Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2851]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
19. März 1547

Autograph: Zürich ZB, Ms F 62, 517 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VT 605f, Nr. 1523 a

[1] Vadian hat sich über Bullingers letzten Brief [nicht erhalten] sehr gefreut. Er jubelt, weil der Herr auch in der größten Hoffnungslosigkeit sein Erbarmen offenbart und dadurch hea

a Mit Lesefehlern. Zu korrigieren sind auf S. 606 in der 5. Zeile von unten ab der Unterschrift et non ipsos in et etiam nos ipsos und zwei Zeilen darunter multae imbecillitati in multorum imbecillitati. Ferner ist auf S. 605, 3. Zeile von unten, nicht zwingend ein fehlendes Wort nach Turcae zu vermuten, wenn mit "horribilem" "horribilem rem"gemeint ist.
16 Nördlingen. — Siehe Nr. 2848, Anm. 22.
17 Ein falsches Gerücht; vgl. nämlich Nr. 2848, Anm. 37.
18 Kardinal Otto Truchsess von Waldburg. — Ein falsches Gerücht.
19 Francisco de Enzinas, der damals in Basel wohnte.
20 Johann Herwagen.
21 Nikolaus Episcopius.
22 Paul III.
23 Reginald Pole. — Erneut ein falsches Gerücht. Vgl. Nr. 2849,25f.
24 Gemeint ist Eduard VI.; vgl. Nr. 2849,22-25.
25 Franz I.
26 Christian III.
27 Gemeint ist eher Sigismund II. August, Sohn des Sigismund I., da Bullinger bereits erfahren hatte (s. Nr. 2841,73f) dass Letzterer gestorben war (was allerdings nicht stimmte).
28 Hansestädte. — Ein falsches Gerücht wie schon in Nr. 2849,27-29.
29 Vielleicht durch die damals gerade aus Augsburg zurückgekehrten Lorenz Meyer (Agricola) und Rudolf Schwyzer d.Ä., die kurz nach Erstellung der für sie bestimmten Empfehlungsschreiben (s. die Briefe Nr. 2838 und Nr. 2839) und eines vom Rat auf Pergament verfassten Dankschreibens (Zürich StA, A 202/1, Nr. 23), alle vom 5. März, Augsburg verlassen hatten. Wahrscheinlich aber liegt hier eine Verschreibung für "ex Constantia" vor; vgl. nämlich Nr. 2849,22-29.
30 Aus dem Inhalt geht deutlich hervor, dass Bullinger den Brief an Gast schrieb. Da er aber nicht mehr dazu kam, auch an Myconius zu schreiben (s. oben Z. 17), wird er sich beim Verfassen der Adresse entschlossen haben, den Brief auch an Myconius zu adressieren. —Vorliegender Brief wurde von Christoph Froschauer übermittelt (s. Nr. 2856,2), der damals vielleicht das von Enzinas bestellte Papier (s. Nr. 2840,[71) nach Basel lieferte.


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weist, dass er gemäß dem Versprechen seines Sohnes 1 seine Kirche nicht verlassen wird. Dennoch fürchtet Vadian, dass manche, die von der gegenwärtigen Lage geschockt sind, [an Gott und an der Kirche] zu zweifeln beginnen. [2] Es ist sicher, dass am 2. März Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen bei Rochlitz (etwa sechs Meilen von Leipzig 2 ) bis zu 4'000 Mann und damit fast die gesamte Reiterei und Infanterie des kaiserlichen Feldherrn Markgraf Albrecht Alcibiades 3 von Brandenburg-Kulmbach geschlagen hat. Dabei wurde der Markgraf mit drei Gefährten und einigen anderen Adligen 4 gefangen genommen. Die erschrockenen Feinde sind nun völlig verunsichert. Zudem [fürchten sie], dass [ihnen] mit Sultan Suleiman Furchtbares bevorsteht. [3] Vadian aber findet Trost im guten Verhältnis der Eidgenossen untereinander. Erfreut sich auch über das Vorhaben des französischen Königs Franz I. 4 der Apostel [Paulus]bemerkte, dass Gott sich manchmal unreiner Menschen bedient, um das Evangelium zu befördern. 6 [4]Hieronymus Sailer ist wieder in Augsburg. 7 Er hat aber seine Frau [Felicitas, geb. Welser] und einige seiner Kinder in St. Gallen zurückgelassen. Deshalb hat ihm Vadian gerade brieflich mitgeteilt, was in der Angelegenheit des dem Sailer gut bekannten [Hans]Muntprat nach Bullingers Auffassung am besten zu tun sei. Bestimmt wird Sailer Muntprats Schulden gänzlich begleichen und diesem liebenswürdigen alten Mann gerne beistehen. 8 _[5]Vadian sendet den Brief der Stadt Konstanz zurück, 9 sowie Bullingers gelehrte
1 Lk 21, 9-19; Joh 16, 20. 33.
2 Die Distanz zwischen Rochlitz und Leipzig beträgt etwa 48 km.
3 Siehe dazu Nr. 2832, Anm. 35.
4 Vgl. Nr. 2849,18; Nr. 2850,7f.
5 Nämlich in Italien einzufallen, s. Nr. 2751,55-57; Nr. 2752,16-21; Nr. 2757,9-11; Nr. 2761,58-60.
6 Siehe Phil 1, 15-18. — Vgl. auch Nr. 277 1,52-56.
7 Zu Sailers Wohnaufenthalten s. HBBW XVI 96f, Anm. 1; XVII 195, Anm. 2.
8 Der Vorname dieses Angehörigen der weitverzweigten Familie Muntprat ergibt sich aus Vadians Brief vom 5. [April] 1547 (Vadian BW VI 603-605, Nr. 1522, wo der Brief irrtümlich auf den 5. März datiert wurde). Die Aussagen über Hans Muntprat im vorliegenden Brief sowie auch in Vadians Brief Nr. 2868 und im oben erwähnten Schreiben vom 5. April erlauben den Schluss, dass er ein "Frommer", d.h. ein Protestant, war; dass er 1547 schon ziemlich alt war; in der Stadt Zürich oder in deren unmittelbarer Nähe wohnte (zumal Vadian an Bullinger einen an ihn gerichteten Brief weiterleitet); in engem Kontakt zum Kaufmann Hieronymus Sailer stand, welcher ihm bei finanziellen Engpässen schon öfters geholfen hatte; und vermutlich selbst auch im Handel tätig war, zumal er einen Sohn hatte, der damals in Spanien wirkte. — Daraus folgt, dass der hier erwähnte
Muntprat nicht dem Pfarrerstand angehörte, also nicht mit dem in HBBW VI 342 nachgewiesenen gleichnamigen Pfarrer identisch ist; dass er kein Konstanzer war, sodass hier nicht der gleichnamige Konstanzer Patrizier (der Bruder von Konrad Zwicks Frau Amalia, geb. Muntprat) gemeint sein kann, der katholisch geblieben und damals Großrat in Konstanz war, später Stadtvogt von Konstanz und österreichischer Hauptmannschaftsverwalter wurde (s. dazu Dobras, Ratsregiment Reg.) und der von 1548 an im Briefwechsel des Ambrosius Blarer mit Bullinger öfters erwähnt wird. — Vermutlich handelt es sich hier um den schon 1491 als Sohn des Ulrich Muntprat (gest. ca. 1515) nachgewiesenen Hans, der 1499 alt genug war, um mit seinem Vater an der Schlacht bei Schwaderloh teilnehmen zu können. Ulrich wurde spätestens 1474 Bürger von Wil (was die enge Beziehung zur Familie Sailer gut erklären würde) und spätestens 1498 auch Bürger von Zürich (was auch den Wohnort des hier erwähnten Hans erklären würde); s. Werner Warth, Die Konstanzer Familie Muntprat und ihre Beziehungen zur Eidgenossenschaft, Zürich 1986 (Zürcher Diplomarbeit am Historischen Seminar; Typoskript). S. 20-22 und Anhang II (Tafel); ders., Die Muntprat und die Eidgenossenschaft, in: Bodensee-Hefte, 1991, Nr. 1, S. 43-47. In Zusammenhang


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Abhandlung "De ira domini et persecutione"10 , in der Vadian mit Dankbarkeit feststellen konnte, wie trefflich das letzte dort behandelte Thema dargestellt wurde, und dies, ohne dass Bullinger dazu von ihm angehalten worden wäre. Schon längst war er der Meinung, dass die Verfolgung als eine Gefährtin des Kreuzes anzusehen sei. Sie ist nicht nur als Strafe für unsere Sünden aufzufassen. Sie dient auch dazu, dass wir, die im Jenseits an dem ruhmvollen Schicksal Christi teilhaben werden, schon hier auf Erden dem gedemütigten irdischen Christus angeglichen werden. Bereits die Hauptapostel 11 betonten, dass die Verfolgung dazu diene, uns zu züchtigen und zu erproben, um uns auf den künftigen sicheren Sieg vorzubereiten. Die St. Galler Pfarrer sind der Meinung, dass Bullingers Abhandlung gedruckt werden sollte, da eine solche Veröffentlichung der Schwachheit vieler Menschen abhelfen würde. [6]Gruß, auch an die Bürgermeister Hans Rudolf Lavater und Johannes Haab.