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Autographa: Zürich StA, E II 338, 1410r.—1411v. (ohne Siegel) Ungedruckt
Hardenberg hätte gern jedem Einzelnen geschrieben und sich bei jedem bedankt, was ihm aber
aus Zeitmangel nicht möglich ist. — Er ist immer noch beim Kölner Erzbischof [Hermann von
Wied]tätig. Das Bestreben der Kleriker und des Kapitels hat diesen gezwungen, seine Reform
einzustellen, was Hardenbergs Kraft und Eifer geschwächt hat, da er nicht weiß, inwiefern ihm
weitere Handlungsmöglichkeiten offenstehen. — Täglich breiten sich alte und neue Irrlehren
aus, und der Streit um das Abendmahl ist wieder entflammt. Würde man sich doch einigen,
dass das Abendmahl durch den Genuss und nicht allein durch [theologische]Auffassungen
allen Frommen zuteilwird! —Zwinglis Schriften werden wohl schon gedruckt sein. Hardenberg
wurde beauftragt, die [Zürcher] zu bitten, nicht das [,,Kurtz bekentnis"] Luthers zu beantworten,
doch befürwortet Hardenberg eine Untersuchung dieser Angelegenheit durch die Kirche
und nicht eine Unterdrückung. — Auch Johannes a Lasco wird wegen des Abendmahls
verdächtigt, doch erweist er sich diesbezüglich als standhaft. Hardenberg hat im Dezember
[1544] a Lascos "Epitome" den Zürchern zukommen lassen und sähe es gern, wenn diese sie
lesen würden. Er könnte ihnen eine reinere Abschrift davon beschaffen. Über das Abendmahl
lehren die Zürcher und [a Lasco]wohl Ähnliches. Doch würde Hardenberg gern die Meinung
der Zürcher zu a Lascos Lehre über die Erbsünde, den Tod und die Strafe Adams, den Tod und
das Fegefeuer, die einmalige und dauerhafte Vergebung der Sünden, die Kinder der Nichtgläubigen
und über andere komplizierte Fragen erfahren. A Lasco unterscheidet zwischen
Adams Sünde und der Todsünde, dem ewigen Tod und dem Fegefeuer. Durch die Sünde hätte
Adam sich Gott nicht verhasst gemacht; auch wurde er dank der Verheißung [von Gen 3, 15]
nicht unwiderruflich zum Fegefeuer verurteilt. Ferner seien die Kinder aller Völker erlöst. In
all diesen Fragen will sich a Lasco dem Urteil der Kirche unterstellen. Die Zürcher mögen
ihre Meinung wenn nicht direkt a Lasco, so doch zumindest Hardenberg mitteilen, der ihm
diese gern weiterleiten wird. Wie für Philipp [Melanchthon] ist für a Lasco [Gottes] Vorsehung
kontingent. Falls die Zürcher diesen [diesem Thema gewidmeten]Abschnitt von a Lascos
Schrift nicht besitzen, wird Hardenberg ihnen diesen zuschicken. —A Lasco hat mit Hardenberg
[Hermann von Wied] besucht. Dieser hörte a Lasco gern zu, wollte ihn nach einem
Monat kaum gehen lassen, und beschloss, dass die Reformation unter dessen Obhut durchgeführt
werden soll, so Gott will; das befürwortet auch Hardenberg. — Falls a Lascos LehreBriefe_Vol_15_212 arpa
Mängel aufweist, müssten diese beseitigt werden, um Starrköpfigen keine Gelegenheit zu geben,
[eine neue Spaltung zu verursachen]. —A Lasco hat gegen Menno [Simons], den Anführer
der Täufer, die [,,Defensio verae doctrinae"]de Christi domini incarnatione" veröffentlicht,
die Hardenberg anbei sendet. Doch gibt dieses Buch ebenfalls Anlass zur Kritik, da a Lasco
der Auffassung ist, der Leib Christi hätte sündigen können. [Die Schrift gegen Simons] hatte
noch zwei weitere Teile, die auf Hardenbergs Rat nicht veröffentlicht wurden. Die Zürcher
sollen auch diese [neue] und dem Brief beigelegte Schrift beurteilen. — [A Lasco] wartet
während dieser [Frühjahrs]messe gespannt auf einen Brief der Zürcher. Sollte an seiner Lehre
etwas auszusetzen sein, würde er diese sogleich ändern. Die Haarspalterei der Täufer hat ihn
zu seiner Lehre veranlasst, und dabei hat er die Uneinheitlichkeiten mit der gesamten Heiligen
Schrift in Einklang gebracht. Falls die Zürcher a Lascos Lehre aus der [,,Epitome"] nicht
ableiten können, wird Hardenberg ihnen dessen Erotemata" schicken. — Sollte a Lasco zum
[Wormser]Reichstag zurückkommen, wird Hardenberg ihn Bucer und Anderen vorstellen, die
es gern sähen, wenn er den Sakramenten mehr [Wirksamkeit]zuschriebe. Er wird sich jedoch
allein von der Heiligen Schrift unterweisen lassen. — Wenn Bullinger, Theodor [Bibliander],
[Kaspar]Megander, [Konrad]Pellikan und [Rudolf] Gwalther etwas auszusetzen haben, sollen
sie es offen mitteilen. — A Lasco bemüht sich, in Ostfriesland eine Kirche zu errichten,
deren Kirchenzucht wohl von keiner anderen übertroffen wird. Demzufolge hat er sich bei
vielen verhasst gemacht, die ihn zu Unrecht als Sakramentarier, Täufer und Davidianer brandmarken.
Deshalb ist das Urteil der Zürcher über a Lascos Lehre umso wichtiger. Die Lutheraner
umwerben a Lasco, doch seitdem er seine "Epitome" Herzog [Albrecht] von Preußen
zukommen ließ, ist er bei den Wittenbergern umstritten. —Die Sektierer werden nun in Friesland
verfolgt, gemäß dem im Brabant [gegen sie erlassenen] Dekret. Diesem fallen auch
Unschuldige zum Opfer, sobald sie dem Papst untreu sind. Auch Ostfriesland ist davon betroffen.
[Der Kaiser]denkt, dass auch sein Nachbar, [Graf Johann I. Cirksena], die Häretiker
bekämpfen muss. Nun ist [durch die Erlangung von Geldern]auch Friesland mit [kaiserlichen
Territorien] benachbart, und da es einem Herrscher gesetzlich erlaubt wurde, benachbartes
Territorium zu besetzen, falls dieses Häretikern Zuflucht gewährt, und da als Häretiker alle
diejenigen eingestuft werden, die sich nicht [dem Papst] unterwerfen, werden Westfalen und
danach Sachsen bald Nachbarn [des Kaisers]. Und erlangt Brabant die Herrschaft, werden
endlich die Seelen erlöst! Als Hardenberg sich in seinem heimatlichen Friesland aufhielt,
wurde er als Häretiker angesehen, musste [zurück] über die Ems flüchten und konnte nicht
einmal seine Mutter [... Noetvelt/Noetvild?] besuchen. So werden die Niederlande vom Herrn
gereinigt. Täglich flüchten arme Menschen, die alles verlieren und nicht immer entrinnen
können, weil die Grenzen von Brabant, Flandern, Artesien und Hennegau bewacht werden.
Solch ein Zustand, nach so vielen Reichstagen, Treffen und Beratungen! Und was für ein
Anwachsen der Sektierer! Gemeinsam mit deren Teufelsmärtyrern kommen Gläubige ums Leben,
wie damals Christus zwischen den zwei Räubern! Doch wird Bullinger dies schon von
Flüchtlingen erfahren haben. —Hardenberg empfiehlt sich den Zürchern. A Lasco bittet seinerseits
um die [neuen] Veröffentlichungen der Zürcher oder zumindest um ein Verzeichnis
davon. Er hat Biblianders [,,Relatio fidelis"]gesehen und stimmt dieser Schrift völlig zu. Alle
[Arbeiten Biblianders] sollten veröffentlicht werden!
Statueram ad singulos vestrum scribere, patres in domino observandi, sed non patiebantur negotia quedam, que hoc tempore me valde urgebant; itaque, quod unum potui, volui vos salutare et agere gratias pro maximis benefitiis vestris, quae certe, dum vivam, semper memori mente tenebo.
Meae res adhuc sunt eo loco, quo erant, cum vobiscum essem. 2 Ago apud principem electorem Coloniensem 3 senem plane pium; sed propter den et
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capituli molimina cogitur optimus princeps reformationem suam suspendere, et fit, dum mihi labor suspenditur, vigor b et diligentia etiam perit. c Habeo tamen, quae agam, abunde, sed nescio, ex offitio ne meo sint haec. Deus gubernet ecclesiam suam ad perpetuam suam gloriam.
Surgunt quotidie hereses novae, et veteres ab inferis resuscitantur. Caussa coenae vehementer fervet. 4 Utinam tandem conveniat in eo, quod omnibus piis esse debebat non cognitum modo, sed usitatissimum etiam!
Puto domini Zvinglii opera iam apud vos excusa esse; 5 quae spero multis utilia fore. Et tamen habent suos etiam adversarios. 6 Hortati sunt me quidam, uti vos rogarem, ne quid ad Luteri scriptum responderetis. 7 Sed dixi caussam esse inspiciendam; quae, si bona sit, premi non debeat. Si quid desideretur, tamen prestare, ut ecclesiae censura proponatur.
bannes a Lasco etiam cepit ob eam caussam non optime audire, sed perfert et obdurat 8 Misi mense decembri ad vos Epitomen ipsius 9 quam vehementer cuperem a vobis legi. Non potui tunc castigatius exemplar habere. Si non legitis, curabo scribi aliud. In eucharistia statuo vos idem docere; sed sunt de peccato originis, item de morte et pena Adae 10 , de morte et Gehenna 11 quedam, item de peccati unica perpetua remissione, de infantibus infidelium et similibus rebus quedam acuta, de quibus vehementer aveo scire sententiam ||1410v. vestram. Distinguit inter peccatum Adae et peccatum mortale, inter mortem eternam et Gehennam. Dicit non incurrisse odium dei ex peccato Adamum, non esse intentatam illi mortem Gehennae, quae tamen sequi potuisset et debuisset, si non restituti essent 12 per promissionem 13 Putat infantes omnium nationum ad salutem pervenire, quamquam hoc mitigat, ut sane nihil prefracte assent nisi ad ecclesiae iuditium. Est etiam magna conquestio et querela, quod non satis plene de sacramentis doceat. Oro, fratres, per nomen domini Iesu ut, si ipsi non velitis de his rebus ad ipsum scribere, ut mihi sententiam vestram indicetis. Ego illi libenter indicabo; ita mihi omnia apud ipsum sunt libera, quae honesta. Et sane genus doctrinae mihi non improbatur, tamen, quoniam a consueta ratione ecclesiarum videtur nonnihil discedere, monui eum, ut, quoad eius fieri queat,
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servet receptam formam. De providentia Philippum 14 sequitur et statuit contingentiam laxam. Non scio, an ea 15 in scripto habeantur, quod ad vos misi; si non habetur ibi, mittam ad vos.
Venit mecum nunc ad principem meum Coloniensem, qui libenter audivit optimum virum et vix post mensem totum dimisit; 16 idque ea spe, ut, si volet deus huius ecclesiae reformationem procedere, id ipsius auspitiis et opera fiat. Quod et ego vehementer urgeo propter hu[ius]d viri autoritatem, pietatem, prudentiam et dexteritatem.
Tamen si qui essent in doctrina nevi, eos cuperem prius eradi, ne quam capitosis viris occasionem demus.
Edidit hic 17 libellum contra anabaptistarum antistitem Menonem Frisium 18 de incarnatione domini Iesu, 19 cuius ad vos exemplum mitto, 20 ut videatis viri eruditam pietatem et piam eruditionem. Tamen et hic libellus morsum quorundam sustinuit, eo quod d. Christo videatur tribuere carnem peccato obnoxiam, hoc est, quae peccabilis esset; quod tamen mihi nihil h[a]bere videtur incommodi, modo candidus adsit interpres. Habebat de vocatione et baptismo reliquas duas partes, sed meo consilio hunc solum nunc edidit, ut periculum faciat. Eg[o] et propter summi viri opinionem et inprimis propter ecclesiarum incolumitatem etiam atque etiam rogo, iudicate scripti genus et ad nos rescribite.
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Anxie a vobis ad has nundinas 21 expectat literas, et omnino spero vos scripsisse ipsi, ||411r. aut si labores vestri hoc hactenus non sunt passi, tunc oro, ut quam primum ad ipsum adhuc scribatis. 22 Si quidem reprehensio ulla in doctrinam ipsius cadere posset, eam mox mutabit, ut a vobis instructus erit. Furiosae anabaptistarum argutiae eum ad tale doctrinae genus propulerunt, quod omni e scripturae anticimena 23 conciliet! Et id se adsecutum esse sperat, habere scilicet se tale doctrinae medium, quod nulla pugnantia textus convenit-24 Et quidem statuo hoc doctrinae genus esse tutissimum, si modo recte id adsequamur. Qua in re quid ipse prestiterit, vobis, fratribus, submittit. Si genus doctrinae non adsequimini ex compendioli, mittam ad vos Erothemata 26 ipsius in totam doctrinam, quae apertam habent doctrinam.
Spero illum in comitia 27 venturum; id si contingat, adducam illum ad Bucerum et alios, qui cuperent illum plus tribuere sacramentis. 28 Fortasse et alia quedam in ipso desiderant; sed ille cupit scripturis secum pugnari, imo pugnam nullam appetit, sed institui cupit etiam a minimo puero.
Tu, mi pater Bullingere, tu, Theodore 29 tu, Megander, tu, Pellicane, tu, doctissime Walthere, si quid putatis mutandum, id libere indicate; nam opus est consentientem extare doctrinam.
Instituit ecclesiam in Orientali Frisia, qualem vix alibi vidi hactenus. 3 °Et quidem disciplinae gravitas offendit multos; sed ille nihil movetur neque terriculamentis nec minis neque palpationibus. Parcit nemini, qui in ecclesia dat nomen. Id habet pessime: Plerosque exleges homines quorum evangelium hactenus nihil aliud quam luxus fuit et petulantia apud hos optimus vir audit sacramentarius, hereticus, seditiosus, anabaptista, Davidianus
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et quid non, cum interim ab omnibus istis nemo mortalium longius absit. Quare vos iterum atque iterum rogo, si quid putatis iure carpi posse, id uti indicetis, priusquam aliud excudatur. Credit et confidit vobis ex animo. Idem me facere non dubitatis. Itaque rogamus, ne quid dissimuletis; nam res agitur non de asini umbra, quod dicitur, 32 sed de causa eternae salutis et perditionis. Lutherani in illum velificantur. Miserat Epitomen ad ducem Borussiae qui ipsum ||1411v. vocaverat ad suae ecclesiae institutionem. Sed ut visa auditaque est doctrina ipsius, mox caeptum est controverti 34 a Vitebergensibus.
In Frisia nunc ad mandatum aulae Brabanticae 35 sectarii propelluntur; 36 sed ea res in insontes etiam pertendebat f , dum ipse mecum apud Coloniensem esset. Itaque illuc reversus est, ut innocentibus veniat suppetias. Caesare vehementer grassatur in omnes, qui a papa 38 quoquomodo defecerunt. 39 Nullus enim delectus est. In Frisiam Orientalem etiam extendit minas suas. Putat a vicino principe 40 debere purgari regiones ab hereticis occupatas. Iam illa Frisia nostrae vicina est. 41 Nostri vero agni ab illis lupis 42 vehementer inquinantur. Intelligitis curam animarum. Certe ea maxima est apud illam aulam, quae nolit sibi ullum hominem perire, id est non subiectum esse. Et legibus conceditur vicino principi occupare terram vicinam, si hereticos alat. Postea vici[ni] erunt Westvali et ita Saxones. Ita demum animae salvabuntur, si monarchiam obtineat Brabantia! Ego, cum in Frisiam meam pervenissem, hereticus censebar. Itaque ne matrem 44 quidem allocutus coactus sum tr[a]iecta Amasi 45 mihi consulere. Ita ventilabro domini repurgatur area 46 Inferioris Germaniae. Deus nostri misereatur. Adcurrunt quo [ti]die ex illa laniena ad nos miseri homines relictis rebus omnib[us], ut vitae consulant.
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Sed non omnes tam sunt foelices, ut fugae locum inv[e]niant. Iam enim ad fines omnes Brabantiae, Flandriae, Artesiae 47 et Han[no]niae g48 positae excubiae et insidiae, ne quis effugiat. Huc tot nostr[a]comitia, tot conventus et consultationes promoverunt! Interim, o deus, quantus monstrosissimorum h sectariorum proventus inter has angustias! Et quidem sathan etiam ex suis martiribus aliquos dat in medium, ut cum illis pereant fideles. Ita Christus in medio latronum cernitur crucifixus. 49 Opinor ad vos etiam ex hac fug[a] aliquos pervenisse, quare non opus habeo plura de his; alioqui volumen totum requirerent, et quis potest hamm miseriarum sine summo dolore meminisse?
Finem ergo faciam, si me et mea studia vobis quam diligentissime prius commendem. Dominus a Lasco rogat, si quid a vobis nunc editum sit, id ut habere possit aut certe, ut indicem scribatis, quo illud ex proximis nundinis nancisci queat. Vidit Theodori mei meditationes in Apocalips[in]50 et vehementer approbavit; vellet et ilias et alia omnia ipsius edi. Putat indignum esse tantos thesauros diutius premi.
Valete in Christo servatore.
Bonnae, 1545, 23. mar[tii].
Vobis omnibus ex animo deditus A. H.
[Ohne Adresse.]51