[2063]
Autograph: Zürich ZB, Ms F 62, 566r.-567v. (Siegelspur) Ungedruckt
Die Gegner predigen noch immer falsch, streiten es aber ab, wenn man sie zur Rede stellt. [Gerade] deshalb wurde am 5. Dezember [1544] verhandelt, und man kam zu einem guten Ergebnis. Dennoch fährt Beat [Gering] mit seinem Frevel fort: Am Weihnachtstag [1544] sprach er von einem dreifachen Essen [im Abendmahl]; am Neujahrstag lehrte er Falsches über die Beschneidung und Taufe; letzten Sonntag schließlich brachte er die Stelle Jesaja 21 [16f] mit Missbrauch der Sakramente in Verbindung. Daraufhin stellte Wäber deutliche Parallelen zwischen der Predigt Gerings und Luthers ["Kurtz bekentnis"]fest, die er [Peter Cyro] und den Ratsherren meldete. Wenn die Sakramente weiterhin im Sinne Zwinglis und Oekolampads gebraucht werden, wird dies laut Gering zum Untergang der evangelischen Kirchen führen. —Erasmus [Ritter] wurde von Gerings Predigt so getroffen, dass sein gesundheitlicher Zustand sich verschlechterte. —Hauptgrund für Wäbers Brief ist aber die Befürchtung, dass Gering den Boten [...], den er bei sich beherbergte, über die Zürcher ausgefragt oder sein Treiben gegen die Zürcher diesem gegenüber beschönigt haben könnte; deshalb sollten die Zürcher dies den Berner Ratsherren und Bürgern mitteilen, ihnen zudem raten, bei der bis heute gültigen [Berner]Disputation [von 1528] zu bleiben, und sie [warnen, dass sie] von Luther und seinen Fürsprechern betrogen werden. —[Allfälligen]Briefen der lutherischen Pfaffen [in Bern] ist nicht zu trauen. — Wäber konnte den nachts um drei Uhr geschriebenen Brief nicht nochmals überlesen, da er [am Morgen]für Ritter, der nichts vom vorliegenden Brief weiß, predigen muss. Wäber bewog die Sorge, dass Gering den Boten verführen und vielleicht ein irreführendes Schreiben an die Zürcher verfassen könnte. — [P.S.:] Gering hat Luthers Buch lange vor den anderen Bernern gehabt.
S. Lieben herren, unverschempter fravel 2 imm predigen, und deß sälben
demnach wider löügnen, wenn man sy zu antworten stelt, ist noch immerdar
glych grosß by unßren widersächeren 3 3 Und alßo ist die sach amm 5. decembris
znächst 5 ouch verhandlet und die urteyl aber unsrer herren rädt und
burgern unßers dunckens, wie die denn warlich fast yfrig 6 gsin, wol gfallen. 7
Sydhar hett Batt 8 wie er gwon, 9 sölchen sin frävel gar nüt geendret, frylichBriefe_Vol_15_072 arpa
uß hoffnung, aber 10 mitt löügnen oder sunst den sälben können verkleyben 11 ,
zeentrünnen, wo er darumm erfordert, sunderlich a aber uff den wienacht tag
abermals triplicem manducationem 12 statuiert, wiewol b so dunckel, das ers
nitt offentlich in sine membra 13 theylen dorfft. Am nüwen jars tag gantz und
gar ungschickt von der bschnydung und touff; yetz zu letst amm sontag 14
(denn ich acht, sich den Sultzer darumm kranck sin, 15 das 16 inn Batt mitt
dißer predig könde verwäßen 17 ) hett er dißen statum 18 mitt grossem pracht 19
fürtragen uß Isaja cap. 21 [16f]: 1. c Die Cedarener 20 sind von gott gstrafft
von wägen, daß sy das sacrament misßbrucht, 2. denn sy sich vomm volck
gotts abgsündert hattend; 3. wirt ouch etlichen Evangelischen gschen, die
zuwennig uff die sacrament haltind. Sölichs ist die summ genempter predig
gsin. Die han ich von stund an vor morgenbrodt alßo verglycht uß deß
Luthers buch 21 , und dem stattschryber 22 und sunst 23 etlichen minen herren
anzeyght. Also: 1. Zwingli ist umbkon mitt 5'000 mannen uß erschrecklichem
urteyl gotts (spricht Luther)24 ; 2. daß sy 25 das sacrament mißbrucht,
hend sich von der christenlichen kilchen abgsündert; denn Luther rümpt
sich, das sacrament behalten han mitt dem bapst und der kilchen von 1'500
jaren har. 26 3. So volget: Wo wir uns der sacramenten fürhin bruchen werdent,
wie Zwingli und Ecolampadius in der loblichen Disputation 27 wider
Luthers und bapsts meynung erhalten, wird uns mitt allen oberlendischen
evangelischen kilchen gschehn wie den Cedareneren und Züricheren; ja es
wird noch wirs gan 28 , tröüwt 29 Luther, 30 etc.Briefe_Vol_15_073 arpa
Sölche argwänige und verdächtliche predig het m. Erasmum 31 so übel beckümmret, das er von stund an deß sälben tags, von siner kranckheyt etwas berürt, imm den munnd und das ein oug gantz enggest und krumm gemacht; ist ouch etwas schimpflicherer red 32 weder 33 es sunst sin gwonheyt d sye. Und mögend also nitt wüssen, was gott mitt uns handlen wil; ob es besser oder e schwecher umb inn wirdt; denn er het sunst den andren f34 brieff || 566v. sälbs dictiert, etc.
Demnach, lieben herren (und das ist die ursach diß schrybens), wie der bott 35 har kon, hat inn Batt zu herberg ussgnommen, eintweders üwer thun zeerfaren oder das sin gägen üch zeverklügen 36 , besorgen ich. Darumm bitten ich wie ouch zum nächsten 37 , möcht es üwer gschäfften halb 38 sin, das yr unsre herren, rädt und burger, fürgnomner handlung uffs kürtzist und gruntlichist berichtind, sunderlich diewyl sy noch bißhar mitt Zürich und andren kilchen in der Concordi 39 ghandlet, allwäg 40 mitt erbiettung (wie auch zum letst z'Zürich versamlet gscheen)41 , by ir loblichen Disputation unverruckt 42 zeblyben, alß denn uff den hütigen tag by inen, wie ir uß der gäbnem 43 urteyl 44 sähend, bstadt, und also eben als wol von Luthern oder sinen fürmündren 45 betrogen sind als andre kilchen, etc. 46
Vertrüwend keiner gschrifft, die üch möchte von den luterischen pfaffen 47 zugschriben werden. Besserend sy ir fürnämen 48 , so wil ichs üch unverzogenlich kundthun. Dörffend mir kein bottenbrod 49 schencken. Damitt sind gott empfolhen. Wachend uff unßre kilchen mitt trüwen; so hoff ich, gott werd gnad gen.
Actum zu Bern amm 7. jenner, nachts umb die drü.
Briefe_Vol_15_074 | arpa |
---|
Und muß für Erasmum predigen; deßhalb ich den brieff nitt wider überläßen kond. Ich han inn auch Erasmo unwüssend gschriben; allein nachts bewegt 50 , das Batt den botten inzogen 51 , ob er villicht understünde 52 , etwas früntlichs an üch zeschryben, dardurch ir verursachet, distminder 53 sorg in dißer gford 54 für uns zetragen.
Johannes Wäber, üwer
allzyt.
Batt het Luthers buch langist vor uns ghan, 55 etc.
[Adresse auf der Rückseite:] An die erwirdigen und wolglerten herren, m. Heinrich Bullinger und h[errn] Caspar Grossman, predicanten zu Zürich, etc.