Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3100]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
28. Dezember 1547

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 281 (neu: 296)(Siegelspur) Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 1010f, Nr. 1125

[1]Hans Vogler d.J. wird berichten, wie in Augsburg, wo die Dämonen frohlocken und herumtollen, beinahe höllische Zustände herrschen! Ach, wann wird denn Gott diesem Elend, dieser Anstoß erregenden Lage und dieser Tyrannei der Mächtigen ein Ende setzen? Diese Unverschämtheit belastet die Frommen so sehr, dass sie kaum mehr erwarten, dass ihnen die Verkündigung von Gottes Wort erhalten bleiben wird. Kaiser Karl V. hält derart unbeirrt an den alten Merkmalen seiner Religion fest, dass dadurch seine Haltung der christlichen Religion gegenüber ganz deutlich wird, ja die Frommen Grund haben, sich vor ihm zu fürchten.

d Folio [2]8a], r. ist leer.
Nagelschnitt, den Aderlass, das Stillen, die Einnahme von Arzneimitteln, usw.
55 Vgl. schon Nr. 2980,39-46; Nr. 3023,46f.
56 Am Vorabend.
57 Unbekannt. - Sebastian Schertlin hatte sich damals bereits nach Basel zurückgezogen: s. Nr. 3073, Anm. 40.
58 Marcell Dietrich von Schankwitz.
59 Ferdinand I.
60 Gemeint ist wohl Anna, die 19-jährige zweitälteste Tochter des Königs (die im Juli 1546 mit Herzog Albrecht V. von Bayern vermählt wurde; s. HBBW XVII 193, Anm. 119), da ihre älteste Schwester
Elisabeth 1545 gestorben war und ihre jüngeren Schwestern hier kaum in Frage kommen.
61 Der König.
62 der "supplication".
63 wie nach: wie teuer (billig): s. SI IV 636f.
64 Die gerade erschienene "Eidgenössische Chronik" von Johannes Stumpf. - Vgl. Nr. 3092,6-10; Nr. 3094, Anm. 4.
65 weniger.
66 Siehe dazu Nr. 3092, Anm. 6.
67 Der von Bullinger gesandte Bote; s. dazu oben Anm. 2.


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Wenn also angesichts dieses Elends und der Seufzer der Frommen Gott sich nicht erhebt, sind jene verloren, und es wird ihnen nichts anderes übrigbleiben als der Martertod! Man bitte unablässig, dass Gottes Geist den Verfolgten Standhaftigkeit verleihe! - [2] Heute hat Myconius etwas Schreckliches über einige reiche Innerschweizer erfahren! Diese Privatpersonen, die weder Gott noch Menschen fürchten, sondern nur an sich selbst denken, sollen ihr Vaterland in Gefahr bringen. Wenn das stimmt, dann ist es um die Eidgenossen geschehen! Bullinger kennt zur Genüge diese Art von Menschen, die auch für Zwinglis Hinscheiden verantwortlich waren, wie einst schon die Pharisäer für Christi Tod. Diese Schmeichler, die gute Manieren haben und unterdessen mächtig geworden sind, organisieren für den gemeinen Mann kleine Freitische, teilen Geld und Kleider aus, um so gegebenenfalls auf Komplizen für ihre Untaten zählen zu können. Demzufolge gelingen ihnen Dinge, die keiner für möglich hielt. Man muss sich vor derartigen Menschen hüten und sie von klugen und guten Beamten überwachen lassen, um ihren Vorstoßen entgegenwirken zu können. Nur so und dank ständigen Gebeten kann man ihre Pläne vereiteln. Bullinger soll doch Myconius beruhigen und ihm mitteilen, was er über die unheilvollen Machenschaften dieser Männer weiß. Kürzlich, erzählte ein guter Mann [...]. dass man von einem nahestehenden Berater [...]des Kaisers höre, dieser mache sich keine Sorgen mehr über die Eidgenossen, da er sie bereits gespaltet hätte. Was denkt denn Bullinger darüber? Trifft das zu? Glaubt er auch, dass Verräter des Vaterlandes sich bereithalten? - [3] Die heimgesuchten Konstanzer sollen weniger unglücklich sein als ihre Nachbarn auf der anderen Bodenseeseite, welche auch unter dem gegen die Konstanzer erlassenen kaiserlichen Mandat leiden. Man sagt auch, dass die Konstanzer eine kleine, aber unentbehrliche Stadtgarnison anwerben wollen. - [4] Myconius las gerade in einem Brief: dass der Kaiser die Helvetier im Frühling überfallen werde. Er soll clic Verlegung [des gefangenen] Landgrafen Philipp von Hessen nach Nördlingen ohne dessen Bett angeordnet haben, damit dieser dort der Pest zum Opfer fille. Zudem sollen Kurfürst Moritz von Sachsen und Herzog Wilhelm von Bayern miteinander zerstritten sein. -[5]Man erzählt, dass Spanier von Appenzellern getötet wurden. Stimmt das? -[6][Die vorderösterreichische Regierung] in Ensisheim hat die Bewohner eines den Straßburgern angehörigen Dorfes [Niederhausen] gezwungen, König Ferdinand die Treue zu schwören. Das also ist der Frieden, den [diese Habsburger Brüder Karl und Ferdinand]gewähren! Einigen, die sich darüber verwunderten, soll der König gesagt haben: "Was soll das? Die Straßburger haben ein Friedensabkommen mit dein Bruder, nicht mit mir!" Was für eine weibisch-[listige] Tyrannei! Gott schenke Frieden! -[7]Gruß, auch an Rudolf Gwalther und an die Kollegen.

S. Narrabit tibi Voglerus 1 multa admiranda horrendaque ex Augusta, quae hoc tempore speciem prae se fert plane inferni, istis sous exceptis, quod daemones illic tripudiant ac venantur. Ah bone deus, quando tandem finis est miseriarum, iniuriarum, tyrannidis potentium? Agunt, quae non decent, tam proterviter, tanto cum damno piorum, ut propemodum incipiant desperare de verbo. 2 caesar 3 enim a adeo immotus a antiquis suae religionis insistit vestigiis, ut nemo non possit coniicere, quid animi habeat erga religionem vere christianam, ut boni quique non frustra sibi et verbo timeant. Nisi ergo dominus propter miseriam et gemitum pauperum exurgat aliquando, 4 de salute actum

a-a Am Rande nachgetragen.
1 Hans Vogler d.J., der offenbar zwischen Augsburg, Lindau und Basel pendelte; vgl. HBBW XIX Reg.; Nr. 3045; Nr. 3044. -Vielleicht hatte er eine neue Anstellung bei einer reichen Augsburger Kaufmannsfamilie gefunden; vgl. HBBW
XVI 192, Anm. 20 (seine Mutter Apollonia war eine Angehörige der Familie Baumgartner).
2 Vgl. Nr. 3095,14-16.
3 Karl V.
4 Vgl. Ps 12 (Vuig. 11), 6.


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est nostra, nisi placeat per supplicia mori Precandum est itaque jugiter, ut largiatur nobis spiritum sanctum suum, qui nos in fide confirmet, in charitate dirigat, 5 in patientia corroboret, ne victi hominum crudelitate discedamus a verbo et pereamus.

Porro intelleximus hodie horrenda quaedam de Quinquepagicis, ut videlicet agant, quae sint in detrimentum patriae. Obstupui sciens, quod, si id verum, actum esset de nobis omnibus (quod intelleximus, non de omnibus sed de privatis quibusdam, imo de oligarchis, id est de iis qui neque deum neque hommes alicuius pensi aestimant, sed seipsos tantum, accipiendum) b ! Eos tu prae caeteris nosti, quale nempe genus hominum sint. Zvinglius noster propter istos vitam amisit ut Christus propter pharisaeos. Inter suos blandi sunt, humani, interim et potentes. Largiuntur quoque caenulas, numos, vestes plebeis 6 , ut eos habeant, si opus fuerit, adiutores facinorum. Inde fit, ut saepe conficiant, quae videbantur factu impossibilia. Timendi sunt igitur, interea tamen et observandi a bonis et prudentibus rerum 7 gubernatoribus. Potent enim horum cura istorum conatus feliciter praevenire et pessundare. Quamvis autem vehementer sit difficile, quod dico, preces tamen perpetuae 8 adiunctae studiis piis efficient tandem, ut eventus prosperi non possint non sequi. Velim autem te rogatum per dominum, ut hic me consoleris. Doleo nanque supra modum, quoties audio de istis hominibus studia tam prava, utpote contra patriam communem. 9 Accidit dein, ut res fiant verisimiles, sicut his diebus vir bonus 10 mihi narravit auditum ex consiliario intimo"11 caesaris, iam maiestatem suam quiescere, quod diviserit confoederatos. Quod quidem, si verum est? Quid putas? Annon habet c Helvetia proditores paratos? Dominus tantum avertat malum! Si quid igitur est plausibilius tibi, fac communices, ut vel hac parte possim esse quietior, alioqui nanque tranquillitas non est.

De Constantiensibus fertur laetos esse, ut calamitosi possunt esse laeti, et eos, qui sunt trans lacum 12 , , magis conqueri quam ipsos, adeo sunt miseri ac infelices ob damna, quae patiuntur, 13 dum Constantia premitur interdicto 14 . Aiunt eosdem Constantienses conscribere militem, non quidem multum, sed utilem et necessarium. 15

b Klammern ergänzt. -
c Am Rande nachgetragen.
5 Vgl. Eph 3, 16f.
6 Hier substantiviertes Adjektiv.
7 rerum publicarum.
8 Vgl. 1Thess 5, 17.
9 Dazu konnte nichts Konkretes ermittelt werden. -Vermutlich liegen hier Gerüchte über eine vom Kaiser initiierte Bestechungskampagne vor (vgl. EA IV/1d 900 g in fine), was mit dem Versuch der Habsburger in Verbindung stehen könnte, die Eidgenossen zu einem neuen Bündnis zu bewegen; s. Nr. 3062,50-52; Nr.
3065,53f; EA IV/1d 886f k. n; 892 zu n; 898 d; 907 m.
10 Unbekannt.
11 Unbekannt.
12 Der Bodensee.
13 Vgl. beispielsweise Nr. 3089,12-15; Nr. 3092,27-31.
14 Das vor Mitte Oktober gegen Konstanz erlassene Mandat; s. Nr. 3053, Anm. 4.
15 Zu den damaligen Bemühungen Konstanz', eine Stadtgarnison anzuwerben, s. Nr. 3073,7-35; Nr. 3099,29-35.


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Hodie legi literas, in quibus sic erat: "Ad yens tempus caesar d invadet Helvetios. Misit idem landgraphium Nordlingam non ob aliud, nisi ut peste conficiatur. 16 Noluit permittere, ut proprium lectum secum asportaret. Irae sunt inter Mauricium 17 et Bavarum 18 graves."19

Circumfertur aliquot Hispanos per Abbacellanos 20 interfectos esse. Cupio nosse veritatem.

Ensheimenses 21 coegerunt pagum 22 Argentinensem iurare Ferdinando. Talem pacem illi 23 habent! Querentibus illusit rex: "Quid ad nos, quod pax est inter fratrem et ipsos, cum inter nos et ipsos nulla sit!" Expende mulieris istius tyrannidem! 24 Oremus dominum pro tranquillitate. 25

Vale in Christo cum Gvalthero et reliquis. Basileae, 28. decembris anno 1547.

O. My.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero in domino suo. Zü[ric]h. e

d In der Vorlage caesor (evtl. liegt hier ein Wortspiel vor). -
e Textverlust bei der Entfernung des Siegels.
16 Laut Christoph von Rommel wurde Landgraf Philipp von Hessen noch vor der Unterredung mit Johann von Lier (s. dazu Nr. 3099, Anm. 37) von Donauwörth nach Nördlingen "in eine Herberge, deren Wirth kurz vorher an der Pest gestorben" war, verlegt; s. Rommel II 526. - Die Furcht, an der Pest sterben zu müssen, wird auch in den Anfang Dezember verfassten Briefen des Landgrafen thematisiert; s. Moritz von Sachsen PK III 662f (Nr. 922); 668 (Nr. 928).
17 Kurfürst Moritz von Sachsen.
18 Herzog Wilhelm IV. von Bayern.
19 Vermutlich enden hier die dem Brief entnommenen Angaben, da Myconius Daraufhin mit einem neuen Abschnitt beginnt
20 Appenzeller. - Belegt ist nur, dass sich damals einige spanische Kriegsleute über die Alpen zurück in den Süden begaben; vgl. EA IV/1d 900 k.3.
21 Die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim. - Siehe Nr. 3099, Anm. 33.
22 Niederhausen (Rheinhausen, Breisgau).
23 Die Habsburger Brüder Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. -Straßburg hatte nämlich am 21. März 1547 Frieden mit dem Kaiser gemacht; s. HBBW XIX 347, Anm. 16.
24 Vgl. HBBW XIV 565,58-60; Nr. 3019,4f; Nr. 3055,15; Nr. 3090,[10].
25 Vgl. 1Tim 2, 1f.