Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2534]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz],
13. August [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 634-636 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 488-490, Nr. 1329

Der Briefüberbringer [Hans Schöner] ist ein ehrenwerter Mann aus einer angesehenen Augsburger Familie, dem aber vor einigen Jahren durch einflussreiche Verwandte Unrecht widerfuhr. Bullinger möge ihm eine günstige Unterkunft verschaffen, da er durch diesen Rechtsstreit viel Geld verloren hat und sich bisher nicht rehabilitieren konnte. Blarer hat sich selbst schon in Augsburg für ihn eingesetzt, konnte aber nichts ausrichten und verfolgt nun einen anderen Plan, wie Schöner berichten wird. Da dieser sich aus Angst vor seinen Feinden nicht gerne in den Reichsstädten aufhält, ist er der Meinung, dass es für ihn besser wäre, wenn er bis zu Kriegsende in [Zürich] weilt. Schöners Frau [Dietburg, geb. Schellenberger] und Kinder [Anna und Maria]befinden sich in Straßburg. Bullinger wird in dieser Angelegenheit wohl auch an [Hans] Welser [Jakob] Herbrot und [Georg] Frölich schreiben, die für Schöners Unglück zwar nicht verantwortlich sind, diesem aber wegen seiner Schrift [,,Warhafftige anzaigung"] eher kritisch gegenüberstehen. Ein Teil derer, die an Schöners Elend schuld sind, befindet sich nicht mehr in Augsburg; so z.B. der damalige Bürgermeister Wolfgang Rehlinger, der nach [Straßburg]ausgewichen ist. Blarer legt einen an sich gerichteten Brief Welsers bei, damit Bullinger selbst feststellen mag, warum er im Gegensatz zu Frölich an Welser nichts auszusetzen hat. Dieser war es, der in seinem ersten Jahr als Bürgermeister [1537 die Reformation in Augsburg eingeführt] hat und deswegen auch sehr geschätzt wurde, was Blarer während seines Aufenthalts in Augsburg [1539] selbst feststellen konnte. Welsers christlicher und uneigennütziger Briefwechsel mit Blarer ist ein weiterer Beweis für seine Aufrichtigkeit. Ansonsten gibt es wenig Neues zu melden. Man wartet immer noch auf Nachrichten [über den Kriegsverlauf an der Donau] und auf die Stellungnahme Herzog [Wilhelms] von Bayern [gegenüber den Schmalkaldenern]. Sollte er diesen keinen Durchzug [durch seine Gebiete] gewähren, wird es für sie schwierig werden, da in den letzten Jahren Ingolstadt gegen die Türken stark befestigt wurde und die Einnahme der Stadt dementsprechend längere Zeit beanspruchen würde, die sich Kaiser [Karl V.]für Rüstungen zunutze machen könnte. Der Augsburger Ratsherr Hans Zangmeister schreibt, dass der Kaiser das noch stark besetzte Regensburg verlassen habe und nach Landshut gezogen sei, um dort sein Lager aufzuschlagen und sich mit den päpstlichen Truppen zu vereinigen. Das kaiserliche Heer umfasst schon an die 40'000 Soldaten, doch aus Österreich und Böhmen haben sich bisher nicht einmal 1'000 Söldner verpflichtet. Angeblich würde sich das Land [Böhmen oder Österreich und Böhmen?] gern ergeben, wenn dies auf angemessene Weise geschehen könnte. Bayern ist von den kaiserlichen Truppen überlaufen. In Frölichs Brief der einen Tag vor Zangmeisters Schreiben verfasst wurde, wird der Aufbruch des Kaisers [nach Landshut]noch nicht erwähnt. Dort wird allein auf die noch ausstehende Antwort des [Herzogs] von Bayern hingewiesen. Frölich übersandte ferner damit das dem vorliegenden Brief beigelegte Lied. Gott erbarme sich unser! Der Ausgang des Krieges ist unsicher und liegt in Gottes Hand. Bestimmt nimmt er sich der Seinen an, auch wenn diese sterben müssten, zumal sie dann das vergängliche irdische gegen das ewige Leben eintauschen dürften. König [Ferdinand]verhält sich noch ruhig und wirbt keine Truppen in Böhmen und Österreich an. Die Schmalkaldener bemühen sich ihrerseits, ihn sich nicht zum Feinde zu machen, um ihn nicht zu einem Angriff in Schwaben, im Sundgau, Breisgau oder Elsass zu reizen, denn dies würde sie zu einer Aufteilung ihres Heeres

1 Das Jahr ergibt sich aus dem Inhalt.


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zwingen. Daher haben sie auch dem König mitgeteilt, dass sie die Klause [Ehrenberg] nur vorübergehend und aus reiner Notwendigkeit eingenommen haben, um den Durchzug der Feinde zu verhindern. [Die Schmalkaldener] haben sehr hohe Ausgaben, die sie langfristig nicht tragen können. Bisher haben die Konstanzer 16'000 Gulden bezahlt. Nun wird nochmals der gleiche Betrag fällig. [P.S.:]Bullinger möge dafür sorgen, dass [Hans Schöner] kostengünstig unterkommt. Der Krieg wird wohl bald beendet sein. Dann sollte sich auch Schöners Schicksal zum Besseren wenden, wofür sich Blarer auch tatkräftig einsetzen wird.

Gnad und frid, sonders vertrauwter, lieber herr und bruder. Zöger 2 ist gar ein guter, frommer mann, ains guten ehrlichen herkommens und geschlechts zu Augspurg 3 , dem aber verruckter jar gar unbillichs allda begegnet usß uffsatz 4 ettlicher seiner schwäger 5 , die aber domals gantz gwaltig 6 in Augspurg gewesen, ouch ettlich noch sind, etc., wie er euch seiner handlung 7 , so ir zeyt haben mögt, wol berichten wirdt. Bitt euch gantz fruntlich, inn gunstiglich und christelich für bevolchen ze haben, ob er by euch etwan zu ainem wirt oder sunst underkomen möchte, da 8 er nit kostlich 9 zeren müst. Er hat ye nitt uberigs. Ist durch disen handel um ettlich tausend guldin kommen. Hat allerlay versucht, aber nichts bys anher usrichten mögen. Ich hab selb von seinen wegen gen Augspurg den burgermaistern 10 und ettlich andern des raths geschriben. 11 Die haben sich vyl gegen mir empotten, ouch demnach gegen im, aber es will kain nachtruck sein 12 . Hab ich yetz ain ander fürnemmen 13 seinen halb, wa 14 es gott fügte, das diser doppel glucklich hinuber

2 Der Überbringer.
3 Hans Schöner (ca. 1481-1567), wie aus Nr. 2546,4-10, hervorgeht. Er war Augsburger Bürger und wurde 1538 ins Patriziat aufgenommen (Kaufleutezunft). Sein Verwandter Wolfgang Rehlinger setzte ihn während seiner Amtszeit als Bürgermeister von Augsburg gegen allen Widerstand als Bauvogt ein. Zum endgültigen Zerwürfnis mit der Stadt kam es im sog. "Schöner-Handel", den Streitigkeiten um den Abbruch der Schönerkapelle, gegen den sich Schöner heftig wehrte, u.a. mit einer Streitschrift (s. unten Anm. 26) und Beschwerden am Reichstag. 1546 verließ er Augsburg und hielt sich von August 1546 bis Ende 1548 zumindest zeitweise in Zürich auf (Blarer BW II Reg.). Während dieser Zeit setzten sich Blarer und anscheinend auch Bullinger in Augsburg für ihn ein. Im Februar 1549 lebte Schöner in Friedberg (Lkr. Aichach-Friedberg) bei Augsburg (Blarer BW III 15, Nr. 1609). Erst 1559 erscheint er wieder in den Steuerbüchern der Stadt Augsburg, allerdings ohne Bürgerrecht.
— Lit.: Lenz III 339f, Anm. 1; Roth, Augsburg III 217. 252. 281f, Anm. 107f; Blarer BW II und III Reg.; Augsburger Eliten 743 (mit Angaben zu Frau und Kindern); RTA-JR XVIII 303.
4 böser Absicht; s. Fischer I 412.
5 Darunter Wolfgang Rehlinger; s. unten Anm. 29.
6 einflussreich.
7 Die Auseinandersetzung mit dem Rat wegen der Schönerkapelle. 8 wo.
9 kostspielig.
10 1546 amtierten Georg Herwart und Simprecht Moser als Bürgermeister; s. Nr. 2464, Anm. 45. Vielleicht meint Blarer aber auch die Altbürgermeister Hans Welser und Jakob Herbrot, mit denen er nachweislich Briefkontakt hatte.
11 Keines dieser Schreiben befindet sich in Blarer BW.
12 es will kain nachtruck sein: es geschieht nichts.
13 Plan, Vorhaben.
14 wenn.


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keme, wie er euch wol anzögen wirt. Mittler zeyt hellt er sich nitt gern in den rychstetten. Sorgt immer, im möchte etwas beschwerlichs durch seine myssgunstigen 15 zugericht werden. Hat gedacht, im am lydelichsten und thainlichesten ze sein 16 mitt meinem rath, so er sich ettlich wochen by euch hielt, byß sich die kriegsübung 17 wol und glucklich endete. Derhalb wellt ain werck christelicher lieb an im beweysen und im beholffen sein allain mit underbringen an ain kommeliche herberg 18 , dann es ja ain sonder gut werck und grosß almusen ist, sölichen alten betrübten leuten hilflich und trostlich ze sein. Er hat gar ain ehrlichs weyb 19 und liebe kindle 20 zu Strasburg. Ist alles ain guts gottseligs volck. Darum thaind 21 das best. Wann ir mitt der zeyt sein sachen recht erlernen, werden ir von seinen wegen dem Welser 22 , Herbrot 23 , Leto 24 , etc., ouch schreiben mögen. Si wellen im wol nitt gern glympfen, 25 wiewol es durch sy nitt beschechen. Aber sein offen ausschreiben 26 hat sy etwas ubel verdrossen. Wellen im in etlichem nitt war lassen. Aber in summa ich waiß vast 27 wol das im in der hoptsach ungütlich beschechen. Die aber daran am schuldigesten gewesen, sind ains tails nitt mehr zu Augspurg, alls 28 der Wolff Rechlinger 29 , welcher domals burgermaister gewesen, darnach aber ausß forcht und sorg ettlicher sachen, davon nitt ze schriben, hinweg kommen. Gott wirts sy all noch zu seiner zyt finden und inen ir untrüw und misshandlung widergelten. Amen, amen!

||635 Ich schick euch hiemitt ain schriben 30 Ist mir vergangens sontags 31 zukomen von dem Welser 32 . Ich kan inn warlich nitt für falsch oder ungerecht

15 Gegner.
16 im am lydelichsten und thainlichesten ze sein: dass es für ihn am besten wäre.
17 Der Schmalkaldische Krieg.
18 kommeliche herberg: geeignete (oder bequeme) Unterkunft.
19 Dietburg, geb. Schellenberger.
20 Wohl Anna und Maria Schöner. 21 tut.
22 Hans Welser
23 Jakob Herbrot.
24 Georg Frölich.
25 im ... limit gern glympfen: ihm ungern Recht geben; s. Fischer III 694.
26 Hans Schöner, Warhafftige anzaigung unnd bestendiger bericht, was ich Johann Schoenner der eiter an ayn Rhat id Augsburg suppliciert, Tübingen 1543 (VD16 S3463f).
27 sehr.
28 wie.
29 Wolfgang Rehlinger, der 1536, 1539 sowie 1541 als Bürgermeister Augsburgs amtete, stieß u.a. wegen seiner als kaiserfreundlich
erachteten Politik in Augsburg zunehmend auf Ablehnung und siedelte 1544 nach Straßburg um; s. HBBW VII 163, Anm. 1. Er war mit Hans Schöner verwandt, den er entgegen der Tradition zum Bauvogt ernannt hatte und damit weiteren Unmut auf sich zog. Während der Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Schöner-Handel kam es auch zwischen Schöner und Rehlinger zu heftigen Auseinandersetzungen, wobei Letzterer von der Straßburger Obrigkeit unterstützt wurde; s. Lenz III 339f, Anm. 1; Roth, Augsburg III 217; Peter Steuer, Die Außenverflechtung der Augsburger Oligarchie von 1500-1620. Studien zur sozialen Verflechtung der politischen Führungsschicht der Reichsstadt Augsburg, Augsburg 1988 — Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben 10, S. 46.
30 Nicht in Blarer BW.
31 Am 8. August.
32 Bullinger war sich noch unsicher, ob er


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urtailen, wiewol Laetus a maint, der grund seye kain nutz. 33 Er hat sich im ersten jar seins ampts 34 sehr und treffelich wol gehalten, grosß müh und arbait gehapt, sich dermassen dapffer bewysen, das im alle fromen, alls ich zu Augspurg gewesen, 35 im rath und usserhalb, gut lob verjechen 36 haben. Dann domals sind die pfaffen noch in der statt gewesen, und ist under im mess, götzen und anders abgeschaffen worden, 37 allso das ettlich mitt uffsatz 38 das ampt ab inen uff inn geschoben habend. So schribt er mir gar vyl für und für gantz christelich brieff, 39 da ich nitt gedencken köndt, warum ers thät, so im nitt ernst were. Dann er hat ye nichts von mir, weder ehren noch guts, zu gewarten. Wurde söliche arbait wol sparen und nach dem bruch 40 der reychen diser wellt eh müssig gehn, dann vergeblich arbaiten. Hab ich euch alles nitt verhalten können usß ursachen 41 .

Newer zeytung habend wir gar nichts sonders. Wartend all stund, wie sich die sach angehept 42 hab, und was der hertzog von Payer 43 zu antwort geben. 44 Soll er den pass haben abgeschlagen, wurde es müh und arbait, dann Ingelstadt ist gantz vest von ym yetzund vyl jar her gemacht 45 wider den Turcken 46 . Müsstend sy ain wyl ze schaffen haben. Mittler zyt wurde sich der kaiser 47 ouch baß 48 verfasst machen 49 .

a Hier und unten sind die Wörter, die Blarer anhand seines Geheimalphabets schrieb (s. dazu Nr. 2503, 42-48 Abbildung des Geheimalphabets oben auf S. 12), kursiv gesetzt. seinen Lukaskommentar (s. Nr. 2545 und Anm. 2) Welser widmen sollte oder nicht; s. zuletzt Nr. 2530,4-15. Dieses Zögern erklärt die vorliegenden Ausführungen.
33 der grund seye kain nutz: [Welsers] Wesen tauge zu nichts. — Zu Frölichs kritischen Äußerungen über Welser s. Nr. 2523,21-25; Nr. 2530,4-7.
34 Welser amtierte als Bürgermeister erstmals im Jahr 1537 und war als solcher massgeblich an der Durchführung der Reformation beteiligt; s. HBBW XII 154, Anm. 3.
35 Blarer wirkte in Augsburg von Ende Juni bis Anfang Dezember 1539; s. Presse!, Blarer 445; HBBW IX 174, Anm. 1.
36 bekundet; s. Fischer 111182.
~ Am 17. Januar 1537 wurden in Augsburg die Messfeiern völlig abgestellt und daraufhin die "Pfaffen" aus der Stadt verwiesen. Zuvor, im Juli 1534, war die Messe nur teilweise abgeschafft und in acht Kirchen der Stadt weiterhin geduldet worden; s. Bodenmann 158f. 230, Anm. 164. 166 und 168.
38 Arglist.
39 Nicht in Blarer BW.
40 Brauch.
41 usß ursachen: aus (guten) Gründen.
42 begonnen. — Gemeint sind wohl die Kämpfe an der Donau.
43 Wilhelm IV. von Bayern.
44 Vgl. dazu Nr. 2530, Anm. 29, sowie den am 12. August vom Konstanzer Rat an Zürich gerichteten Brief (Zürich StA, A 205/1, Nr. 221). — Um diese Zeit sollte der Herzog den Schmalkaldenern den Durchzug (,,pass") durch sein Territorium gestatten; s. Nr. 2548,11-17; Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat vom 18. August 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 24); Viglius van Zwichem 66f, Anm. 27; Herberger, Schertlin Nr. 37, S. 127-129. 138. 140.
45 Zur Befestigung Ingolstadts s. schon Nr. 2530,19f.
46 Suleiman I.
47 Karl V.
48 besser.
49 verfasst machen: vorbereiten, rüsten.


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In diser stund schribt man mir von Augspurg, 50 das der kaiser von Regenspurg verrückt und gen Lantzhut zogen seye. 51 Da welle er das leger schlachen 52 . Hat doch Regenspurg starck besetzt. Des papsts 53 volck soll er ouch beschaiden 54 uff Lantzhut. Man acht, er seye yetzund in 40'000 starck on das, so im noch zuziechen soll. Ausß gantzem Osterreych und Becham 55 hat er noch nitt 1'000 mann, dann nieman will sich bestellen lassen. 56 Und sagt man, das land ergeb sich gern 57 , wann nun gott gnad gebe, das sy es mit fugen thain 58 köndten. Das Payerland ist verderbt mitt des kaisers volck, 59 gang welchen weg es welle. Sovyl schribt mir der Zangmaister 60 . b Diß schreibt mir Hans Zangmaister, ain rathsherr zu Augspurg und gantz frommer mann.

Aber Letus schribt nichts von des kaisers verucken 61 . Sain brieff ist aber ain tags elter dann des Zangmaisters. Ob vyllicht diß zytung erst hernach kommen und durch den Zangmaister kommen seye? b Lotus schreibt gar nichts news, dann das sy all stund warten zu vernemen des Payers antwurt. Hat mir ouch biligend carmina geschickt. 62 Wolt ich euch ouch mittailen.

b-b Von Blarer am Rande nachgetragen.
50 Nicht in Blarer BW.
51 Zum Aufenthalt des Kaisers in Landshut s. Nr. 2533, Anm. 22.
52 aufschlagen. —Falsche Meldung.
~ Paul III.
54 befehlen, verordnen; s. Fischer I 890f.
55 Böhmen.
56 Vgl. Nr. 2491,25-28; Nr. 2524,57f.
57 Gemeint ist entweder, dass die Bevölkerung Böhmens, wo die Türken Überfalle verübten (Nr. 2452, Anm. 3; Nr. 2481,20f), es nicht ungern sehen würde, wenn es anlässlich der Kriegswirren in Deutschland zu einer Besetzung durch die Türken und demzufolge zu einer Befreiung aus der Herrschaft der Habsburger kommen sollte (vgl. HBBW XIV 296f; XV 22 und Anm. 61; XVI 361; Jan-Andrea Bernhard, Konsolidierung des reformierten Bekenntnisses im Reich der Stephanskrone. Ein Beitrag zur Kommunikationsgeschichte zwischen Ungarn und der Schweiz in der frühen Neuzeit, 1500-1700, Göttingen 2015, S. 108f), oder dann, dass die Bevölkerung Österreichs und Böhmens bereit ist, sich den Schmalkaldenern zu unterwerfen.
58 mit fugen thain: auf angemessene Weise tun.
58 Zu den kaiserlichen Truppen in Bayern s. Nr. 2501,27; Nr. 2505,37f.
60 Hans Zangmeister (III.). — Nicht in Blarer BW.
61 Fortziehen [nach Landshut].
62 Im Jahre 1546 sind in Augsburg mehrere Flugschriften erschienen, die im Titel das Wort "Lied" anführen; s. VD16. Vielleicht ist hier das Gedicht gemeint, welches in Augsburg anonym unter dem Titel "Ursprung unnd ursach diser Auffrur Teütscher Nation. Das Lied mag man singen in Bruder Veiten thon" (VD16 S4303) veröffentlicht wurde, von dem man weiß, dass Blarer ein Exemplar erhalten hatte (s. Nr. 2558,45f), und von dem ein Exemplar in Zürich ZB aufbewahrt wird (Sign.: 18.1455/12). Dort (Sign.: Ms S 61, 111 [e]) ist ein weiterer wittenbergischer Druck dieser Flugschrift (VD16 S4305) erhalten. Bekannt ist ferner ein Nürnberger Druck (VD16 S4304). Zur Schrift s. Johannes Voigt, Über Pasquille, Spottlieder und Schmähschriften aus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, in: Historisches Taschenbuch, hg. v Friedrich von Raumer, Jg. 9, Leipzig 1838, S. 504-507. Sie wird immer wieder (s. z.B. Roth, Augsburg III 373, Anm. 87) dem aus München gebürtigen Meistersinger Martin (Michael) Schrot (gest. Ende 1575/Anfang 1576) zugeschrieben. Ein unwiderlegbarer Grund


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Ach, min Bullingere! Supplices domino esse non cessemus tantisper, dum nostri misereatur. Anceps etiamnum bellum est, si, utrinque quod fit, humanis rationibus estimes. Sed scio capilli capitis nostri non periturum absque celestis et optimi patris voluntate, 63 qui etiam, quod sua causa pent, olim 64 cum magni foenoris gloria restituet in resurrectione iustorum . Caducum, fluxum et plusquam evanidum est, quod hic vivitur, ut non magnopere dolendum, imo vero gaudendum sit, si hanc plenam quotidiana morte vitam cum perpetua solidaque vita commutemus. 65

||636 Der könig 66 sitzt noch allenthalb still, das er auss seinen landen nieman uffmanet 67 allso ouch die Bechern unnd Österreycher nitt, dann was selbs loufft 68 ; deren nitt vyl. 69 Dann die unsern thaind noch nitt dergleichen, alls ob sy den könig ouch für ain find habind, damitt er ouch still sytz unnd unnß hie oben 70 niemen kain gegenführ 71 mache in der landtvogtey Schwaben, item im Sungkgöw, Breysgöw, Elses, 72 etc. Derhalb ouch die unsern der Cluß 73 halb antwurt geben dem konig, sy habind sy eingenommen, nitt das sy die behalten wellten, sonder allain ausß unvermidelicher not, damitt der find dadurche nitt pasß möge haben, etc., so 74 sy doch ursach gnug wider inn 75 habend. Aber sy gedenckend all ding ze richten, damitt der konig nitt etwa ouch aine unru mach, und man unsern hauffen 76 taeien musse. Gibt aber gott gluck uff unser seyten, wirt man darnach yedermann wol um seinen pfennig finden 77 .

Es loufft uff unser seyten ain ungeschwungelicher kost 78 uff, den nieman erdulden möcht 79 , sollt es ain weyl wären. Mine herren habend je: erlegt Sechzechentusend c guldin und jez musend si noch so vil. Verum ista cave cuiquam alii.

Commenda nos domino diligenter. 13. augusti.

[Ohne Unterschrift.]

C Nach gestrichenem sechzigtusend. dafür scheint aber zu fehlen. — Zu Schrot s. Killy 2 X 597f.
63 Vgl. Lk 21, 18. 64 Vgl. Mt 19, 29; Mk 10, 30; Lk 14, 14.
65 Vgl. 1 Kor 15, 53f; I Tim 6, 19; Hebr 11, 39f; 13, 14.
66 Ferdinand I.
67 zu den Waffen ruft.
68 dann was selbs loufft: außer denen, die sich freiwillig melden.
69 Siehe oben Z. 59f.
70 im Süden.
71 Gegenwehr.
72 Sundgau, Breisgau, Elsass.
73 Die Klause Ehrenberg; s. dazu Nr. 2498,119f; Nr. 2507,9-14.
74 obwohl.
75 Ferdinand I. 76 Heer.
77 wirt man ... yedermann wol um seinen pfennig finden: wird man wohl jeden [Schuldigen - wie Ferdinand]gerichtlich zur Kasse bitten; vgl. SI I 848.
78 ungeschwungelicher kost: unerschwingliche Kosten. —Zu den enormen Geldforderungen des Schmalkaldischen Bundes gegenüber der Stadt Konstanz s. Diethelm Heuschen, Reformation, Schmalkaldischer Bund und Österreich in ihrer Bedeutung für die Finanzen der Stadt Konstanz 1499-1648, Tübingen 1969. — SKRG 36, S. 135-145; Konstanz 130.
79 könnte.


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Laßt euch zögern 80 um gottes und christlicher lieb, ouch minen willen gantz und getrulich bevolchen sein, ob er etwa by ainem völckle 81 uffs geringest zeren 82 möchte. Es ist doch, hoff ich, um ain kurtzes ze thain 83 , das wir sechen werden, ob wir bischoff oder bader 84 werden müssend. Allsdann, hoff ich zu gott, soll sin sach besser werden. Will yedermann anrüffen, damitt er d doch nitt alls gar verschulten werde, der gut allt ehrenmann.

[Adresse auf der Rückseite:]Incomparabili lesu Christi servo, d. Heinricho Bullingero, venerando et charissimo fratri. Tiguri.