Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2556]

Bullinger
an Ambrosius Blarer
Zürich,
29. August 1546

Autograph a : St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 188

(Siegelabdruck)

Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 496, Nr. 1336

Bullinger dankt für den Brief Blarers [Nr. 2546] und freut sich über dessen Genesung. Er hat [Hans] Schöner Blarers Schreiben übermittelt. Den fabulierenden Chirurgen [Jakob Ruf] hat er gerügt. Bürgermeister [Hans Rudolf] Lavater war über ihn auch verärgert, denn nur unter dem Vorwand [einer nötigen Behandlung Blarers]gestattete er Ruf die Abreise nach Konstanz. Er machte sich große Sorgen um Blarer und berichtete sogleich Bullinger von Ruft [geplanter] Abreise. Viele gute Söldner werden [den Schmalkaldenern] nicht wegen des Soldes, sondern um des Evangeliums willen zuziehen. Wenn man nur endlich angreifen würde! Sonst werden die Kosten horrend! Die niederländischen [Truppen unter Maximilian von Egmont] haben bei Bingen den Rhein überquert. [Landgraf Philipp von] Hessen wird außer sich sein! Blarer soll Neuigkeiten über die Niederlande, Groningen, Mechelen, Bayern und Nürnberg mitteilen. Stimmt es, dass Ingolstadt wieder vom Kaiser [Karl V.] eingenommen wurde? Blarer wird wohl [Bullingers] Brief [nicht erhalten] aus St. Gallen bekommen haben. Heute reist [Itelhans]Thumysen [zur Tagsatzung] nach Aarau ab. Bullinger sendet Blarer den Auszug des an Letzteren gerichteten Schreibens von [Georg] Frölich zurück. Er wird diesem auch bald schreiben. Bullinger schenkt Blarer seinen [Lukas]kommentar. Am Vorabend wurde er fertig gedruckt, doch ist noch kein Exemplar [aus den Lagen] zusammengestellt worden. Grüße an [Thomas]Blarer, [Konrad Zwick] und [Jakob] Funcklin.

S. D. Recepi tua 1 , frater incomparabiliter dilecte, ac domino ago gratias, qui te nobis incolumem restituit. 2 Is velit tibi sanitatem esse perpetuam. Schönero 3 , viro optimo, literas tuas dedi. Nugacem chirurgum 4 obiurgavi. Iratus est illi consul 5 , nam hoc praetextu dimissus est. Alioqui retinuisset illum consul Lavaterus. Excruciavit et hunc 6 adversa valetudo tua, ac primus mihi indicavit abitum illius. Sed bene habet, dummodo tu valeas!

Es werdent erst hüpsch 7 , redlich, rych lüt üch zueziehen, vil nitt umb sold, sunder uß liebe gottes worts, demnach ettlich armm umb sold. 8 Wenn man

a Mit Unterstreichungen.
1 Bullinger bezieht sich auf Blarers Brief vom 24. August (Nr. 2546).
2 Zu Blarers Erkrankung s. Nr. 2535,1-3, sowie unten Anm. 4.
3 Hans Schöner. —Blarer hatte seinem letzten Brief an Bullinger ein Schreiben für Schöner beigelegt; s. Nr. 2546,9f.
4 Jakob Ruf. —Zu dessen Reise nach Konstanz, um sich angeblich um den kranken Blarer zu kümmern, s. Nr. 2546,20f. 23— 32.
4 Hans Rudolf Lavater.
6 Lavater.
7 angesehene.
8 Gemeint sind neue Söldner aus der Eidgenossenschaft für die Schmalkaldener; s. dazu u.a. Nr. 2548, Anm. 40; und vgl. Nr. 2555,13-16. — Bullingers Aussage über den von ihnen geforderten Sold erklärt sich angesichts einer früheren Bemerkung Blarers in Nr. 2489,26-30. Bei der Abfassung seines Briefes scheint Bullinger nicht gewusst zu haben, dass der Zürcher Rat den Konstanzer Rat gebeten hatte, die Söldner "nit durch passieren" zu lassen; s. Zürich StA, A 205/1,


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doch nun 9 ettwas thäte! Allmächtiger gott, muß es doch so lang in so unsaglichen kosten gelägen sin? 10 Hilff, hilff!

Die Niderlender 11 sind ze Bingen über Rhyn. Rächnind 12 , wie es Hessen 13 gang 14 ! Gott bessers 15 ! Dem truw ich wol Habend ir neißwas 16 wyter uß dem Niderland 17 , von Gröningen 18 und Mechelen 19 , so lassend michs wüssen, oder habend ir ettwas uß Peyern, so schrybend. O mich und ander belanget seer übel, wie und was! Wie stats umb Nürenberg 20 ? Man sagt, Ingolstatt b sye wi[der]umb vomm keyser 21 ingenommen. 22 Oremus dominum incessanter 23 ! Is solus eripiet nos.

Spero te literas a Sangallo accepisse. 24

Hodie abit Dumysius 25 Aaroviam.

Remitto fragmenta Laeti 26 , cui mox ipse scribam.

Tibi vero dono 9 libros commentariorum 27 . Ist noch keins uußkummen noch gar zamen than, dann nächt 28 ists erst uußtruckt 29 , etc. 30

b Textverlust durch Papierverlust.
Nr. 223 (Rat von Konstanz an den Rat von Zürich, 1. September 1546).
9 nur.
10 Anspielung auf Nr. 2534,92-95.
11 Das niederländische Heer unter Maximilian von Egmont, Graf von Büren, das trotz der Überwachung hessischer Truppen den Rhein überqueren konnte; s. Nr. 2548, Anm. 50; und zuletzt Nr. 2551.5— 11.
12 Bedenkt.
13 Landgraf Philipp von Hessen.
14 geht.
15 bessere es.
16 irgend etwas.
17 Zum geplanten Einfall der Schmalkaldener in die Niederlande s. Nr. 2540,7-11 und Anm. 7.
18 Siehe dazu Nr. 2542,5f.
19 Zur Explosion des Sandtores in Mechelen s. Nr. 2551, Anm. 9.
20 Zur schmalkaldischen Gesandtschaft nach Nürnberg s. Nr. 2541,6-9; Nr. 2542,9-16.
21 Karl V.
22 Aus Ingolstadt haben sich die kaiserlichen spanischen Truppen nie wirklich zurückgezogen; s. Nr. 2537, Anm. 6; Nr. 2548,20-29; Nr. 2558,79f. Der Kaiser hatte aber damals sein Lager in der Nähe
von Ingolstadt aufgeschlagen; s. Nr. 2561,6-9.
23 1Thess 5, 17.
24 Gemeint ist ein an Blarer gerichteter und heute nicht mehr erhaltener Brief Bullingers von ca. 24. August, den dieser Hans Vogler zur Weiterübermittlung aus St. Gallen anvertraut haben wird, zusammen mit seinem Brief Nr. 2544 an Vadian und den nicht mehr erhaltenen Schreiben an Georg Frölich s. (Nr. 2561,46f) und an Johannes Haller (Nr. 2543).
25 Itelhans Thumysen, der als Zürcher Gesandter an die in Aarau abgehaltene Tagsatzung der protestantischen Städte vom 29. August reiste; s. Nr. 2544, Anm. 4.
26 Georg Frölich. — Blarer hatte am 24. August seinem Schreiben an Bullinger einen Auszug eines an ihn gerichteten Briefs Frölichs beigelegt; s. Nr. 2546,33-35.
27 Bullingers Lukaskommentar, s. Nr. 2545, Anm. 2.
28 am Vorabend.
29 fertig gedruckt worden.
30 Offensichtlich erhielt Bullinger vor Absendung des Briefes doch noch ein Exemplar für Blarer, da sich dieser im Brief vom 31. August/1. September dafür bedankte; s. Nr. 2558,60-68.


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Gott mitt üch c ! Tiguri, festinantissime, 29. augusti 9. antemeridiana mox a concione 31 1546. Salutabis fratrem 32 et consobrinum 33 , Funcklium scholarium 34 , etc.

H.B.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem hochgelerten und frommen M. Ambrosyen Blaureren, predicanten zu Constantz, sinem lieben herren. Constantz d .