Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2993]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
17. August 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 39 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 644f, Nr. 1556

[J] Vadian hat die Dokumentensammlung [über die Ereignisse in Prag], die er [mit Nr. 2989] an Bullinger geschickt hatte, [mit Nr. 2992]zurückerhalten. Es ist erfreulich, dass Bullinger bereits von anderen über diese Ereignisse benachrichtigt wurde, zumal derartige Mitteilungen ihm und den Seinen wertvoll sind. Was Vadian aber besonders gefreut hat, ist, dass Bullinger ihm die gleiche Dankbarkeit erwies wie den informanten, die ihm zuvorgekommen, waren! Da milan dem Sprichwort zufolge nie vorsichtig genug sein kann, wird Vadian Bullinger auf dessen Wunsch hin 1 auch weiterhin benachrichtigen. -[2]Die für Ambrosius Blarer bestimmte Sendung Bullingers [nicht erhalten]2 hat Vadian weitergeleitet. Was Bullinger ihm über die Ereignisse in Konstanz und Augsburg mitteilte, 3 wusste er noch nicht. Bullinger kann auf seine Verschwiegenheit zählen. Hier sendet er die beiden Blätter mit Dank zurück. - [3] In St. Gallen sind etliche Gerüchte über ein Bündnis Berns [mit Frankreich]4 in Umlauf Sollte dies stimmen, wird es sich wohl um eine Art Vorbereitung zum Bündnis handeln, das der französische König Heinrich II. derzeit mit den übrigen eidgenössischen Orten zu schließen versucht. Vadian würde den König mit offenen Armen empfangen, wenn dieser sich verpflichtete, auch [den protestantischen Orten] zu Hilfe zu kommen, falls diese wegen ihres Glaubens angegriffen würden. Ohne gegenseitigen Beistand wird weder Frankreich noch die Eidgenossenschaft Kaiser Karl V. standhalten können. Es wäre vorteilhaft, wenn die eidgenössischen Orte nicht separat, sondern zusammen verhandeln und einen gemeinsamen Plan verfolgen würden, um nicht den Eindruck der Uneinigkeit beim Kaiser zu erwecken, der dadurch zu einem frechen Unterfangen gegen sie veranlasst werden könnte. -[4]Grüße. -[5]Vadian hat dem St. Galler Steucheler 6 erlaubt, verkleidet und zusammen mit einem Kollegen [...] nach Zürich zu reiten, um. dort bis zum kommenden Sonntag [21. August]für Belustigung [während

1 Geäußert in Nr. 2992,[5].
2 Vermutlich diejenige, wofür Blarer in Nr. 2995,1-5, danken wird.
3 Mit einem nicht erhaltenen Brief; s. Nr. 2992,[1], wo Bullinger um Rücksendung der Dokumente bat.
4 Die Berner befürchteten damals, dass der siegreiche Kaiser Karl V. seinem Verbündeten, Herzog Karl III. von Savoyen, helfen würde, wieder zu den Territorien zu gelangen, die dieser 1536 (u.a. durch Bern) verloren hatte. Vielleicht bewog dies die Berner, schon damals mit Frankreich zu verhandeln, was allerdings erst für eine spätere Zeit belegt ist; s. Richard Feiler, Geschichte Berns II. Von der Reformation bis zum Bauernkrieg. 1516 bis 1653, Bern 1954, S. 393.
5 Heinrich II. wollte das Soldbündnis mit den Eidgenossen (aus dem Bern 1529
ausgetreten war) erneuern; s. Nr. 2976, Anm. 1.
6 Auch Stücheler oder Steicheler genannt. Ein Spaßmacher aus St. Gallen; s. HBBW V 358, Anm. 15. Zum St. Galler Familiennamen s. SI X 1323 s.v. Stuch(e)ler. Für ihren Einsatz in Zürich erhielten der Spaßmacher und sein Gehilfe 3 bzw. 1 Gulden; s. Zürich StA, B II 69, f. 5, unter dem 24. August. - Steucheler wurde Hauptfigur einer Sage, die angeblich auf ihn selbst zurückging. Laut dieser soll er auf einem von Paracelsus herbeigezauberten Pferd in einer halben Stunde von St. Gallen nach Baden (Kt. Aargau) durch die Lüfte geritten sein; s. Philo [= Bartholomäus Anhorn], Magiologia, das ist christlicher Bericht von dem Aberglauben und Zauberey, Augsburg 1675, 5. 625-627.


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des Schützenfestes]7 zu sorgen. Bullinger soll dies aber für sich behalten, damit die Überraschung gelingt. - [6] Zehn Uhr morgens, nur eine Stunde, nachdem Bullingers Brief [Nr. 2992]eingetroffen ist. 8