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Autograph: Zürich StA, E II 351, 50 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 630f, Nr. 1543
[1] Gestern Abend suchte der [Überbringer], der Böhme Wenzeslaus Fronta 1 , Vadian auf: Er
gab an, von Padua über den Gotthard-Pass 2 zunächst nach Feldkirch und dann über den
Rhein nach St. Gallen gereist zu sein, weil er ihn persönlich kennenlernen und für seineBriefe_Vol_20-297 arpa
Weiterreise zu Geld gelangen wollte. 3 Er möchte auch Zürich besuchen. Daher bat er Vadian
um das vorliegende Empfehlungsschreiben, eine Bitte, der Vadian umso leichter nachkam, als
er Studierenden gerne behilflich ist, auch wenn er schon öfters betrogen wurde. Aber Franta
scheint intelligent, redegewandt und angenehm im Umgang. Außerdem sieht er nicht betrügerisch
aus, sondern sympathisch, so dass Vadian ihm seinen Beistand nicht verweigern will.
Bullinger, sein bester Freund, möge diesem also auch behilflich sein, gemäß den Pflichten, die
den Fremden zu erweisen sind. 4 - [2] Vadians Fiebererkrankung 5 ist nichts Neues. Schon
fünfmal wurde er davon befallen und musste deswegen zuhause bleiben. Am 1. Juni stieg
allerdings das Fieber so sehr an, dass man noch Tage später Angst um ihn hatte und er selbst
sich dem Tode nahe fühlte. Aber mithilfe von Arzneien und durch die Gnade Gottes verschwanden
Anfang Juli das Fieber und die Magenprobleme, derentwegen er so stark abgenommen
hatte. Jetzt kann er wieder Getränke und festere Speisen zu sich nehmen. Es geht ihm
jeden Tag besser, und nach fast einem ganzen Monat kann er wieder sein Bürgermeisteramt
ausüben. Der Tod hat wohl einen anderen Termin für ihn bestimmt! -[3] Uber Kaiser Karl V.
und Ungarn hört man nichts. Die früher so eifrigen Korrespondenten schreiben weniger, um
sich nicht bloßzustellen, denn die Gerüchte und Informanten sind derzeit unzuverlässig! Bullinger
kann sicher sein, dass Vadian sich nicht von irgendwelchem Unheil niederdrücken lässt,
denn er weiß, was die Frommen erwartet, 6 und der bösartige, unverschämte Feind des Glaubens,
der mitten unter ihnen lebt, 7 hat sie schon längst hart und dickhäutig gemacht. Dennoch
sieht es für die [Protestanten]gut aus, denn ihnen gehört ja das Himmelreich. 8 -[4]Gruß. 9