[2153]
Autograph: Zürich StA, E II 357, 129-131 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 362-364, Nr.1185
Blarer übersendet die von [Hans] Welser geschickten "Artikel" der Löwener Theologen vom
6. Dezember 1544, die [Karl V] schon vor deren Verfassung in einem Edikt vom 14. März
1544 [richtig aber: 1545] bestätigt hatte! Er bittet um Rücksendung durch [Johannes von
Ulm]. — Welser berichtet, dass Kaiser [Karl V.], König [Franz I.] und Papst [Paul III.] am 17.
April Botschafter von Venedig zu [Suleiman L] entsandt haben, um über einen Frieden zu
verhandeln. —Auf dem Reichstag [zu Worms] wurde noch nichts unternommen; die Protestanten
wollen über den Frieden verhandeln, was aber als unnötig abgelehnt wird, da [Paul.
III.] ein Konzil einberufen hat. —Blarer wundert sich, dass [die Zürcher] sich trotz [Heinrich
von Ulms] Einsatzes nicht der [Kriegskunst von Konrad Zwick] annehmen. — Aus Augsburg
wird berichtet, dass [Johann Friedrich I.] von Sachsen, Moritz von Sachsen und [Philipp von
Hessen] herrenlose Truppen [Herzog Heinrichs von Braunschweig] bei Münster in Westfalen
zerschlagen haben. — Die spanischen Truppen ziehen auf Donauwörth zu. Deshalb wurde von
Augsburg eine Truppe zur Unterstützung dorthin geschickt. — Seit Ostern befinden sich zwei
Kardinäle [Giovanni Maria Ciocchi del Monte und Marcello Cervini] in Trient und benehmen
sich so schändlich, dass die Bürger ihre Frauen und Töchter in Sicherheit bringen. —Am 22.
April [1545] starb Herzog Ludwig [X.] von Bayern, ein Freund Herzog Heinrichs von Braunschweig,
in Landshut. —Möge der Herr seine Kirche aus diesen Gefahren retten! — In Bern
gibt es immer noch Streit und Parteiungen, besonders unter den Predigern, von denen einigeBriefe_Vol_15_303 arpa
Luthers Schriften deren Widerlegungen vorziehen. Möge der Herr dem Einhalt gebieten!
—Grüße. —[P.S.:]Blarer empfiehlt [Johannes von Ulm und seine Gefährten]. —[Nachschrift:]
Er öffnete den Brief nochmals, da die jungen Leuten nicht verreist sind. [Heinrich von Ulm]
wird in Zürich mit Artikeln [Konrad Zwickt]eintreffen, die dieser Blarer kürzlich mit der Bitte
um Urteil gab. Bullinger soll diese auch beurteilen und bei Befürwortung auch [Johannes
Haab und Hans Rudolf Lavater]zeigen, während Blarer in Griesenberg auf die Rückkehr
[Heinrich von Ulms] wartet, damit [Zwick] die Artikel zwischenzeitlich nicht zurückfordern
kann. Blarer scheint alles annehmbar, und er hofft, die Sache [der Kriegskunst] werde nun
geregelt, bevor es zu spät ist. — Die spanischen Truppen sind schon nach Österreich aufgebrochen.
— Papst [Paul III. — richtig: König Franz I.] hat [die Waldenser in] Cabrièresd'Avignon
überfallen und alle ermorden oder für den Galeerendienst gefangen nehmen lassen;
in umliegenden Orten will er genauso verfahren. —Bullinger soll sich in die Herberge zu
Heinrich [von Ulm]begeben, da dieser schlecht zu Fuß ist.
S. Nudiustertius a Welsero 1 , Augustanorum optimo consule, literas accepi, 2
quibus te valde quam officiose salvere iubet. Misit articulos istos Lovaniensium
theologastorum a caesare 3 confirmatos, ut similes haberent labra
lactucas 4 Observabis in eo scripto diligenter, quod caesar illos confirmavit,
antequam essent editi. Datum enim est ipsius edictum 14. martii anno
1544 5 , theologica vero facultatis magistralis determinatio die 6. decembris
eiusdem anni. Interim tamen affirmat cesar articulos hosce in suo concilio
accurate pellectos catholicos et sanctos compertos, etc., ut nemo non videat,
quibus artibus negocium suum agant hostes veritatis. 6 Voluit Weise-rus
ut tibi quoque articulos istos legendos mittam, id quod alioqui facturus
eram. Rogo vero te, ut per hunc ipsum adulescentem 7 sororii mei 8 exBriefe_Vol_15_304 arpa
fratres illegitimum nepotem 10 , sed sanctissimum plane hominem, scriptum
hoc remittas. Nemo enim hic extra me legit; adeo hen prorsus fui ad alium
herBriefe_Vol_15_305 arpa
palum ligatus, ut non vacaverit vel mittere germano fratri" aut alus fratribus
et amicis.
Welserus ita inter caetera:
"Es haben kai. mt., ko. von Franckreych 12 und papst 13 auff 17. aprilis ausß Venedig ain bottschafft zu dem Turcken 14 gesandt, amen fridstand auff dreu jar zemachen. Ob es fürsich gehn 15 oder nitt, wirt die zyt zu erkennen geben; warum aber sölichs bescheche, hapt ir lichtlich zu erwegen. 16
So ist noch auff dem reychstag 17 gar nichts gehandelt. Die protestierenden haltend an um erstreckung des fridens, dargegen aber geantwurt wirt, sy sollend sich der vorigen gebnen fridens benugen lassen; welchs aber inen nitt gelegen will sein. Dann die wil der selbig nitt lenger dann byß uff ain kunpftig concilium gegeben worden, und der papst yetzund ain concilium hellt, 18 welchs der kaiser fur christelich achten will, so wurde yetzund der friden ausß sein. Was aber erlangt werde, wurt man bald gewar. 19 Es ist schympflich und zogt ain schwach vertrauwen zu gott an, das man allso by der wellt ain versprochnen friden sticht, sonderlich by disen leuten, dieweyl am tag lygt, wann sy gleych hundert tausend brieff und sigel geben a20 , ouch aid darum gethan hettend, das sy doch solichs alles nitt lenger, dann byß sy ir gelegenhait, unß anzegreyffen, ersechen mögend, halten werden, sich selbs ouch nitt schuldig achtend, sölichs an unß, die sy fur verdampt ketzer achtend, ze halten."
Das sich ewer herren der sach, davon ir wisst, ouch uff meins lieben schwöstermans 21 anzögen und getreuw erinnern nitt anderst annemen, kan ich mich warlich nitt gnugsam verwunderen; dann mir gar nitt zweyfellt,
Briefe_Vol_15_306 | arpa |
---|
wann sy meines lieben vetters 22 vorhaben und grunde aigenlich verstundend, sy wurden vyl anderst darzu thamal, und mein lieber schwager, nach dem ich im yetzund ettlich articul in vertrauwen eroffnet, ist von newem gantz bewegt und unrugig, wie er dann gewiß ain aidgnoschafft mit truwend maint []b
||130 Auff diß stund kompt mir schreiben von Augspurg, 26 das der hertzog von Sachsen 27 auch hertzog Moritz zu Sachsen und landgrauff 28 ausszogen seyen wider 3'000 mann, so in der revier 29 um Monster 30, on ain herren in Wespfalen gelegen, der christlichen verstentnusß 31 zu nachtail. Habend beschaid von inn haben wellen, aber kam güten bschaid funden; dann sy haben kamen herren anzogen 32 wellen, derhalb sy sy angriffen, mitt inen getroffen sy zertrent, den grossem tail erschlagen und den syg behalten haben. 34 34
Es kommend yetzund auch uff datum (welchs ist 3. may) 3'000 Spanier mitt 2'000 drosß 35 gen Thonawerd 36 ; da sollen sy belyben byß uff weytern bschaid. Haben mine herren von Augspurg inen ain fenle 37 knecht zu Thonawerd in die statt zu ainem trost gelegt. 38
So wisst, das zwen cardinel syd c osteren zu Trient ligend; fürend ain solich schantlich, unrain leben, das die burger zu Trient ire weyber und tochteren uss der statt flöchnend 39 damitt sy von disen hailigen leuten nitt enthailiget werden. 40
Briefe_Vol_15_307 | arpa |
---|
Sonst diser zyt nitt vyl sonder newes, etc., dann das 41 hertzog Ludwyg von Payern 42 zu Landshut auff 22. aprilis gestorben ist, der ain haimlicher find des evangeliums und ain sonder freund, heiser und rath hertzog Hainrichs d von Braunschweig gewesen. 43 Haec omnia ex Augusta.
Clamemus ad dominum, mi anime, ut ecclesiam suam ab istis gravissimis, que ubique impendent, periculis cliementer conservet, dies istos vere malos abbreviet, 44 quo quamprimum fiamus salvi.
Audimus inter Bernates gravissima esse offendicula et non ferendas factiones cumprimis inter concionatores, quorum nonnulli libellos illos 45 , quibus Luthero responsum est, schutzenbuchlin und fantastenbüchlin nennind, quibus longe praestent Lutherana scripta. 46 Ah Christe servator et pacificator, impera tandem ventis istis et mari, 47 ut tranquillam ac serenam aliquando faciem sponsae tue 48 videamus! Commenda nos domino diligenter cum omnibus tuis.
Salutant te nostri omnes. Bene vale, charissime et optime frater.
Constantiae, 8. may 1545.
Tuus Ambr. Blaurerus.
Commendo tibi pientissimos hosce adulescentes 49 .
||131 [Nachschrift:] Epistolam istam [rursu]s e resignavi, quod adulescentuli 50 mutato con[silio non] abierint. Sed en tibi sororium meum 51 , qui tecum de negocio colloquetur tuo usurus consilio. Habet secum consobrini 52 articulos, quos nuper mihi legendos exhibuit, rogans meum in illis iudicium. Ich habs im in höchstem vertrauwen mittgetailt und hyn yetz zu Griessenberg 53 allain, damitt mein vetter nienen 54 die articul an mich forderen mog. Will
Briefe_Vol_15_308 | arpa |
---|
warten, bys f mm schwager widerum von euch kompt. Lesst die articul mitt vleyß mitt im und, sicht es euch fur gilt an, so soll ers alls dann die zwen herren 55 ouch lesen lassen mitt maß, wie er waist. Mich bedunkt warlich, es were billich und alles annemlich. Gaht es yetz nitt, sorg ich, es werde hernach diser kunst halb versumpt 56 sein, dann ander suchen auch vor augen.
Die 3'000 Spanyer, davon oben gemeldt, 58 synd uffgesessen und in Osterreych hinab gefaren, haben hioben 59 nitt lang platz gehapt.
So hat der papst yetzund vor drey wochen durch ain legaten 60 , der dann ettlich tausend knecht gemacht, Caprian 61 , ain stettlin, uberfallen -ligt naisman nitt weyt von Avion 63 —und gantz tyrannisch darinn gehandelt, alles erwirgt und ettlich menner gefangen, die er uff gale 64 schmiden well lassen. Gedenckt gegen ettlich anderen umligenden stettlin ouch dermaß zu handlen, um des gotzworts willen. 65
Datum den 13. may 1545.
Weht bemühet sein und zu meinem lieben schwager Hainrichen in sein herberg euch verfeugen; er ist übel zu fuß.
[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Heinricho Bullingero, observando suo et charissimo fratri in Christo. Tiguri.