[3144]

Joachim Vadian

an Bullinger

St. Gallen,

Montag, 20. Februar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 351, 64 (mit Siegelrest) a Druck: Vadian BW VI 704, Nr. 1595

[1]Im eigenen und im Namen des St. Galler Rates dankt Vadian für Bullingers letztes Schreiben [nicht erhalten], insbesondere für den Bericht über die Eintracht der Eidgenossen. Denn im Vertrauen auf Gott verlassen sich die St. Galler darauf dass die alte [eidgenössische] Freiheit unversehrt bleibt, solange die Eintracht Bestand hat. -[2]In Augsburg werden häufig üppige Festmähler veranstaltet. Während [die Teilnehmer des Reichstages]tagsüber schlafen und die Nächte mit Feiern und Tänzen verbringen, werden unterdessen viele hingerichtet, die als Anhänger von König Heinrich II. von Frankreich verleumdet wurden. Dazu gehört auch der berühmte Söldnerführer Sebastian Vogelsberger, der nach seiner Festnahme im eigenen Hause bei Mainz und der Überführung nach Augsburg vor Kurzem [am 7. Februar 1548]enthauptet wurde. -[3]In Frankreich verhält es sich, wie Vadian zu berichten weiß, ganz ähnlich. Octavien Blondel, für den sich der Zürcher, der Berner und der St. Galler Rat sorgenvoll eingesetzt hatten, wurde Ende Januar 1548 von Lyon nach Paris gebracht (den Sündenpfuhl Babylon, Ort des Aberglaubens!). Dort wurde er am 1. Februar [richtig: 4. Februar]mehr durch die Flammen gequält als verbrannt. Erstaunlich, dass Blondel bis zu seinem Tod standhaft im wahren Glauben verharrte, obwohl ihn das

b-b Am Rande nachgetragen. Textverlust durch Papierverlust. -

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.

14 Bündnis; vgl. Kirsch 1862.

15 Subjekt ist Karl V.

16 Zum Schwabenkrieg, auch Schweizer oder Engadiner Krieg, s. HBBW XIV, Nr. 1882,

Anm. 22.

17 König Ludwig XII. von Frankreich, reg. 1498-15 15.

18 Ergänze: puto.

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geschürte Feuer nur langsam verbrannte! Das Vermögen des Mannes (er war reich!) sollte laut seiner Verurteilung eigentlich in die Staatskasse übergehen. Doch einige namhafte Leute [NN.]haben sich seinen Besitz erschlichen und fortgeschafft. Zweifellos haben sie auch die Petitionsschreiben der Berner, Zürcher und St. Galler zurückgehalten, da ihnen allein schon die Absendeorte [der Briefe]verdächtig vorkamen. So wird heute mit der Wahrheit umgegangen! Der Herr, der das vorausgesehen hat, wird die Seinen erretten und ihnen das ewige Leben schenken. -[4]Grüße.

S. Magnas tibi, optime et doctissime vir, et meo et senatus ¹ nomine gratias ago de nuperis, imo proxime ad me scriptis literis ² , in quibus illud longe gratissimum fuit, quod de concordia ³ pagorum monebas. Ea enim salva et avitam nobis libertatem salvam fore bona in dominum spe confidimus.

Augustae frequentes et sumptuosae commessationes ⁴ peraguntur. Dormitur die, noctu luditur et saltatur. ⁵ Interim supplicium sumitur de multis, qui proditi sunt, velut Gallo ⁶ faveant. In quorum numero nuper capite plexus est insignis tribunus Sebastianus Vogelsperger ⁷ , domi suae apud Magonciam ⁸ captus et Augustam deductus.

Paria et, ut vere dicam, in Galliis peraguntur. Octavianus ⁹ enim ille, pro quo

1 des St. Galler Rates.

2 Bullingers Antwortschreiben auf Vadians Brief vom 6. Februar 1548 (Nr. 3132) ist nicht erhalten. Er wird darin die Neuigkeiten von der Badener Tagsatzung, die am 23. Januar begonnen hatte, übermittelt haben. Diese hatte Vadian zuvor erbeten; s. Nr. 3132,19-22.

3 Über die Eintracht der eidgenössischen Abgesandten zu Baden hatte Bullinger ebenfalls Oswald Myconius berichtet; s. Nr. 3137,33-36.

4 Festmähler; s. MLW II 923, s.v. comissatio.

5 Ähnliches über die Gelage und Feierlichkeiten in Augsburg hatte Vadian bereits einen Monat zuvor, am 12. Januar 1548, berichtet; s. Nr. 3108,9-14.

6 Heinrich II.

7 Sebastian Vogelsberger, geb. um 1505, wurde am 7. Februar 1548 in Augsburg auf dem Perlachplatz zusammen mit den Hauptleuten Jakob Mantel und Wolf Thomas hingerichtet, da er zuvor eine Zeit lang als Söldnerführer im Dienst des französischen Königs gestanden hatte und von seinem früheren Freund Lazarus Schwendi verraten worden war; s. Johannes Sleidanus, Warhaffte eigentliche und kurtze Beschreibung aller fürnemer Haendel, Frankfurt am Main 1581, f. 266v. (VD16 ZV14469 ); Achilles Pirmin Gasser, Der Heiligen Reichstatt Augspurg in Schwaben Chronica,

hg. y. Wolfgang Hartmann, Bd. 3, Basel 1596 (VD16 G507), S. 66; ADB XL 158. -Zu der Hinrichtungsstätte auf dem Perlachplatz s. Nr. 3145,10-12 mit Anm. 1.

8 Tatsächlich wurde Vogelsberger aber aus der von Mainz etwa 120 Kilometer entfernten evangelischen Reichsstadt Weißenburg im Elsaß herausgelockt und festgenommen; s. Johannes Sleidanus, aaO, f. 266,v.; Von Stetten, Augsburg 427; Bartholomäi Sastrowen Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens, auch was sich in dem Denckwerdiges zugetragen, so er mehrentheils selbst gesehen und gegenwärtig mit angehöret hat, Bd. 2, hg. y. Gottlieb Christian Friedrich Mohnike, Greifswald 1824, S. 172.

9 Octavien Blondel. - Auf Betreiben von St. Galler Handelsleuten hatten sich neben dem St. Galler Rat auch der Zürcher und der Berner Rat für den in Frankreich inhaftierten Protestanten Octavien Blondel eingesetzt. Dieser wurde gemäß Ludwig Lavater, der sich zu dieser Zeit in Paris aufhielt, am 4. Februar 1548 bei lebendigem Leib auf dem Pariser Friedhof S. bannis (Saint-Jean) verbrannt. Die Datumsangabe im vorliegenden Brief muss dementsprechend korrigiert werden; s. HBBW XX, Nr. 3097,[1]; Nr. 3136, 52-54.

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senatus vester amplissimus et Bernas et foster adeo sancte et sollicite intercessit, e Lugduno ¹⁰ in mensis ianuarii fine ad Babylonem illam errorum et superstitionum, hoc est ad urbem Parisiorum, adductus. Ipsis calendis februarii ustus potius quam combustus est. Lento enim igne tostus animam mire constantem et solida in fide perseverantem exhalavit! Adiudicata sunt fisco bona eius (dives enim fuit), sed a nobilibus ¹¹ quibusdam emendicata dirreptaque ferunt. Nec dubitatur, quin literae nostre suppressae sint ab us, quibus vel nomen urbium suspectum est. His ornamentis decoratur hodie veritas! ¹² Sed dominus, qui praedixit, 13 vindex erit coronabitque suos vitae dono immarcescibili.

Vale. Sangalli, 20. die februarii, anno 1548. loachimus Vadianus.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Henrych Bullingero, sanctae ecclesiae Tigurinae episcopo, domino suo colendissimo.

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