Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[402]

Verordnete der Zürcher Synode an
Johannes Blum
Zürich,
1. Juli 1534

Abschrift von Heinrich Utinger a : Zürich StA, E II 1, 126-128 (ohne Siegelspur) Ungedruckt

Johannes Blum soll sich nach Winterthur begeben und, im Beisein des Pfarrers [Matthias Hirsgarter] und des Stadtschreibers [Gebhart Hegner], Hans [Landenberg]gemäß anschließender Instruktion zur Besserung seines und seiner Frau Lebenswandel ermahnen.

10 Apg 20, 29.
11 die (ihm anvertrauten) bedrängten, schutzlosen Menschen (vgl. Grimm XIII 1050).
12 abgewiesen (SI II 1384).
13 mehr.
14 Ob der in Zürich nachweisbare Hans Siber, Vertreter der Schuhmachern im Großen Rat und Schwager von Felix Wingarter (s. AZürcherRef 336; Jacob 111), mit dem hier genannten Vetter Rudolf Weingartners identisch ist, bleibt fraglich.
15 Laßt.
a Diakritische Zeichen über Vokalen, die nicht Umlaute oder Diphthonge bezeichnen, sind weggelassen worden.
1 Der Verordnung gehörten an: Konrad Escher, Itelhans Thumysen, Christoph Klauser, Heinrich Bullinger und Leo Jud (s. unten S. 226, 48-53).
2 Johannes Blum (Florus), gest. nach 1560, wurde vom Winterthurer Rat im November


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Dem ersamen, frommen und wolgelerten Floro, dechan des capitels Wintertur, unserem gunstigen, lieben.

Gnad und frid von got etc.

Lieber her und bruder, uch ist noch unvergessen, wie im nechstgehaltnen 3 synodo vil ungeschikter artiklen wider her Hansen Stattschriber ingeleit 4 , sin geschrifftliche verantwurtung 5 dagegen verhört 6 und wir verordnet, der handlung nachzetrachten 7 . Das nun beschehen ist 8 . Hierum were jetzund unser will und meinung, das ir gen Wintertur hinzu kartind 9 , den pfarrer 10 daselbs zu uch nemind und ir bed den stattschriber 11 daselb erbätind, das er zu üch stünde und demnach ir dry nach vermög hie bygelegter instruction handlind, wie wir uch vertruwend.

Hiemitt sind got bevolhen.

Datum Zürich, 1. julii 1534. jar.

Verordnete von den räten

und predicanten vom synodo.

[Instruktion:] Florus, der dechan in Winterturer capitel, Mathias Hirßgarter 12 , pfarrer ze Wintertur, und her stattschryber daselbs söllend her Hansen

1524 in die Pfarrei Wülflingen eingesetzt. Von 1532 bis 1537 war er zugleich Dekan des Winterthurer Kapitels. 1537 wechselte er nach Oberwinterthur, wo er, kurz nach seinem Rücktritt 1560, starb. Von einem Briefwechsel zwischen Blum und Bullinger ist sonst nichts überliefert. - Lit.: Peter Ziegler, Wülflingen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Winterthur 1975. - 305. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, S. 122; Pfarrerbuch 202.
3 in der letzten Synode.
4 vorgebracht, eingereicht (SI III 1184).
5 Rechtfertigung (Grimm XII/I 82).
6 verlesen lassen (SI II 1574).
7 zu bedenken, einen Vorschlag auszuarbeiten.
8 Zur Klage gegen Hans Landenberg (genannt Stattschriber) in der Synode vom 5. Mai 1534, zu dessen Rechtfertigung und zum Briefwechsel der Synodalverordneten mit Schultheiß und Rat von Winterthur s. oben S. 216, Anm. 3 und 4.
9 sich begeben, gehen (SI III 435).
10 Matthias Hirsgarter.
11 Gebhart Hegner.
12 Matthias Hirsgarter, geb. 1486 (s. Blarer BW III 667 und 702) oder 1490 (s. ebd. 671), gest. 1563, wurde als Diakon am St. Peter in Zürich ein früher Anhänger Zwinglis. Im Jahre 1519 nahm er seine Tätigkeit in Winterthur auf, wo er am
10. Januar 1524 heiratete. 1537 wurde er Dekan des Winterthurer Kapitels, nachdem er anscheinend vorher schon als Stellvertreter von Johannes Blum gewirkt hatte (s. Bächtold, Bullinger vor dem Rat 42). 1544 ging er eine zweite Ehe ein (s. Bosshart 102). Hirsgarter war ein schwieriger Charakter. Rechthaberei und eine heftige Wesensart machten offensichtlich den Umgang mit ihm, besonders im höheren Alter, unangenehm. Zu dieser Unverträglichkeit dürfte auch ein schweres Steinleiden, unter dem Hirsgarter litt, beigetragen haben (s. Blarer BW III Reg.). Im Jahr 1559 wurde er als Dekan von Christian Wirth in Neftenbach abgelöst. Es sind zwei Briefe Hirsgarters an Bullinger, der eine davon von Heinrich Lüthi mitunterzeichnet, überliefert. Außerdem liegt ein Brief der beiden an die Examinatoren in Zürich vor. - Lit.: Z IX 217. X 376; Rudolf Pfister, Ambrosius Blarer in der Schweiz, 1548-1564, in: Der Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer 1492-1564. Gedenkschrift zu seinem 400. Todestag, hg. v. Bernd Moeller, Konstanz 1964, S. 208-210. 216f; Hermann Walser, Geschichte der Laurenzen- oder Stadtkirche Winterthur, 2. Teil, Winterthur 1944. - 278. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur 1945, S. 29f; HBLS IV 229; Pfarrerbuch 343.


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Stattschryberen berüffen 13 und dem mitt ernst, nach notturfft zum ruhisten 14 , volgende meinung fürhalten: 127

|| Die verordneten von eim ersamen synodo von räten und burgeren und predicanten habend wenig gefallens und vernügens 15 an siner geschrifftlichen veranwurtung 16 als die sines und insunders siner husfrowen , ungeschikten 17 wäsens halben gruntlich und wol bericht, ab dem sy ouch grossen mißfal tragend. Doch diewil er kurtzlich von eim ersamen rat oder zuchtherren ze Wintertur geschulet 18 , lassend sy es jetzzumal daby blyben des styffen 19 vertruwens, erstgemelter ersamer rat werde ouch ein flyssig ufsähen uff inn haben.

Daby lassend wir imm ernstlich ansagen, das er und sin frow ernstlicher und geflissner zu der kilchen und predigen gangid, das wirten, inzühen 20 der gsellschafften, insunders deren, so unserem waren, heiligen, begründten, christenlichen glouben zewider sind und ubel redend, underlassind, unvergriffen 21 was , ungefarlicher wyß zu eren zun zyten mitt eerenlüten oder gegen armen oder ouch främden redlichen lüten beschäche, das er sich allweg der warheit flisse, lychtferige 23 in worten myde, ouch kleidung halben sich erberlich 24 halte, nit in einem roten schläppli 25 und hurris 26 jüppli 27 dahar fare, insonders aber mitt der frowen rede, das sy inn und nebend der metzge beschnittner 28 und b züchtiger worten sye, kleider trage, die iren gezimmend und schlechts 29 den pracht hinlege, das sy bedi gedenkind, wie sy uss der armen schweiß, uß dem kilchengut lebind 30 da , schlecht 31 min herren die hoffart und den pracht nit getulden wellend. Und ob er und sy sich hieran nit stiessind 32 söllend , sy sich keins anderen nit versehen 33 , dann das man es fürohin nit gestatten wil, dann ein ersame oberkeit je nit gedulden wil, das man also mitt dem kilchen gut prachte 34 .

b und irrtümlich wiederholt.
13 herbeirufen, kommen lassen (SI VI 707f).
14 wenn nötig in aller Strenge, Schärfe.
15 Befriedigung (vgl. SI IV 701).
16 Rechtfertigung (Grimm XII/I 82).
17 unschicklich, ungehörig (SI VIII 517).
18 zurechtgewiesen, getadelt (SI VIII 625). - Zu dieser Zurechtweisung s. oben S. 217, 40-45.
19 festen, beständigen (SI X 1427).
20 an sich locken.
21 unbeschadet, ausgenommen (vgl. SI II 717).
22 immer, überall (Grimm I 241f).
23 Leichtfertigkeit (vgl. SI I 919f).
24 anständig, sittsam (SI I 396).
25 Kopfbedeckung (SI IX 612).
26 hurerischen, unanständigen, Anstoß erregenden (s. SI II 1591).
27 Kleidungsstück für Männer, Kittel (SI III 54).
28 gemäßigter (vgl. SI IX 111 8f), s. auch unbeschnitten: roh, ungeschliffen (ebd. 1120).
29 schlechtweg, unbedingt (SI IX 62f).
30 Als ehemaliges Glied des Stiftes zu Embrach hatte Hans Landenberg sicher noch die Nutzung an einer Chorherrenpfrund bis an sein Lebensende - wie das von der Obrigkeit bei der Aufhebung der Klöster üblicherweise zugestanden worden war. Die Klostergüter - daran wollten die Verordneten hier erinnern - waren aber grundsätzlich Kirchen- und Armengut.
31 durchaus (SI IX 63).
32 belehren, warnen ließen (SI XI 161 1f).
33 gewärtig sein (SI VII 566).
34 prunke, stolziere (SI V 392).


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|| 128 Es sol ouch der decanus und pfarrer ze Wintertur daruf acht haben, und wo nit schynbare 35 besserung volgte, im nechstvolgenden synodo anzeigen, inn betagen 36 , und sol er, her Hans Stattschryber, erschynen, sich ze verantwurten 37 . Söllend je alles in trüwen ußrichten 38 .

Verordnete von dem synodo:

m[eister] Cunrat Äscher,

m[eister] Itelhans Dumysen,

doctor Christoffel Klauser,

Heinrich Bullinger,

Leo Judae.