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Autograph: Zürich StA, E II 351, 57 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 660f, Nr. 1566
[1] Vadian bittet um Entschuldigung, Bullingers Schrift "Contra scandala ex bello infeliciter
gesto oborta Apologia"1 so lange behalten zu haben. Sie wurde den Pfarrern vorgelesen und
dann einigen davon und auch Freunden geliehen, die sie mit Wonne und Gewinn lasen. Unter
den Gelehrten ist es selten, dass diese bedeutsamen Themen auf volksfreundliche Weise zubBriefe_Vol_20-600 arpa
gänglich gemacht werden. Die Schrift sollte von vielen gelesen werden! -[2] Hiermit übersendet
Vadian eine [lateinische] "Mandatorum epitome"[Kurzfassung] des englischen Reformationsdekrets
2 . Es dürfte für Bullinger interessant sein, auch wenn [bei der Übersetzung]
einiges ausgelassen worden zu sein scheint, 3 wie zum Beispiel die Frage, ob [der englische
König Eduard VI.] die Beibehaltung der in England gebräuchlichen Riten [aus der Zeit von
Heinrich VIII.] beschlossen hat oder nicht. Vielleicht sind die Engländer der Meinung, man
solle diesbezüglich nichts beschließen oder verändern, ohne zuvor die anderen Kirchen zu
Rate zu ziehen. Doch es könnte auch sein, dass der Bearbeiter der "Epitome"einiges [aus der
englischen Fassung des Dekrets]ausgelassen hat. 4 Feststeht, dass man Erasmus von Rotterdam
sehr zu schätzen scheint. 5 Wenn Bullinger die "Epitome" schon von anderswo erhaltenBriefe_Vol_20-601 arpa
hat, soll er sie zurückschicken, sonst darf er sie auch länger behalten, doch soll er sie irgendwann
zurückgeben. - [3] Aus Augsburg erfährt man, dass auf dein Reichstag noch nichts
beschlossen, wurde. Die Kurfürsten nehmen Anstoß daran, dass Johann Friedrich von Sachsen
noch immer gefangen gehalten wird. Sie erlauben Kaiser Karl V. auch nicht, jemanden ohne
ihre Zustimmung von seinem Stand zu degradieren, zumal sie ihn ja gewählt haben und nicht
er sie. Es heißt auch, dass das Vorhaben der Spanier, den [Schwäbischen]Bund 6 wieder zu
errichten, so viel Unmut und Misstrauen erregt, dass dieser wohl kaum zustande kommen wird.
Der Kaiser möchte sich gerne ganz Deutschland unterjochen. Doch gibt es Menschen, die sich
dagegen wehren und von deren Standhaftigkeit viele Gutes erwarten. - [4]Bullinger wird
wohl von der Niederlage und schändlichen Flucht der Schotten in der Schlacht gegen die
englischen Truppen gehört haben. 7 Die Augsburger schreiben, dass 15'000 Schotten gefallen
sind. Die sechs[tausend] Übriggebliebenen trauern den Gefallenen nach und bestätigen ,ferner,
dass 2'000 Mann gefangen genommen wurden. 8 Verantwortlich für dieses Unheil soll
Papst Paul III. sein. Er soll durch seinen Kardinal Reginald Pole 9 dieses Blutbad verursacht
haben, indem dieser ihnen zuvor einen sicheren Sieg versprach. Ähnliches erfuhren ja auch die
Eidgenossen mit Bischof Matthäus Schiner von Sitten, 10 als sie bei Mailand von den Franzosen
niedergemetzelt wurden. So missbrauchen in der Regel die päpstlichen Priester die Verehrung,
die man ihnen entgegenbringt! Ihre brüderliche Liebe besteht darin, jeglichen Frieden unter
den Fürsten mit allen möglichen Mitteln zu zerstören! -[5]Angeblich wurden Hauptmann
Hans Schnabel von Schönstem 11 aus Bregenz zum Oberst über 6'000 Mann (die für das
Piemont bestimmt sind) und Gian Giacomo de' Medici, Kastellan von Musso, zum Befehlshaber
über einige tausend Reiter ernannt. Beide sollen schon die Alpen überquert haben.
-[6] Man wird wohl noch erleben müssen, wie der Kaiser die Eidgenossen angreifen wird,
wenn diese dem Herzog Karl III. von Savoyen nicht seine Gebiete und Städte 12 zurückerstatten.
Dieser Zwist wird bald die ganze Eidgenossenschaft in einen Krieg stürzen. Deshalb gilt es,
nicht durch innere Zwistigkeiten zu Fall zu kommen! Denn gerade dies beabsichtigen die
Feinde, um sich dann des ganzen Landes bemächtigen zu können. Doch genug davon.
-[7]Gruß. in Eile.