Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2546]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
24. August 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 192f (ohne Siegel) a Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 493f, Nr. 1334

Die Konstanzer werden Bullingers Mitteilung [nicht erhalten]über die Söldner an die Schmalkaldener weiterleiten, die entsprechende Vorkehrungen treffen werden. Blarer ist dankbar, dass Bullinger sich [Hans]Schöners annimmt. Falls dieser Geld braucht, soll Bullinger es ihm vorstrecken; Blarer wird es zurückzahlen. Ferner übernimmt er gerne die Verpflichtung, die Bullinger gegenüber dem Gastgeber [Itelhans Thumysen?] Schöners eingegangen ist. Was in Schöners Angelegenheit nach Augsburg zu schreiben ist, wird Blarer zu gegebener Zeit mitteilen. Wegen der Unruhen wären zurzeit alle Bemühungen vergebens. Beiliegend ein Brief für Schöner. Die [wegen des Schmalkaldischen Krieges getätigten]Ausgaben sind erträglich, solange der Krieg mit dem Sieg der Wahrheit über die gottlosen Lügner endet! Gut, dass die [Neun Orte]sich etwas nachgiebiger zeigen. Der päpstliche Legat [Girolamo Franco]soll nur [aus der Schweiz]verschwinden! Dieser Abschaum müsste vernichtet werden, aber die meisten

a Mit Schnittspuren.
59,16-25; 164,31-33; 348,40f; XV 31 8,7f; XVI 150,68-82; 191,30-42. Doch zum Schluss war er sich seiner Wahl nicht mehr sicher; s. Nr. 2530,4-15; Nr. 2534,35-48; Nr. 2535,17f und Anm. 9; Nr. 2543,13f.
2 HBBibI I 173; BZD C357; VD16 B4918. — Am 20. August (s. Nr. 2539) teilte Bullinger Vadian mit, dass er die Vorrede schreibe, am 24. (s. Nr. 2544, Anm. 6),
dass er sie innert 4 Tagen geschrieben habe, und vom Werk noch vier Folien zu drucken seien. Am Abend des 28. waren alle Lagen gedruckt; s. Nr. 2556,21f.
3 HBBibI I 174; BZD C385; VD16 B4919.
4 HBBibl I 175; BZD C528; VD16 B4920.
1 Der Brief wurde bereits am 23. August begonnen; vgl. nämlich unten Z. 23f und Anm. 12, mit Nr. 2535, Anm. a.


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begreifen dies erst zu spät, nach angerichtetem Schaden. Wen meint denn Bullinger mit dem Chirurgen? Blarer hat keinen solchen gesehen. Bullinger soll sich erkundigen, was mit seinem diesem Chirurgen anvertrauten Brief [Nr. 2535]geschehen ist. Der Konstanzer Rat erhielt von den Zürchern eine Kopie des vom Kaiser [Karl V. an die Eidgenossen gerichteten]Briefs [vom 1. August]. In diesem Augenblick erscheint der [Zürcher] Chirurg Jakob [Ruf] mit Bullingers Brief. Ruf hat Bullinger etwas vorgespielt, da Blarer ihn wirklich nicht nach Konstanz bestellt hat. Auch hat er gar keinen Arzt mehr nötig, weil er von seiner fast zweimonatigen Erkrankung völlig genesen ist. Bullinger soll sich also keine Sorgen mehr machen und darf Ruf ruhig zur Rede stellen! Blarer übersendet einen am 22. August erhaltenen Brief [Georg]Frölichs an Bullinger [Nr. 2537] sowie einen Auszug aus einem [von Frölich] an ihn gerichteten Schreiben. Daraus wird ersichtlich, dass Frölich nicht mehr so hart über [Hans] Welser urteilt wie früher. Blarer dankt für die Sendung des Glaubensbekenntnisses von [Juan] Diaz mit der Beschreibung von dessen Todeskampf. Der Herr möge doch das Blut seiner [Märtyrer] rächen! Grüße an die Familie und an die Kollegen. Gruße von [Thomas Blarer], [Konrad]Zwick und [Jakob] Funcklin. Von Ruf wird Bullinger alles Übrige erfahren. Der bedrohten Kirche Christi muss gemeinsam geholfen werden! Wenn der Herr sich nicht der [Protestanten]erbarmt, dann ist Deutschland überaus gefährdet!

S. De militibus istis, quorum admonuisti, 2 nostros certiores feci, qui porro, quid opus sit facto, videbunt. Gratiam habemus fidei ac diligentie tui, qui tam strenue ubique advigilas.

Quod Schönerum 3 ita curas, gratum nobis facis. Quod si eguerit aliquando pecunia, rogo, ut illi suppedites; ego tibi rursus, ne dubita, faciam satis. Praeterea fidem tuam, quam hospiti 4 obstrinxisti, quandocunque voles, liberabo. Quid illius causa Augustam scribendum tibi existimem, 5 suo tempore diligenter ad te perscribam. In iis rerum turbis frustra omnia in id genus negociis tentantur. Oro te, ut literas, quas hic homini inscriptas vides, quamprimum illi reddendas cures. Si vacabit, ipse quoque nonnihil scribam.

De sumptibus 6 non sum valde sollicitus. Ducoque hanc iacturam minimam, modo belli successus talis sit, ut dei veritatem ab hominum impiissimorum mendaciis vindicatam videamus.

Valde exhilaravit, quod Helvetii vestri pacatioribus nonnihil animis sunt. 7 Pontificis legatus 8 utinam ita insalutato hospite 9 abierit, ut nunquam rursum salutandus redeat! 10 Conveniebat omnino hanc vanissimorum hominum scabiem

2 In einem nicht erhaltenen Brief Bullingers, der auf Blarers Brief Nr. 2534 antwortete; s. unten Anm. 4 und Anm. 6. — Gemeint sind hier wohl eidgenössische Söldner, die den Schmalkaldenern zuziehen wollten; s. Nr. 2548, Anm. 40, und vgl. Nr. 2556,7f.
3 Hans Schöner; s. Nr. 2534.
4 Aus einem Brief Blarers vom 8. Juni 1548 (Blarer BW II 710, Nr. 1539) geht hervor, dass Schöner eine Zeitlang bei Itelhans Thumysen untergebracht wurde. Ob es sich hier schon um Thumysen handelt, bleibt allerdings offen.
5 Vgl. dazu Nr. 2534,24-26.
6 Die durch den Schmalkaldischen Krieg verursachten Kosten, die Blarer in Nr. 2534,92-95, angesprochen hatte.
7 Siehe dazu Nr. 2540, Anm. 24.
8 Girolamo Franco, der apostolische Nuntius in der Schweiz.
9 insalutato hospite: ohne sich zu verabschieden; s. Kirsch 1514.
10 Die Abgesandten Berns und Zürichs auf den seit dem 9. August abgehaltenen Tag zu Baden forderten die Ausweisung des Nuntius aus der Eidgenossenschaft, weil dieser die Protestanten als noch schlimmer


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et fecem jamdudum explosam esse et extinctam ab omnibus vel mediocriter cordatis. Sed sero, hoc est non nisi magno accepto malo, plerique sapiunt, quibus dominus saniorem largiatur mentem!

Chirurgum 11 nusquam vidi, nec satis intelligo, quemnam chirurgum velis. Vide igitur, cui literas ilias 12 tradideris.

Purgationem istam caesaris 13 vestri 14 nostris 15 miserunt.

Verum ecce, iam chirurgus vester lacobus nobis adest tuas exhibens literas, quibus plane intelligo, quam pulchro tibi imposuerit commento, quum se a me huc vocatum adfirmavit, quum nihil huius in mentem mihi venerit nec opus mihi hac quidem vice ipsius opera fuerit. Ego enim nunc, si unquam antea, rectissime, deo gratia, valeo sumque valetudine prorsus confirmata, quod ad illud etiam malum attinet, quod, ut stirpitus profligarem, duos tantum non menses decubui. 16 Exhilaresce 17 igitur rursum, mi anime, vero bonae valetudinis meae nuncio, qui adeo ob falsum de b adversa valetudine b rumorem doluisti. Interim amanter cum Ruffo nostro expostules licebit, qui te in istum animi dolorem frustra coniecit.

||193 Mitto ad te Laeti literas 18 , quas nudius tertius huc misit, praeterea partem literarum 19 ad me missarum, unde intelliges etiam de Welsero nostro, quid nunc sentiat, nempe paulo modestius quam prius 20 . Dominus medica sua manu egritudines nostras quamprimum et feliciter curet!

Maximas tibi gratias ago, quod fidei confessionem et agonem optimi ac constantissimi Christi martyris Dietzii 21 miseris. Dominus et illius et muttorum

b-b In der Vorlage steht allein adverse.
als die Türken bezeichnet hatte; s. EA IV/1d 656f e. 667. 681f d. — Im Oktober 1546 reiste Franco freiwillig nach Rom ab; s. aaO, 693 a.4.
11 Jakob Ruf; vgl. Nr. 2535,1-3. Bullinger wird den Chirurgen in seinem oben bei Anm. 2 nachgewiesenen, aber nicht mehr erhaltenen Brief ohne Namensangabe erwähnt haben. Ruf traf dann noch während der Abfassung des vorliegenden Schreibens ein; s. unten Z. 231.
12 Bullingers Brief vom 14. August (Nr. 2535), in dem Ruf mit Namen erwähnt wird, und der Ruf anvertraut worden war (s. unten Z. 23f). Hätte Blarer diesen Brief bereits früher erhalten, hätte er gewusst, welchen Chirurgen Bullinger meinte.
13 Das Schreiben Kaiser Karls V. an die Eidgenossenschaft vom 1. August 1546, das in EA IV/1d 700 a.2 belegt ist, am 2. August von Regensburg abgeschickt worden war (s. Viglius van Zwichem 53) und in Karl V. BW II 512-514, Nr. 561,
veröffentlicht ist. — Während der Tagsatzung zu Baden, die am 9. August begonnen hatte, antworteten nur die Neun Orte auf diesen Brief; s. aaO, S. 663 dd. Die vier protestantischen Stadtkantone schlossen sich dieser Antwort nicht an und schrieben dem Kaiser erst am 26. Oktober; s. EA IV/1d 686 u. 698f a. 700 a.2. 701 a.6; Nr. 2602, Anm. 119.
14 Die Zürcher Ratsherren.
15 Den Konstanzer Ratsherren.
16 Zu Blarers Erkrankung s. Nr. 2503,112— 114. 17 = exhilara.
18 Georg Frölichs Brief Nr. 2537 vom 17. August.
19 Nicht in Blarer BW.
20 Siehe dazu Nr. 2534, Anm. 33.
21 Juan Diaz, der am 27. März 1546 im Auftrag seines Bruders Alfonso ermordet wurde; s. HBBW XVI 274f, 18-22, u.ö. — Es handelt sich um Der Gloub und leer ouch läben unnd tod des hochgeleerten gottsäligen Johann Dietzen, Zürich 1546


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aliorum sanguinem propter evangelii sui confessionem a nostris tyrannis effusum suo tempore ulciscatur! 22

Ille te, mi frater, cum tuis omnibus eternum conservet! Saluta tuam domum cum fratribus administris tuis in domino. Salutant te nostri, germanus frater meus 23 cum Zviccio 24 , Funcklio c25 , etc.

Ex Ruffo nostro reliqua omnia intelliges.

Amemus, mi frater, mutuum ac communibus votis gravissime periclitantem Christi ecclesiam iuvemus. Magna impendere videtur toti Germaniae calamitas, ni deus optimus maximus, malorum aversor 26 , tempestiviter nos respiciat ac nobiscum, non ut commeruimus, sed ut antiquas suas miserationes decet, propicius agat.

Vale iterum atque iterum. 24. augusti 1546.

Tuus Ambr. Blaurerus.

[Ohne Adresse.]27

c In der Vorlage Fucklio.
(BZD C360; VD16 D 1379; Bibliander Bibl. B—11), eine deutsche Übersetzung der Christianae religionis Summa, Neuburg ad. Donau 1546 (VD16 D1378; HBBW XVI 416, Anm. 2), von Juan Diaz, die in Zürich mit einem undatierten und nicht unterschriebenen Vorwort versehen wurde. Der Zürcher Druck enthält ferner auf f. b5v.-b8r. eine anonyme "Kurtze und warhaffte erzellung in Tütsche rymen des läbens und sterbens Herr Johan Dietzen säliger gedächtnus der von sinem lyblichen brüder von den Christenlichen gloubens und Evangeliums wegen ermürdt ist worden imm XVLI. jar". Letzterer Text wurde zuvor (da er nämlich auf ein bei Bibliander nicht wiedergegebenes Bild verweist) separat in mindestens zwei Ausgaben im Mai oder Juni 1546 an unbekannten Orten als illustrierter Einblattdruck veröffentlicht (erhalten dank der Wickiana-Sammlung in Zürich ZB, PAS 1112/340. Dass die Übersetzung (und wohl auch das Vorwort) von Bibliander stammt, geht aus Francisco de Enzinas' Brief an Bullinger, 4. November 1546 (Zürich StA, E II 366, 48), hervor: "A domino etiam Theodoro postulabis summam confessionis fidei Diazii Latinam, quam ipse fecit Germanicam".
22 Vgl. Apk 6, 10.
23 Thomas Blarer.
24 Konrad Zwick.
25 Jakob Funcklin.
26 malorum aversor: lateinische Entsprechung zum griechischen Epitheton (greck- greck zur Bezeichnung der Unglück abwendenden Götter; so z.B. in: Thesaurus Graecae Linguae, ab H. Stephano instructus, Bd. 7, London 1825, Sp. 9606.
27 Der Übermittler des vorliegenden Briefes war Jakob Ruf; s. oben Z. 44.