Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2840]

Francisco de Enzinas
an Bullinger
Basel,
7. März 1547

Autograph: Zürich StA, E II 347, 361 (ohne Siegel) a Druck: Boehmer, Dryander 410f, Nr. 23; Druck und spanische Ubersetzung: Enzinas BW 208-211, Nr. 26

[1] In Bullingers Brief [nicht erhalten] 1 stand, dass Enzinas [Bullingers] Schrift [,,De sacramentis"] 2 innerhalb von 14 Tagen zurücksenden soll. Diesen Brief erhielt Enzinas vor acht

a Klammern ergänzt.
a Allerdings ist die Spur des Verschlussbandes noch sichtbar.
6 Vgl. Nr. 2837,3.
7 Gemeint ist der Zürcher Rat.
8 Johannes Haller.
9 (Hans) Thoman Ruman (Römer).
10 Bekannt ist nur ein Brief Hallers vom 5. März (Nr. 2837).
11 Dieser Brief wurde wie auch die Briefe
gleichen Datums von Haller (Nr. 2837) und von Michael Keller (Nr. 2838) durch Meyer und Schwyzer übermittelt, denen Hans Wilpert Zoller als Begleiter zugewiesen wurde; s. Nr. 2844,1f.
1 Derselbe Brief Bullingers, auf den Enzinas


Briefe_Vol_19-393arpa

Tagen. Jetzt hält er die Schrift für die Rücksendung bereit, doch ließ sich noch kein zuverlässiger Bote finden. [2] Nur Enzinas hat die Schrift gelesen und mit der Abhandlung von Simon Grvnäus [,,De coena domini Simonis Grynaei dictata in cap. XI. 1. Cor. "]3 verglichen. Hier nun in aller Kürze und Offenheit seine Meinung dazu. [3] Die Aufzeichnungen von Grvnäus zeugen von einem scharfsinnigen und philosophisch geschulten Geist, allerdings ist sein Gedankengang kompliziert und demzufolge unklar. Vielleicht liegt das an Grynäus' Wesen, der schwierige, strittige Fragen nicht auf klare Weise darzustellen vermochte, vielleicht aber auch am Thema selbst, das so subtil ist, dass es keine Erklärung duldet. Möglicherweise wollte Grvnäus zudem die zerstrittenen Parteien [unter den Protestanten] aussöhnen, was gerade unter den Gelehrten zu mehrdeutigen oder ungeeigneten Aussagen führt, die nur für Verwirrung sorgen. Denn auch wenn man die Syntax ihrer Aussagen begreifen mag, versteht man deren Sinn noch längst nicht, und es entstehen dadurch nur noch größere Probleme. [4] Ganz anders ist die Schrift [,,De sacramentis "]. Darin formuliert Bullinger sein Anliegen auf klare Weise, und dort liest man, was gemeint ist. Allerdings maßt Enzinas sich nicht an, sich in dieser schwierigen Kontroverse als Schiedsrichter aufzuspielen. Er fühlt sich auch nicht dazu berufen, einen so langen Streit zu schlichten, den selbst die Gelehrtesten nicht zu beschwichtigen vermochten. Er meint aber, dass diejenigen, die die Allgegenwart (grec des Leibes Christi befürworten, sich selbst in die Enge treiben, weil sie Sachen behaupten, die nicht nur absurd sind, sondern sich auch gegenseitig widersprechen. Es gibt nämlich kaum etwas Abwegigeres als die Auffassung, dass Leib und Geist gleich seien! Genauso widersprüchlich ist es zu sagen, Christus sei mit dem Körper anwesend, und sofort danach, er sei spirituell anwesend! Und diejenigen, die vorgeben, dass der Körper vom Himmel wieder herunterkommt, oder dass der Sohn Gottes einen wie die Luft unfassbaren oder willkürlichen Körper habe, und damit leugnen, dass er uns in allein ähnlich ist (außer natürlich in der Sünde), wie es die Schrift selbst bezeugt. 4 diese entziehen uns dabei die größte Hoffnung 5 und werden zu Verleumdern. Sie könnten sich auch nicht von der Beschuldigung reinwaschen, frevelhaft zu sein! [5]Enzinas wird [Katharina, geb. Lomnpart]6 , der Witwe von Grvnäus, den Rat geben, die Schrift bei sich zurückzubehalten und zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu veröffentlichen. [6] In Bezug auf den betagten Exulanten [Bernardino Ochino]7 erwartet Enzinas den Bescheid der Zürcher Obrigkeit. [7] Er wartet auch auf die Antwort des Buchdruckers [Christoph Froschauer] wegen des gewünschten Papiers. Gern würde er wissen, wieviel und wann Froschauer liefern kann. Sollte dieser das Geld schon brauchen, ist Enzinas bereit, es ihm auf Anforderung zukommen zu lassen. Bullinger möge Genaueres mitteilen. [8] Dem Francesco Stancaro hat Enzinas schonend erklärt, was Bullinger ihm ausrichten ließ. Stancaro nimmt auch allein schon die Bemühungen Bullingers ebenso dankbar auf wie wenn dieser ihm tatsächlich zu einer Steile verholfen hätte. [9]Gruß.
sich schon in Nr. 2831 bezogen hatte und den, wie hier aus dem weiteren Satz deutlich wird, Enzinas am 28. Februar erhalten hatte.
2 Siehe HBBW XVI 100, Anm. 29.
3 Eine handschriftlich gebliebene Abhandlung von Grynäus, von der es mehrere Abschriften gab. Ein Exemplar in Basel (Basel UB, Ms A XIII 24) ist mit Randbemerkungen von Enzinas versehen; s. Gilly, Spanien 352, Anm. 286. Auch Bullinger kannte die Schrift, weil Grynäus sie ihm im Jahr 1541 zugesandt hatte, sodass eine Abschrift davon auch in Zürich erhalten geblieben ist; s. HBBW XI 263f mit Anm. 6. Eine weitere Abschrift ist in
Straßburg nachgewiesen; s. ebd. — Wie Enzinas Zugang zu Grynäus' Handschrift erhalten konnte, erhellt aus Nr. 2861, Anm. 2.
4 Anspielung auf Hebr 4, 15.
5 Vielleicht war Enzinas der Auffassung, dass sie damit die körperliche Auferstehung in Frage stellten.
6 Seit September 1538 die zweite Frau von Grynäus. Sie war (aus erster Ehe) die Mutter des in diesem Band öfters vorkommenden Isaak Keller. Katharinas Vater Hans, ein Kaufmann, stammte aus Freiburg i.Br.; s. AK VI 46f zu Nr. 2648.
7 Vgl. nämlich Nr. 2831 und 2854.