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Original von unbekannter Hand a : Zürich ZB, Ms F 62, 190r.-191r. (Siegelspur); Beilage b : 192r.
Berichten im Anschluß an [Nr. 1130]: [Peter] Kunz und Erasmus [Ritter] kamen erst acht
Tage nach ihnen in Bern an und hatten wohl gehofft, sie würden ihren Plan [einer Rückkehr
nach Genf]aufgeben. Als sie Kunz aufsuchten, machte ihnen dieser im Beisein von Sebastian
[Meyer] und Ritter Vorwürfe und geriet dabei in höchsten Zorn, während sie ihm ruhig versicherten,
sie akzeptierten ihn gemäß dem Beschluß der Zürcher Tagung [als Begleiter und
Fürsprecher]. Am nächsten Tag ließen die Pfarrer sie zunächst warten und wollten dann zuerst
ihre Artikel prüfen, die doch an der Tagung bereits gutgeheißen worden waren. Beim zweiten
Artikel warf ihnen Kunz vor, die Verwendung von gesäuertem Brot im Abendmahl sei eine
Neuerung, mit der sie die deutschen Kirchen in Unruhe versetzten, wobei er fast außer sich
geriet; da er sogar leugnete, daß ihre Artikel der Tagung vorgelegen hatten, beriefen sie sich
auf die Zustimmung aller Teilnehmer zu diesem Dokument, auf das sich Bucer als ihr Anwalt
[in Zürich]bezogen hatte, und übersenden als Beleg eine Abschrift davon [Beilage]. Als Kunz
bestritt, daß sie an der Lausanner Synode [vom 31. März 1538] in zwei von drei Punkten mit
Ausnahme der Feiertagsfrage nachgegeben hatten - obwohl Ritter und der Ratsabgeordnete,
der die Synode geleitet hatte [Hans Huber oder Ludwig Ammann], ihnen recht gaben -,
verließen sie die Versammlung. Meyer erkundigte sich, ob auch sie ihre Nachfolger [in Genf]
und die nach Meganders Abgang in Bern verbliebenen Pfarrer als Wölfe und falsche Propheten
beurteilten; als sie die Fälle für nicht vergleichbar erklärten, aber in bezug auf [die
Genfer] zustimmten, wollte er nichts mehr mit ihrer Sache zu tun haben, so daß ihnen nur
Ritter blieb. Einige Tage später hörte der Rat sie an, setzte aber durch, daß die Gleichförmigkeit
mit der Berner Kirche nicht auf ihren Artikeln, sondern auf jenem Dekret ihrer Gegner
gründen sollte, aufgrund dessen sie hätten in die Rhone geworfen werden sollen. Zuerst beschloß
der Rat, zwei Gesandte sollten ihnen [nach Genf] vorausgehen und ihre Wiedereinsetzung
erwirken, doch bestanden sie darauf selbst ihre Unschuld darzulegen, wobei auch
Ritter und Viret sie begleiten sollten. Eine Meile vor der Stadt wurde ihnen der Zutritt untersagt;
auf Drängen der Begleiter fügten sie sich, was ihnen das Leben rettete, da sie von
Bewaffneten erwartet wurden. Die [Genfer]Räte wollten das Volk entscheiden lassen; Ludwig
Ammann und Viret trugen ihre Sache mit Geschick vor, doch einer der Ratsvorsitzenden
machte aufgrund ihrer Artikel Stimmung gegen sie, indem er ihnen als Hochmut und Herrschsucht
auslegte, daß sie von "ihrer" Genfer Kirche sprachen, die Berner ohne EhrentitelBriefe_Vol_08-147 arpa
nannten und über die Exkommunikation handelten. Eine Anhörung wurde ihnen verweigert;
damit ging der Plan von Kunz auf der die Artikel Pierre Vandel zugespielt hatte und sich auch
schon im Nidauer Kapitel feindlich geäußert haben soll, obwohl er ihnen [an der Zürcher
Tagung] Unterstützung zugesagt hatte. Wie befürchtet, triumphiert Satan nun erst recht, und
[in Genf] blüht das Laster; um sie zu stürzen, nahm Kunz dies in Kauf Die schändliche
Lebensführung und fehlende Bildung ihrer Nachfolger [Jacques Bernard, Henri de la Mare
und Jean Morand] erregt täglich Anstoß. Wegen des Boten brechen sie ihr Schreiben hier ab;
sie bitten um Vertraulichkeit. [Beilage:] 14 Artikel zur Frage, wie die Gleichförmigkeit der
Kirchen von [Genf] und Bern zu erreichen sei.
[Gedruckt: Paul Henry, Das Leben Johann Calvins des großen Reformators, Erster Bd., Hamburg 1835, Anhang S. 48-54, Nr. 9 (Beilage: aaO, S. 46-48, Nr. 8); CO X/2 203-209, Nr. 121 (Beilage: aaO, S. 190-192, Nr. 111); Corr. des réformateurs V 21-30, Nr. 717 (Beilage: aaO, S. 3-6, Nr. 708); Ubersetzung: Schwarz, Calvins Lebenswerk I 35-39, Nr. 22 (Beilage: aaO, S. 33f, Nr. 19).]