Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2946]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
8. Juli 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 50 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 630f, Nr. 1543

[1] Gestern Abend suchte der [Überbringer], der Böhme Wenzeslaus Fronta 1 , Vadian auf: Er gab an, von Padua über den Gotthard-Pass 2 zunächst nach Feldkirch und dann über den Rhein nach St. Gallen gereist zu sein, weil er ihn persönlich kennenlernen und für seine

b-b Dieser Satz wurde anhand des Geheimalphabets verfasst; s. dazu HBBW XVII 12; Reinhard Bodenmann, Alexandra Kess und Judith Steiniger, Eine noch unbekannte Geheimschrift in der Korrespondenz zwischen Ambrosius Blarer und Heinrich Bullinger (1546-1553), in: ARG CIX, 2018, 413-427.
Beschluss befugt war. Die Angelegenheit wurde zwischen den Eidgenossen und den Gesandten der entsprechenden Städte an der oben in Anm. 12 erwähnten Tagsatzung besprochen; s. EA IV/1d 828f. 833 o und q. Siehe ferner Nr. 2954,14-17; Nr. 2984,26-43.
32 jemand.
33 Joachim Mötteli vom Rappenstein, Vogtherr zu Pfyn (Thurgau), ein Gegner der Reformation. - Seit 1545 lief wegen seiner despotischen Regierungsweise ein Verfahren gegen ihn. An der schon erwähnten Tagsatzung wurde sein Fall erneut behandelt; s. EA IV/1d 830 y; HBBW VI 34, Anm. 5 (mit weiterer Lit.); Nr. 3088, Anm. 28.
24 Überbringer des vorliegenden Schreibens war John Butler; s. oben Z. 20f.
1 Vaclav Franta (auch: Wen(t)zeslaus oder Wenzel Frento bzw. Fronto - Vadian benutzt letztere Form), gest. 1581. 1579 bis 1581 Weihbischof in Prag. Er war gebürtig aus Pilsen (Plzeñ, Böhmen) und ließ sich an der Universität Wien während des Semesters von April bis Oktober 1544 immatrikulieren; s. M-Wien III 73; Karoli Schrauf Magyarországi tanulók külföldön, Bd. 4: A Bécsi egyetem magyar nemzetének anyakönyve [453-tó] 1630ig, Budapest 1902, S. 286. Im Sommersemester 1548 schrieb er sich an der Universität Leipzig ein ("Wenzelaus Fronto Pilsnensis"); s. M-Leipzig I 673. Dort wurde er im Sommer 1549 Baccalaureus (s. M-Leipzig II 707) und im Wintersemester 1549 Magister (s. ebd., 710). 1564 Dekan des Kapitels in Alt-Bunzlau (Stará


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Weiterreise zu Geld gelangen wollte. 3 Er möchte auch Zürich besuchen. Daher bat er Vadian um das vorliegende Empfehlungsschreiben, eine Bitte, der Vadian umso leichter nachkam, als er Studierenden gerne behilflich ist, auch wenn er schon öfters betrogen wurde. Aber Franta scheint intelligent, redegewandt und angenehm im Umgang. Außerdem sieht er nicht betrügerisch aus, sondern sympathisch, so dass Vadian ihm seinen Beistand nicht verweigern will. Bullinger, sein bester Freund, möge diesem also auch behilflich sein, gemäß den Pflichten, die den Fremden zu erweisen sind. 4 - [2] Vadians Fiebererkrankung 5 ist nichts Neues. Schon fünfmal wurde er davon befallen und musste deswegen zuhause bleiben. Am 1. Juni stieg allerdings das Fieber so sehr an, dass man noch Tage später Angst um ihn hatte und er selbst sich dem Tode nahe fühlte. Aber mithilfe von Arzneien und durch die Gnade Gottes verschwanden Anfang Juli das Fieber und die Magenprobleme, derentwegen er so stark abgenommen hatte. Jetzt kann er wieder Getränke und festere Speisen zu sich nehmen. Es geht ihm jeden Tag besser, und nach fast einem ganzen Monat kann er wieder sein Bürgermeisteramt ausüben. Der Tod hat wohl einen anderen Termin für ihn bestimmt! -[3] Uber Kaiser Karl V. und Ungarn hört man nichts. Die früher so eifrigen Korrespondenten schreiben weniger, um sich nicht bloßzustellen, denn die Gerüchte und Informanten sind derzeit unzuverlässig! Bullinger kann sicher sein, dass Vadian sich nicht von irgendwelchem Unheil niederdrücken lässt, denn er weiß, was die Frommen erwartet, 6 und der bösartige, unverschämte Feind des Glaubens, der mitten unter ihnen lebt, 7 hat sie schon längst hart und dickhäutig gemacht. Dennoch sieht es für die [Protestanten]gut aus, denn ihnen gehört ja das Himmelreich. 8 -[4]Gruß. 9
Boleslav); 1565 Pfarrer an der Kirche St. Peter und Paul in Litten (Liten); 1567 Kanoniker des Prager Domkapitels; 1579 Propst des Kapitels in Alt-Bunzlau. 1571 beschlagnahmte er bei dem böhmischen Humanisten Tomás Mitis calvinische und zwinglianische Bücher. Während der Verhandlungen um die Confessio Bohemica im Jahre 1575 polemisierte er heftig gegen Hussiten und Protestanten; s. Frantisek Ladislav Rieger, Slovnik naucny (Wissenschaftliches Wörterbuch), Teil 12: Ergänzungen und Berichtigungen, Prag 1890, s.v. Franta; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648, hg. y. Erwin Gatz, Berlin 1996, S. 190; Anton Frind, Die Kirchengeschichte Böhmens, Bd. 4: Die Administratorenzeit, Prag 1878, S. 173. - Wir danken Jürgen Steiniger, uns bei den Ermittlungen über Franta geholfen zu haben.
2 Mons Adula; vgl. Dasypodius, Dict. 259r.
3 Indem er sich in St. Gallen, das mit vielen Handelshäusern in Osteuropa in Verbindung stand, einen Schuldschein ausstellen ließ.
4 In Anspielung auf Ex 22, 21; Mt 25, 35.
5 Vgl. auch Vadians Brief an Bullinger vom 19. Dezember 1550, wo er über den Ausbruch eines schweren Katarrhs und einer Schulterentzündung berichtet und dabei schreibt, dass er früher immer nur an Fieber gelitten hätte ("qui antea sous febribus aegrotavi"); s. Vadian BW VI 894, Nr. 1723.
6 Anspielung auf 2Tim 3, 12.
7 Gemeint ist Dietheim Blarer von Wartensee, Abt des Klosters St. Gallen.
8 Mt 5, 11f.
9 Dieser Brief wurde von Vaclav Franta überbracht, der von Zürich weiter nach Basel reiste; s. Henrich, Myconius BW 974, Nr. 1090.