Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2083]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
16. Februar 1545

Autographa: Zürich StA, E II 336, 214 (neu: 232)(Siegelspur) Ungedruckt

Myconius schickt mit dem Boten [...] das [Tadelsbreve von Paul III. an Karl V.]. Die [päpstliche Bulle Laetare Hierusalem"] wird Bullinger wohl schon haben. Wenn nicht, schickt Myconius sie ihm nach, sobald er sie wieder erhalten hat. Er hat nämlich [beide Dokumente], die für Calvin bestimmt waren, abschreiben lassen, hat aber die Abschrift [der Bulle] noch nicht erhalten. Bis jetzt ist nur der Bischof von Augsburg [Otto Truchsess von Waldburg] in Worms. Manche meinen, der Reichstag werde wegen der [leeren Kassen] der Fürsten gar nicht stattfinden. [Karl V.] macht sie arm, und etwaige Reserven werden für die sicherlich schlimme Zukunft benötigt. In Belgien werden die [Evangelischen] übel verfolgt. Dieses Geschäft" wurde sechs Männern [...], unter ihnen vier Spaniern, aufgetragen. Die Soldaten, die im Begriff waren, in das Elsass zu ziehen, schweifen noch immer in Lothringen umher und tragen zum schlechten Ruf des Kaisers bei. Luthers [,,Kurtz bekentnis"] ist in Abschrift endlich aus Straßburg geschickt worden; Myconius hat es gelesen und findet es voller Maßlosigkeit. Falls die Zürcher nicht zurückhaltender sind, wird großes Unheil in der Kirche entstehen. Dies Wenige, da Myconius Augenschmerzen hat.

S. Exemplaria duo literarum papalium ad suos et ad cesarem 1 misissem pridem, si fuisset, qui tulisset. Nunc tabellione 3 invento alteras 4 mitto, quod 1544 erlassene Dekret des Kleinen Berner Rats, das den Pfarrern empfahl, sich an die Disputation von 1528 und an das "Agend büchly" zu halten (s. HBBW XIV 5901, 15-19 und Anm. 6).

14 Dass Ritter damals kränkelnd war, geht auch aus Stettler, aao, f. 115v., und aus oben Nr. 2063, 53. hervor. Er verstarb am 1. August 1546; s. Z IX 2, Anm. 1.
a Mit Unterstreichungen.
1 Karl V.
2 Siehe oben Nr. 2076, 16f und Anm. 8.
3 Unbekannt.
4 Das Tadelsbreve Papst Pauls III. an Kaiser Karl V. vom 24. August 1544; s. oben Nr. 2071, Anm. 25.


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non dubito, quin edictionem concilii 5 videris iam olim. Quamvis et illud acciderit: dum commendo, ut litere 6 describantur mittendo ad Calvinum, 7 altere 8 nondum redierunt domum. Attamen, si non habes, curabo, ut et ee mittantur, posteaquam nactus fuero; nanciscar autem brevi.

Wormaciae adhuc nemo est praeter episcopum Augustanum 9 . Arbitrantur quidam comitia nulla fore ob principum inopiam. Cesar exhaurit, gula depauperat 10 , fastus subvertit, et si quid superest, coguntur servare ad mala futura, si qua ingruant, ut nimirum ingruitura sunt.

In Belgis persecutio gravis est in sanctos. 11 Sex viris 12 demandatum est totum negocium; ex his quatuor sunt Hispani. Milites, qui in Alsatiam pro-

5 Die Bulle "Laetare Hierusalem" vom 19. November 1544; s. oben Nr. 2071, Anm. 24.
6 Die Bulle und das Tadelsbreve.
7 Myconius hatte diese Dokumente von Bucer für Calvin erhalten (CO XII 39), ließ sich aber offensichtlich davon noch Abschriften anfertigen, ehe er diese weiterleitete. Auf Bucers Anregung (CO XII 39) veröffentlichte Calvin daraufhin das Tadelsbreve unter dem Titel "Admonitio paterna Pauli III. Romani pontificis ad invictissimum caesarem Carolum V. cum scholis" und versah es anonym mit einem höhnischen Kommentar. Die Schrift wurde ohne Druckangaben von Robert Winter noch vor Ende März 1545 in Basel gedruckt; s. CO XII 56; Bibliotheca Calviniana I 206-210, Nr. 45113f; Brockmann 610; Jedin, Geschichte 1400; Textausgabe in CO VII 249-288. —Die an den Kaiser gerichtete Calvin-Schrift, von der Myconius ein Exemplar erhalten hatte und dessen erste gedruckte Lage zwischen Genf und Basel einen Wasserschaden erlitt - eine Lage, die von Myconius am 6. März 1545 erneut erbeten (CO XII 38) und am 27. März von Calvin ersetzt wurde (CO XII 56) —, ist nicht, wie dies von den Herausgebern der CO und den Verfassern der Bibliotheca Calviniana behauptet wird, die "Admonitio", sondern die in Genf Ende Dezember 1543 gedruckte "Supplex exhortatio ad invictissimum caesarem" (Bibliotheca Calviniana I, Nr. 43/7), die Myconius erst am 24. Juni 1544 mit einem Brief von Calvin erhalten hatte (CO XI
733). Dementsprechend ist Bibliotheca Calviniana 1139 und 208 zu ergänzen bzw. zu korrigieren.
8 Die Bulle.
9 Otto Truchsess von Waldburg war am 23. Oktober 1544 in Worms eingetroffen. Am 15. Dezember 1544 wurde der Reichstag vorläufig und am 21. Januar 1545 tatsächlich eröffnet. Erst beim Eintreffen König Ferdinands am 14. März 1545 konnten die Verhandlungen beginnen; s. Friedrich Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2: Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Reformationsjahrhundert, München/Augsburg 1969, S. 201; oben Nr. 2065, Anm. 23.
10 arm machen; s. Hoven sv.
11 Einzelheiten darüber in Myconius' Brief an Calvin vom 6. März 1545 (CO XII 38f). —Zwischen März und Mai 1545 berichten Bucer, Calvin, Luther, Melanchthon, Myconius und Johannes Sleidanus immer wieder über diese Verfolgungen (WA-BW XI 71-73 und Anm. 17; CO XII 38f. 71; Sleidans Briefwechsel, hg. v. Hermann Baumgarten, Straßburg 1881, S.51. 53). Am 19. Februar 1545 wurde der im November 1544 verhaftete Pierre Brully in Tournai (Prov. Hainaut, Belgien) verbrannt (HBBW XIV 556f, Anm. 10). Zu den Verfolgungen und vor allem zur Verschärfung der Zensurbestimmungen am 18. Dezember 1544 s. Aime Goosens, Les Inquisitions modernes dans les Pays-Bas méridionaux 1520-1633, Bd. 1: La Législation, Brüssel 1997, S. 62f, Bd. 2: Les Victimes, Brüssel 1998, S. 90-92.


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ficisci pararant, adhuc grassantur in Lotharingis.' 13 Audit hinc pessime cesar; verum nemo re quidpiam audet.

Tandem libellus Lutheri 14 descriptus ex Argentina 15 missus est; legi, et displicuit eius nimia immoderatio. Et ni vos sitis prudentiores, excitabit res ista magnum in ecclesia malum.

Tantilla scribere permisit dolor oculorum. Vale in Christo cum piis omnibus.

Basilee, 16. februarii anno 1545.

Tuus Os. Myconius.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero doctissimo in domino suo. Zürich.