Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3089]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz,
kurz nach dem
6. Dezember 1547]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 864 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 675f, Nr. 1498

[J] Der sehr freundliche und gebildete [...] Hospinian überbrachte Bullingers Brief [nicht erhalten]. Leider kam er zu einem ganz ungeeigneten Zeitpunkt. Blarer litt gerade an Bauchschmerzen und Durchfall. Ein anderer [...] musste sogar seine Predigt übernehmen. Zudem blieb Hospinian nur sehr kurz: Bei ihrem flüchtigen Gespräch erfuhr Blarer, dass dieser und die von ihm mitgebrachten Gefährten Konstanz bereits nach dem Mittagessen verlassen würden. Zu seinem, größten Bedauern konnte Blarer also Hospinian nicht so empfangen, wie es Bullingers Empfehlung und Hospinians Würde entsprochen hätte. Bullinger möge ihm das nicht verübeln. -[2] Über Konstanz' Angelegenheit gibt es nichts Neues mitzuteilen. Infolge des sogenannten kaiserlichen [Arrestmandat]werden die Konstanzer von den Überlingern und anderen Nachbarn beinahe wie Geächtete behandelt, wo sie doch stündlich noch auf eine Antwort Kaiser Karis V. warten! Sie sind großen Gefahren ausgesetzt, und niemand erweist diesem bedrängten Joseph irgendwelche Mitleidsgefühle! - [3] Blarer ließ Gabriel Arnold Bullingers Mitteilung ausrichten. Dem Vetter Konrad Zwick gab er zudem Bullingers Brief zu lesen. -[4]Neulich wollte er von Bullinger erfahren (doch erhielt dieser den Brief [Nr. 3088] vielleicht noch nicht), was denn der Zürcher Rat zu einer Eheschließung zwischen Cousins beschließen würde. Bullinger möge mit dem nächsten sich ihm anbietenden Boten darauf antworten. - [5] Er bete für die jeglicher menschlichen Hilfe entbehrenden und von ihren Nachbarn schändlich geplagten Konstanzer, damit diese stark bleiben und nie an der Hilfe des himmlischen Vaters zweifeln, dessen eine Hand so viel wie tausende Soldaten vermag. Christus verherrliche seinen Namen und offenbare seine Kraft in ihnen, die von allen als kraftlos verachtet werden, damit jeder erkennen mag, dass ihm aile Gewalt vom Vater übertragen wurde, dass er König über die Könige und Herrscher über die Herrscher ist, damit alle begreifen mögen, dass sie sich ihm unterwerfen müssen, wenn sie sich nicht den Zorn des Vaters zuziehen und irregehen wollen! Mögen doch die Konstanzer durch Christus, den Vergelter und Erlöser, siegen, und über die Welt und dessen Fürsten, den Teufel, triumphieren!

Reddidit nobis literas tuas 2 optimus et humanissimus Hospinianus 3 , quem valde dolet, quod nec pro tua commendatione nec sua dignitate tractare

1 Aus unten Z. 18 geht hervor, dass Bullinger in seinem nicht erhaltenen Brief an Blarer (auf den der vorliegende Brief antwortet) eine Mitteilung für Gabriel Arnold gesandt hatte. Diese wird in Zusammenhang mit der in Arnolds Brief Nr. 3086 vom 1. Dezember geäußerten Bitte gestanden haben. Da die Übermittlung eines Briefes zwischen Konstanz und Zürich im Normalfall eineinhalb bis zwei Tage beanspruchte, und da man davon ausgehen kann, dass Bullinger für die von Arnold gewünschten Nachforschungen mindestens zwei Tage benötigt haben
wird, kann vorliegender Brief nicht vor dem 6. Dezember anzusetzen sein. Doch muss er ziemlich kurz danach geschrieben worden sein, da unten in Z. 12-15 eine Anspielung auf die am 5. Dezember gerade in Konstanz eingetroffene Überlinger Gesandtschaft (s. Nr. 3088,481) vorliegt. Dieser Schluss wird nämlich durch unten Z. 20-23 bekräftigt.
2 Nicht erhalten.
3 Vielleicht ist hier von Christian Hospinian (Pfarrer in Bassersdorf, Kt. Zürich) die Rede, zumal aus einem am 2. Februar 1548 verfassten Brief seines Bruders Johannes


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licuit, ad quod me sane attinet. Non venit in tempore. Magna me corripuerant ventris tormina, ut ventrem subinde deiicere opportuerit nec quoquam prodire, ne in templum quidem potuerim, ut alius 4 hodie meam vicem concionando impleverit. Praeterea ita ille 5 simul venit et abut, ut vix uno atque altero verbo bonum et eruditum virum salutare licuerit. Affirmat mox nunc a prandio rursum se cum comitibus, quos una adduxit, abiturum. Non est igitur, mi venerande Bullingere, quod mihi vel ob neglectam erga Hospinianum humanitatem et officiositatem vel ob breves istas literas quicquam succenseas, quandoquidem ista temporis angustia prorsum sic tulit.

De nostris rebus, 6 quod nihil novi accident, nihil scribo. Banno isto imperiali, 7 quem vocant, nunc etiam ab Uberlingensibus 8 aliisque vicinis tantum non aqua et igni nobis a interdicitur 9 , cum interim a nostris in horas expectetur, quid a c[aesare]10 respondeatur. Magnis profecto periculis obiicimur, nec quisquam usquam apparet, qui Iosephi huius contritionem miseretur. 11

Arnoldo 12 significanda curavi, quae scripsisti. Consobrino 13 quoque literas tuas legendas misi.

a Über der Zeile nachgetragen.
(Professor in Basel) an Bullinger (Zürich StA, E II 366, 304) hervorgeht, dass Christian vor nicht allzu langer Zeit sich mit Bullinger unterhalten hatte. Es könnte sich aber auch um den in Zürich wohnhaften Wundarzt Fridolin oder um dessen Brüder Adrian (Pfarrer in Fehraltorf, Kt. Zürich) oder Leonhard (damals Schullehrer in Brugg) oder um einen anderen Angehörigen der großen Wirth-Familie gehandelt haben; s. HBBW XVIII 378, Anm. 15; AK XI/2, 1049-1058.
4 Unbekannt. -Zu den damals in Konstanz tätigen Geistlichen s. die Besoldungsliste von 1547 bei Presse!, Blarer 465.
5 Gemeint ist Hospinian.
6 Bezugnahme auf das Aussöhnungsgesuch der Konstanzer mit Kaiser Karl V. - Siehe dazu Nr. 3088, Anm. 10.
7 Die über Konstanz Anfang Oktober 1547 verhängte Handelssperre (Arrestmandat); s. Nr. 3053, Anm. 4; Nr. 3055,24f; Nr. 3073,3f.
8 Die katholisch gebliebene Stadt Überlingen hatte am Bodensee eine Monopolstellung im Kornhandel inne und erhielt am 20. Februar 1547 ein kaiserliches Marktprivileg, das die Bedeutung ihres Kornmarkts (der auch für die Eidgenossen wichtig war) sichern sollte; s. Wilfried Enderle, Konfessionsbildung und
Ratsregiment in der katholischen Reichsstadt Überlingen 1500-1618 im Kontext der Reformationsgeschichte der oberschwäbischen Reichsstädte, Stuttgart 1990, S. 64. 188; Susanne Kress, 'Der Mann uff dem Brunnen'. Die Wappnerbrunnen in Südwestdeutschland als städtische Identitäts- und Erinnerungssymbole im 16. Jahrhundert, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 136, 2000, S. 63f. Seit dem oben in Anm. 7 erwähnten Arrestmandat durften die Überlinger und die benachbarten Orte weder die Konstanzer Märkte besuchen, noch den Konstanzern den Besuch ihrer Märkte gewähren; vgl. Nr. 3092,41-43. Um eine neue Kundschaft zu finden, versuchten die Überlinger, im Dezember einen neuen Markt bei Kreuzungen einzuführen, was die Konstanzer dazu veranlasste, sich bei Leonhard Holzhalb (Landvogt des Thurgaus) und bei den Eidgenossen zu beklagen; s. EA IV/1d 899 e.
9 aqua et igni interdicere: ächten.
10 Karl V.
11 Anspielung auf Gen 37, wo der von seinen Brüdern misshandelte Joseph wenigstens (wenn auch zu spät) Erbarmen bei seinem Bruder Ruhen fand.
12 Gabriel Arnold.
13 Konrad Zwick.


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Scripsi ad te proxime 14 multum rogans, ut, quid istic inter tertii gradus consanguineos, quod ad matrimonialem coniunctionem attinet, a vestris pronuncietur, primo nuncio indicares. Sed forte nondum sunt tibi meae redditae. Ubi acceperis, vehementer obsecro, ut proxima occasione respondeas.

Ora pro nobis, mi suavissime Bullingere, omni adeo humano praesidio destitutis omniumque vicinorum opprobrio et persequutioni expositis, ut fortiter duremus, de coelesti optimi patris auxilio nunquam diffidentes, cuius unius manus vice nobis fuerit multorum millium armatorum militum. 15 O benignissime servator Jesu Christe, magnificetur nomen tuum in nobis! 16 Perfic[ia]tur b virtus tua in nostra illa ab omnibus contempta infirmitate, 17 ut omnes in[t]elligant a patre tibi datam omnem potestatem 18 teque unum esse regem regum ac dominum dominantium, 19 quem nisi osculentur reges terre ac iudices, iratum patrem tuum habituri sint ac proinde de via perituri. 20 Age, adesto potentissimo tuo numine vindex et servator noster, 21 ut per te quoque feliciter vincamus, 22 qui iamdudum de mundo et principe ipsius 23 gloriosissime triumphasti. 24

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Bullingero suo.