Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Schultheiß und Rat von Winterthur an
die Verordneten der Synode in Zürich
Winterthur,
18. Juni 1534

Original a : Zürich StA, E II 1, 159f (Siegelspur) Ungedruckt

Sie haben das Schreiben der Synode wegen Hans [Landenberg] zur Kenntnis genommen und geben Auskunft über ihn, seine Frau und den zweifelhaften Lebenswandel der beiden, der schon wiederholt zu Tadel Anlaß gab.

Hochgelertenn, wurdigen, fromen, fürsichtigen, wysen, gnädigen, günstigenn,

13 Wilhelm d. Ä., Truchseß von Waldburg, 1469-1557, nach Studien in Tübingen und Pavia und Kriegsdienst in Friesland übernahm er 1505 die Herrschaften von seinem Vater und älteren Bruder. Von 1518 an war er Augsburgischer Landvogt, 1519-1520 für den Schwäbischen Bund und 1521-1525, bis ihm ein Schlaganfall die rechte Hand lähmte, für den Kaiser Statthalter in Württemberg, nachher Obersthofmeister bei König Ferdinand und öfters dessen Kommissär. - Lit.: Joseph Vochezer, Geschichte des fürstlichen Hauses Waldburg in Schwaben, 2. Bd., Kempten 1900, S. 122-290 und Reg.
14 Der älteste der vier Söhne Wilhelms d. Ä., Christoph, wurde 1534 bei Lauffen schwer verwundet, konnte aber noch auf den Asperg fliehen und war spätestens am
21. Juni wieder in des Vaters Herrschaften. Christoph von Waldburg, 1509-1535, hatte in Tübingen bei Reuchlin und in Pavia studiert und 1529 gegen die Türken gekämpft. 1535 zeichnete er sich als Hauptmann im Zug gegen Tunis aus. Auf dem Heimweg erlag er einem Fieber in Mailand. - Lit.: Vochezer, aaO, 291-294 und Reg.
15 gerichtlich verfolgt (SI VII 217f). Vochezer, aaO, teilt dazu nichts mit.
16 Unbekannt.
17 gefangen gelegt (SI III 1174).
a von der Hand des Winterthurer Stadtschreibers Gebhart Hegner.
1 Zur Zusammensetzung der Verordnung s. unten S. 226, 48-53.


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lieben heren. Uch sigenn unser früntlich, underthänig, willig dienst zevor, gnädigen, lieben heren.

Uwer wyßheit verschriben 2 , ir uns her Hansen 3 statschribers halb gethan 4 , haben wir eigenlich 5 verhört 6 , darüff hierüber zu rat schlachen und uns zu erineren, einander zu befragen zusamen gsäsen und also vill erfünden, das uns namlich wüsend des ersten, wie uwer wyßheit dan in uwerem schriben gemeldet, das ernämpter her Hans statschryber und sin husfrow 7 ein unzimlichs, ungeschickts 8 läbenwäsen und ein unerberen, ergerlichen wandell mit cleidüng etc. fuerind. Ist nit on 9 , es ist uns öthwan verschiner jaren und zitten angelangt, wie sy miteinander ein unwäsen mit haderen, zancken unnd schweren 10 tribind, deßwägen oüch der cleidüng halb, so sin fruw tregtt, sy bede unser erichter beschickt, sy darumm gwarnet und gstrafft 11 , oüch gsagt, das sy sölichs söllind abstan. Wie aber sy sölich zancken und schweren glasen, ist uns nit wol künd 12 , dwill wir nit täglich by inen in irem hus sind, so kumpt 13 uns oüch alwäg ein ding zom letsten für 14 . Doch der ungepürlichen kleidung halb, das die sin fruw glasen 15 , ist nit, sonder gatt beckleidet, das uns bedoncken, ir sölichs ze tragen nit zime. Witter des inzüchends 16 der unnützen 17 lüthen, oüch derenhalb, so unserem heligen gluben zewider, und der gastung halb, ist nit minder; die sälbigen gastung halt er öthwan, doch nit mer also vill (siderhär, wie ir hernach hören werden, wir in darumm capittlet 18 und gstrafft haben) alß vornacher, dan

2 Der Brief ließ sich nicht ausfindig machen.
3 In Frage kommt Johannes (Hans) Landenberg (Landenberger), gest. 1536, Sohn des Winterthurer Stadtschreibers Konrad Landenberg. Er ist vermutlich identisch mit dem gleichnamigen Studenten, der sich im Sommersemester 1506 in Basel immatrikulierte (Basel, Matrikel I 281). Seit 1511 ist er als Chorherr in Embrach (Kt. Zürich) nachweisbar, später als Kaplan, Priester und Notar in Winterthur. An der Synode der Stiftsgeistlichen am 19. Mai 1528 erhält Hans Stattschriber von Embrach folgende Zensur: «[Er] lebt mit siner frowen, als huoren und huoben gewont sind, und halt sich fast unerberlich mit irem wandel. Ist kein gottsforcht bi inen Si dreit einen habk [Jagdfalken] uf der hand» (AZürcherRef 1414, S. 622). Ob Landenberg jemals das Amt eines Winterthurer Stadtschreibers innehatte, ist fraglich. Als wahrscheinlicher ist anzunehmen, daß der Amtstitel des Vaters Konrad als Zuname auf den Sohn überging. Für diese Annahme spricht, daß auch ein anderer Sohn Konrads, der Bäretswiler Pfarrer Benedikt Landenberg, «Stadtschreiber» genannt wurde (s. Pfarrerbuch 400; die Hinweise von Herrn Stadtarchivar A. Bütikofer, Winterthur, seien freundlich verdankt). - Lit.: AZürcherRef
889. 1414; Bosshart 71, 40. 328, 29-32. 330, 42; Robert Hoppeler, Das Kollegiatstift St. Peter in Embrach, 1. Teil, Zürich 1921, Njbl. der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, Bd. 29/Heft 1, S. 77.
4 Aufgrund einer schriftlich eingereichten Klage (Zürich StA, E II 1, 161f) mußte sich die Synode am 5. Mai mit der Person Hans Landenbergs befassen. Dieser hatte sich gerechtfertigt und die Anklagen Punkt für Punkt zurückgewiesen (Zürich StA, E II 1, 163f), weshalb eine Verordnung eingesetzt wurde, die bei den Winterthurer Behörden weitere Erkundigungen einzuziehen hatte.
5 genau (SI I 146f).
6 verlesen lassen (SI II 1574).
7 Über Landenbergs Ehefrau ist nichts Näheres bekannt.
8 unschicklich, ungehörig (SI VIII 517f).
9 nicht ohne Grund; es kann nicht geleugnet werden (SI I 261).
10 fluchen (SI IX 2101-2104).
11 getadelt.
12 bekannt (SI III 354).
13-14 kommt ... zu Ohren (SI III 279).
15 daß seine Frau davon abgelassen hätte, ...
16 des Einladens, An-sich-Ziehens.
17 liederlichen, frevelhaften (SI IV 888).
18 ausgescholten, eine Strafpredigt gehalten (SI III 400).


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wir nit verstan, das er siderhär mäller gäben, woll zu den tagurtten 19 die gheptt hab 20 , so sind oüch etlich frömbd, die wir achten, unserem gluben nit vast hold, die zu ziten iren wandel und niderlegy 21 alß 22 mit trincken by im haben. Der groben worthen halb 23 tribt sin fruw öthwan die in der metzg, wie aber die im huß volgand 24 , ist uns nit wüsend, woll zu gedencken, wie sy im offnen wäsen oder stand 25 , darüs sy her Hans gnomen, glärnet, sy das für und für tribe. Des kilchgangs halb ist her Hans der faßnacht här, sid und wir in darumm mit worten gstrafft, nit gar ungflissen gsin, aber sin husfrow b , die selbig kompt ethwan, wan es woll gradt 26 , an eim süntag (wie eine ||160 vom adell bekleidtt) in bredig unnd bald wider daruß 27 unnd am , werchtag gar nitt. Sodan der brechung halb unnserer gepotten mit der gastung, sy an verschiner eschmitwüch gehept, ist also gwäsenn: Alls 28 wir dan die faßnacht und eschmitwuchen zehaltenn guter cristenlicher meinüng abgestellt, sind etlich unnser burger zugfaren 29 , fisch kufft, die in sinem hus zu ymbis gäsen, darin tagurttenn, nachtmall und schlaffthrünck than, in wölichem schlaffthrünck sy miteinander in zerwürffnüß komen, also wit das sy ubereinander zückt 30 und ein kleiner blutrünß 31 beschehenn ist. Söliche fräffler wir für uns gnomen und umm sölichen begangnen fräffel gestrafft, oüch her Hansen denn zu straffen für uns gstellt, nachdem wir in gehört, wir im denn beltz trüwlich sölichs handels, oüch des kilchgangs halb, deßglichenn der gastüng und inzügs deren, so wider unseren helgen gluben sind, oüch aller undingenn halb, gwäschen und gschulet 32 haben.

Sölichs, gnädigen, lieben heren, sind wir von irem wäsen (wie woll villicht mer daran sin, ist uns doch sölichs nit eigenlich wüsend, dwyll ein oberkeitt ein ding alwäg zom lestenn fürkompt 33 ) bericht, dan so uns witter eigenlichs 34 wüsend, würd es uch nit verhaltenn, dan wir je des gesint, so wit unsers vermögen reichenn, schand und laster abzustellen und oüch denen beholffen zu sin, so sölichs gern ußrüten wölten, dartzu uwer ersamen wyßheit wolgefallen und geheiß nach unserem vermögen alwägen nachzukomen und zu volbringen gentzlich geneigt.

Datum donstags vor Albanny anno etc. 1534.

Schultheis und rät zu Winterthur.

b aber sin husfrow wiederholt.
19 Essen und Trinken während des Tages (SI I 494f).
20 eingeladen, zu Gast gehabt habe (SI II 873).
21 Nachtlager, Aufenthalt (SI III 1190).
22 immer (SI I 170).
23 was die groben Worte anbelangt.
24 geschehen (Grimm XII/II 654); gemeint ist: welche unflätigen Worte sie daheim braucht, wissen wir nicht.
25 Elegante Umschreibung der Tatsache, daß die Frau vor ihrer Ehe eine Prostituierte war.
26 wenn es hoch kommt, wenn es gut geht (vgl. SI VI 1608).
27 und geht bald wieder weg.
28 während, obschon (vgl. SI I 199).
29 fortgefahren, haben nicht abgelassen (SI I 901).
30 zur Waffe gegriffen, einander angegriffen (Grimm XVI 287f).
31 Körperverletzung mit fließendem Blut (SI VI 1151f).
32 zurechtgewiesen, getadelt (SI VIII 625).
33 zu Ohren kommt (SI III 279).
34 genaues (SI I 146f).


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[Adresse auf separater S. 166:] Den hochgelerten, wirdigen, fromen, fursichtigen und wysen den verordnaten eines ersamen rats und des gantzen sinodus stat und landts Zürich, unseren gnädigen, lieben herenn.