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Autograph: Zürich ZB, Ms F 81, 86 (Siegelspur) a Ungedruckt
[1]In den letzten Tagen erhielt Kilchmeyer zwei Briefe von Bullinger [nicht erhalten]. Den
einen überbrachte Benedikt Schürmeister, den anderen ein Italiener [Petrus Franciscus
Rizardus], der drei Jahre lang als Pfarrer in Thusis gewirkt hat. Bullinger soll wissen, wie
f roh Kilchmeyer aufgrund beider Briefe ist: Denn dieser hat jetzt zum einen erfahren, dass
die von [Benedikt Bähler ausgestellte]Quittung, um die er sich gekümmert hatte, gut bei
Bullinger angekommen ist. Zum anderen weiß er nun, dass er mit seinem letzten Schreiben
[Nr. 3125 vom 31. Januar 1548]nicht nur Bullingers Kummer über seine seltenen Briefe
lindern, sondern auch noch ihre alte Freundschaft bekräftigen konnte. Bullinger hatte sichbriefe_vol_21-256 arpa
ja diesbezüglich schon das Schlimmste ausgemalt, woran er (wie es die Menschen ja oft tun)
mehr als nötig litt. Aber weit gefehlt! Kilchmeyer wäre es niemals in den Sinn gekommen,
Bullinger nicht mehr als einen seiner Vertrauten anzusehen. Es wäre völlig abwegig, sich
von seinem alten, stets höchst zuverlässig Freund abzuwenden. Doch genug davon! So
etwas muss sich eher durch Taten als durch Worte erweisen. -[2]Kilchmeyer hat neulich
Nikolaus Pfister [seinen angekündigten]Brief für Kaspar Seidensticker zur Übermittlung
[nach Thunstetten]übergeben, der Bullingers Bitte an Seidensticker enthält, die ihm irrtümlich
zugeschickte [Quittung]nach Zürich zurückzusenden. Wenn Seidensticker dieses
Schriftstück hat, wird Bullinger es zweifellos bald zurückerhalten. Der Irrtum ist ja nur
aufgrund von dessen Arbeitslast geschehen! -[3]Den Teil aus Bullingers Brief über den
Ungehorsarn der Berner Studenten in Zürich hat Kilchmeyer den [anderen]Berner Schulherren
mit größter Umsicht vorgelesen und dargelegt. Hier drückt ihn der sprichwörtliche
Schuh nämlich sehr! Denn kaum hat Kilchmeyer mit großer Mühe bewirken können, dass
die Berner Studenten nicht mehr [nach Straßburg] an die bucerische Schule, sondern nach
Zürich geschickt werden, da machen diese all seine Anstrengungen zunichte! [Mit ihrem
Verhalten]untergraben sie nicht nur seinen unermüdlichen und kräfteraubenden Einsatz
f ür das Ansehen der Berner Kirche, sondern lassen auch noch den Verdacht aufkommen,
dass Kilchmeyer aus Missgunst gegenüber der bucerischen Schule gehandelt habe. Dabei
ist doch der Berner Kirche und der Eidgenossenschaft in ihren unruhigen Verhältnissen
mit [der Ausrichtung nach]Zürich besser gedient! Was für ein Undank! Was kann man
von diesen Leuten, die sich schon in ihrer Jugend derart benommen haben, denn noch
erwarten, wenn sie einmal alt sind? Die Stellungnahme [des Berner Rats]lässt noch auf
sich warten. Wenn die Studenten nicht gänzlich töricht sind, werden sie die ihnen drohende
Strafe aber schon erahnen können. Wie Kilchmeyer glaubt, soll nach Ostern nicht nur ein
[vom Berner Rat]bevollmächtigter Bote [nach Zürich]geschickt werden, um die Gläubiger
[NN]der Studenten auszubezahlen, sondern auch deren Strafe für ihren Ungehorsam und
Undank verhängt werden. -[4]Die Berner [Schulherren]haben sich, wie Bullinger verlangt
hat, dafür ausgesprochen, nur noch Zürcher [Schüler] mit einem Empfehlungsschreiben
aufzunehmen. An diesen Beschluss, der schon längst überfällig gewesen ist, wollen sie
sich nun strikt halten. Wenn sich Kilchmeyer nicht täuscht, können das die beiden jungen
Männer, Adam [Frey] von Dietlikon und Ezechiel [Ramp], der Sohn des Wildberger Pfarrers
[Johannes Ramp], bestätigen: Denn als sie vergangene Woche zu ihm kamen und um
seine Unterstützung [bei der Aufnahme an der Berner Schule]baten, hat er sie auf solche
Weise abgefertigt, dass sie wohl kaum so bald wiederkommen werden. -[5]Es treibt sich
auch ein gewisser Joachim Forrer aus Winterthur in Bern herum. Als er Kilchmeyer sehr
wortgewandt [nach einer Anstellung]fragte, erwies er sich aber (wie viele Jugendliche!) als
eingebildet, und konnte auch kein Empfehlungsschreiben der Zürcher vorweisen. Daher
hieß ihn Kilchmeyer, sein Glück anderswo zu versuchen. -[6] Wie es um Johannes Gisling
steht, kann Bullinger von Junker Jakob Rordorf erfahren. -[7]Zu guter Letzt soll Bullinger
von Rordorf und Rizardus, dem Überbringer des vorliegenden Briefes, erfahren, womit sich
Kilchmeyer neuerdings auf Gottes Geheiß beschäftigt und abmüht, nämlich mit den ihm
von den Franzosen [Johannes Calvin und Pierre Viret]verursachten Schwiergkeiten, für
die aber zweifellos Simon Sulzer und Beat Gering verantwortlich sind! Weil Kilchmeyers
Mittel und Kräfte nicht ausreichen, um diese unheilvolle Zwietracht zu überstehen,
und Johannes Hallers [Versetzung]nach Bern [von den Zürchern]abgelehnt wurde, hatbriefe_vol_21-257 arpa
er den Entschluss gefasst, nach der Verhandlung (deren erfolgreichen Abschluss er nicht
bezweifelt!) um seinen Rücktritt zu bitten. -[8]Grüße, auch an Bullingers Frau [Anna,
geb. Adlischwyler] und Familie sowie an alle Kollegen, insbesondere an Augustin Fries.
Ebenfalls grüßen Eberhard von Rümlang, Johannes Wäber und Nikolaus Pfister, die den
durch sein hohes Alter und seine vielfältigen Lebenserfahrungen erschöpften Kilchmeyer
zuverlässig unterstützen. -[9]Erneuter Gruß. Die Zürcher sollen nie vergessen, für die
Berner Kirche und das gemeinsame Wohl der Eidgenossenschaft zu beten.
S. Binas literas 1 superioribus diebus a te accepi, dilectissime frater, unas per Benedictum Schurmeyster 2 , alteras per Romanum 3 quendam, qui annis tribus apud Rhetos egit in Dussis concionatorem. Quibus 4 me scias velim maxime exhilaratum, partim quod ex eis intellexeram quittanciam 5 illam a me, ut ipse scribis, probe curatam tibi esse fideliter redditam, partim vero dolorem tarditate ac literarum mearum raritate contractum unis literis 6 meis non solum esse profligatum, sed eciam veterem amiciciam nostram reparatam ac confirmatam, de qua tu opinione plus quam re ipsa (ut facile fit inter mortales) laborans tibi nonnihil decidisse somniasti. Nam ita de me sentire nunquam licebit, cum nunquam induxerim in animum vel minimum e fratrum numero abiicere. Tam abest, ut tibi renunciare statuerim veteri amico, et quem semper fide et officio sum expertus fidelissimum. Quum vero de huiusrnodi 7 rebus quam verbis potius testificandum esse censeam, satis de hoc dictum sit.
Curavi hisce diebus literas certas 8 opera Artopei 9 nostri perferri ad Casparem Sydenstiker propter quittancie errorem 10 abs te diversitate occupationum 11 comrnissum. Nihil dubitans, si illam habet, et te propediem habitururn.
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Preterea, quantum attinet studiosorum 12 nostrorum (proh pudor!) b pudendam contumatiam, literas 13 tuas summa qua potui diligentia dominis nostris scholarchis 14 et prelegi et exposui. Hic enim me calceus, ut proverbio dicitur, non parum urget, 15 quod post multos labores meos et studium omne vix tandem eo ventum sit, ut schola Buceriana valedicta Tigurum studiosi nostri mitterentur, ipsi vero nunc omnes labores meos evacuant! Neque solum ardorem, qui omnem quietem mihi adimens vires indies exhaurit promovende ecclesiæ Bernatum gratia, subvertunt, irritos faciunt, sed etiam me suspectum velut hec egerim magis ad invidiam Buceriane schole, quam ut per Tigurinam melius ecclesiæ nostre atque rebus turbatis Helveticis consuleretur. O ingratitudinem! Si in viridi talia faciunt, quid, quaeso, in arida senectute ab eis sperandum est? Mulctam, quam laturi sunt (ni prorsus stupidi!) responsionis
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dilatione facile odorari possunt. Arbitror ipse paschali foestivitate 16 peracta legatum mitti, cuius opera et mandato accepto satisfiat, non modo, quibus ipsi nostri debent, 17 sed eciam ipsos inobedientie et ingratitudinis commeritam c poenam laturos. 18
Quod mones 19 e vestris neminem a nobis excipiendum 20 nisi exhibitis literis 21 , ipsi 22 hoc illud iam pridem quam maxime necessum esse decrevimus servabimusque firmiter. Id quod, ni fallar, optime de me pronunciare ac testari possunt duo iuvenes illi Adam von Dietlikon 23 et Ezechiel 24 , fihius pastoris in Wyltperg, qui elapsa praeterita septimana ad me venientes atque operam meam inpiorantes sic ablegati sunt, ut facile credam ipsos non statim redituros.
Divagatur et inter nostros quidam Wittodurus nomine Joachim Furerius 25 , qui et hisce diebus me multis elegantibus verbis convenit. Verum, quod fastuosus 26 , ut nostri sunt plerumque adolescentes, apparuit nullas literas habens a vobis, aliam ipsum quercum iussi excutere. 27
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Gisslingeri 28 nostri statum ex compatre nostro iunckhero Rordoff 29 pete.
Postremo, quomodo me dominus trudat, in quibusque veut versari me, recognosci, exerceri qualeque mihi nuper negotium natum sit et impositum d nempe a Gallis 30 indubie Sultzeri ac Batti 31 nostri machinatione, d partim a supradicto compatre 32 nostro explora, partim a Romano 33 illo, presenciarum latore. Negotio foeliciter, ut minime diffido, peracto statui abeundi veniam et commeatum exposcere. Suppellex 34 enim atque vires tenuiores sunt, presertim Hallero nobis negato, 35 quam huic pestilentissime possint discordie suppetere.
Vale cum uxore 36 , familia omni. Salutatis in Christo fratribus omnibus precipue Frisio 37 meo. Salutant vos omnes d. Eberhardus a Rumlang, Textorius 38 , Artopeus summa fide mihi per gratiam ipsis datam senio 39 confecto et experimentis varus manus porrigentes.
Iterum valete omnes in domino et precibus vestris ad deum ecclesiæ nostre et
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salutis communis Helvecie nostre obliviscamini nunquam! Berne, 11. marcii anno 48. I K., tuus semper.
[Adresse auf der Rückseite:] Celeberrimo viro d. Heinricho Bullingero, apud preposituram Tiguri pastori vigilantissimo, suo domino ac fratri observando semper. 40