Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3162]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
Montag, 12. März 1548

Autograph: Zürich StA, E II 351, 66 (Siegelspur) a Druck: Vadian BW VI 708f Nr. 1599

[1]Bullinger möge Vadian bitte wieder einmal dasjenige von der derzeitigen [Badener] Tagsatzung berichten, das für St. Gallen von Belang zu sein scheint. Ihm werden die [Zürcher] Gesandten [Johannes Haab und Hans Bleuler]schließlich nichts verbergen! Vadian bittet im Auftrag des St. Galler Rates nur um [Mitteilungen], die den St. Galler Ratsherren ohne Bedenken am Ratstisch mitgeteilt werden dürfen. Wenn Bullinger noch mehr berichten kann, werden die St. Galler noch dankbarer sein und es ihm vergelten. Seine Berichte werden vom St. Galler Rat höchst vertraulich behandelt! -[2]Aus Augsburg sind abgesehen von den Plänen des machthungrigen Kaiser Karls V keine Neuigkeiten zu vermelden. -[3]Für Herzog Ulrich von Württemberg wurde im Rechtsprozess über den Besitz seines Herzogtums von seinem Ankläger, König Ferdinand I., ein Gerichtstermin festgesetzt. Hierfür wurde ein Richtergremium bestimmt. Ulrich hat von vornherein keine Aussicht auf Erfolg. Alle rechtschaffenen Leute fragen sich, bis wann Gott den unerträglichen Hochmut dieser Menschen dulden wird. -[4]Über den Interimsausschuss hat Vadian nichts erfahren. Er erhielt aber von [Hieronymus]Sailer eine Liste derjenigen, die von den Reichsständen mit Genehmigung des Kaisers zur Findung einer Schlichtungsmöglichkeit der Religionsstreitigkeiten ausgewählt wurden. Ob es sich dabei um gute oder schlechte Leute handelt, weiß Vadian nicht. Die Liste schickt er zusammen mit einem Blatt, das er gestern vom Konstanzer Bürger, dem Engländer John Butler, erhalten hat. Dieser will es ganz vertraulich aus [der kaiserlichen Wohnstätte in Augsburg], dem Fuggerhaus, bekommen haben. Bei [den darin übermittelten Nachrichten]handelt es sich wohl nur um belanglose Kriegsgerüchte. -[5] Vadian gefielen vielmehr die beiliegenden Epigramme und Epitaphien, die ihm sein Freund Sailer zugeschickt hat. Er möchte Bullinger diese Spielereien nicht vorenthalten. -[6]Grüße, auch an die Zürcher Kollegen.

S. Iterum 1 te rogo amanter, Bullingere clarissime, ut ad me, si quid in comitiis praesentibus 2 accident, quod nostra 3 interfuturum existimaris, scribere et tuo pro candore agere, ut soles, velis. Nil te caelabunt legati neque recondita peto senatus nostri 4 nomine, sed ea tantum, quae vel convivis vel congerronibus tuto exponi queant. Si quid accesserit reliqui, hoc plus tibi omnes gratiae debebimus et referemus.

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 Zuletzt hatte Vadian nach der Badener Tagsatzung, die am 23. Januar 1548 begonnen hatte, um vertrauliche Informationen gebeten; s. Nr. 3132,14-22.
2 Die damalige Badener Tagsatzung begann am 12. März 1548. Die Zürcher Abgesandten waren
Bürgermeister Johannes Haab und Kleinrat Hans Bleuler; s. EA IV/1d 926. -Zu Bleuler s. HBBW VI, Nr. 789, Anm. 1.
3 Gemeint sind diejenigen Nachriten, die St. Galler betreffen.
4 Gemeint ist der St. Galler Rat.


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Nihil autern dubita, quin omnia sancta fide sint intra parietes (ut vulgo dicitur) senatorios mansura.

Ex Augusta nihildum novi, nisi quod caesar 5 altis consiliis inhiat.

Dies dictus est duci Wirttenbergensi 6 a Ferdinando actore et ordinati iudices 7 , qui de possessione ducatus Wirtenbergensis cognoscant et pronuncient. Er hat die sach vor außwurf 8 verloren. Expectant boni omnes, quam diu dominus horum hominum fastum plus quam immodicum sit laturus.

De colloquio eruditorum 9 ne iota 10 quidem ad me scribitur. Saylerus 11 schedulam misit, in quo notantur quidam (nescio pun an impuri) b qui sint a statibus suffragante caesare delecti, ut de medio aliquo mitigandae controversiae in caussa religionis deliberent et consultent, quam ego ad te mitto cum scheda pridie 12 mihi a Buttlero Anglo 13 , cive Constantiensi, donata. Aiebat eam ex Fuggarorum aedibus 14 missam multa curn fide. At ego nugas martias esse arbitror. 15

Magis placuerunt epigrammata et epitaphia 16 , quae propinquus meus Saylerus misit, quae et ipsa mitto, longe optime vir, ne quid te caelem nugarum domesticarum.

b Klammern ergänzt.
5 Karl V. - Zu dessen Bestrebungen, eine monarchische Reichsreform durchzuführen, s. HBBW XX, Nr. 2960, Anm. 25.
6 Ulrich von Württemberg. - Dessen Anwälte, darunter Nikolaus Maier, sollten sich am 13. April 1548 im Rahmen des Rechtsprozesses um das Herzogtum Württemberg mit König Ferdinand I vor dessen Bevollmächtigten verantworten; s. Heyd, Ulrich von Württ. III 500; zum Rechtsstreit zwischen Ulrich und Ferdinand I s. Nr. 3145, Anm. 83; zu Maier s. Woirad, Augsburg Wf.
7 Zu den Namen der Angehörigen des Richterkollegiums s. Nr. 3145, Anm. 83.
8 Gemeint ist: Vor dem Prozessbeschluss; vgl. Grimm III 1618.
9 Zum Interimsausschuss und dessen Mitgliedern s. Nr. 3135, Anm. 16.
10 Vgl. Mt 5,18.
11 Hieronymus Sailer. -Die Liste der sechzehn Ausschussmitglieder von Sailer ist nicht nachzuweisen. Wäre die Beilage den heute noch erhaltenen Briefen Sailers vom 18. und 27. Januar 1548 beigefügt worden, hätte Vadian diese sicherlich schon im Februar an Bullinger weitergeleitet. -Bullinger dürfte die Namen der Mitglieder des Interimsausschusses bereits
vom Boten des Briefes von Gervasius Schuler vom 22. Februar 1548 erfahren haben; s. Nr. 3146,14.
12 am Sonntag, dem 11. März 1548.
13 John Butler lebte seit 1544 in Konstanz; s. HBBW VI, Nr. 876, Anm. 2. -Durch den vorliegenden Brief wird erstmals bekannt, dass er das Konstanzer Bürgerrecht erworben hatte. -Weder ein Brief Butlers an Vadian noch das hier erwähnte beiliegende Schriftstück scheinen erhalten zu sein.
14 Fuggarorum aedibus: Fuggerhaus. - Dieses wurde während des Reichstags von Karl V. bewohnt; s. HBBW XX, Nr. 2970,13f.
15 Zu den Berichten und Gerüchten über kaiserliche Kriegsvorbereitungen s. zuletzt Nr. 3150, 44-46.
16 In Augsburg waren 1548 beim Drucker Philipp Ulhart zwei Gedichtsammlungen zu Ehren der Habsburger erschienen: VD16 K45 und B8771/B8772. Im zuletzt genannten Druck befinden sich u.a. auch Epitaphien auf Isabelle von Portugal, die am 1. Mai 1539 gestorbenen Ehefrau von Kaiser Karl V., sowie auf Anna Jagiello, die Gattin von König Ferdinand I., die am 27. Januar 1547 gestorben war; s. HBBW XIX, Nr. 2812, Anm. 9.


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Vale et collegium meo nomine salvum iube. Sangalli, 12. die mardi, anno domini 1548. Tuus Vadianus.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Henrycho Bullingero, clarissimae urbis Tigurinae episcopo, domino et amico inprimis colendo.