Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3018]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
20. September 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 54 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 653f, Nr. 1562

[1] Vadian hat seinen vorherigen Brief [Nr. 3012]dem Buchhändler Antonius 1 anvertraut, der ihn wohl zuverlässig überbracht haben wird. Gestern hat Alexius [Knoblauch]2 Vadian dazu angehalten, ihm einen Brief für Bullinger mitzugeben, SO dass die vorliegende Sendung mehr aus Pflicht als aus dringendem Anlass entstanden ist, wobei es ja auch angebracht ist, in diesen schlimmen Zeiten den Freund über die gegenwärtige Lage zu informieren. - [2] Ein guter Bekannter [...] aus Lindau hat einem ehrenhaften Bürger [...] in St. Gallen Nachrichten übermittelt, der Vadian wiederum bat, diese für Bullinger abzuschreiben. Er legt sie hier bei. 3 -[3] Es wird stets behauptet, dass die Spanier alles daransetzen, um im Zuge ihres Erfolges gleichzeitig die Eidgenossen in die Schranken zu weisen. 4 Das scheint umso glaubwürdiger, als Kaiser Karl V. (soweit Vadian es weiß) von den Städten am Bodensee noch immer nichts zugunsten seiner Truppen eingefordert hat, als ob er vorhabe, sie für die Stationierung von Garnisonen zu benutzen und als Wachtposten einzuspannen. Dazu kommt noch, dass die [süddeutsche] Bevölkerung wegen der vielen und großen ihnen von den Eidgenossen aufgezwungenen Schlachten einen seltsamen Hass gegen diese hegt. Wie die Hunde vergessen sie das erduldete Leid nicht. Letztlich weiß auch Bullinger, wie allein schon das Wort "Schweizer" dein Haus Österreich seit Langem verhasst ist! Auch wenn in der Vergangenheit Bündnisse 5 geschlossen wurden und unter dem Deckmantel der Freundschaft alles Mögliche vorgetäuscht wurde, hielt man einander nicht die Treue. Unterdessen verspricht der Kaiser den Eidgenossen seine Freundschaft. Doch ist es bezeichnend, dass Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle, nie eine derartige Zusage gemacht hat. Er wird wohl beschlossen haben, den Ruf seiner Heimat zu verteidigen, 6 die Eidgenossen ihrer teuer erkämpften Freiheit zu berauben und das an so vielen Orten vergossene österreichische Blut zu rächen. - [4] Als verbürgt gilt, dass hochrangige Angehörige des Hofes der Ansicht sind, dass der vom Kaiser errungene Frieden in Deutschland und in Italien keine Zukunft hat, solange nicht auch den Eidgenossen (die sich in ihrer Freiheit so manches erlauben) die Kandare angelegt wird. Alles in allein kann sich Vadian nichts Gutes von derartigen Menschen versprechen! -[5]Gruß.

1 Ein des Öfteren in Johannes Rütiners Diarium und in Vadian BW V und VI belegter Buchbinder und Buchhändler, dessen Familienname unbekannt ist.
2 Ein offizieller Bote von St. Gallen; s. HBBW XIX, Nr. 2817.
3 Bullinger erstellte sich davon eine heute in Zürich ZB, Ms A 43, 41, aufbewahrte Abschrift, die er wie Vadians Brief auf den 20. September datierte. Weiteres dazu in Nr. 3020, Anm. 13.
4 Vgl. dazu auch die in Nr. 3017, Anm. 33, angeführten Stellen.
5 Siehe Nr. 2996, Anm. 2; Nr. 3004, Anm. 24.
6 Granvelle war ein Burgunder. Diese waren in den Schlachten von Grandson, Murten und Nancy (1476-1477) von den Eidgenossen geschlagen worden.