Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2975]

Joachim Vadian
an Bullinger St. Gallen,
1. August 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 36 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 636-638, Nr. 1549

[J] Wie immer hat sich Vadian liber Bullingers Schreiben [nicht erhalten]gefreut, vor allem, weil es so ausführlich war. Er ärgert sich nur darüber, class Bullinger das Bedürfnis empfand, sich für seine Offenheit entschuldigen zu müssen, als wäre diese bis jetzt nicht gut angekommen. Es ist ja wohlbekannt, wie leicht auch bedeutsame Menschen verzweifeln können. Wie alle anderen bedürfen auch sie der Ermahnung und des Trostes, um einen. Rückschlag desto besser ertragen und sich umso schneller davon erholen zu können! - [2] Und gewiss hätte Vadian Bullingers Ermahnung gut aufgenommen, hätte er eine solche nötig gehabt. Doch dein ist nicht so. 1 Er schrieb lange nicht mehr, uni Bullinger nicht von seiner schweren Erkrankung 2 berichten zu müssen. Künftig braucht also Bullinger nicht so zu tun, als wäre Vadian schnell beleidigt und undankbar für seine Besorgnis! -[3] Nun zur Sache. Er hat den für Johannes

f-f Mit einer anderen (feineren) Feder und von Cousins eigener Hand geschrieben.
17 Vermutlich hatte Konrad Gessner Cousin ein Exemplar seiner Bibliotheca universalis als Geschenk zukommen lassen; vgl. nämlich HBBW XVI 263,21-23.
18 Kaspar Megander war bereits am 17. August 1545 gestorben; s. HBBW XV 481.
19 Gemeint sind Hebräisch, Griechisch und Lateinisch.
20 Johann Jakob Ammann.
21 Sigismund Gelenius, Editor und Korrektor bei Froben in Basel.
22 Offensichtlich wagte es Cousin nicht, mit seinem Namen zu unterschreiben; vgl. nämlich das in oben Z. 12f. 16f Gesagte.
1 Vgl. schon Nr. 2946,[3].
2 Vgl. Nr. 2946,[2].


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Haller bestimmten Brief 3 einem vertrauenswürdigen Boten [...]übergeben und hofft, dass der Empfänger ihn schon erhalten hat. -[4] Kaiser Karl V. traf in Begleitung von Bischof Otto Truchsess von Waidburg und anderen namhaften Fürsten etwa am 23. Juli in Augsburg ein. 4 Er drängt darauf dass der Reichstag am 1. September eroffnet werde. 5 verspricht er eine unbescholtene Justiz, gegenseitigen Beistand und ewigen Frieden. Kein Wort aber zur Religionsfrage! Stattdessen betont er sehr seinen Sieg über den Verrat 6 , während er ihn ja ausgerechnet durch Verrätereien erlangt hat (viele kluge Menschen hegen keinen Zweifel daran)! Man kennt ja seine Fähigkeit zu täuschen! Man fürchtet, dass das Ganze auf die Einrichtung einer Monarchie hinzielt. Zwar schreiben manche aus Augsburg, dass das Verhältnis zwischen Papst Paul III. und dem Kaiser von Rivalität geprägt sei, 7 doch Vadian ist überzeugt, dass sie nur oberflächlich ist. Es gibt mehrere Grunde für Vadians Ansicht, ganz besonders folgende: Der Papst hat doch in Übereinstimmung mit dein Kaiser und dem französischen König [damals noch Franz I.] Kardinal Reginald Pole (vorwiegend zur [Bekämpfung] des Evangeliums) nach Schottland entsandt, 8 mn dadurch dem englischen König Eduard VI. Schwierigkeiten zu bereiten. Feststeht auch, dass die Unterdrückung der Böhmen durch den Kaiser 9 auf Anregung des Papstes erfolgt ist, und zwar, um deren Glauben (der zum Teil nicht mit dem papistischen Unsinn übereinstimmt) auszurotten. - [5] Martin Frechts Frau [10]10 wurde von der Pest dahingerafft. Es ist für alle offenbar, dass Frecht nur schwer damit zurechtkommt. - [6]Gruß. Bald wieder mehr. - [7] [P.S.:] Gleich nach seiner Ankunft in Augsburg entließ der Kaiser die Garnison, die er früher dorthin entsandt hatte. 11 Es ist unklar, warum. Manche schließen daraus, dass er alles wie ein Vater auf milde Weise regeln werde; andere meinen hingegen, dass dies nur eine Täuschung sei, damit man auf Schlimmeres nicht gefasst sei! Vadian denkt, dass die Beurlaubung erfolgte, um mehr Unterkünfte für die vielen Besucher des kommenden vielversprechenden 12 Reichstags zu schaffen. -[8] Gestern erhielt der Rat von St. Gallen eine offizielle Einladung dazu. Aber es ist bereits beschlossene Sache,
3 Bullingers Brief Nr. 2958 vom 20. Juli; vgl. nämlich Nr. 2969,8f. - Der Brief an Haller vom 28. Juli (Nr. 2969) kann hier nicht gemeint sein, da Vadian der Meinung ist, dass Haller den Brief bereits empfangen haben könnte.
4 Der Kaiser traf am 23. Juli (s. Nr. 2970,23-48), der Bischof schon am 18. Juli (Nr. 2970,171) ein. Allerdings war auch Letzterer am Einzug des Kaisers beteiligt.
5 Siehe dazu Nr. 2952, Anm. 6.
6 Des Landgrafen Philipp von Hessen und des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen.
7 Im Vordergrund stand vor allem die strittige Frage, wer in Religionsangelegenheiten die Entscheidungsbefugnis hat und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen darf. Es konnte dem Papst nicht gefallen, dass Karl V. sich diesbezüglich immer wieder Vorrechte herausnahm. Deshalb wurde auch der Tagungsort des Konzils von Trient (Reichsterritorium) nach Bologna (Teil des Kirchenstaats) verlegt; s. dazu Nr. 2908, Anm. 7.
8 Ein falsches Gerücht; s. schon HBBW XIX 425f. und Anm. 30; 428 und Anm. 23; und Thomas F. Mayer, Reginald Pole. Prince and Prophet, Cambridge 2000, S. 163. 167. Es ist auf ein bereits im März 1547 kursierendes falsches Gerücht zurückzuführen, laut dem Pole zum Kardinallegaten von Schottland in der Absicht, England zu rekatholisieren, ernannt worden sei; ein Gerücht, das Vadian kurz zuvor von Simon Sulzer erfahren hatte; s. Venetianische Depeschen II 203; Calendar of State Papers, Foreign Series, of the Reign of Edward VI., 1547-1553, hg. y. William B. Turnbull, London 1861, S. 329, Nr. 111; Vadian BW VI 634; Pastor V 690f.
9 Siehe dazu Nr. 2935, Anm. 33.
10 Unbekannt. -Angesichts der 130 km, die Ulm (wo Frecht wohnte) und St. Gallen trennen, wird deren Todesdatum schon vor dem 31. Juli 1547 anzusetzen sein. Dementsprechend ist MBW-Reg XII 88 zu berichtigen. 11 Vgl. Nr. 2966,24f.
12 Ironisch gemeint.


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dass die St. Galler den Reichstag wie bis anhin nicht beschicken werden. Vadian erkundigte sich beim [kaiserlichen] Boten [...], ob er für Abt Dietheim Blarer von Wartensee auch eine Einladung mitgebracht habe. Der Bote sagte, dass die entsprechende Einladung an den Konstanzer Bischof Johann von Weeze geschickt wurde, der als Beauftragter des Kaisers für diese Übermittlung sorgen werde. Ihm sei aufgetragen worden, die Einladung an die Städte [der Eidgenossenschaft] zu überbringen. Deshalb begehe er sich nun nach Schaffhausen. Diplomatische Vorgehensweisen werden also erpresserischen vorgezogen! 13 -[9]Bullinger sei erneut gegrüßt und bleibe Vadian gewogen.