Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2452]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
2. Juni 1546

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 230 (neu: 248)(Siegelspur) Ungedruckt

Bullingers Brief [nicht erhalten] war Myconius höchst willkommen, zumal die darin übermittelten Nachrichten über [Herzog Heinrich von]Braunschweig [und dessen Sohn Karl Viktor], über die Türken und über die Tagsatzung [zu Baden] so manche seiner Fragen beantworteten. Die Nachricht über den Burgunder [Jean Mouchet de Poligny] und den Brief Kaiser [Karls V. an Zürich] interessierte ihn auch sehr. Die Basler Anhänger des Kaisers glauben [dem freundlichen Inhalt dieses Schreibens], Myconius tut dies aber nicht, besonders seitdem er erfahren hat, dass der Kaiser den Brudermörder [Alfonso]Diaz nach Rom entkommen ließ. Um Graf Wilhelm [von Fürstenberg] ist alles ruhig geworden. Was man in Basel über ihn erfahren hatte, wurde auch in Straßburg erzählt, wo sogar noch mehr über ihn berichtet wurde. Der Basler [Stadt]schreiber [Heinrich Ryhiner] war nämlich dort. Durch Basel reisende Kaufleute aus Burgund sagten, dass sie nicht wissen, ob der Graf selbst in Burgund Soldaten angeworben hat; ein Adliger [...] soll jedoch dort versucht haben, im Namen des Kaisers etwa 500 leicht bewaffnete Reiter für das Piemont einzuziehen. Adlige in Basel erzählen ferner, dass Graf Wilhelm einem seiner Truppenführer [...] die Anwerbung von ca. 500 Fußsoldaten auftrug. Da er aber nicht mitteilen wollte, zu welchem Zweck diese dienen sollten, kam der Truppenführer dem Befehl nicht nach. Der melancholische Graf hält sich derzeit nicht in Straßburg, sondern in Montfort [richtig: Ortenberg]auf Die Berner sind unterdessen gut über ihn informiert und werden ihn zurechtweisen. Vielleicht ist ihm sogar sein Ende nahe. Schade, auch wenn dieser die Eidgenossen nie gemocht hat; er soll nämlich unter den deutschen Fürsten der treueste Eiferer für das Evangelium sein. Aus einem Brief eines Italieners [...] an Peter Martyr [Vermigli]erfährt man, dass den Beteiligten am Trienter Konzil die Hände gebunden seien und dass sie sich an die wöchentlichen Anordnungen Papst [Pauls III.]halten müssen. Die Bischöfe von Bitonto und Fiesole, Cornelio [Musso und Braccio Martelli], wurden bedroht, weil sie nicht willig waren, die Synode von Trient als universal zu bezeichnen. Ferner wird nicht jedem Prälaten erlaubt, an den Sitzungen teilzunehmen. Dies wurde z.B. dem Bischof von Istrien, [Pier] Paolo Vergerio, untersagt, auch wenn jener sich bereit erklärt hatte, sich dem Konzil völlig zu unterwerfen, und man früher dessen Dienste in Deutschland in Anspruch genommen hatte! Die ganze Stadt [Trient] nahm Anstoß daran, zumal man sogar anordnete, seine lutherischen Bücher bei ihm zu Hause in Istrien zu beschlagnahmen, als dürften Bischöfe keine deutschen Bücher besitzen, wo doch von ihnen verlangt wird, dass sie diese verurteilen. Soviel zu den Nachrichten dieses Briefes. Sie erfreuen Myconius insoweit, als die Protestanten dadurch abgehalten werden, mit den Papisten eine Einigung zu suchen. Gruße auch an [Rudolf]Gwalther, dem Bullinger die Information zum Konzil mitteilen soll.

S. Quam fuerint grata, quae postremis tuis 1 significasti, verbis non possum eloqui, nam erant quaedam, de quibus aliquamdiu dubitaram et dubium nemo exemerat, ut de Brunsvigensibus, 2 deque studio Turcico, 3 de comitiis nostrorum,

1 Nicht erhalten.
2 Der von Landgraf Philipp von Hessen seit dem 21. Oktober 1545 festgehaltene Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-
Wolfenbüttel und dessen Sohn Karl Viktor; s. HBBW XV, 622 und Anm. 4; 638. 682f. Der Kaiser forderte damals die Protestanten auf, die Gefangenen freizulassen;


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4 etc. Postremum vero de Burgund[ione]5 et literis caesaris 6 perquam libenter intellexi! Putant hic caesariani absque hypocrisi scripsisse. Ego vero nihil illi credo, et minus etiam, postquam audio Diazium fratricidam 7 ab eo dimissum Romam. 8

De Gulielmo comite 9 sopita sunt omnia. Interim tamen, quecunque hic sunt dicta, et Argentine sunt dicta et multo etiam plura. Fuit enim scriba foster 10 Argentine. Is capitibus rumores auditos recensuit omnes; et quidem tantum rumores! Paulo post venerunt huc mercatores ex Burgundia, qui rogati de transitu Gulielmi per ipsos responderunt rumusculos quosdam venisse ad se, quos tamen contempserint. Illud constare: Virum quendam nobilem

s. HBBW XVI 85. 115. 213. 235. 342. Doch erst im Juni 1547 sollte es dazu kommen; s. Simon Ißleib, Philipp von Hessen, Heinrich von Braunschweig und Moritz von Sachsen 1541-1547, in: Jb. des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig 2, 1903, 72f.
3 Möglicherweise ging es um die damals kursierenden Nachrichten über angebliche Einfälle der Türken in Böhmen oder in der Steiermark; s. HBBW XVI 414f und Anm. 24.
4 Die Tagsatzung zu Baden, die am 12. April 1546 eröffnet wurde; s. HBBW XVI 313, Anm. 36, und Reg.
5 Der Burgunder, den Kaiser Karl V. mit einem freundlichen Brief an Zürich (als Vorort der Eidgenossenschaft), datiert vom 12. März 1546 (Zürich StA, A 176.2, Nr. 152), nach Zürich gesandt hatte. Der Gesandte wurde vom Zürcher Rat am 10. Mai empfangen; s. HBBW XVI 407 und Anm. 8f. Die Identität des Gesandten geht aus den Abrechnungen des kaiserlichen Kämmerers (trésorier) Jean Mouchet aus Burgund hervor, der über seine Gesandtschaft Folgendes berichtete: "Item, par ordonnance de l'empereur fut ledit tresorier devers lesdits seigneurs de Berne et aultre lighues [...] pourter et ennoncer gracieuses lettres à tous eulx de la part de l'empereur. Et, pour ce faire, partit de Bourgoingne ou [= au] mois d'apvril apres pasques [15]46 [also nach dem 25. April] sejourner tant à celles [ligues] et venir: en tout 24 jours" (Wien HHStA, StAbt. Schweiz, K. Il, Konv. 3, f. 19r./v. — Wir danken Rainer Henrich für den Hinweis auf diese Quelle).
6 Karl V., der sich seit dem 10. April 1546 hauptsächlich in Regensburg aufhielt; s. HBBW XVI 97, Anm. 3.
7 Alfonso Diaz, der mit seinem Komplizen Juan Prieto seinen Bruder Juan Diaz am 27. März in Neuburg a.d. Donau ermordet hatte (s. HBBW XVI, Reg.) und seitdem in Innsbruck inhaftiert war (s. aaO, S. 309. 316, 352, 358, 388).
8 Erst im Oktober 1546, nachdem Papst Paul III. am 28. September 1546 die Auslieferung der Angeklagten nach Trient beantragt hatte, wurden diese wieder auf freien Fuß gesetzt und konnten ungestraft nach Rom zurückkehren; s. Edward Boehmer, Spanish Reformers of Two Centuries from 1520: Their Lives and Writings, According to the Late Benjamin B. Wiffen's Plan and with the Use of his Materials, Bd. 1, Straßburg/London 1874, S. 196-198. Karl V. hatte sich aber bereits am 4. April 1546 für die Angeklagten mit einem an den Landrichter Hans Mag in Innsbruck gerichteten Schreiben eingesetzt, in dem er die Einstellung des Prozesses befahl; s. Friedrich Roth, Zur Verhaftung und zu dem Prozeß des Dr. Rotae Alfonso Diaz (27. März bis 14. April 1546), in: ARG 7, 1909/10, 417. 427; Vogel 5071; HBBW XVI 367, Anm. 8.
9 Wilhelm I. von Fürstenberg, der durch die Gefangenschaft in Frankreich (September 1544 bis Oktober 1545) körperlich und psychisch sehr mitgenommen war; s. Wagner, Fürstenberg 267f.
10 Heinrich Ryhiner.


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11 esse apud se, qui palam colligere tentet equites levions armature ad quingentos usque, idque caesaris nomine, ducendos esse vero in regionem Pedemontanam. 12 Constat quoque ex nobilibus, quos hic habemus, comitem vocasse ad se quendam e ducibus suis 13 et petisse tot pedites nomine suo congreget, huncque rogasse, quorsumnam sic petat, comitem tacuisse (nam est consiliorum suorum adeo tenax, ut hic non a habeat parem per Germaniam). Tum respondisse ducem se obsequuturum, modo dicat, contra quem hostem; 14 nam hoc si renuat, mansurum esse domi. Atque ita digressi sunt. Non est Argentinae, 15 sed in arce Montisfortis 16 (arbitror sic adpellatam). Ibi suam melancholiam in consilium admittit. Interea tamen Bernensibus omnia sunt cognita, et ita accipiunt, ut advenienti balneum sit (ut Germanice dicam) paratum, in quo sudandum. 17 Et qui scis, an etiam pereundum illi? Doleo propter virum, nam testimonium habet non esse ex principibus Germaniae, qui evangelium tam fideliter foveat; sed adfectus contra gentem nostram in eo superat. 18 Sed satis de illo.

Praeterea nova nulla sunt praeter haec de concilio Tridentino, de quo scribit vir Italus 19 ad Italum Petrum Martyrern 20 , in haec verba: "Prelati concilii

a non über der Zeile nachgetragen.
11 Unbekannt.
12 Dieses Gerücht ging schon seit Ende März 1546 um; s. PC IV/1 70, Nr. 51; HBBW XVI 395. 411.
13 Unbekannt.
14 Fürstenberg hatte damals Heinrich VIII. von England seine Dienste angeboten. Wollte er vielleicht zu diesem Zweck Söldner anwerben lassen? Vgl. PC IV/1 118-120, Nr. 87f, vom 14. Juni 1546.
15 Wo Fürstenberg einen Hof am St.-Stefansplatz besaß; s. Jacob Trausch, Straßburgische Chronick, in: Fragments des anciennes chroniques d'Alsace, Bd. 3: Les chroniques strasbourgeoises de Jacques Trausch et de Jean Wencker. Les Annales de Sébastien Brant, hg. v. Léon Dacheux, Straßburg 1892, S. 40, Nr. 2694.
16 Wohl das Schloss Montfort, heute Montigny-Montfort (Cote-d'Or), etwa 60 km nordöstlich von Dijon, das aber als Aufenthaltsort des Grafen nicht in Frage kommt, da dieser sich in seiner Burg in Ortenberg (Schwarzwald), etwa 20 km südöstlich von Straßburg, aufhielt; s. Wagner, Fürstenberg 269. 271.
17 "Einem ein Bad bereiten"(Wander I 219, Nr. 341), im Sinne von tadeln; "jemanden in ein Schweißbad setzen" (Grimm XV
2461), damit dessen wahre Natur zutage kommt. — Die Berner hätten Fürstenbergs Wirken im Piemont für den Kaiser nur missbilligen können (vgl. HBBW XVI 395 und Anm. 17), da sie kein Interesse an der von dem Kaiser angestrebten Wiederaufrichtung des Hauses Savoyen hatten, zumal sie 1536 selbst große Teile dieses Herzogtums besetzt hatten.
18 Die letzte Aussage trifft vielmehr auf Wilhelms Bruder, Friedrich II. von Fürstenberg, zu; vgl. HBBW XVI 386,53f. Zu Verwechslungen zwischen den beiden Brüdern kam es damals öfter; s. z.B. PC IV/1, 118; HBBW XVI 131.
19 Unbekannt.
20 Peter Martyr Vermigli, damals Theologieprofessor in Straßburg. — Der hier erwähnte Brief fehlt in dem von Marvin W. Anderson erstellten "Register epistolarum Vermilii"(in: A Bibliography of the Works of Peter Martyr Vermigli, bearb. v. John Patrick Donnelly in Zusammenarbeit mit Robert M. Kingdon, Kirksville 1990). Genau der hier zitierte Abschnitt wird ebenfalls in einer alten Quelle im Straßburger Thomas-Archiv aufbewahrt mit dem Vermerk, der Auszug stamme aus einem Brief Johannes Sleidans. Man weiß nämlich, dass Sleidan sich zwischen


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Tridentini catena sunt constricti et aspera servitute, ita ut nihil ex seipsis loqui audeant, sed tantum ex praescripto sententiam ferant. Quicunque ex eis, quid sentirent, proponere tentarunt, minis absterriti sunt; inter quos Cornelium, et minoritam et episcopum Bertontinum, 21 et Fesulanum episcopum 22 fuisse scimus, eo quod adpellare noluerint 23 Tridentinam synodum universalis ecclesiae nomine. Tridenti ad synodi corpus sive consessum non admittitur quilibet prelatus; nam si quis veniat, quem suspicantur vera dicturum, excludunt, atque his diebus Paulum Vergerium, Istrie episcopum, 24 noluerunt admittere, quod sit doctus et usum habeat atque peritiam Germanicarum rerum. Si ergo nostrates ad concilium non admittuntur, quid putas futurum de Germanis, si accesserint? Offendit nihilominus istud factum concilii universam urbem. Is episcopus Vergerius, cum modo vellet omnino deferre 25 concilio Tridentino, a pontificiis exciuditur, cuius tamen opera alias 26 sunt usivipud Germanos. Miserunt praeterea in Istriam, ut eius libri Lutherani perquirerentur utque huius calumnie praetextu eum pro libidine vexent, quasi episcopis non liceret Germanicos libros, quos, adiguntur, ut damnent. In summa, nihil ab illis decernitur prelatis, nisi quod a papa 27 eis heptomadatim praescriptum fuerit." Hactenus ille. Reliqua, si non habes, posthac. Placent ista mihi supra modum, nam has ob causas cessabimus aliquando querere cum papistis concordiam. Sed interim excitabunt
dem 21. November 1551 und dem 28. März 1552 als Beobachter in Trient aufhielt (s. Alexandra Kess, Johann Sleidan and the Protestant Vision of History, Aldershot 2008, S. 64-67). Dies veranlasste Hermann Baumgarten, den hier wiedergegebenen Auszug 1881 in Sleidan BW 240f, Nr. 114, zu veröffentlichen. Die Tatsache aber, dass die gleiche Briefstelle bereits in einem Brief aus dem Jahr 1546 anzutreffen und dort Vermigli zugeschrieben ist, zeigt, dass diese Stelle wohl nicht, wie bislang vermutet, aus einem Brief Sleidans stammt. — Wir danken Rainer Henrich, uns auf diese irrtümliche Zuweisung aufmerksam gemacht zu haben.
21 Cornelio Musso (1511-1574), Bischof von Bitonto (Prov. Bari) und Angehöriger des Minoritenordens; s. DBI LXXVII 540-544.
22 Braccio Martelli (1501-1560), Bischof von Fiesole (Prov. Florenz); s. DBI LXXI 37-41.
23 Zu erwarten wäre voluerint (das man hier allerdings nicht lesen kann), denn in der Sitzung vom 7. Januar 1546 plädierte
Martelli mit Unterstützung von weiteren Bischöfen (darunter Musso), dass bei der Bezeichnung des Konzils betont werde, dass dieses die "universale Kirche vertrete". Die Vertreter Pauls III. lehnten dies ab, weil das Konzil von Konstanz (1414-1418), welches die Vormacht der Konzile über den Papst verfochten hatte, sich so bezeichnet hatte; s. CT I 472. Vgl. auch Epistolae Vireti 44 und Anm. 17.
24 Pier Paolo Vergerio, damals noch Bischof von Capodistria (heute Koper, Slowenien) in Istrien. Am 22. Januar 1546 traf er in Trient ein und wurde auch bei einem zweiten Versuch Anfang März nicht zum Konzil zugelassen; s. Friedrich Hubert, Vergerios publizistische Thätigkeit nebst einer bibliographischen Übersicht, Göttingen 1893, S. 15. 244-251.
25 Zu verstehen: cum vellet honorem deferre; s. Stotz II 121, Nr. 57.8. — Es lief schon damals ein Verfahren wegen Häresie gegen ihn.
26 Von März 1533 bis Dezember 1535 als päpstlicher Nuntius; s. NBD I/1.
27 Paul III.


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mala procul dubio gravia. Debent ea nobis esse stimulo ad poenitentiam et emendationem vitae.

Vale in domino cum tuis. Gvalthero de concilio communicabis. Basileae, 2. iunii anno 1546.

Tuus O. Myconius.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Henricho Bullingero, viro praestantissimo, ministro domini fidelissimo, fratri in Christo venerando suo. Zu[rich]b.