Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2211]

[Ambrosius Blarer] an
Bullinger
[Konstanz],
10. August 1545

Autograph: Zürich StA, E II 357, 141 (Siegelspur) Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 377, Nr. 1202

Bullinger soll Blarer nicht übermäßig danken. Sie wollen ja ihre Freundschaft pflegen. Bullinger hat Blarer in Hinsicht auf Konrad Curio [Hofherr]beruhigt. Blarer zweifelt nicht, dass sich dieser unter Bullingers Aufsicht gut entwickeln wird. Bullinger soll aufpassen, dass der leicht Abzulenkende auf dem rechten Weg bleibt. Blarer weiß nicht, ob und was Bürger-

1 Theodor Bibliander.
2 Vielleicht hatte sich Bibliander im Zuge des Dissenses mit den Zürchern (s. oben Nr. 2189 und Nr. 2193, Anm. 10) nach Konstanz begeben, um schon zu diesem Zeitpunkt über eine Anstellung in Konstanz zu verhandeln. Am 27. Februar 1546
dankte er Blarer und der Konstanzer Obrigkeit für deren Stellenangebot, lehnte dieses aber ab; s. Blarer BW II 419, Nr. 1255; Egli, Analecta 1176.
3 Der Reichstag zu Worms, der am 4. August beendet worden war; s. oben Nr. 2185, Anm. 17.


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meister [Johannes] Haab [Konrad Zwick bezüglich der Verhandlungen zur Kriegskunst] geschrieben hat. Möge Gott (dessen Plan es sicherlich war, dass [die Kriegskunst]bisher geheim blieb, um einst der Christenheit zu nutzen) alles zum Guten wenden. Blarer hätte gerne Johannes a Lascos Brief an Bucer zum Abendmahl, dessen Übermittlung ihm [Albert] Hardenberg brieflich und auch [Gerhard thom Camph]versprochen haben. Außerdem hat er auch noch nicht die von Bullinger [in einem nicht erhaltenen Brief] erwähnte Schrift a Lascos, die [,,Defensio verae doctrinae"] gegen Menno [Simons], gesehen. Blarer schickt den "Dialogus [Philalethis"], der ihm gut gefallen hat, zurück. Der [Konstanzer]Buchhändler [Gregor] Mangolt wird wohl in den nächsten beiden Tagen nach Augsburg reisen und Bullingers Brief [nicht erhalten] an [Georg] Frölich überbringen; ansonsten wird ihn jemand anders übermitteln. Thomas Grunder aus Wil, bei dem Blarer [im Jahr 1529]wohnte, als er dort das Evangelium predigte, bittet, dass Bullinger ihm hilft, das Zürcher Bürgerrecht zu erwerben, weil er in Wil wegen der herrschenden Papisten kaum mehr leben kann. Grunder ist kein schlechter Mensch, jedoch als Familienvater etwas nachlässig. Über den Reichstag [zu Worms]gibt es nichts Erwähnenswertes. [Karl V]soll am 5. August abgereist sein, ohne viel ausgerichtet zu haben. Alles wurde auf den künftigen Reichstag [zu Regensburg] verschoben. Der Kaiser konnte wegen [Paul III.]nicht an den im Vorjahr den [Protestanten am Reichstag zu Speyer gemachten]Zugeständnissen festhalten. Mit Letzteren hatte er nämlich das Geld erschmeichelt, mit dem die [Protestanten] sich ihren Freund [Franz I.] zum Feind gemacht und ihrem Feind [Karl V] geholfen haben. [Die Protestanten] aber wollen blind an den Zugeständnissen festhalten. Gruße. Blarer empfiehlt den bei Theodor [Bibliander]befindlichen Jakob Metzler, den Sohn des [Konstanzer]Pfarrers [Bartholomäus Metzler], den Bullinger ermahnen soll, wenn er ihm begegnet.

Tu vero, mi venerande et charissime Bullingere, immodicis tuis gratiarum actionibus etiam molestum esse incipis, quare, ut porro abstineas ab hisce calamum, vehementer te oro, vehementius autem, ut si quid tuarum rerum a me recte curari posse existimabis, libere significes, nunquam non experturus officium nostrum. Amicicia jura et tu non ignoras, et ego colere pro virili cum primis statui. 1

Quod ad Conradum Curionem adtinet, tua me fide magna cura et sollicitudine liberasti, neque enim dubito, quin omnia illius feliciter casura sint, ubi tu praestiteris et ille te admiserit monitorem. 2 Perge igitur, nam valde te obsecro, quemadmodum cepisti, retinere illum, ne a semel ingressa sanctorum studiorum via usquam (ut est facilis ab iis digressio) deflectat, sed ei, que de se est, expectationi pulchre ac perpetuo respondeat.

Quid consul vester Habius 3 consobrino meo 4 vel an respondent, plane ignoro. 5 Dominus omnia bene vertat, 6 cuius singulari consilio factum puto, ut tormenti istius plane mirabilis manifestatio hactenus sit dilata, publicanda, ni fallor, olim maximo christiane reipublicae commodo.

1 Blarer antwortet auf einen nicht erhaltenen Brief Bullingers, dem dieser anscheinend den von Georg Cassander gesandten Dialog beigelegt hatte; s. Z. 22f.
2 Zum wankelmütigen Konrad Hofherr s. zuletzt oben Nr. 2190, 32-52, wo Blarer Bullinger schon gebeten hatte, Hofherr im Auge zu behalten.
3 Johannes Haab.
4 Konrad Zwick.
5 Am 3. Juli hatte Blarer Bullinger geschrieben, dass Zwick Haab die Hauptpunkte ihrer Verhandlung zu Zwicks Kriegskunst senden wollte; s. oben Nr. 2190, 22-31.
6 Vgl. Röm 8,28.


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Domini Ioannis a Lasco de Christi cena epistolam modis omnibus habere desidero. Promiserat hanc in postremis suis ad me literis 7 d. Hardenbergius, et ipse Frisius 8 , quod nosti; putoque ad Bucerum missam. 9 Ego nec huius 10 nec scripti contra Mennonem anabaptistam 11 , cuius mentionem facis, 12 quicquam vidi.

Dialogum 13 remitto magnas tibi gratias, quod miseris, agens. Multum enim ob singulare artificium et rerum, quarum meminit, cognitionem arrisit.

Mangoldus 14 noster, bibliopola, cras aut postridie Augustam se profecturum affirmat, qui literas tuas Leto 15 reddet. 16 Quodsi forte mutaverit consilium, nihilo secius; alia commoditas ilias illuc mittendi non deerit.

Est civis quidam Wyle 77 , cui Thome Grundero 18 nomen, et quo superioribus annis, quum illic evangelium Christi septimanas aliquot praedicarem,

7 Unbekannt.
8 Gerhard thom Camph, der Ende Juni in Konstanz war; s. oben Nr. 2180, Anm. 1.
9 A Lasco antwortete mit diesem Brief über das Abendmahl vom 23. Juni 1545 (Druck in: Johannes a Lasco, Opera tam edita quam inedita, hg. v. Abraham Kuyper, Bd. 2, Amsterdam/Den Haag 1866, S. 591f) auf den Brief Bucers vom 16. April 1545 zum gleichen Thema (zu dessen Druck s. oben Nr. 2120, Anm. 28), den dieser zirkulieren ließ, so dass auch das Interesse an a Lascos Antwort dementsprechend groß war.
10 Zu verstehen: epistolae.
11 A Lascos gegen Menno Simons gerichtete Schrift "Defensio verae doctrinae", die Albert Hardenberg am 23. März 1545 nach Zürich gesandt hatte; s. oben Nr. 2120, Anm. 19.
12 Wohl in einem nicht erhaltenen Brief.
13 Der Dialogus Philalethis; s. oben Nr. 2194, 41-43 und Anm. 18. — Bullinger wird diese Flugschrift nach dem 22. Juli 1545 mit einem nicht erhaltenen Brief an Blarer gesandt haben, nachdem er sie am 22. Juli mit Cassanders Brief vom 10. Juli (Nr. 2194) erhalten hatte.
14 Gregor Mangolt.
15 Georg Frölich.
16 Wohl Bullingers nicht erhaltene Antwort auf Frölichs Brief vom 28. Juli (Nr. 2203), auf die Frölich am 18. August reagierte (Nr. 2216). Bullingers (nicht erhaltene) Antwort auf den Brief des Augsburger
Rats vom 30. Juli 1545 (Nr. 2204) wurde vielleicht einem amtlichen Boten anvertraut; s. unten Nr. 2216, 1f.
17 Wil (Kt. St. Gallen).
18 Zur Person von Thomas Grunder (Gründer), dem Überbringer dieses Briefes (s. unten Nr. 2226, 1f), ist wenig bekannt. Er könnte im Tuchhhandel tätig gewesen sein (s. Johannes Rütiner, Diarium 1529-1539, hg. v. Ernst Gerhard Rüsch, Textband 112, St. Gallen 1996, Abs. 967) und ist zumindest für das Jahr 1541 — als "Weibel" von Bettwiesen (3 km nördlich von Wil) nachgewiesen (Wil StadtA, Ratsprotokoll, Bd. 412, 1540-1543, S. 242). Wegen Grunders hoher Schulden (s. dazu aao, Bd. 413, 1543-1544, S. 102. 122f. 125f. 132) beschloss der Wiler Rat am 25. Juni 1545, dass dieser die Stadt innerhalb von acht Tagen zu verlassen hätte und erst nach Tilgung seiner Schulden zurückkehren dürfe (aao, Bd. 414, 1545-1546, S. 61); wir danken Herrn Stadtarchivar Werner Warth für seine freundlichen Ermittlungen. Am 5. September 1545 empfahl Vadian den aufgrund seines evangelischen Glaubens verarmten Grunder an Thomas Blarer in Konstanz und bat diesen, für einen von Grunders Söhnen zu sorgen, nachdem sich Bürgermeister und Rat von Zürich bereit erklärt hatten, für den Unterhalt des anderen Sohnes aufzukommen; s. Blarer BW II 385f, Nr. 1213; Vadian BW VI 440f, Nr. 1411; unten Nr. 2314, Anm. 46. Thomas Grunder wurde Ende 1545


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hospite sum usus. 19 Is me valde obtestatur, ut se tibi commendem, quo istic ius civitatis vestrae tuo beneficio accipiat, quandoquidem gravissimo odio papistarum, qui Wyle regnant, laborat et res illi plane ad famem rediit. Negare igitur non potui officium teque rogo, ut, quantum absque molestia potes, illi adsis. Vir est non malus, quamquam non satis diligens paterfamilias.

De comitiis 20 °nihil dignum te scribere possum, quando illa 21 nihil tantis heroibus dignum nobis pepererunt. 22 Imperatorem puta 5. augusti Wormacia abiisse, 23 sed non effectis tantis rebus, quantas efficere decebat servientem antichristo contra Christum; et reiecta sunt omnia ad futura comitia, 24 quum presertim imperatori per pontificem 25 stare non liceat iis concessionibus, quibus superiore anno tantum pecunia a nostris est eblanditus, qua Galliam hostem nobis, cum amica esset, fecimus, et eum 26 , qui hostis erat, auximus. 27 Nostri vero prorsus eas concessiones retinere voluerunt. 28 O caecos nostros, qui non tandem omni tyrannidi antichristi longum valedicunt et servatori Christo plenis pectoribus occinunt "Benedictus, qui venit in nomine domini"! 29

von Vadian an Myconius in Basel empfohlen. Myconius empfahl ihn wiederum an Amerbach; s. Vadian BW VI 484. 494; Amerbach Korr. VI 216, Nr. 2772a. —Zu einer Einbürgerung von Grunder in Zürich kam es nicht, doch wurde er Ende 1545 in Zürich aufgenommen (s. unten Nr. 2314, 45f) und ist noch 1550 als in Zürich wohnhaft bezeugt; s. Karl Frei, Zur Geschichte der aargauischen Keramik des 15.—19. Jahrhunderts, in: Anzeiger für schweizerische Altertumskunde, NF 33, 1931, 92.
19 Im Jahre 1529 hatte Blarer missionarisch an verschiedenen Orten im damaligen Thurgau gewirkt, darunter im Herbst in Wil (damals zur Abtei St. Gallen gehörig), wie durch einen Brief Blarers an Zwingli aus dieser Zeit belegt ist; s. Blarer BW I 199, Nr. 155; Hermann Buck und Eckehart Fabian, Konstanzer Reformationsgeschichte in ihren Grundzügen, 1. Teil: 1519— 1531, Tübingen 1965. — SKRG 25/26, S. 208.
20 Der Reichstag zu Worms.
21 Zu verstehen: comitia.
22 Die folgenden Mitteilungen dieses Abschnitts entnahm Blarer fast wörtlich einem Brief Bucers vom 6. August (Blarer BW II 376, Nr. 1201).
23 Auch in PC III 624 wird die Abreise Karls V. für den 5. August angekündigt,
sie erfolgte jedoch erst am 7. August; s. NBD VIII 276; Stälin 578.
24 Im Reichsabschied vom 4. August 1545 wurde vermerkt, dass wegen der niedrigen Anwesenheitsquote keine zufriedenstellenden werden konnten, weshalb für den 6. Januar 1546 ein Reichstag zu Regensburg angesetzt wurde, der de facto erst später begann; s. RTA JR XVI/I 81; RTA JR XVI/2 1658f, §§ 5f. Bis dahin sollten die früheren Beschlüsse zum Religionsfrieden und zur Türkenhilfe bestehen bleiben; s. RTA JR XVI/2 1660f, §§ 11-12.
25 Paul III. —Zu seinem Paktieren mit Karl V. s. oben Nr. 2182, 36f; Nr. 2190,75-77; Nr. 2192.
26 Karl V.
27 Am Reichstag zu Speyer hatten die Reichsstände sich am 13. März 1545 zur Unterstützung des Kaisers im Kampf gegen Franz I. bereiterklärt; s. HBBW XIV 151, Anm. 7.
28 In ihrer Protestation vom 4. August 1545 erneuerten die Stände der Augsburger Konfession ihre Forderungen bezüglich Friede und Recht und lehnten das Konzil von Trient ab; s. RTA JR XVI/2 1669— 1672, Nr. 342.
29 Mt 21, 9.


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Sed bene vale cum tuis omnibus, quos meis meorumque verbis diligentissime saluta. Ora pro nobis. 10. augusti 1545.

||141v. lacobum Mezlerum 30 ° adulescentem, symystis nostri 31 filium, istic apud optimum et doctissimum virum Theodorum 32 etiamnum agentem, 33 quam possum, accurate tibi commendo, ut aliquando, ubi forte fortuna in illum incideris, ad bonam frugem horteris.

[Adresse darunter:] Suo valde quam venerando atque charissimo fratri, d. Heinricho Bullingero. Tiguri.