Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3110]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
Mittwoch, 18. Januar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 357, 259f (Siegelspur) a Zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 679f Nr. 1505

[1]Bullingers letztes Schreiben [nicht erhalten] ist angekommen, bedarf aber keiner Beantwortung. -[2]Mit der "[Eidgenössischen]Chronik"[von Johannes Stumpf]verhält es sich wie zuvor mitgeteilt [in HBBW XX, Nr. 3099, vom 26. Dezember 1547]: [Der Buchhändler] Gregor Mangolt verkauft das Werk nicht unter 5 1/2 und eingebunden nicht unter 6 Gulden. Mangolt hat Exemplare des in Konstanz gedruckten Werks von Johannes Zwick "Die sieben Worte Christi"aus den Beständen von Blarer abgekauft und in sein Angebot aufgenommen. Das wird ihm viel Gewinn einbringen, da er Blarer nämlich pro Stück 4 1/2 Pfennig zahlt, sie aber für 6 verkauft! Christoph Froschauer d.Ä. hat Mangolt [wegen des Preises von Stumpfs Chronik] einen so unfreundlichen Brief geschrieben, dass Blarer schon Mitleid mit Mangolt hat. Hätte Bullinger doch lieber nichts zu Froschauer gesagt oder er selbst Bullinger [am 26. Dezember 1547 (HBBW XX, Nr. 3099,73f)]gar nicht erst davon geschrieben! -[3] Was [Lazarus Kölli], den Sohn des verstorbenen Andreas Kölli, angeht, ist es richtig, dass Bullinger gerade heraus mitteilt, dass derzeit keine Hoffnung [auf ein Zürcher Stipendium]besteht. Der Herr wird [dem jungen Kölli]vielleicht einen anderen Weg weisen. -[4]Johannes Gisling hat bei seiner Hochzeitsfeier die Konstanzer Ordnung missachtet. Seine Braut [Barbara geb. Sumenberg(erin)]hat einen Tanz veranstaltet, wie es seit Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Und das bei der augenblicklichen, unglücklichen Lage! Der Stadtrat lässt daher jeden, der getanzt hat, eine Strafe von einem Gulden zahlen. Das Brautpaar selbst sowie der Musikant [N.N]wurden eingesperrt. Die Eheleute werden bald nach Zürich kommen. Gisling behauptet, eine Anstellung im Bernbiet erhalten zu haben. -[5]Die Lage [in Konstanz]ist unverändert. Dass es noch immer nicht [zur Beantwortung des Konstanzer Versöhnungsantrags bei Kaiser Karl V]gekommen ist, lässt sich auf allerlei Machenschaften zurückführen. Gott möge es zu einem guten Ende führen. -[6]Bald wird man [trotz der unsicheren Lage]die Felder vor der Stadt bestellen müssen. Das wird viel Arbeit geben. Bullinger möge unentwegt für Gottes Hilfe beten. -[7]Über die Gerüchte aus Augsburg wird der Briefbote [NN], ein Bediensteter von Marcell Dietrich von Schankwitz, Auskunft geben können. -[8]Von einem zuverlässigen Mann [N.N]hat Blarer durch einen Brief erfahren, dass dieser beim gemeinsamen Essen mit einem Seemann [NN], einem Bediensteten von Maximilian von Egmont, Graf von Büren, gehört habe, dass ein Eidgenosse aus der Umgebung von Ermatingen im Auftrag des Grafen die Dicke der Eisschicht des Untersees bestimmt und hierüber Bericht erstattet habe. Das hängt [mit den Gerüchten über] den Tiergarten in Öhningen zusammen. -[9]Laut derselben Person [N.N]gehe man in Augsburg davon aus, dass sich die Eidgenossenschaft spalten werde, und auch, dass einige der führenden evangelischen Orte wankelmütig seien. Der Briefschreiber glaubt dem nicht. Möge Gott sie bewahren! Grüße. -[10][P.S.:]Das junge Ehepaar [Hans Rutishauser und seine Cousine Dorothea Diethelm gen. Münchin]sind noch nicht bei Blarer erschienen.

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.


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Gnad, frid mitt allem gutem durch Christum von gott, etc. Furgeliepter herr und bruder, ewer letst schreiben 1 hab ich wol empfangen, etc. Daruff nichts sunders ze antwurten, etc.

Der chronic 2 halber ist im 3 , wie ich euch geschriben hab, 4 dann 5 Mangolt 6 hat kaine, noch ingebunden, neher 7 geben dann um 5 ½fi. und um 6. 8 Von mir hat er büchle genommen d. Hansen Zwicken seligen 9 siben wort Christi, die hie getruckt worden, 10 an denen er wol sovyl gewynnen mag, das er ouch sovyl hat von mir. Er gibt ains um 6 d. 11 , cost inn ains von mir 4 ½d. Der Froschauwer hat im warlich ain ruchen 12 brieff geschriben, das er mich bedauret. 13 Wellt etwas darum geben, das ir nichts zu im gesagt hetten oder ich euch nichts davon geschriben hette, 14 etc.

Herrn Andreas Kollis seligen 15 suns 16 halber thaindt 17 ir recht, diewyl nichts

1 Nicht erhalten.
2 Gemeint ist die "Eidgenössische Chronik" von Johannes Stumpf (VI)16 S9864 ; BZD C396); s. Nr. 3102, Anm. 3.
3 dem.
4 In HBBW XX, Nr. 3099,73f
5 denn.
6 Gregor Mangolt war Buchhändler in Augsburg.
7 billiger; s. SI IV 636f
8 Blarer hatte sich bei Bullinger schon Mitte Dezember 1547 nach dem Buchpreis in Zürich erkundigt (HBBW XX, Nr. 3092,6-10), wohl aber keine Auskunft erhalten. Der Preis, der Blarer offensichtlich zu hoch vorkam, entspricht exakt dem, was der Drucker und Buchhändler Christoph Froschauer d. A. in Zürich ansetzte; s. HBBW XX, Nr. 3092, Anm. 6. -Bullinger muss Blarer diesbezüglich in einem Antwortbrief [nicht erhalten]aufgeklärt haben, da Blarer seinen Fehler schließlich eingestehen sollte; s. Nr. 31 18, 14f
9 Johannes Zwick war am 23. Oktober 1542 gestorben; s. Moeller, Zwick 244.
10 Johannes Zwick, Christenlicher gantz trostlicher underricht, wie man sich zu ainem saeligen staerben beraiten soelle, mit amer gar schoenen außlegung, des Vatter unsers, ouch der siben letsten wort Christi, Konstanz 1545 (VD16 Z725 ). -Zum Inhalt s. Moeller, Zwick 240-242. 291, Nr. 60. -Dem Werk war eine Vorrede Blarers vorangestellt.
11 Denar. -Entspricht einem Pfennig (1 Pfund = 240 Pfennig).
12 unfreundlich; s. SI VI 184.
13 Christoph Froschauer d.Ä. neigte bei Finanzangelegenheiten zu verbalen und (wie sich hier zeigt) auch zu schriftlichen Ausfällen; s. Leu, Froschauer 55f.
14 Siehe HBBW XX, Nr. 3099,73f
15 Der Bischofszeller Pfarrer Andreas Kölli starb im August 1542; s. HBBW XII, Nr. 1673, Anm. 13.
16 Vermutlich ist hier bereits die Rede von Lazarus (alias Eleasar) Kölli, der damals etwa 12 Jahre alt war und erneut im Jahre 1550 in Blarers Briefwechsel mit Bullinger als 14-Jähriger erwähnt wird; s. Blarer BW III 74, Nr. 1689; 76, Nr. 1692; 80, Nr. 1698. -Wahrscheinlich hatte sich Blarer Ende 1547 oder Anfang 1548 in einem nicht erhaltenen Brief an Bullinger nach der Möglichkeit eines Zürcher Stipendiums für den jungen Kölli erkundigt. Der vorliegende Brief legt nahe, dass Bullinger dies in einem nicht erhaltenen Schreiben abgelehnt hatte, vermutlich mit der Begründung, dass die Zürcher Stipendien in der Regel nur Kindern aus ihrem Gebiet verliehen. Aus den oben genannten Briefen Blarers geht hervor, dass Lazarus 1550 doch noch sein Studium in Zürich aufnehmen konnte und bei Theodor Bibliander untergebracht wurde. Er verstarb bereits (wohl im April) 1551; s. die Beileidsbekundung an Bibliander in Johannes Gasts Brief an Bullinger vom 6. Mai 1551 (Zürich StA, E II 366, 104).
17 tut.


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zu hoffen, das ir mich des gut rund 18 berichten. Der herr gott wirt inn vyllicht in ander weg versechen.

Der Gieslinger 19 hat hie hochzyt 20 gehapt und miner herren ordnung ubersechen 21 , hat ouch sein brut 22 ain tantz angericht, so man doch in vyl jaren hie nie getantzt hat, 23 dann es yetz nitt tantzwätter ist 24 by disen schwären löffen 25 . Habend myne herren gross misfallen gehapt und yede person, die tantzt hat, um ain guldin gestraufft, den brutgam aber, ouch die brut und spylman 26 in die gfencknuß gelegt. Sy werdend 27 yetz widerum zu euch. Er lasst sich vernemen, er habe ain stand 28 in Bernerpiet. 29

Unser sach steht noch allso, wie ich nechermal 30 geschriben. Was der uffzug 31 uff im trag 32 , gepirt mancherlay rechnungen 33 . Der herr gott wells zu gutem end ussfüren.

Man wirt nunmehr bald sollen die guter bauwen 34 vor der statt. So wirt dann müh und arbait, aber der lieb gott wirts wol machen, etc. Den bittend on uffhören fur unser statt, das er ob unß halte 35 .

18 gerade heraus; s. Fischer V 484.
19 Johannes Gisling(er) war zu dieser Zeit Prediger in Langrickenbach, einem Lehen des Domstiftes von Konstanz; s. HBBW XIX, Nr. 2853,30-32, Anm. 27.
20 Gisling heiratete Barbara geb. Sumenberg(erin); s. HBBW XIX, Nr. 2853, Anm. 30.
21 missachtet.
22 Braut.
23 Das Tanzen war in Konstanz seit dem 20. Februar 1531 auch auf Hochzeiten untersagt; s. Dobras, Ratsregiment 170, Anm. 31; Rublack, Konstanz 313f Anm. 101. - Blarers Befürchtungen bewahrheiteten sich somit: Er hatte schon am 21. März 1547 bei Bullinger Erkundigungen über den Zürcher Gisling angestellt, da diesem sein Ruf als musizierender Verführer der Jugend vorauseilte. Trotz Bullingers Warnungen, die aus dem Schreiben Blarers vom 26. März 1547 deutlich herauszulesen sind, sollte sich Gisling als Pfarrer in Langrickenbach bis zu dem hier von Blarer beschriebenen Vorfall halten können; s. HBBW XIX, Nr. 2853,36-40; Nr. 2862,90-93.
24 es ... nitt tantzwätter ist: die Lage gestattet keinen Tanz.
25 Entwicklungen.
26 Der Musiker ist unbekannt.
27 kommen; s. SI XVI 1333.
28 ain stand: eine Anstellung.
29 Zu Gislings weiterem Werdegang s. HBBW XIX, Nr. 2853, Anm. 30. Diesen Angaben ist hinzuzufügen, dass er seine Anstellung als Helfer zu Unterseen bei Interlaken frühstens nach seiner Unterzeichnung der Berner Disputation von 1528 am 18. März 1548 angetreten haben wird; s. Bern StA, B III 21, f 33r.
30 zuletzt. - Die Konstanzer warteten damals bereits seit Oktober 1547 auf eine Antwort auf ihren bei der kaiserlichen Kanzlei gestellten Versöhnungsantrag. Zuvor hatten sie sich am 24. September 1547 brieflich an Reichskanzler Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle, gerichtet, um Vorverhandlungen über die Versöhnung mit Karl V. zu führen. In der Zwischenzeit waren sie allerdings dennoch mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt worden; s. HBBW XX, Nr. 3021,1-6 mit Anm. 5; Nr. 3053, Anm. 3; Nr. 3088, Anm. 10; Nr. 3092,27-34.
31 Aufschub.
32 uff im trag: bedeutet.
27 Überlegungen.
34 guter bauwen: Felder bestellen.
35 ob unß halte: uns beschütze.


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Von Augspurg wirt euch zöger 36 , des Marcell Dietri[chen]b,37 diener, wol anzögen, was das geschray 38 da seye.

Mir wirt nichts sonders geschriben, dann 39 ain güter, waidlicher 40 bidermann 41 zögt mir an, das er by ainem des von Peuren 42 trabanten 43 gessen habe. Der seye ouch ain seemann. Der hab im gesagt, das sein herr, der von Peuren, durch amen aidgnossen 44 , der seye naiswan 45 nitt weyt von Ermatingen 46 dahaim, kuntschafft gemacht, wie tieff der Undersee 47 zu kalter wynterzyt gefriere. Der habe im ouch allen bschaid 48 geschriben, etc. Stympt alles zu dem Tiergarten zu Äningen. 49

Er schribt mir ouch, das er yetz offt zu Augspurg gehort habe, es seye gewyss, das die Aidgnossen ||260 der sachen nitt ainig seyen, und auch ettlich der besten evangelischen das or uff ain andere seyten henckind 50 , etc. Der herr gott verlich unß buß und besserung, das wir im gefallen und seinen frid erlangen mögind. Dem seind

b Textverlust bei Entfernung des Siegels.
36 (der) Briefüberbringer. -Unbekannt.
37 Marcell Dietrich von Schankwitz. - Diese Stelle legt nahe, dass er sich zu dieser Zeit gemeinsam mit seiner Frau Anna, geb. Zehntmeier, in Zürich aufgehalten hat. Im Zürcher Gebiet war ihm (wie auch Sebastian Schertlin) der Aufenthalt durch den Zürcher Rat ausschließlich in offenen Wirtshäusern genehmigt worden. Dies galt jedoch nicht für Stein am Rhein; s. das Ratsprotokoll vom 9. November 1547 (Zürich StA, B II 69, S. 26). - Der Aufenthalt von Schankwitz und seiner Frau in Zürich steht vermutlich mit ihrem Vorhaben in Zusammenhang, sich im Zürcher Gebiet als Hintersassen niederzulassen und ein Haus zu kaufen. In der Tat sollte Anna, geb. Zehnmeier, von Hans Rudolf Lavater das Gut (Weiherhaus) Rohr bei Kloten am 30. März 1548 erwerben; s. Nr. 3118,16-19; Stucki 14 mit Anm. 6 und 8. 227 mit Anm. 6.
38 Gerede; s. SI IX 1448.
39 nur.
40 tüchtiger.
41 Unbekannt.
42 Maximilian von Egmont, Graf von Büren.
43 Bediensteten. -Unbekannt.
44 Unbekannt.
45 irgendwo; s. SI IV 809.
46 Ermatingen im Thurgau.
47 Südwestlicher Teil des Bodensees, der aus drei Teilen besteht: dem Zeller-, Gnaden- und
Rheinsee.
48 allen bschaid: ausführliche Auskunft.
49 Den Tiergarten bei Öhningen ließ sich der verschwenderische Bischof von Konstanz, Johann von Weeze, anlegen. Am 2. November 1547 hatte Blarer brieflich berichtet, dass Weeze im Sommer Holz im Wert von 1,000 oder 2'000 Gulden für den Tiergarten erworben hatte, vermutete aber dahinter kaiserliche Pläne, eine Brücke über den Rhein zu errichten. Diese hätte für einen Krieg gegen die Eidgenossenschaft genutzt werden können; s. HBBW XX, Nr. 3066,42-54. - Unter Weezes Nachfolger Christoph Metzler wurde die Anlage aufgrund der hohen Kosten auf Geheiß des Domkapitels abgerissen; s. Konstantin Maier, Das Domkapitel von Konstanz und seine Wahlkapitulationen. Ein Beitrag zur Geschichte von Hochstift und Diözese in der Neuzeit, Stuttgart 1990, S 62. 78. 83.
50 das or uff ein andere seyten henckind: Gemeint ist hier vermutlich: die Ohren hängen lassen (im Sinne von: den Mut verlieren); vgl. Wander III 1132, Nr. 200. - Schon ab August 1547 kursierten immer wieder Meldungen, Karl V., Papst Paul III. und König Heinrich II. von Frankreich trachteten gezielt nach der Spaltung der Eidgenossen; s. HBBW XX, Nr. 2993,[3] mit Anm. 4; Nr. 3062,[5]; Nr. 3065,53-65; Nr. 3076,[8]; Nr. 3083,2-9.


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mitt den ewern wol bevolchen hie und dört. Welk ouch als liebs und guts von mir und den mynen sagen. Datum den 18. jenners 1548. A. Bl., e[wer]g[etrewer] 1[ieber]b[ruder].

Das ehvolckle 51 ist noch nitt by mir gewessen.

[Adresse darunter:] Praestantissimo viro d. Heinricho Bullingero, venerando suo longeque omnium charissimo fratri. 52