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Wolfgang Wetter an
Bullinger
St. Gallen,
4. Juni 1532

Autograph: Zürich StA, E II 351,202. Siegelspur Gedruckt: ASchweizerRef IV 1669

Schickt auf Bullingers Wunsch Urkunden die Gotteshausleute von St. Gallen betreffend. Berichtet über ein früher durch die vier Orte ergangenes Urteil zugunsten der Gotteshausleute von Rapperswil, das im jetzigen Konflikt vielleicht von Nutzen sein könnte. Wünscht weitere Exemplare des Zürcher Messemandates. Grüße von Jakob Riner.

Min beraitwillig dienst zuvor, früntlicher lieber Maister Hainrich.

Min her Doctor Vadianus hat mir anzaigt, ir begärind 2 , den gotzhuslüten 3 zu gut etc., was man funde, an euch ze schicken 4 . Uff sölichs han ich etlich glöplich 5 copien uß der lantschafft von gutwilligen zewägen bracht 6 , och ain original von denen zu Waldkilch 7 . Und sind dis copien von des abts schribern, uß den originalen zogen und in die lantschafften geschickt. Man kennt och die hantschrifften gar wol. Darum ich achten 8 , vast 9 gut wärden im rächten 10 . Bytt euch früntlich, mich nit ze vermären 11 und still sin, damit wyr nit zu mererem haß bracht wärdind 12 , dann wyr sy sust vast gnug und zevil hand.

Wyssend och hiemit, das gmanen 13 gotzhuslüten zu Raperschwil under abt Francisco 14 von den vier orthen 15 ain urtail ist ergangen 16 , das der abt sy wyter mit kainen

63 Kaspar Megander.
64 Franz Kolb.
1 Wolfgang Wetter, genannt Jufli, gest. 1536, stammte aus St. Gallen. Über seinen Bildungsgang ist nichts bekannt. 1509 wurde Wetter Frühprediger zu St. Mangen, 1519 Helfer zu St. Laurenzen. Als gebildeter und entschieden reformatorisch eingestellter Geistlicher wurde er vom Rat an die Disputation nach Baden geschickt. Von 1529 bis 1531, den Jahren, in welchen das Kloster St. Gallen in den Händen der Stadt war, wirkte Wetter dort als Münsterprediger. — Lit.: Staerkle 152f; Stückelberger 26; HBLS VII 501.
2 Ein entsprechendes Begehren Bullingers ist nicht erhalten.
3 Siehe oben S. 92, Anm. 42.
4 Vermutlich wollte sich Bullinger über die Rechtsgrundlagen der äbtischen Rekatholisierungspolitik informieren, allenfalls auch die Zürcher Tagsatzungsgesandten entsprechend unterrichten.
5 glaubhafte, glaubwürdige (SI II 589).
6 in meinen Besitz gebracht.
7 Waldkirch (Kt. St. Gallen) gehörte zum Herrschaftsgebiet des Abtes von St. Gallen und betrieb eine traditionell antiäbtische Politik; vgl. dazu HBLS VII 366.
8 glaube ich.
9 sehr.
10 beim Rechten, beim Prozessieren (vgl. SI VI 308f).
11 verraten (SI IV 361).
12 damit wir nicht noch mehr Haß gegen uns haben.
13 gemeinen, gesamten.
14 Franz Gaisberg oder Geißberger wurde 1504 Abt des Klosters St. Gallen. Nach dem Durchbruch der Reformation in der Stadt St. Gallen floh er nach Wil, dann nach Rorschach, wo er 1529 starb; vgl. Kurt Spillmann, Zwingli und die zürcherische Politik gegenüber der Abtei St. Gallen, St. Gallen 1965. — MVG XLIV 21-33; Vadian DHS II 394-413; HBLS III 377.
15 Die vier Schirmorte des Klosters St. Gallen: Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus.
16 Im Juli 1525 erörterten die in Rapperswil


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
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nüwen beschwärden 17 mer beladen söl 18 . Ob sin handlung ytz an die gotzhuslüt, den globen und gwüßne beträffende, nit ain beschwärd sye, mogend die glöbigen urtailen etc. Ob 19 diesälb erkantnus 20 möchte zu disem handel dienen, wyste ich wol das ort, da brief und sigel wärind. Doch lond sölichs by euch, damit es nut lutpräch 21 wärd, dann des abts amplüt 22 mochtind den brief veraberwanden 23 und villicht verschlähen 24 , dann sy gnaigt sind, dem abt und nit den gotzhuslüten ze dienen etc.

Es wär och min bytt, wyr hetind deren mandaten 25 etlicher me, so euwer heren hand lassen usgon, dann die harkomnen 26 nit klainen trost bracht hand, und so wyr mer hetind, wurdind wyr sy hin und wider in der lantschafft schicken etc.

Item, so yr die brief 27 brucht hetind, das sy mir widerum zu minen handen wärdind etc.

Hiemit enbüt ich mich gnaigt und willig, euch ze dienen allzit.

Es lat euch grusen herr Jacob Riner 28 , etwan 29 ze Tail 30 predicant, by uns yetz wonhafft.

Gäben zu S. Gallen, den 4. tag brachet im 1532 iar.

Wolfgangus Weter alias Jufli,

diener götlichs wortz zu S. Gallen.

[Adresse auf der Rückseite, zugeklebt:] Dem wolgelerten M. Hainrichen Bullinger zu Zürich, minem günstigen herren.