Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3170]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
Freitag, 2[3.]1 März 1548

Autograph: Zürich StA, E II 336, 301 (alt: 286)(Siegelspur) a Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 1021, Nr. 1136

[1]Dieser Spanier, der Briefüberbringer [Fernando Diaz Paterniano], war eine Zeit lang bei Francisco de Enzinas [in Diensten]. Er möchte die Zürcher selbst kennenlernen, weil er so viel Gutes über sie gehört hat. Bullinger möge ihn gut aufnehmen und zudem auch in Myconius' Namen den frommen Eheleuten John Hooper und Anne, geb. t'Serclaes, empfehlen. Er wird ihnen sehr willkommen sein, zumal sie ihn schon länger kennen. Möglicherweise wird er eine Zeit lang in Zürich bleiben. -[2]Es dürfte Bullinger wohl überraschen, dass Enzinas nach Straßburg zog, [Margarethe, geb. Elter,] heiratete und nun nach England auswandern will. Denn eigentlich hatte er ja den Plan, sich aufgrund seiner unsicheren Lage in Deutschland nach Konstantinopel zu begeben, worüber Myconius lange mit ihm gesprochen hatte. -[3]Kaiser Karl V. soll die Fürsten für zwei Monate [vom Augsburger Reichstag]entlassen haben, jedoch unter der Bedingung, dass sie sich anschließend wieder

a Mit Schnittspuren
45 Fernando Diaz Paterniano. - Zu diesem und seiner Reise nach Zürich s. Nr. 3167,12-14 mit Anm. 7; Nr. 3170,1-3 mit Anm. 2.
46 Vermutlich hatte Paterniano seinen Bekannten Martin Bucer vor dessen Abreise nach Ulm getroffen; s. Nr. 3163, Anm. 4; Nr. 3167; Anm. 7; zu Bucers Aufenthalt in Ulm und später in Augsburg s. den Brief von Myconius an Bullinger vom 2[3]. März 1548 (Nr. 3170,210.
47 Der Überbringer des vorliegenden Briefes war Paterniano, der auch Enzinas' Brief vom 20. März 1548 (Nr. 3167) sowie Oswald Myconius' Schreiben vom 2[3]. März 1548 (Nr. 3170) überbrachte; s. oben Z. 32.
1 Das von Myconius angegebene Datum, der 20. März 1548, kann nicht zutreffen, da es sich
bei dem von ihm unten in Z. 1-3 genannten Briefbote, wie dies dem Brief von Francisco de Enzinas vom 20. März 1548 (Nr. 3167,12-14) zu entnehmen ist, um Fernando Diaz Paterniano handelt, der sich aber an diesem Tag noch im von Basel etwa 120 Kilometer entfernten Straßburg aufhielt. Aufgrund der Tatsache, dass dieser Basel frühstens am 23. März erreicht haben dürfte und neben dem genannten Brief von Enzinas nicht nur das vorliegende, sondern auch das am 23. März 1548 verfasste Schreiben von Johannes Gast (Nr. 3169,32) für Bullinger nach Zürich mitbrachte, ist davon auszugehen, dass sich Myconius im Datum geirrt hat und der vorliegende Brief frühstens am 23. März geschrieben wurde.


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an jenen Ort begeben werden, den er noch bestimmen wird (wohl Straßburg, wie man meint). Der Kaiser werde sich bis dahin mit Guajakholztee kurieren, um Deutschland dann erneut mit Kriegen gegen die Hansestädte Bremen, Magdeburg und Braunschweig samt deren Verbündeten überziehen zu können. Oder er werde Brabant gegen etwaige Angriffe befestigen. -[4]In England gelingt bisher alles. Bernardino Ochino und Peter Martyr Vermigli haben dort eine Anstellung und auch der ehemalige Jude Immanuel Tremellius wird für den Hebräisch-Unterricht dorthin berufen. Dies trifft auch auf andere Diener der Straßburger Kirche und Schule zu, zumal ihnen Gefahr droht. Sollte sich der Kaiser, wenn auch nur für eine kurze Zeit, nach Straßburg begeben, wäre es nicht verwunderlich, wenn alle rechtschaffenen Menschen und Gelehrten die Flucht ergriffen! Wie gottgefällig das wäre, lässt sich leicht beurteilen... Gleichwohl würden die Menschen aufgrund der kaiserlichen Tyrannei in sehr große Bedrängnis geraten! -[5]Es ist zu hoffen, dass Martin Bucer nun nach Straßburg heimkehren wird. Ob er dort allerdings wohlwollend empfangen wird, kann Myconius nicht einschätzen. -[6]Es kursieren Gerüchte. Um was es wirklich geht, wird Myconius vielleicht erst dann erfahren, wenn es leider schon zu spät ist. -[7]Grüße, auch an Bullingers Familie und an Rudolf Gwalther.

S. Hic est Hispanus 2 . Fuit aliquamdiu apud Dryandrum, nunc reliquit. Multa bona audivit de vobis 3 . Voluit itaque videre coram, quos commendare tantopere audivit. Queso te, ut ipsum habeas commendatum. Commendabis eum quoque Hoppero 4 et uxori eius pientissimis vel meo nomine. Noverunt inter se ab aliquanto tempore. Gratior itaque erit commendatio eius. Forsitan ad tempus apud vos manebit.

De Dryandro audies, quae haud expectasses: Contulit mecum diutius, voluit proficisci Constantinopolim 5 , quia in Germania non esset locus sibi. Tandem ivit Argentinam et duxit uxorem 6 iturus in Angliam.

cesarem 7 aiunt dimisisse principes per menses duos hac conditione, ut redeant denuo vocati in locum, quem designaturus SI I Arbitrantur hunc Argentinam esse.

2 Fernando Diaz Paterniano, der spätestens seit dem 26. Oktober 1547 in Francisco de Enzinas (Dryanders) Diensten gestanden hatte; s. Nr. 3167, Anm. 7.
3 den Zürchern.
4 John Hooper und seine Frau Anne, geb. t'Serclaes, hielten sich seit dem 29. März 1547 in Zürich auf; s. Nr. 3167, Anm. 4.
5 nach Konstantinopel. - Zu Enzinas' Reiseplänen ins Osmanische Reich s. Nr. 3128,15-19. -Bullinger hatte sich in einem nicht erhaltenen Brief gegen das Vorhaben ausgesprochen; s. Nr. 3167,1 mit Anm. 1.
6 Margarethe, geb. Eher (Marguerite d'Elter). -Enzinas' Mitteilung bezüglich seiner Eheschließung vom 20. März 1548 (Nr. 3167) wurde Bullinger gleichzeitig mit dem vorliegenden Brief überbracht; s. oben Anm. 1.
7 Karl V. - Tatsächlich sollte der Reichstag nicht grundsätzlich ausgesetzt werden. Der Kaiser ließ die Reichstagsgeschäfte allerdings aufgrund einer Erkrankung ruhen, wie dies Ambrosius Blarer mit seinem Brief vom 12. März 1548 bereits berichtet hatte (Nr. 3160,3 mit Anm. 5). Möglicherweise stehen auch die Pläne einiger Fürsten zur Abreise aus Augsburg in Zusammenhang mit diesem Gerücht. Zu den ab Anfang März 1548 schon erfolgten Abreisen s. Creutznachers Diarium 322f -Über das angebliche Vorhaben Karls V., den Reichstag nach Straßburg zu verlegen, hatten die Straßburger Gesandten ihrem Rat bereits am 5. März 1548 aus Augsburg berichtet; s. PC IV/2 887, Nr. 738 mit Anm. 9f; s. auch Nr. 3163, Anm. 9. - Auf der Badener Tagsatzung, die am 12. März


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Interim de lingno bibiturum Guaiaco 8 , ut iterum aliquid agere, quod molestum sit Germanic, possit. Civitates reliquas maritimas putatur invasurus 9 , Bremam, Magdenburgum et Braunschwigam cum sociis aut muniturus Brabantiam, ne invadatur ab aliis

In Anglia succedunt adhuc omnia. Bernhardinus 10 et Petrus Martyr illic sunt in precio. Evocatur Emanuel 11 , Iudeus aliquando, ut doceat ibi Hebraice. Evocantur et alu quidam 12 de ecclesia et schola Argentinensi, ut his immineat periculum. Non mirum, si docti et boni vin omnes aufugerent cesare illic instituente morari vel ad breve tempus. Quam pie factum esset autem istud, iudicare puto non esse difficile. Nihilominus tamen a cesoris 13 tyrannide sic hommes urgerentur.

Bucerus 14 speratur nunc rediturus domum. Verum qua hominum gratia sit excipiendus, dicere non valeo.

Rumores circumferunt. Quod vehementer mihi dolet: Nec tamen, quid sit, revera possum intelligere. Intellecturus forsitan, postquam transactum fuerit.

Vale in domino cum tuis et Gvalthero. Basileae, 20. 15 martii anno 1548. Tuus Os. Myco.

begonnen hatte, hatten die Zürcher ebenfalls über dieses Gerücht berichtet und es mit einem möglichen Angriff auf die Eidgenossenschaft in Zusammenhang gebracht; s. EA IV/1d 932 u.
8 Zur Behandlung einer Erkrankung des Kaisers (vermutlich Syphilis) mittels Guajakholz s. zuletzt Nr. 3160,3 mit Anm. 5.
9 Subjekt ist Karl V. - Zu den Berichten und Gerüchten über kaiserliche Kriegsvorbereitungen s. zuletzt Nr. 3161,1-3. - Die Stadt Braunschweig hatte zwar schon am 3. Januar 1548 in einen für sie unvorteilhaften Sühnevertrag mit dem Kaiser eingewilligt, widersetzte sich jedoch weiterhin ihrem altgläubigen Herzog, Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel; s. Nr. 3111,8-10 mit Anm. 6; Nr. 3161,38 mit Anm. 66.
10 Bernardino Ochino und Peter Martyr Vermigli waren 1547 einer Einladung von Thomas Cranmer nach England gefolgt, wie Joachim Vadian von John Burcher erfahren und Bullinger am 12. Januar 1548 berichtet hatte;
s. Nr. 3109,41f mit Anm. 25.
11 Immanuel Tremellius. -Er hatte in den Jahren von 1542 bis 1547 Hebräisch in Straßburg unterrichtet; s. HBBW XIV Nr. 1984, Anm. 8.
12 Unbekannt. -Myconius dürfte vom Briefüberbringer Fernando Diaz Paterniano von etwaigen Berufungen erfahren haben; s. unten Anm. 14 und Anm. 16.
13 Totschläger. -Gemeint ist Karl V. -Das Wortspiel caesar-caesor, das im Briefwechsel von Bullinger und Myconius des Öfteren verwendet wird, findet sich zuletzt in Nr. 3156,6.
14 Martin Bucer war am 24. Januar 1548 heimlich und ohne Erlaubnis des Straßburger Rats nach Ulm aufgebrochen. Am 30. März sollte er in Augsburg erscheinen; s. Nr. 3163, 4-6 mit Anm. 4. -Von Augsburg sollte Bucer allerdings erst am 27. April 1548 nach Straßburg zurückkehren; s. Nr. 3120,30-32 mit Anm. 20; Nr. 3122,12f mit Anm. 3 und Anm. 4.
15 Wohl richtig: 23.; s. oben Anm. 1.


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[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero doctissimo, Tigurine ecclesiae antistiti dignissimo, fratri in domino venerando suo. Zü [rich]b . 16