Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2565]

Bullinger
an Leonhard Serin
Zürich,
4. September 1546

Autograph: Basel UB, Ms Ki. Ar. 25a, Nr. 103, f. 127r. (Siegelabdruck) Ungedruckt

Bullinger will den Boten [Heinrich Thomann]nicht ohne einen Brief gehen lassen, auch wenn er aus Zeitmangel nicht viel schreiben kann. Er hat beide Schreiben Serins erhalten. Das erste vom 5. August [Nr. 2527] mit den willkommenen Nachrichten bedurfte keiner Antwort. Serin wurde unterdessen dem [Johannes] Haller brieflich [nicht erhalten]empfohlen. Die von Serin zugeschickte [,,Warhaffte unnd gegründte meldung" von Johannes Schradin]gefiel Bullinger sehr. Als Dank legt er dem vorliegenden Brief die von seinem Kollegen und [Zieh]sohn [Rudolf Gwalther]angefertigte Beschreibung vom [,,Endtchrist"]bei. Serin soll [Martin] Frecht und [Johannes] Piscatorius herzlich grüßen. Möge der Herr den [Schmalkaldenern] den Sieg verleihen, oder ansonsten Standhaftigkeit und Geduld im Glauben. In seinem zweiten Schreiben vom 25. August [Nr. 2550] wunderte sich Serin über Bullingers Schweigen. Letzterer war während des Sommers durch seinen Lukaskommentar sehr in Anspruch genommen. Das Werk wurde ain 26. [richtig: 28.]August fertig gedruckt und ist dem Augsburger Ratsherrn [Hans] Welser gewidmet. Die Zürcher [Meinrat Oggenfuß und Hans Hug] sind aus Bayern wieder gut zurückgekommen. Der eine soll als Söldner bereits wieder abgereist sein. Der andere wird sich wegen der Kriegsläufte kaum sogleich wieder nach Mähren begeben. Die Zürcher Kirche hat für die [Schmalkaldener], ja auch für das eigene Land [öffentliche]Gebets[stunden]eingerichtet. Der Engländer [...], der Serins letzten Brief übermittelte, hat sich nach Straßburg begeben. Etwa 1'000 eidgenössische Söldner, die den [Schmalkaldenern] zuziehen wollten, sind in den vergangenen Tagen wieder heimgekommen, da man anscheinend ihrer nicht bedarf Viele sind darüber verstimmt, da sie den [Schmalkaldenern] in ihrem Kampf gegen Kaiser [Karl V.]gerne geholfen hätten. Fest steht, dass die dem Evangelium ergebenen [protestantischen Stadtkantone] ganz hinter den [Schmalkaldenern] stehen! Der Herr gewähre Gelingen und Schutz! Gruß.

S. D. Commodum nactus nuncium 1 , Leonarde charissime, non potui committere, quin paucula haec ad tuas 2 responderem. Plura enim in praesenti non potui.

September 1546; s. Nr. 2576,1-3. Diesem war ein weiteres, nicht mehr erhaltenes Schreiben (ebenfalls vom 4. September) an Georg Frölich beigelegt; s. Nr. 2574,1f.
1 Heinrich Thomann (1520-1592), der später angesehene Diplomat, der seit 1542 die Zunft zur Wang im Zürcher Großrat vertrat. 1546 Spitalmeister. 1557 Bauherr. 1560 bis 1566 Vogt von Kyburg. Ab 1567 Statthalter und ab 1568 Seckelmeister von Zürich. Zunftmeister von 1557— 1559 und 1566-1573. Von ihm sind fünf Briefe an Bullinger erhalten, drei davon
aus dem letzten Viertel des Jahres 1546. — Lit.: HLS XII 325. — Ihm wurde ein am 4. September verfasster Brief des Zürcher Rats an die Fürsten des Schmalkaldischen Lagers anvertraut, wie auch ein Schreiben Bullingers für den Landgrafen Philipp von Hessen vom 6. September; s. EA IV/ld 736f; Nr. 2569; Zürich StA, A 177, Nr. 32 (Thomann an den Geheimen Rat von Zürich, 14. September, mit Erwähnung von Bullingers Brief an den Landgrafen). Thomann reiste über Konstanz, Ulm, Donauwörth und Nördlingen ins Lager, wo er am 12. September eintraf; s. Nr. 2569, Anm. a. Den vorliegenden


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Accepi a te binas literas, et priores quidem datas 5. augusti 3 In us nihil est, ad quod magnopere referat respondere. Commendavi te Hallero, 4 ac spero te brevi literas ab ipso habiturum, nisi meae 5 illi non sint redditae.

Somnium fictum 6 a te recepi et probatur mihi vehementer. Pro eo remitto tibi Antichristum, 7 descriptum a symmista 8 . imo filio meo 9 , quem aeducavi.

Frechtum'° et Piscatorium 11 amicissime salutabis. Nova, quae his mihi literis scribebas, legi libenter. Oro autem dominum, ut nostris 12 concedat victoriam, aut si aliud ipsi visum est, nobis omnibus conferat patientiam et constantiam in fide.

Posteriores datae erant 25. augusti. 13 Miraris, quod primis non responderim. Non potui per negotia. Haec aestate absolvi 9 libros commentariorum Brief übermittelte er Serin am 17. September auf seiner Heimreise; s. unten Anm. a.

2 Siehe dazu unten Anm. 3 und Anm. 13.
3 Brief Nr. 2527.
4 Auf Serins Bitte hin; s. Nr. 2527,54-56.
5 In einem nicht erhaltenen Brief Bullingers an Haller oder in dem nicht erhaltenen, aber bezeugten Postskript von Bullingers Brief Nr. 2543; s. Nr. 2560,5.
6 Die "Warhaffte unnd gegründte meldung" des Reutlinger Pfarrers Johannes Schradin; s. Nr. 2527, Anm. 34.
7 Gwalther, Der Endtchrist. Kurtze klare bewysung in fünff Predigen begriffen, dass der Papst zu Rom der ... Endtchrist sye, Zürich, Christoph Froschauer, 1546 (am Schluss: Holzschnitt des Antichristen; s. dazu HBBW XV 271f, Anm. 28). Von dieser Schrift kennt man aus dem gleichen Jahr sechs verschiedene Zürcher Ausgaben bzw. Teilausgaben oder gar nur Zwitterdrucke (BZD C361-361). Das Büchlein ist "Allen christglöubigen und evangelischer warheit liebhabenden menschen" gewidmet und trägt das Datum des 8. August 1546. Die lateinische Fassung (Antichristus, id est homiliae quinque, quibus Romanum Pontificem ... Antichristum esse probatur) wurde den Pfarrern der Landschaft Zürich gewidmet und ist auf den 12. Dezember 1546 datiert. Bei der lateinischen Erstausgabe (BZD C3677 wurde der Druckbogen B falsch zusammengestellt, so dass es zu einem Zwitterdruck kam (BZD C368), in dem der Fehler berichtigt wurde. In Zürich wurde die lateinische Fassung erst etwa im Jahre 1575 von Christoph Froschauer
d.J. neu gedruckt (BZD C 1065). Eine italienische Fassung, (L'Antichristo -VD16 W 1064) wurde Anfang 1550 (nicht 1551) in Basel gedruckt, sogleich aber beschlagnahmt. Dieser Druck ist dafür verantwortlich, dass die Basler Behörden am 20. April 1550 ein Gesetz verabschiedeten, wonach fortan jeglicher fremdsprachiger Druck in Basel verboten war. 1556 erschien in Emden eine englische Fassung (Andrew Pettegree, Emden and the Dutch Revolt, Oxford 1992, S. 266, Nr. 56); 1559 eine französische in Genf (GLN 2116); 1570 eine niederländische in Emden (VD16 W 1067). Gwalthers Publikation sorgte während des ganzen Jahres 1547 und auch 1548 für Spannung unter den Eidgenossen. Dies erklärt die sofortige Reaktion der Basler Behörden im Jahre 1550. — Lit.: Zürich ZB, Ms B 5, Nr. 1, S. 1-12; Ms B 80; Ms L 87, Nr. 3a, f. 194-204; EA IV/ld 758 u. 775 s. 794 b. 799f 1. 830 z. 834f zu z. 876f a. 889 cc. 1027 a und b. VL16 III 139 (von Kurt Jakob Rüetschi); Gilly, Spanien 339f; Rotonda, Anticristo 19-33.
8 Rudolf Gwalther.
9 Bullinger hatte den jungen Gwalther bei sich aufgenommen; s. HBBW III 77, Anm. 8.
10 Der Ulmer Pfarrer Martin Frecht, der damals vorübergehend in Dillingen und an anderen Orten der Diözese Augsburg tätig war; s. Nr. 2527,104-106.
11 Johannes Piscatorius, damals Feldprediger; Nr. 2527,107.
12 den Schmalkaldenern.
13 Brief Nr. 2550.


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in evangelium secundum Lucam 14 . Typis excusa vulgata sunt 26. 15 augusti. Inscripsi hos d. Welsero, consuli Augustano. 16

Duo illi cives nostri 17 incolumes domum redierunt ex Bavaria. Arbitror alterum rursus excurrisse in militiam. Alterum in hisce turbis non arbitror descensurum in Moraviam.

Supplicationem instituit pro vobis, imo pro nobis quoque et communi caussa ecclesia nostra. 18 Plus enim spei et praesidii est in precibus quam in armis. 19

Anglus 20 qui mihi has postremas attulit, Argentoratum concessit. Redierunt hisce tribus diebus Helvetiorum propemodum 1'000, qui abierant adiuturi partes nostras, sed in itinere audierunt, neminem porro recipi. Redierunt itaque quamquam impatientes satis. Maluissent enim vobis suam operam contra caesarem 21 collocare. 22 Hoc certum est, Helvetios eos, quibus in precio est evangelium, vos et caussam vestram ex animo iuvare et fovere. Oremus dominum, ut is vobis faveat et vos protegat. Nisi hic vigilant et custodierit civitatem, frustra vigilat, qui custodit eam. 23

Vale cum omnibus bonis. 4. septembris, Tiguri, 1546.

Bullingerus tuusa. a .

[Adresse auf der Rückseite:] Docto et pio viro d. Leonhardo Soerino Ulmae agenti, fratri longe charissimo. Ulm b . c

a Darunter Serins Empfangsvermerk: Redduntur 17. eiusdem. —
b Über Ulm von späterer Hand: ad 3. et 4. descriptam. —
C Darunter von Serins Hand: Resignatas [= mit geoffnetem Siegel]accepi.
14 Siehe zu diesem Druck Nr. 2545, Anm.
15 Richtig: am Abend des 28. August; vgl. Nr. 2556,21f.
16 Erst nach langem Zögern hatte sich Bullinger entschlossen, seinen Kommentar Hans Welser zu widmen; s. die Verweise in Nr. 2545, Anm. 1.
17 Meinrat Oggenfuß und Hans Hug; s. Nr. 2526, Anm. 2. Serin hatte nach diesen gefragt; s. Nr. 2550,17-25.
18 Siehe dazu Nr. 2478, Anm. 2; Nr. 2547, Anm. 1.
19 Vgl. Jes 30, 15; 31, 1.
20 Der Übermittler von Serins letztem Brief; vielleicht gar John Caius; s. Nr. 2550, Anm. 3.
21 Karl V.
22 Siehe dazu die Verweise in Nr. 2564, Anm. 21.
23 Ps 127 (Vulg. 126), 1.