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Autograph: Zürich StA, E II 357a, 814f (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW TI 668f, Nr. 1488
[J]Blarer hat sich über Bullingers Brief [nicht erhalten]sehr gefreut, und besonders über das
freundliche Angebot, ihn, und den Seinen [Zuflucht zu gewähren]. Blarer bietet ihm Gleiches
an. -[2] Dass die Zürcher über die Aussöhnung der Konstanzer mit Kaiser Karl V. ebenso
bestürzt sind wie die Konstanzer selbst, glaubt man gerne. Leider konnte man nichts anderes
tun. Es ist nämlich den Konstanzern nicht möglich, sich mit 10'000 Mann den 20'000 MannBriefe_Vol_20-635 arpa
des Kaisers zu widersetzen. Damit würde Gott nur auf die Probe gestellt! Dieser schenke den
Konstanzern die Kraft, bis in den Tod standhaft zu bleiben, falls Forderungen an sie gestellt
würden, die gegen ihn und ihr Gewissen verstießen! Gott sei Dank, die Mehrheit der Bevölkerung
teilt immer noch diese Auffassung. Und müssten die Konstanzer Schaden an den irdischen
Gütern nehmen, hätten sie es ja verdient. Wenn man nur bei [Gott und seinem Wort]
bleibe! Er allein weiß, ob die Zusagen, die man den Konstanzern machen wird, auch tatsächlich
gehalten werden. Und vielleicht wird er sich bald gnädig erweisen und diesem Elend ein
Ende machen. Die Zürcher sollen für Konstanz beten. - [3] Die Konstanzer haben die Betroffenheit
der Zürcher sehr wohl gespürt. Gott Zebaoth möge diese vor einem ähnlichen
Unglück bewahren! Angesichts der überall herrschenden Verschlagenheit ist Vorsicht geboten!
Gott wird die Klugheit dieser Welt mit der Torheit [seines Evangeliums]zunichtemachen. Das
hat er schon öfters getan. Er erfülle die Seinen mit Liebe und Gehorsam, damit sie die Weit
bezwingen mögen. Sein Wille geschehe! Mögen seine Kinder bis in alle Ewigkeit die Seinen
bleiben! Amen. -[4]Größe von Blarers Bruder Thomas und vom Vetter Konrad Zwick. Diese
und besonders auch Blarers Frau [Katharina, geb. Ryff] bitten uni Bullingers Gebete. Bullingers
Gattin [Anna, geb. Adlischwyler], deren Kinder und die anderen Angehörigen seien
herzlich gegrüßt. -[5]Blarer wird Bullingers Brief an Sabina Schöner [nicht erhalten] durch
Georg Frölich übermitteln lassen. Beiliegend ein Schreiben für Johannes Hailer, das Blarer in
der Eile seinem letzten Brief [Nr. 3059]beizufügen vergaß. Grüße an Haller, über den aus
Augsburg sehr viel Gutes berichtet wird! -[6] Laut einem aus Nürnberg an Thomas Buchmann
gerichteten Brief soll der Kaiser sich für einen neuen Feldzug vorbereiten und Hauptleute
anwerben. Man hält einen Angriff auf die Eidgenossenschaft für wahrscheinlich. So hört
man es auch von anderswo, u.a. von einem weitgereisten Mann [...] aus Isny, der durch
Konstanz kam. Ein Thurgauer [...] erzählte letztens, dass der Konstanzer Bischof Johann von
Weeze im letzten Sommer Bretter im Wert von 1'000 oder 2'000 Gulden für seinen Tiergarten
in Öhningen gekauft habe. Man glaubt aber, dass die Bretter für eine Brücke über den Rhein
bestimmt sind. Dies zu Bullingers Information. In diesen Zeiten voller Lug und Trug kommt es
immer wieder zu unerfreulichen Äußerungen und Vermutungen; was zur Vorsicht mahnt.
-[7] Frölich ist noch in Konstanz und wartet auf die Ankunft seines Dieners [...] aus Augsburg,
um die Verhandlungen mit Sebastian Schertlin beenden zu können. -[8]Gestern kam ein
Brief aus Augsburg. Darin stand nur, dass es gefährlich sei, Briefe zu schreiben, und die
Seuche immer mehr Opfer fordere. Fast alle Reichen fliehen aus der Stadt. Leonhart Stöcklin,
bei dem der alte Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen untergebracht ist, hat sich mit seiner
Frau [Apollonia, geb. Wägelin] und seinen Kindern nach Memmingen geflüchtet und sein
Haus dein Kurfürsten gänzlich überlassen. Der Reichstag wird wohl kaum in Augsburg beendet
werden. Vielleicht wird sich der Kaiser damit begnügen, das Konzil von Trient einzufädeln,
alle zum Gehorsam zu verpflichten, und so seine Ansprüche durchsetzen. Dem Herrn
sei alles befohlen! Dieser kann auf verschiedene Weise den [bis jetzt herrschenden erträglichen]
Zustand hinausziehen. - [9] Das Trienter Konzil stellt die größte Bedrohung für die
deutschen Kirchen dar, denn von dort sind keine gerechten Beschlüsse zugunsten der Wahrheit
zu erwarten, zumal diese von ignoranten und den [Protestanten]gegenüber schon seit Langem
voreingenommenen Menschen verabschiedet werden. Der Herr richte und verteidige selbst
seine Sache! - [10] [P.S.:] Blarer hat den Eindruck, dass Zwick gerne mit rechtschaffenen
Ratsherren der [eidgenössischen protestantischen] Städte über seine Kriegsmaschine (die nur
im Notfall zum Einsatz kommen sollte) verhandeln würde.
||814v.2 Alles guts durch Christum und gott! Ewers fruntlichen, brüderlichen
schreibens 3 sag ich euch möglichen danck 4 , dann 5 es mich, wie billich 6 ,Briefe_Vol_20-636 arpa
hertzlich fröwt, sonderlich ewer christlich empieten gegen mir und den meinen.
Ich wellt ouch warlich, wa 7 es die fäll zutrügend, dergleichen gegen
euch ouch thain 8 , sollt ir mir gentzlich und aller ding trauwen. 9
Das euch alls 10 laid ist, das wir des k[aisers]11 gnad suchen müssend, truwen 12 wir ouch gantz wol. Aber wie hat man im 13 können anders thain? Non potuimus cum 10'000 millibus 14 occurrere illi, qui cum 20'000 millibus venit. Es möchte in ain gottes versuchung gedeut werden. 15 Der geb allain gnad, wann man unß etwas unzimlichs wider gott und unser seelen zumuten wirt, das wir allsdann bestendig blybind und eh darob zu trümmern gangind - wie dann nochmals 16 der mehrtail, gott seye lob, gesinnet ist. Müsend wir sonst etwas zytlichs schaden 17 lyden, so habend wirs ja ouch wol beschuldt 18 . Möchten wir allain by dem rechten hoptgüt 19 belyben, hettend wirs nitt ubel geschaffet 20 . Was man uns halten werde, 21 das waist der lieb gott. Der wirt vyllicht bald ain gnedigs benügen haben 22 und ain end daran machen. Amen. Ach, bittend ymmer und beharrlich für unß, damitt wir by gott und in seinem schutz erhalten und nitt in zu schwäre versuchung ine gefurt werden. 23
Der ewern mittlyden 24 habend wir wol vernommen. Der herr gott Zebaoth 25 well euch vor sölichem und dessgleychen gnedigklich bewaren. Dann 26 warlich, menschlich rechnungen 27 haben in solichen fallen weyt zu gedencken 28 by sölicher grosser geschwyndygkait 29 unnd untrüw, deren die gantz wellt voll ist. Aber der lieb gott, so wir den recht für die ougen bildetend 30 , wurd aller wellt klughait mitt seiner torhait 31 gar bald zu schand und nichten
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machen, wie ers dann yewellten her 32 offt an den seinen gwaltiklich 33 bewysen und erzögt hat. Er gäbe uns hertzen, die inn forchtind und liebind, sich seines willens zum besten flyssind, sich im ergebind und zu seiner gehorsame gelassen 34 standind. Allsdann wellend wir wol aller diser wellt ze starck sein. 35 Er machs aber mitt unß, wie er well. Hie in diser nichtigen zeyt und hinfelligen 36 leben lasse er uns nun 37 die seinen sein ewigklich! Amen.
Die meinen all, min l[ieber] br[uder]38 und vetter 39 , empietend euch all vyl, vyl güts und grütz. Begerend ewers getruwen furpitts, sonderlich ouch mein liebe hausfrauw 40 . Wellt ewer lieben hausfrauwen 41 , kinden 42 und allen lieb verwandten vonn mir alle christeliche truw und lieb mitt allem gutem sagen.
Ewer schreiben an die Schönerin 43 zu Augspurg schick ich ir bym 44 Laet[o]a45 . Hiemitt ain brieff an unsern Hallerum. Sollt ich nechermal 46 geschickt haben. Byn ich gar uberylt worden, das ich vergessen hab. Weht in 47 von mir ouch gantz fruntlich grützen. Man schribt mir so vyl gutz von imm usß Augspurg, das es mich hertzlich fröwt, etc.
Es ist unserm Thoman Buchmann 48 von Nürnberg her geschriben, das der kaiser neuw hoptleut b annemm und sich schicke zu ainem newen Zug, und welle man achten, das etwas fürnemmens seye wider die Aidgnossen. 49 Allso sagt man ouch und schribt anderschwo her. Und hats ain guter mann 50 diß tag, der weyt wandelt 51 und von Ysne ist, ouch hie gesagt, es werde nunmehr den Aidgnossen gelten. So 52 hat ain güter Turgöwer 53 diß tag hie gesagt, wie unser bischoff 54 für ain tausend guldin oder zway britter 55 koufft hab disen summer her zu seinem tiergarten zu Öningen 56 , Das habe ain böß ansechen,
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dann es werde darnach gemachet und allso gefügt 57 , das man damitt uber Ryn 58 brucken 59 möge! Das zög ich euch nun allso an, dann was für mich kompt euch betreffend, will ich nitt verhalten 60 . Es bringt etwan 61 schlechte red und anzögung ain grosß nachgedencken 62 in disen löffen 63 , die voller gschwyndigkait, arglyst und verräterey ist.
Laetus ist noch hie. Wartet all stund seines dieners 64 von Augspurg, damitt er endtlich mitt dem Schertlin schliessen 65 könde.
Von Augspurg hab ich gestert schreiben empfangen 66 , aber gar nichts sonders, dann 67 das man schreibt, es seye ze schryben nitt sicher, und das der sterbet ye mehr und mehr einbrech. Die reychen fliechind vast all hinausß. Des alten churfürsten 68 wirt 69 , Lenhart Stöcklin, ist mitt weyb 70 und kinden 71 gen Memmingen geflochen. Hat dem churfursten das hauß gantz und gar gelassen. Man acht nitt, das man zu Augspurg den reychstag enden möge. 72 Wirt vyllicht dem kaiser gnug sein, das er uff diß mal das concilium 73 infedme 74 und von mengklichem 75 gehorsame erfordere und allso ansprach stiche und finde 76 , wa 77 er sy 78 gern haben will, wiewol der lieb gott wol allerlay zu erstreckung 79 des frydens der seinen einströwen kan. Dem seye es alles haimgestellt!
Ego video nullicunde maius periculum impendere Germanic ecclesiis quam ex isto concilio, ubi nec persona iudicis nec iudicii forma talis sperari potest, ut hinc veritas eruatur, quandoquidem in suffragium ibunt indocti et inimicissimi nostrae caussae, quique suis praeiudiciis iamdudum, quae nos ex Christi spiritu sentimus, condemnarunt. Sed dominus ipse suam caussam iudicabit ac fortiter defendet. 80 In eo, mi suavissime frater, aeternum vale.
Constantiae, 2. novembris.
T[uus] A. Bl. Hochstift und Diözese in der Neuzeit,
Stuttgart 1990, S. 62. 78. 83. 57 darnach gemachet und allso gefügt: entsprechend
verarbeitet und zugeschnitten. 58 Rhein. 59 eine Brücke schlagen. 60 verschweigen. 61 immer wieder; vgl. Fischer II 892. 62 Aufhorchen. 63 Zeitläuften. 64 Unbekannt. 65 (die Verhandlungen) abschließen. - Frölich
konnte damals den am 31. Oktober
von der Augsburger Obrigkeit verfassten
Brief (s. dazu Nr. 3055, Anm. 2) noch
nicht erhalten haben. 66 Nicht in Blarer BW erhalten. 67 als. 68 Johann Friedrich von Sachsen. 70 Apollonia, geb. Wägelin; s. Augsburger
Eliten 818. 71 Zu deren Namen s. ebd. 73 Das Konzil von Trient. - Vgl. auch Nr.
3055,9-11. 74 einfädle. 75 jedem. 76 ansprach suche und finde: Anspruch erhebe
und Recht bekomme. 77 wo. 78 es. 79 Verlängerung. - Zu verstehen: obwohl
Gott den [bislang von den Protestanten
geflossenen] Frieden zu verlängern vermag. 80 Vgl. 1Sam 24, 16.
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Meines v[etters] C[onrad] Z[wick] halber kan ich nitt anderst mercken
[Adresse auf der Rückseite:]c Meinem fürgeliep[ten herrn]d und bruder m. Hai[nrichen] Bullinger, prediger z[ü Zürich].