Kaiser Karl V. erscheinen und dort so handeln, wie er es einst getan hat! -[6]Grüße. In großer Eile.

S.D. Nihil aliud volo, charissime et venerande mi Myconi, quam ut sarcinulam hanc cures per fidelem aliquem hominem forte oblatum perferri Argentoratum 1 reddique

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 Straßburg.


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vel d. Burchero Anglo vel d. Rychardo Hylles vel uxoribus 2 .

Tuas 3 expecto curn desyderio.

Rediit legatus foster 4 ex Gallia. Quamquam vero ipsum nondurn salutaverim, intelligo tarnen exceptos esse legatos tanquarn principes. Baptisata est regina ad vesperarn inter 5. et 6. Rex 5 ipse et regina 6 farniliarissirne et amicissirne curn legatis confabulati sunt. 7 Rex donavit singulos torque, quae valet 800 coronatos, regina torque, quae valet 200 coronatos. Liberalis praeterea fuit in itinere, quod vestes et viaticum attinet. In discessu vocatos rex ad concordiam 8 serio et arnicissirne adhortatus est multa proferens argumenta, quae jarn non vacat cornmernorare. Nec opes et regnum suum Helvetiis obtulit, sed dextra pectori adeoque cordi illisa semetipsum et proprium sanguinem Helvetiae asserendae promisit, und das er ein guter eydgnoß ersterben wölle, etc.

Unum adhuc adiiciam: Adfuere simul et caesaris legati 9 . Qui, curn viderent legatos 10 nostros duci ad regern magna curn pompa ac isti splendide essent vestiti, rogarunt (in turba stantes caesareani legati) b quales aut qui, obsecro, isti principes? Respondit et ipse in turba aulica stans Laetus capitaneus (Frölich 11 ): "Es sind eben

b Klammern ergänzt.
2 Burcher war seit dem 9. November 1544 mit Adelheit, geb. Knüpli, Hilles spätestens seit 1538 mit Anna, geb. Lacey, verheiratet. Aus Annas Briefwechsel mit Bullinger ist ein Schreiben vom 9. Mai 1543 an diesen erhalten; s. HBBW XII, Nr. 1690, Anm. 2; XV, Nr. 2076,1f mit Anm. 3; XIII, Nr. 1744 mit Anm. 1.
3 Ergänze: literas.
4 Bannerherr Andreas Schmid. - Zu der von ihm angeführten eidgenössischen Gesandtschaft zu der am 7. Februar 1548 abgehaltenen Taufe von Claude de France, Tochter Königs Heinrichs II. von Frankreich, in Fontainebleau und zur Rückreise dieser Gesandtschaft über Genf s. Nr. 3102, Anm. 9; Nr. 3109,2-4; Nr. 3136, Anm. 2, Anm. 24 und Nr. 3153, Anm. 1.
5 Heinrich II.
6 Katharina von Medici, geb. 1519, gest. 1589.
7 Zu der freundlichen Aufnahme der Gesandtschaft und deren Beschenkung vgl. auch den Gesandtschaftsbericht, der auf der Badener Tagsatzung, die am 12. März begonnen hatte, vorgetragen wurde (EA IV/1d 928-930 k). - Zuvor hatte Heinrich II. von St. Galler Kaufleuten in Erfahrung gebracht, dass er den eidgenössischen
Gesandten durch einen freundlichen Empfang eine besonders große Freude machen würde; s. HBBW XX, Nr. 3097, [2].
8 Heinrich II., der sich bereit erklärt hatte, das von seinem Vater Franz I mit den Eidgenossen geschlossene Soldbündnis zu erneuern, hatte hierfür die Eintracht der eidgenössischen Orte zur Bedingung erklärt; s. Nr. 3130, Anm. 10.
9 Ständiger Gesandter Kaiser Karis V. in Frankreich war zu dieser Zeit Jean de Saint-Mauris; s. Martin Lunitz, Diplomatie und Diplomaten im 16. Jahrhundert. Studien zu den ständigen Gesandten Kaiser Karls V. in Frankreich, Diss. phil. Konstanz, Konstanz 1987, S 244f -Wer den Gesandten bei dieser Gelegenheit noch begleitete, ist unbekannt.
10 Zu deren Namen s. Nr. 3102, Anm. 9.
11 Der aus Zürich stammende Söldnerführer Wilhelm Frölich war aufgrund seiner erfolgreichen Dienste für Frankreich von König Franz I zum Ritter geschlagen, in den Adel erhoben und als Junker am Hof aufgenommen worden. Er diente zu dieser Zeit dem französischen Gesandten in der Eidgenossenschaft, der ihn und Hans Wunderlich der von Andreas Schmid angeführten Gesandtschaft auf


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die, so umb keyser und fürsten nut gaben, und denen, die sich an sich 12 rybind 13 d'hut vol schlahend 14 ."Respondit ex caesareanis legatus 15 : "Audio ergo Helvetios esse. Quam, obsecro, pares sunt principibus! Quis putasset?", etc.

Alioqui habeo ex amicorum 16 literis scribentium e Lutetia sacrificios monachos 17 Sorbonicos saevire in veritatem. Spem quidem esse de rege magnam, sed aulam nimis plenam esse faece pontificiorum. Utinam, utinam veniat Helias aliquis Jehu 18 comitatus in aulam Galli et caesaris 19 et faciat, quod factum est aliquando aliquando. 20

Vale. Festinantissime. Tiguri, 14. martii 1548. Bullingerus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Osvaldo Myconio, domino suo et fratri colendo. Basel.

deren Reise zur Taufe als Begleiter und Dolmetscher zur Seite gestellt hatte. Frölich sollte laut dem Bericht, der auf der Badener Tagsatzung im März (s. oben Anm. 7) vorgetragen worden war, zum Dank ein Geldgeschenk erhalten. Daraus sowie aus dem Umstand, dass er im Dezember 1548 von Solothurn nach Sitten abgeordnet wird, ist zu schließen, dass er vermutlich gemeinsam mit der Gesandtschaft aus Frankreich zurückgereist war und sich noch bis Ende des Jahres in der Eidgenossenschaft (vermutlich in Solothurn, wo er das Bürgerrecht besaß) aufhalten musste; s. HBBW VII, Nr. 935, Anm. 19; LL VII 440f; Emmanuel de Romainmotier, Histoire militaire des Suisses dans les differens services d'Europe, Bd. 1, Bern 1772, S 400f; Eduard Leupold, Beiträge zur Geschichte des Söldnerobersten Wilhelm Frölich von Solothurn, in: Jahrbuch für Solothurnische Geschichte 4, 1931, S 27.
12 ihnen.
13 reiben.
14 d'hut vol schlahend: verprügeln; vgl. SI II 1776 5v. Hut; IX 277 s.v. schlahen.
15 Möglicherweise Jean de Saint-Mauris; s. oben Anm. 9.
16 Hiermit ist wohl u.a. Ludwig Lavater gemeint, der sein Studium seit Ende 1547 in Paris fortsetzte und Bullinger in seinen beiden Briefen aus Paris über die Bücherzensur durch die Theologen der Sorbonne sowie über die vielen altgläubigen Kleriker am Hof Heinrichs II. berichtet hatte; s. Nr. 3119, Anm. 1; Nr. 3136,64-66 mit Anm. 37 und Z. 86-88. -Möglicherweise hatten auch Samuel Kessler, Lukas Klarer oder Isaak Keller Briefe aus Paris geschrieben; s. HBBW XV, Nr. 2215, Anm. 33; Nr. 2224, Anm. 6; Josua Maler, Selbstbiographie eines Zürcherischen Pfarrers aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: ZTB VIII, 1885, 132-138.
17 sacrificios monachos: Opferpriester. - Gemeint sind die altgläubigen Theologen.
18 zu diesem israelitischen König, der wie der Prophet Elija den Kult des Götzen Baal bekämpft hatte, s. HBBW XIV, Nr. 2030, Anm. 29.
19 Karls V.
20 Vgl. 1Kön 19, 15-17; 2Kön 9.